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5. Performatives Pacing

5.3. Zusammenhang zum ludischen Pacing

5.3.2. Flow Theorie

Die Kopplung des ludischen mit dem performativen Pacing kann auch durch die Flow-Theorie belegt werden, welche ein Spielgefühl in der Spielerin beschreibt: Das ludische Pacing hängt mit dem Tempo des Spiels und dem Schwierigkeitsgrad zusammen, weshalb optimalerweise die Spielerfahrung so ge-staltet werden sollte, dass die Spielerin weder gelangweilt noch überfordert ist. Trifft dies zu, so kann man von einem Flow-Zustand sprechen, in dem sie sich befindet. Das psychologische Konzept von Flow wurde von Mihaly Csikszentmihalyi 1975 geprägt und bezieht sich auf den mentalen Zustand, der auf-tritt, wenn eine Person komplett in eine Aufgabe eingetaucht ist und dabei Zeit und Raum um sich herum vergisst:

„In the flow state, action follows upon action according to an internal logic that seems to need no conscious intervention by the actor. He experiences it as a unified flowing from one moment to the next, in which he is in control of his actions, and in which there is little distinction between self and environment, between stimulus and response, or between past, present, and fu-ture.“182

In Abb. 20 ist der Flow-Graph abgebildet, der die Beziehung zwischen den Fähigkeiten der Spielerin (Skills) und der Schwierigkeit des Spiels (Challenges) repräsentiert. Die Fähigkeiten der Spielerin hän-gen dabei mit dem performativen Pacing zusammen, während die Schwierigkeit dem ludischen Pacing zugeordnet wird, weshalb das Gefühl von Flow in der Spielerin durch das Zusammenspiel des ludischen und performativen Pacings entstehen kann. Ist die Herausforderung zu groß und die Fähigkeit, damit umzugehen, zu gering, so führt dies zu Überforderung (Anxiety) und im umgekehrten Fall zu Unterfor-derung (Boredom).183 In beiden Fällen wurde das ludische Pacing nicht an die Fähigkeiten der Spielerin und deren Performanz angepasst. Sind die Fähigkeiten aber gegenüber den Herausforderungen in der Balance, so befindet sich die Spielerin im Flow-Kanal (Flow Channel). Dieser steigt zunehmend an, da

182 Mihaly Csikszentmihalyi, Beyond Boredom and Anxiety: The Experience of Play in Work and Games (Jossey-Bass, 1975), 36.

183 vgl. Kremers, Level Design: Concept, Theory, and Practice, 147.

Abbildung 20: Flow Graph (Schell. 2008, 121)

52 die Spielerin durch gesammelte Erfahrungen kompetenter wird und dadurch im weiteren Verlauf grö-ßere Herausforderungen als zuvor braucht, um nicht unterfordert zu werden. Insgesamt sollte die Schwierigkeit im Spiel also kontinuierlich hochgesetzt werden, jedoch sollte die Spielerin immer wieder die Möglichkeit haben, eine Pause zu machen und ihre nächsten Schritte zu planen, Ressourcen zu investieren und sich auf das nächste action-geladene Event vorzubereiten.184

Während neue Inhalte und schwierige Sektionen die Intensität im Spiel erhöhen, ist diese bei repetiti-ven Tätigkeiten und einem geringen Schwierigkeitsgrad niedrig. Zu lange Perioden der hohen Intensität führen zu Erschöpfung seitens der Spielerin, zu lange Abschnitte von niedriger Intensität führen zu Langeweile.185 Deshalb sollte innerhalb des Flow-Kanals, welcher stetig steigt, auch eine Schwankung in der Intensität erfolgen, was in Abb. 20 anhand der geschlängelten Kurve zu sehen ist. Hier findet eine Abwechslung zwischen steigenden Schwierigkeiten und Perioden mit einer geringeren Herausfor-derung statt: Bspw. folgt auf eine steigende Schwierigkeit eine Belohnung, die der Spielerin mehr Macht im Spiel gibt, wodurch die folgenden Herausforderungen einfacher werden. Kurz darauf ist die Herausforderung jedoch wieder höher. Solch eine steigende Sinuskurve macht somit das Erlebnis für die Spielerin interessanter als eine lineare Steigung der Herausforderung186 und bietet McMillan zu-folge eine ideale Spielerfahrung.187 Durch ein passendes ludisches sowie performatives Pacing ist es folglich möglich, die Spielerin im Flow-Zustand zu halten.188 Doch wie wird eine passende Schwierigkeit gestaltet? Hier findet das im Kapitel 4.2.4. erwähnte zahlen- und datengetriebene Rational Level De-sign (RLD) Anwendung, durch welches die Schwierigkeitserhöhung einzelner Elemente berechnet wer-den kann, sofern nicht Elemente hineinspielen, die nicht quantifizierbar sind.189

Eine Balance zwischen der Herausforderung und der Fähigkeit der Spielerin zu finden, ist jedoch schwierig, da jede Spielerin andere Fähigkeiten und somit einen eigenen Skill-Level mitbringt. Während eine bestimmte Herausforderung von der einen Spielerin als einfach empfunden wird, kann sie für die nächste ein unüberwindbares Hindernis darstellen.190 Um dies zu vermeiden, hilft eine dynamische Schwierigkeits-Adaption (Dynamic Difficulty Adjustment DDA) im Spiel.191 Hierbei wird die Spielerfah-rung jeweils an die verschiedenen Skill-Levels und Spielstile der Spielerinnen angepasst: „Much rese-arch centers around designing a system that adjusts the difficulty based on the player's performance.

