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2.4 Streuung

2.4.1 Form- und Strukturfaktor

Abbildung 2.5: Zweidimensionales hexa-gonales Gitter

Besitzt das Objekt, an dem gestreut wird, eine langreichweitige Ordnung von Streuzentren, wie z.B. in einem Kris-tall oder auch bei den hier verwendeten mesoporösen Materialien, lässt sich die Anordnung durch ein Gitter beschrei-ben und es gilt die Bragg-Gleichung (Gl. 2.3). Der Gitterparameter ist da-bei der Abstand zwischen den Streu-zentren. Es existieren mehrere Grund-typen von Gittern (bspw. tetragonal, kubisch, trigonal, etc.), die hier ver-wendeten Materialien besitzen jedoch alle eine zweidimensionale hexagonale Struktur, d.h ein Streuzentrum ist in der Ebene von sechs anderen im glei-chen Abstand umgeben (siehe Grafik 2.5).

Zur vollständigen Beschreibung des streuenden Objekts wird noch die sogenannte Basis benötigt. Sie bezeichnet das sich wiederholende Element, welches jeweils die Gitterplätze belegt. In diesem Fall sind dies die Mesoporen auf dem zweidimensio-nalen Gitter. Das kleinste Volumen (bzw. in 2D die kleinste Fläche), die mit dem Gitter belegt werden kann, heißt Elementarzelle. Sie enthält definitionsgemäß genau einen Gitterpunkt und muss so gestaltet sein, dass durch Aneinanderreihung dieser Elementarzellen das gesamte Volumen abgedeckt wird. Im Falle des 2D-hexagonalen Porengitters ist die Elementarzelle kein Hexagon (enthält drei Gitterpunkte), son-dern ein Parallelogramm mit der Kantenlängedund der FlächeAElem =√

3/2·d2. Die gestreute Intensität einer Ansammlung vonN streuenden Objekten lässt sich

2.4 Streuung

im Rahmen der Born’schen Näherung mit dieser Formel beschreiben:

I(~q) =I0

Dabei bezeichnetI0 die Eingangsintensität. Diese wird allerdings für die nachfolgen-den Formeln auf 1 gesetzt und nicht mehr explizit ausgeschrieben. Weiterhin steht an für die Streulängendichte der streuenden Objekte und~rn für deren Raumvektor.

Im Falle eines Punktgitters ist an für alle N Objekte gleich und kann durch die Streuamplitude der BasisF(~q) ersetzt werden:

I(~q) =I0

An dieser Stelle bietet es sich an, das reziproke Gitter einzuführen. Dieses wird formal gesehen durch diejenigen Vektoren im Fourierraum~ggebildet, für die folgende Gleichung gilt:

exp(i~g~r) = 1. (2.7)

Das bedeutet, dass das reziproke Gitter einfach die Fourier-Transformierte des Realraumgitters ist. Weiterhin lässt sich folgern, dass somit zu jedem Raumgitter auch ein reziprokes Gitter existiert. Mit Hilfe des Vektors~glässt sich dann die Bragg-Gleichung (Gl. 2.3) auch in einer allgemeinen Form schreiben (vgl. Gl. 2.4):

~g=k~0~k. (2.8)

Betrachtet man nun wieder die streuenden Objekte in der Basis, stellt man fest, dass diese i.A. nicht punktförmig sind, sondern aus einer spezifischen räumlichen Verteilung der Streulängendichteρ(~r) bestehen. In diesem Fall wird aus der Summe in obiger Gleichung ein Integral:

I(~q) =

Gleichung 2.9 beschreibt im Grunde eine kontinuierliche Fourier-Transformation der Streulängendichteverteilung ρ(~r). Tatsächlich misst man in SANS bzw. SAXS-Experimenten nichts anderes als die Fourier-Transformierte der Streulängendichte-verteilung, allerdings quadriert, so dass eine direkte Rücktransformation nicht mög-lich ist. Dies liegt daran, dass die Intensität durch das Quadrat der Amplituden (Exponentialfunktion in obiger Gleichung) gegeben ist. Da es nicht möglich ist, bei der Streuung die Amplitude zu messen, ist es damit auch nicht möglich direkt aus den Streudaten die reale Verteilung der streuenden Objekte zu berechnen. Durch diesen Informationsverlust entsteht das Problem der Mehrdeutigkeit von Streuda-ten (Phasenproblem), d.h. verschiedene Konfigurationen von streuenden ObjekStreuda-ten können das gleiche Streuprofil erzeugen.

2 Grundlagen

Um dennoch Strukturinformationen über das streuende System zu erhalten, wer-den z.B. Modelle für wer-den Dichteverlauf im Realraumρ(~r) aufgestellt, die dann durch Fourier-Transformation in den reziproken Raum (q-Raum) überführt [72] werden und so mit experimentellen Daten verglichen werden können. Ein solches Modell kann eine Funktion sein, die dann wie in obiger Gleichung mit der kontinuierlichen Fourier-Transformation umgerechnet wird (s. Kap. 4.1), aber auch eine Matrix für die die diskrete Fourier-Transformation benutzt wird (s. Kap. 4.2).

Gleichung 2.9 wird z.B. in der Kleinwinkelstreuung genutzt, um die Streuung iso-lierter Partikel zu beschreiben. Für einige einfache geometrische Formen der streu-enden Partikel ist es möglich das Integral analytisch zu lösen, für sphärische Partikel erhält man bspw. [73]:

wobei R den Radius des Partikels, V sein Volumen und ∆ρ den Streulängen-dichteunterschied angibt. Die rechte Seite der obigen Gleichung bezeichnet dann das Quadrat des sogenannten Formfaktors|F(q)|2.

