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2 MEDIENKOMPETENZ

2.1 M EDIENKOMPETENZ IM MEDIENPÄDAGOGISCHEN D ISKURS

2.1.4 Fazit

Mit der Einbettung des Konzepts der Medienkompetenz in übergeordnete Kompetenz-konzepte (z.B. kommunikative-, Handlungskompetenz) wurde ein Rahmen vorgelegt, der aus Sicht der Medienpädagogik erst die differenzierte Beschäftigung mit dem Kon-zept Medienkompetenz ermöglichte (Groeben, 2002a). Eine Ablehnung dieser theorie-historischen Verbindung als „unnötiges wissenschaftliches Imponiergehabe“ (Win-terhoff-Spurk, 1999) erscheint trotz aller Kritik am medienpädagogischen begriff jedoch als übertrieben, da sich erst durch den Rückgriff auf die Kompetenz-Performanz-Unterscheidung von Chomsky und deren Übernahme und Weiterentwick-lung im soziologischen Diskurs eine Ausgangslage ergab, aus der z.B. Dieter Baacke eine Einordnung des Begriffes in den pädagogischen Kontext vorgenommen hat.

Allerdings bleibt der Begriff Medienkompetenz im medienpädagogischen Diskurs mit diversen Schwächen behaftet, die nicht gelöst werden können. Dies betrifft einerseits den Teilbegriff der Medien, andererseits den Teilbegriff der Kompetenz. Die größte Schwäche des Medienkompetenz-Begriffes besteht mit Baacke darin:

„ (…) daß er weit und darum auch empirisch ‚leer’ bleibt. Wie ‚Medienkompe-tenz’ im einzelnen aussehen soll, welche Reichweite das Konzept hat, dies sagt der Begriff selbst nicht, und auch seine theoretischen Hintergründe malen dies nicht aus“ (Baacke, 1996, S. 119).

Zwar finden sich im medienpädagogischen Diskurs verschiedene Dimensionen des Me-dienkompetenz-Begriffes (im Wesentlichen sind dies die Dimensionen: kognitive, ana-lytisch-evaluative, sozial-reflektive und handlungsorientierte Fähigkeiten, vgl. Kübler, 1999), die sich z.T. überschneiden oder ineinander überführbar sind (siehe Tabelle 3, S.

13). Die Dimensionen bleiben jedoch hinsichtlich des Zielkriteriums der empirischen Operationalisierbarkeit abstrakt, und damit das „Medienkompetenzmodell weitgehend

‚empirisch leer’“ (Dewe & Sander, 1996, S. 139). Eng damit zusammen hängt die in der Medienpädagogik präferierte Medienunspezifität und die Ansicht, dass das Konzept der Medienkompetenz ‚zukunftsoffen’, d.h. auf zukünftige technologische Entwicklungen anwendbar sein soll (Aufenanger, 1998). Dies macht eine: „(…) nähere Bestimmung [des Konzeptes Medienkompetenz] aber schwierig, da wir nicht wissen, welche Medien-kompetenz zum Handeln in einer noch stärker durch Medien geprägten Welt etwa in der Mitte des nächsten Jahrhunderts auszusehen hat“ (Aufenanger, 1998, S. 7, Einfügung

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durch die Autorin). Eine hinreichende Operationalisierung kann unter solchen Bedin-gungen nicht gelingen. Mit Groeben (2002b) ist deshalb das Konstrukt Medienkompe-tenz eher auf einem mittleren Abstraktionsniveau anzusiedeln: „(…) d.h. es sind also zu konkretistische Teilaspekte von Medienbezug ebenso zu vermeiden wie zu abstrakte Generalisierungen, die eine entsprechende Operationalisierung des Konstruktes prak-tisch unmöglich machen würden“ (S. 160). Medienkompetenz ist demnach nicht zu spe-zifisch auf ein Medium, z.B. den Computer, zu begrenzen. Ebenso ist eine Abgrenzung von übergeordneten, generelleren Kompetenz-Konstrukten notwendig.

Eine weitere Schwäche des Begriffes Medienkompetenz im medienpädagogischen Dis-kurs ist seine pädagogische Unspezifität: „’Medienkompetenz’ gibt also nicht an, wie die (…) Dimensionierung des Konzeptes praktisch, didaktisch oder methodisch zu or-ganisieren und damit zu vermitteln sei“ (Baacke, 1996, S. 121; vgl. auch Neuss, 2000).

