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Feststellen der Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen

3 Feststellung der Beeinträchtigung / Konfliktanalyse

3.1 Stärke, Dauer und Reichweite der vorhabenbezogenen Wirkungen

3.1.2 Feststellen der Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen

Unter Berücksichtigung der o.g. Sonderregelung für die natürlichen Bodenfunktionen erfolgt für alle Schutzgüter des Naturhaushalts (einschließlich Biotope) und das Landschaftsbild die Feststellung der Schwere der vorhabenbezogenen Beeinträchtigungen nach Anlage 3 Nr. 1 BKompV. Die Schwere der Beeinträchtigungen wird anhand ihrer Stärke, Dauer und Reichweite bewertet. Dabei ist der Begriff

„Stärke“ im Sinne von Intensität, der Begriff „Dauer“ im Sinne von Zeitdauer und der Begriff

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„Reichweite“ im Sinne von Ausbreitung zu verstehen (vgl. die Begründung zur BKompV BT-Drs.

19/17344: 165). Zur Beurteilung der Schwere der Beeinträchtigungen müssen alle drei Aspekte geprüft werden, es müssen aber nicht alle drei erfüllt sein. Vielmehr kann bereits ein Kriterium für die Beurteilung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung oder eine erhebliche Beeinträchtigung besonderer Schwere vorliegt, den Ausschlag geben (z. B. besitzen Versiegelungen keine hohe Reichweite, sie sind aufgrund der hohen Intensität und Dauer der Beeinträchtigungen aber als Beeinträchtigung hoher Schwere einzustufen).

Im Folgenden werden Hinweise zur Bewertung der Schwere der Beeinträchtigungen bei den verschiedenen Schutzgutfunktionen gegeben.

Vorhabenbezogene Wirkungen mit hoher Schwere

Vorhabenbezogene Wirkungen hoher Schwere (Stufe III) besitzen eine hohe Stärke, Dauer und / oder Reichweite.

Eine hohe Stärke der Beeinträchtigungen ist immer dann gegeben, wenn die Schutzgutfunktionen durch den Wirkfaktor vollständig oder weitgehend zerstört werden. So führt eine Versiegelung immer zu einem vollständigen Verlust des Lebensraums von Tieren und Pflanzen sowie zu einem Verlust aller Bodenfunktionen.

Eine hohe zeitliche Dauer ist v.a. bei dauerhaften anlagebedingten sowie dauerhaft auftretenden betriebsbedingten Beeinträchtigungen gegeben. Baubedingte Beeinträchtigungen besitzen nur dann eine hohe zeitliche Dauer, wenn die hervorgerufenen Beeinträchtigungen nicht kurzfristig regenerierbar sind. Beispielsweise geht die Lebensraumfunktion eines alten Waldbestandes für Altholz bewohnende Arten langfristig verloren, auch wenn dieser „nur“ baubedingt gerodet und nach Abschluss der Baumaßnahme die Fläche wieder aufgeforstet wird.

Eine hohe Reichweite besitzen vorhabenbezogene Wirkungen, die über den Vorhabenstandort hinaus mit hoher Intensität wirken. Dies können beispielsweise starke Lärmbelastungen sein, die für lärmempfindliche Arten die Lebensraumfunktion in einem größeren Radius um das Vorhaben stark einschränken, oder Barriereeffekte, die weiträumige Wanderbeziehungen von Arten unterbrechen, sowie hohe Bauwerke (Masten, Brücken, etc.), die in gut einsehbaren Landschaftsräumen weithin sichtbar sind.

Beim Schutzgut Tiere und Pflanzen besitzen demnach die dauerhaften Verluste von Lebensräumen insbesondere durch Versiegelung und Überbauungen (Böschungen, Dämme, Einschnitte) und bauliche Veränderungen an Gewässern im Regelfall eine hohe Wirkintensität. Auch baubedingte Verluste von Lebensräumen oder Habitatstrukturen, die schwer regenerierbar sind (Biotopstrukturen mit langen Entwicklungszeiten, Habitatelemente mit besonderen Funktionen, z. B. Höhlenbäume), sind hier einzuordnen. Diese Wirkungen sind bei allen Vorhabentypen relevant.

Für einzelne Arten oder Artengruppen kann auch der vollständige Verlust von Austausch- und Wechselbeziehungen (der jedoch durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden oder zu mindern ist) oder der vollständige Verlust eines Lebensraumes infolge starker insbesondere nicht-stofflicher Emissionen (akustische und optische Störwirkungen) eine hohe Wirkintensität besitzen.

Barriereeffekte sowie starke akustische und optische Störwirkungen können insbesondere bei linearen Infrastrukturvorhaben (Straße, Schiene, vgl. z. B. Garniel et al. 2010) regelmäßig relevant werden, können aber auch bei anderen Vorhabentypen auftreten.

Bei den Schutzgütern Boden, Wasser, Klima und Luft können v.a. direkte und dauerhafte Eingriffe in Oberflächengewässer (Verlegung, Verrohrung, Querung, technischer Ausbau) und die Versiegelung naturnaher Böden Beeinträchtigung mit hoher Wirkintensität auslösen. Beim Schutzgut Boden ist die

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Regelung der Anlage 3 Nr. 2 BKompV zu beachten. Auch die Verkleinerung von Retentionsräumen oder die Unterbrechung von bedeutenden Kalt- oder Frischluftabflussbahnen können im Einzelfall eine hohe Beeinträchtigungsintensität besitzen. Dies ist wiederum abhängig von der Art des Vorhabens.

