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Fazit: Das Recht auf den eigenen Standpunkt

Das Recht auf den eigenen Standpunkt: Kinder als Beteiligte im Forschungsprozess

4 Fazit: Das Recht auf den eigenen Standpunkt

Ok. Hast //du denn vielleicht noch ne andere Frage?

Also, eine Sache fand ich //nich toll. Das war dieses eine (--) dieses eine mit den Dings. Dieses Schatzsuche. (.) Diese eine /Trommel mit dieser Dings meint ich mit dieser Pferd und so. Als wir das gemacht haben.

(…) Das wollt ich nur noch mal sagn. (.) Kannst du (.) Anja und Stefan vielleicht weiter sagen?

(Gespräch1/Gözde/Zeile 143–148;180–189)

Gözde bringt im Gespräch ein eigenes Anliegen zur Sprache, indem sie ihr Bedürfnis nach ab-wechslungsreichen Spielen formuliert, die im Spektakel die Spannung erhalten. Dabei spricht Gözde die Forscherin als Vermittlerin zwischen der sozialpädagogischen Gruppenarbeit und einer persönlichen Beschwerde an. Eine unmittelbare Kritik an den Sozialpädagog*innen scheint nicht möglich, aber die Forscherin in ihrer Sonderrolle als Begleiterin und Gesprächsfrau wird mit diesem Anliegen betraut.

Gözde eignet sich das Gespräch im Sinne von »voice and influence« (Büker et al., 2018: 110 f.) an, indem sie Kritik übt und Informationen erfragt. Das curriculare Setting der sozialpädagogi-schen Gruppenarbeit lässt wenig Mitsprachemöglichkeiten zu. Das Interviewgespräch ist dagegen ein handlungsreduzierter und weniger pädagogisierter Ort, sodass die Kinder eigene Vorschläge einbringen können. Die Aneignung der Interviewgespräche im Verhältnis zum Spektakel be-deutet, dass die Kinder eigene Erlebnisse reflektieren, die Ideen der Forscherin kommentieren sowie Erkundigungen einholen und Vorschläge und Kritik am Erlebten äußern. Sie wirken auf diese Weise nicht nur an der Forschung mit, sondern positionieren sich auch gegenüber der sozialpädagogischen Gruppenarbeit.

4 Fazit: Das Recht auf den eigenen Standpunkt

Wie aber steht es nun um die Frage nach dem Verhältnis einer subjektorientierten Ethnografie und partizipativer Forschung? Es konnte gezeigt werden, dass ein ethnografischer Forschungsstil nicht automatisch partizipativ ist. Allerdings implizieren und begünstigen der ethnografische For-schungsprozess und seine Eigenheiten, wie die längere Feldteilnahme und die Notwendigkeit der Etablierung einer Feldrolle, eine mögliche Hinwendung zu partizipativen Forschungsprinzipien. So erfordert und ermöglicht ein ausgedehnter Feldaufenthalt den Aufbau von dialogisch geprägten Beziehungen zu den Feldteilnehmer*innen, was wiederum eine Aushandlung von Bedeutung wahrscheinlicher und (im Sinne der Orientierung an normativen Theorien Sozialer Arbeit) ethisch notwendig erscheinen lässt. Entscheidend für die Umsetzung aber ist die Etablierung einer Feldrolle als soziale Verortung im Feld. Über die Ausgestaltung der Feldrolle treffen die Wissenschaftler*innen ethische Entscheidungen, wie z.B. Geheimnisse der Feldteilnehmer*innen nicht zu verraten oder alle zu Wort kommen zu lassen, die sich äußern wollen. Über die Feldrolle werden Entscheidungs- und Definitionsmacht geteilt oder aber als Expert*in behauptet.

Die Voraussetzungen, um Kinder innerhalb der Disziplin Soziale Arbeit an Forschung und Forschungsentscheidungen partizipieren zu lassen, sind im Sinne einer »ethischen Symmetrie«

(Christensen/Prout, 2002: 482) von den erwachsenen Wissenschaftler*innen so zu gestalten, dass die Kinder sich auch beteiligen können. Das heißt, dass Informationen für die Kinder

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verständlich, aber auch verbindlich zugänglich sein sollten (information). Sich informieren zu können und selbst zu entscheiden, ob man sich beteiligen möchte oder nicht, setzt methodisch angemessen vermitteltes, aber auch verlässlich zur Verfügung gestelltes Wissen voraus. In der von mir vorgestellten Studie ergab sich vieles erst im Prozess. Um aber ein Recht der Kinder auf den eigenen Standpunkt zu verwirklichen, sollten verlässliche, zugängliche Orte der Information und Reflexion von Beginn an mitgedacht werden.

Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Dimension von influence dar. Wird nämlich

»gute Forschung« allein im wissenschaftlichen Diskurs ausgehandelt, bleibt jedwede »letzte Ent-scheidung« bei den erwachsenen Forscher*innen. Die Beteiligung der Kinder am Prozess wäre dann in letzter Konsequenz vor allem ein pädagogisches Projekt. Es müsste demnach auch mit der Perspektive der Kinder auf gute, verständliche Forschung geachtet werden (vgl. (Berghold/

Thomas, 2012: Abs. 90). Dafür braucht es die geforderte Reflexivität und ethische Selbstverpflich-tung, aber in erster Linie macht dies nur Sinn, wenn die Kinder auch ein relevantes Interesse an der Forschung haben. Es wäre also interessant, verstärkt danach zu fragen, welches Interesse Kinder an Forschung haben könnten und wie ihr Interesse auch in den entsprechenden Diskurs eingebracht werden kann. Wissenschaftler*innen müssten Machtabgabe dann dreifach denken:

als Fachexpert*innen, Forschungsexpert*innen und Erwachsene.

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