Dieses Manko soll nach Baacke dadurch behoben werden, dass mit dem Begriff ‚Me-dienkompetenz’ gleichzeitig die Begriffe ‚Bildung’ und ‚Erziehung’ gedacht werden, wobei: „(…) ‚Erziehung’ die pädagogische Auslegung und Methodisierung von Kom-petenz anzielt, während ‚Bildung’ eher kulturelle Lebensräume bereitstellt, in denen das jeweilige Individuum sich verwirklichen, sein Ich aber auch transzendieren kann“ (Baa-cke, 1999a, S. 2). Allerdings bleibt auch dabei unklar, worin die pädagogische Spezifität dieser beiden Begriffe liegt. Seine Forderung: „Wer von ‚Medienkompetenz’ redet, muß gleichzeitig davon reden, wie die diese zu vermitteln sei (…)“ (Baacke, 1996, S. 121), erscheint insbesondere für Programme zur spezifischen Förderung von Medienkompe-tenz notwendig. Die Verbindung zwischen Theorie (d.h. ein empirisch bewährtes Aus-sagensystem) und Praxis (d.h. ein am Einzelfall ausgerichtetes Anstreben eines definier-ten Zieles durch bestimmte Handlungen und Verhaldefinier-tensweisen) sollte dabei explizit durch technologische Aussagen realisiert werden (Patry & Perrez, 2000).

Unklar bleibt im medienpädagogischen Konzept der Medienkompetenz auch der Kom-petenzbegriff selbst. Kompetenz wird als ein „anspruchsvolles Konzept“ betrachtet, bei dem es nicht ausreiche, ihn in einzelne Eigenschaften „auszubuchstabieren“ (Baacke, 1999a, S. 2). Genau danach verlangt jedoch eine operationale Definition, um die ‚empi-rische Leere’ des Konzeptes zu beheben. Baackes (1999a) tautologische Auffassung von Kompetenz widerspricht zudem der pädagogischen Auffassung, Medienkompetenz zu fördern. Eine tautologische Beschreibungsdimension kann nicht Gegenstand einer medienpädagogischen Förderung sein, ebenso wenig Kompetenz sensu Chomsky.

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Ebenso problematisch an den Kompetenzdimensionen im medienpädagogischen Kon-zept sind die normativen Zielimplikationen, d.h. es werden Kenntnisse und Fertigkeiten beschrieben, die vom Individuum entwickelt und gezeigt werden sollen (präskriptives Konzept). Das ist konsequent aus Sicht der Pädagogik, da dort u.a. Erziehungsziele und Bildungsideale thematisiert werden. Diese normativen Implikationen sind jedoch für die empirische Operationalisierung insofern problematisch, da weite Kreise der empiriewis-senschaftlichen Methodologie und Wissenschaftstheorie durch das so genannte Wertur-teilsfreiheits-Postulat geprägt sind. Werturteile sind nicht falsifizierbar, und damit in der empirischen Wissenschaft nicht zulässig (Groeben, 2002b).

Auffällig im medienpädagogischen Diskurs ist die fast als inflationär zu bezeichnende Nutzung des Begriffes ‚Kompetenz’, ohne diesen genauer zu spezifizieren. So werden z.B. Sach-, Selbst-, Sozial-, Wahrnehmungs-, Interaktions-, Kommunikations-, Reflexi-ons-, Persönlichkeits-, Fach-, Methoden-, Erschließungs-, Nutzer-, Computer-, Multi-media- und Informationskompetenz zur Herleitung und Erklärung der Dimensionen von Medienkompetenz genutzt, wobei nicht zwischen verschiedenen psychologischen Merkmalen differenziert wird. So kann mit Weinert und Schrader (1997, S. 297) Kom-petenz z.B. als intellektuelle Fähigkeit (z.B. Wahrnehmungs- oder Erschließungskom-petenz), als generell erlernbare Kenntnisse (z.B. Nutzer- oder ComputerkomErschließungskom-petenz), als dispositionale Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Persönlichkeitskompetenz) und als soziale Kompetenz (z.B. Kommunikations- oder Reflexionskompetenzen) kategorisiert werden.

Der Medienpädagogik ist es nicht gelungen, einen fundierten oder gar universalen und konsensfähigen Begriff der Medienkompetenz zu etablieren (Kübler, 1996; Theunert, 1999). Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Kompetenz-Begriff, welche das Ableiten empirisch prüfbarer Hypothesen ermöglicht, erfolgt nur in Ausnahmen. Arbei-ten zur Prüfung der Wirksamkeit von medienpädagogischen Programmen sind in der Literatur der Medienpädagogik fast überhaupt nicht zu finden. Da aber gerade dies im Mittelpunkt dieser Arbeit steht – die Evaluation eines medienpädagogischen Projektes zur Förderung von Medienkompetenz und damit die empirische Prüfung von Hypothe-sen - ist eine alternative Herangehensweise an den Begriff der Medienkompetenz not-wendig. Die in der Psychologie zu findende Auseinandersetzung mit dem Kompetenz-begriff scheint dafür eine geeignete Alternative zu sein.

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