This kind of system-oriented DDA works under an iterative adjusting loop.“192

Der Kreislauf besteht dabei aus vier Elementen: (1) Der Spielerin, die durch das Spielen Daten kreiert, die von (2) dem Monitor-System, welches die relevanten Daten aussucht, die den Flow-Zustand der

184 vgl. Kramarzewski und De Nucci, Practical Game Design, 353.

185 vgl. Kramarzewski und De Nucci, 350.

186 vgl. Schell, The Art of Game Design, 121.

187 vgl. McMillan, „The Rational Design Handbook“, 14. Oktober 2013.

188 vgl. Jacek Wesolowski, „Beyond Pacing: Games Aren’t Hollywood“, Gamasutra, 2009, https://www.gamasu-tra.com/view/feature/4032/beyond_pacing_games_arent_.php?print=1.

189 vgl. McMillan, „The Rational Design Handbook“, 6. August 2013.

190 vgl. Kremers, Level Design: Concept, Theory, and Practice, 262 f.

191 vgl. Jenova Chen, „Flow in Games“ (2006), 8 ff, https://www.jenovachen.com/flow-ingames/Flow_in_games_final.pdf.

192 Chen, 12.

53 Spielerin reflektieren, zum (3) Analyse-System

weitergegeben werden. Dieses analysiert den Flow-Zustand der Spielerin und benachrichtigt das (4) Spielsystem, was am Gameplay geändert werden muss. Das Spielsystem wendet die Verän-derungen am Gameplay an (siehe Abb. 21).

Jenova Chen bezeichnet solch einen systemorien-tierten DDA-Kreislauf als eine passive Flow-An-passung. Aber es gibt auch die Möglichkeit der ak-tiven Flow-Anpassung, die darauf basiert, dass die Spielerin das Gefühl von Kontrolle über die Spiel-handlungen bekommt. Chen sieht dabei das Ge-fühl von Kontrolle als einen Kernaspekt des Flow-Zustands an, denn in Spielen können die Spiele-rinnen nicht nur Kontrolle durch Progression er-langen, sondern sie sich auch durch das Treffen

bedeutender Entscheidungen verdienen. Dazu muss das Spiel ein weites Spektrum an Handlungen und Schwierigkeiten für verschiedene Spielerinnen-Typen bieten. Dies ermöglicht den Spielerinnen, unter-schiedliche Entscheidungen zu treffen und in unterunter-schiedlichem Tempo durch das Spiel zu navigieren.

Durch solch ein Spielerinnen-orientiertes DDA-System wird die Flow-Erfahrung für die Spielerinnen selbst anpassbar. Wenn sie sich gelangweilt fühlen, können sie sich dazu entscheiden, Passagen ris-kanter durchzuspielen, und umgekehrt.193

Eine weitere Möglichkeit, der Spielerin Kontrolle über den Schwierigkeitsgrad zu geben, sind verschie-dene Schwierigkeits-Modi, durch die die Spielerin vor und während des Spiels entscheiden kann, ob sie es bspw. auf Einfach, Medium oder Schwer spielen möchte. Durch diese Wahl werden verschiedene Parameter im Spiel beeinflusst, z.B. die Zahl der benötigten Treffer, um einen Gegner zu besiegen.

Durch solche Modi kann die Spielerin erkennen, ob sie den gewählten Schwierigkeitsgrad passend für sich findet, oder ob sie es lieber einfacher oder herausfordernder haben möchte. Auch eine geografi-sche Verteilung, bei der härtere Gegner in spezifigeografi-schen Gegenden der Spielwelt vorkommen, kann der Spielerin helfen, die Kontrolle über den Schwierigkeitsgrad zu erlangen. Denn sie kann entscheiden, ab wann sie diesen erhöhen und sich an die schwereren Herausforderungen wagen, oder ob sie vorher noch Erfahrungen sammeln und ihren Charakter dadurch stärker machen möchte, um sich später die Herausforderungen zu vereinfachen.194 Auch gibt es die Möglichkeit eines adaptiven Schwierigkeits-grads über eine KI, was ausführlicher in Kapitel 5.4. im Zusammenhang zum emergenten Pacing disku-tiert wird.

193 vgl. Chen, 11 ff.

194 vgl. Perry und DeMaria, David Perry on Game Design, 649.

Abbildung 21: System-orientierter DDA-Kreislauf (http://jenovachen.com/flowingames/design-fig.htm#_Toc135000004)

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Im Dokument Masterarbeit. Pacing im Level Design (Seite 51-54)