Für diese Arbeit ist auch der Formfaktor für Kreisscheiben besonders wichtig, da er in den Kapiteln 4.1 und 4.4 benötigt wird. Dieser lässt sich über folgende Integration in Polarkoordinaten bestimmen:

exp (−iqrcos(φ))ρ(r)rdrdφ, (2.11) wobeiRden Radius der Scheibe undAihre Fläche beschreibt. Das Ergebnis dieser Integration ist eine Besselfunktion erster Ordnung:

F(q) = (∆ρ)A2J1(qR)

qR . (2.12)

Sind die Partikel hingegen auf einem Gitter arrangiert, wie es bei den hier ver-wendeten mesoporösen Materialien der Fall ist, wird üblicherweise dieser Ansatz zur Beschreibung der gestreuten Intensität gewählt:

I(~q) =S(~q)· |F(~q)|2. (2.13) Die allgemeine Herleitung dieses Ansatzes ist bspw. in Referenz [74] zu finden.

Der StrukturfaktorS(~q) beschreibt dann die Korrelation zwischen den streuenden Partikeln. Für nicht-korrelierte Partikel ist er 1 und im entgegen gesetzten Fall eines idealen Kristalls (perfekte Ordnung, praktisch unendlich groß) besteht der Struktur-faktor nur aus δ-Funktionen, die nur an den reziproken Gitterplätzen einen Beitrag liefern. Für einen realen Kristall verbreitern sich die δ-Funktionen auf Grund der

2.4 Streuung Störung der Fernordnung bzw. durch die endliche Größe. Dabei kann die Kristal-litgröße des Kristalls l an Hand der Breite ∆q der Peaks (volle Breite bei halber Maximumsintensität) bestimmt werden. Dazu wird die sogenannte Scherrer-Formel genutzt [71]:

∆q= 2πK

l . (2.14)

Die KonstanteK ist mit der Geometrie des Gitter verknüpft, wird aber üblicher-weise zu 0.9 gesetzt. Experimentell muss zunächst die gemessene Peakbreite um das Auflösungsvermögen der Apparatur korrigiert werden bevor diese Rechnung durch-geführt kann. Aber selbst dann können zusätzliche Faktoren, die eine Unordnung im Gitter erzeugen, die Breite der Peaks erhöhen, wodurch eine Modifikation der Scherrer-Formel (nachzulesen z.B. in [75]) notwendig wird.

Die Peaks des Strukturfaktors werden zur Unterscheidung üblicherweise indiziert.

Dazu nutzt man die sogenannten Miller-Indizeshkl. Im Falle eines zweidimensiona-len Gitters wie bei den mesoporösen Materialien MCM-41 und SBA-15 reduzieren sich die Miller-Indizes aufh und k. Speziell für das 2D-hexagonale Gitter lässt sich dabei folgende Beziehung zwischen dem Gitterparameterd und der q-Position der Bragg-Peaksqhk nutzen:

qhk = 4π d

3 ·ph2+k2+hk. (2.15)

Die Reihenfolge der Bragg-Peaks ist damit (10), (11), (20), (21), (30), (22),. . . . Auf Grund der Symmetrie des Gitters sind dabei bspw. die Peaks (10) und (01) am selben q-Wert zu finden. Die Höhen der Bragg-Peaks werden hierbei entsprechend Gleichung 2.13 durch den Formfaktor moduliert. Dies wird später in den Kapiteln 4.1 und 4.4 ausgenutzt.

Im Fall eines perfekten Kristalls, existieren nur die Bragg-Peaks, da der Struktur-faktor außerhalb der Peaks 0 ist. Die Summe der Streuung in den Bragg-Peaks wird als Bragg-Streuung bezeichnet. In einem Streuexperiment findet man jedoch, dass eine Probe auch Streuung außerhalb der Bragg-Peaks erzeugt. Diese Streuung wird dann als diffuse Streuung bezeichnet. In Kapitel 3.1 ist in Grafik 3.2 die Aufteilung der Streuung in den Bragg-Anteil und die diffuse Streuung an einer typischen expe-rimentellen Streukurve zu sehen.

Der Grund für die Existenz der diffusen Streuung liegt in der Störung der Periodi-zität des Gitters, wie sie in jedem Material zu finden ist. Die Stärke der Unordnung in einer Probe bestimmt dann auch wie sich die Streuung in Bragg-Peaks und dif-fuse Streuung aufteilt. In einem komplett ungeordneten System sind keine Bragg-Peaks zu finden und die diffuse Streuung erstreckt sich quasi über den ganzen q-Bereich. Die Kleinwinkelstreuung der mesoporösen Materialien in dieser Arbeit liegt zwischen den beiden zuvor beschriebenen Extremen, d.h Bragg-Peaks sind deutlich

2 Grundlagen

sichtbar, allerdings liegen sie auf einem klar erkennbaren diffusen Untergrund. Die-ser Untergrund kann bspw. dadurch erzeugt werden, dass eine Abstandsverteilung der Poren vorliegt oder die Poren nicht immer exakt auf den Gitterplätzen zentriert liegen. Zusätzliche diffuse Streuung kann hier zudem durch ungeordnete kleinere Poren (Mikroporen) erzeugt werden. Dies wird in Kapitel 4.2 beleuchtet.

Der Verlauf der diffusen Streuung ist durch die Korrelation der streuenden Ob-jekte im Realraum bestimmt. Existiert bspw. in einem System aus zwei Phasen eine Nahordnung, jedoch keine Fernordnung, so weist die diffuse Streuung ein Maximum auf. Das Korrelationsmaximum im Realraum korrespondiert also mit einem Maxi-mum der diffusen Streuung im Fourierraum. Ein Beispiel dafür wird in Kapitel 4.4 diskutiert.