Während hier lineare Infrastrukturvorhaben zu größeren Beeinträchtigungen führen können, sind die Wirkungen von oberirdischen oder unterirdischen Leitungstrassen eher gering.

Beim Landschaftsbild kann eine hohe Wirkintensität immer dann angenommen werden, wenn die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes eine große räumliche Wirkung erzeugt. Dies ist in der Regel bei weithin sichtbaren, hohen Bauwerken (z. B. Freileitungsmasten) der Fall. Bei einem Verlust oder der Überprägung von Einzelelementen ist die räumliche Wirkung der Elemente im jeweiligen Einzelfall entscheidend, z. B. ob es sich um besonders prägende oder Identität stiftende Elemente handelt (z. B.

markante Einzelbäume, prägende Hangkante, alte Allee, historische Sichtachse etc.), deren Beeinträchtigung erheblichen Einfluss auf die Charakteristik der jeweiligen Landschaftsbildeinheit hat.

Vorhabenbezogene Wirkungen mit mittlerer Schwere

Bei vorhabenbezogenen Wirkungen mittlerer Schwere (Stufe II) sind die Stärke, Dauer und / oder Reichweite der Beeinträchtigungen weniger stark ausgeprägt.

Beim Schutzgut Tiere und Pflanzen sind hier insbesondere indirekte Wirkungen auf Lebensräume und Standorte von Pflanzenarten relevant. Viele dieser Wirkungen sind bereits durch die Berücksichtigung mittelbarer Beeinträchtigungen von Biotopen abgedeckt (z. B. Waldanschnitt, Veränderungen des Wasserhaushalts (veränderte Grundwasserstände, Staunässe), Beschattung, vgl. Kap. 3.2). Im Einzelfall kann es darüber hinaus erforderlich sein, spezifische Wirkungen auf einzelne Arten genauer zu betrachten. Auch die Störung von Wechselbeziehungen oder die Qualitätsminderung von Habitatstrukturen (z. B. durch mäßige Lärmbelastung oder optische Störwirkungen) sind hier einzuordnen.

Hinsichtlich der Schutzgüter Boden, Wasser, Klima und Luft wären bei Fließgewässern z. B. temporäre Beeinträchtigungen durch Gewässerquerung, -verbau oder stoffliche Einleitungen relevante Beeinträchtigungen, die dieser Wirkintensität zuzuordnen wären. Beim Boden wären es Eingriffe, die zwar das Bodengefüge verändern, aber nicht zu einem vollständigen Verlust von Bodenfunktionen führen, z. B. Überbauung von Böden (Böschungen, Dämme) sowie baubedingte Eingriffe mit temporären Wirkungen. Großflächig können solche baubedingten Eingriffe insbesondere beim Rohrleitungsbau auftreten, aber auch für andere Vorhabentypen sind Baustreifen und Baueinrichtungsflächen erforderlich. Beim Schutzgut Klima / Luft können z. B. die Behinderung von Kalt- oder Frischluftabflussbahnen oder der Verlust von Flächen mit besonderer klimatischer oder lufthygienischer Ausgleichsfunktion eine mittlere Wirkintensität besitzen.

Beim Landschaftsbild sind die optischen Beeinträchtigungen durch technische Bauwerke ohne besondere Fernwirkung sowie die Verlärmung von Erholungsräumen im Regelfall hier einzuordnen.

Auch der Verlust weiterer gliedernder oder belebender Einzelelemente, die nicht die oben beschriebene besonders prägende oder Identität stiftende Funktion haben, wäre hier einzugruppieren.

Vorhabenbezogene Wirkungen mit geringer Schwere

Bei vorhabenbezogenen Wirkungen geringer Schwere (Stufe I) sind die Stärke, Dauer und / oder Reichweite der Beeinträchtigungen weiter reduziert. Hierunter fallen z. B. viele baubedingte Beeinträchtigungen wie temporäre nicht stoffliche Emissionen (akustische oder optische Störreize, Licht), baubedingte Erschütterungen sowie baubedingte stoffliche Emissionen durch den Baubetrieb.

Diese können je nach Intensität und Länge der Bauzeit beim Schutzgut Tiere und Pflanzen, beim

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Landschaftsbild und beim Vorliegen einer hohen Verschmutzungsempfindlichkeit des Grundwassers relevant sein. Auch baubedingte Sedimenteinträge in Oberflächengewässer können relevante Wirkungen auf das Gewässer und die Wasserlebensgemeinschaften haben.

Weiterhin weisen einige betriebsbedingte Beeinträchtigungen im Regelfall nur eine geringe Intensität auf. Hierunter fallen z. B. Schadstoffeinträge des Straßenverkehrs über den Luftpfad, die sich in der Regel auf den Nahebereich von Straßen konzentrieren. Auch Wartungsarbeiten an Leitungen oder Anlagen, die wiederkehrend, aber nur kurzfristig auftreten, verursachen in der Regel nur Beeinträchtigungen geringer Intensität (z. B. optische und akustische Störwirkungen).

Insbesondere in dieser Wirkkategorie ist es möglich, dass bestimmte Vorhabentypen bei bestimmten Schutzgutfunktionen keine erheblichen Beeinträchtigungen hervorrufen, die hier einzuordnen wären.

Beispielsweise sind mit dem Netzausbau in der Regel keine vorhabenbezogenen Wirkungen geringer Intensität verbunden, die bei den beim Schutzgut Klima / Luft betrachteten Funktionen erhebliche Beeinträchtigungen (eB oder eBS) hervorrufen würden.