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1 N OMEN EST O MEN : »T AFEL «

F EED B ACK

Die Analyse der Jubiläumsausgabe10 (1/2008) dient dazu, die eigene Bilanzie-rung der Tafelarbeit durch den Bundesverband nach 15 Jahren Tafeln in Deutschland herauszuarbeiten. Auch wenn an verschiedenen Stellen auf die Re-konstruktionen der vorigen Kapitel verwiesen werden kann, so hat die Rekon-struktion doch auch hier noch einmal weitgehend unabhängig einzusetzen. Nur wenn sich an unterschiedlichen Daten ähnliche Sinnmuster nachweisen lassen, lassen sich auch die gewonnenen Thesen schärfen. Begonnen wird mit dem Titelblatt der Zeitschrift (4.1), um so bereits am Material Fragen und Hypothesen zu gewinnen, die sich dann gezielt in den folgenden Abschnitten an unterschied-lichen Texten der Jubiläumsausgabe überprüfen lassen (4.2-5).

4.1 Die Zeitschrift

Der Name der Verbandszeitschrift, der auf dem Titelblatt zu finden ist, lautet FeedBack, wobei Feed und Back typographisch getrennt werden (»Feed« ist fett gedruckt), was einen Doppelsinn markiert.

(i) Wer das Feedback in Form der Zeitschrift gibt, zeigt das Impressum (S.2):

»Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Bundesverband Deutsche Tafel e.V.«. Darüber, wer das Feedback bekommen soll, gibt der Untertitel direkt unter FeedBack Auskunft: »Für Freunde, Förderer und Mitarbeiter der Tafeln in Deutschland«. Es handelt sich bei der Zeitschrift um ein Kommunikationsmittel des Bundesverbands gegenüber Sponsoren einerseits, den Tafelmitarbeitern andererseits. Nicht gemeint ist folglich beispielsweise ein Feedback derer, die Empfänger der zentralen Leistung der Tafeln sind.

9 Betrachtet man also diese Entstehungsgeschichte, dann ist es keineswegs so, dass die Tafeln sich erst aufgrund organisatorischer Schließungsprozesse über die Zeit immer weniger um ihre Zwecke bemühten (so etwa Selke 2010: 26, 31). Vielmehr ist der un-geklärte Problembezug ein Kennzeichen der Tafeln von Beginn an.

10 Die Zeitschriftenausgaben seit 2002 sind auf der Homepage des Bundesverbands (www.tafel.de) unter dem Punkt »Der Bundesverband, Publikationen/Infomaterial«

verfügbar, Stand Juni 2011.

»Feedback« im Sinne einer Rückkopplung meint üblicherweise, dass eine einschätzende, beurteilende Rückmeldung über eine erbrachte Leistung oder ein bestimmtes Verhalten gegeben/erhalten wird, um daraus lernen zu können. Ak-zeptiert man das, ergibt sich freilich die eigentümliche Konstellation, dass der Bundesverband die Leistung der »Freunde« und »Förderer«, also deren ideelle und materielle Unterstützung der Tafelarbeit, beurteilt. Damit steht die Leistung der Geber auf dem Prüfstand, nicht die der Tafeln/des Bundesverbands, wie es bei einem Rechenschaftsbericht darüber wäre, ob mit den gesponserten Mitteln verantwortungsvoll umgegangen wird.

Auf der anderen Seite steht als Leistung die lokale Tafelarbeit der »Tafelmit-arbeiter«. Die konkrete lokale Arbeit könnte der Bundesverband bei ± zum Zeitpunkt der Ausgabe ± 800 lokalen Tafeln nicht einschätzen, folglich diesen auch kein individuelles Feedback geben. Eine Rückmeldung an die Tafelmitar-beiter kann sich nur auf die Tafelarbeit als Beitrag zu einer Gesamtleistung der Tafeln als Bewegung/Verband o.ä. beziehen: welche überregionalen Entwick-lungen gibt es, die sich gleichwohl auf das lokale Engagement stützen und nur durch dieses erreicht werden können? Konkretes Feedback müsste dagegen auch konkret vor Ort, nämlich von den Nutzenden her gegeben werden.

(ii) Die zweite Bedeutung, wenn man »Feed« und »Back« trennt, meint soviel wie »Essen zurück«. Das Essen ist also ± aus welchen Gründen immer ± an einen Ort gelangt, wo es nicht hin beziehungsweise sein sollte und soll entspre-chend zurückgeholt werden. In diesem Sinne ist es eine andere Formulierung dafür, was auch das allgemeine Tafellogo mit »Essen, wo es hingehört« (eben-falls auf der Titelseite) formuliert: Es ist seiner angemessenen Verwendung (wieder) zuzuführen. Das Zurück (»back«) verweist darauf, dass es tatsächlich bereits an unangemessener Stelle angekommen war. Feedback besagt für die Tafelarbeit folglich: Essen soll kein Abfall sein, sondern soll auch als Essen Verwendung finden. Damit ist ein Protest formuliert, aber noch keine Lösung gegeben. Es wird die Forderung aufgestellt, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, zu verschwenden, sondern ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Essen, zurück zu geben. Eine Lösung müsste deshalb angeben können, wie Essen gar nicht erst zurückgeholt werden müsste, weil es von vornherein nicht zweckentfremdet wäre.

Die Analyse des doppeldeutig angelegten Titels kommt ihrerseits zum Er-gebnis einer ambivalenten Selbstdarstellung: Während einerseits anspruchsvolle

=LHOHIRUPXOLHUWZHUGHQZLHVLHlKQOLFKDP1DPHQ¾7DIHO½UHNRQVWUXLHUWZXUGHQ (hier v.a.: Vermeidung von Lebensmittelüberschüssen), so zeigt sich doch auch an dieser Stelle (wie in den Abschnitten 2 und 3) eine selbstbezügliche organisa-torische Schließung.

Die Titelseite der Jubiläumsausgabe

Das Titelblatt wird dominiert von einem großen orangenen (Farbe des Tafello-gos) SchleifenbaQG PLW 6FKOHLIH 'LH $XVJDEH LVW GXUFK GDV 7LWHOELOG ¾DOV *e-VFKHQNYHUSDFNW½± ein Geschenk, eine Anerkennung (s.o.) des Bundesverbands an Sponsoren und Mitarbeiter aus Anlass des 15-Jahre-Jubiläums der Tafeln in Deutschland. Titelthema ist das Tafeljubiläum, dem eine eigene Ausgabe ge-widmet ist (keine Sonderausgabe, sondern die laufende Nummer). Die Schleife bietet eine abstrakte Symbolik, ohne Verweis auf die Inhalte der Tafelarbeit. Die Inhalte verschwinden; sie ließen sich auch nicht problemlos feiern ± der Erfolg, der im 15jährigen Tafelbestehen zum Ausdruck kommt, heißt zugleich, dass es entsprechende Bedürftigkeiten, also gesellschaftliche Armutsprobleme einer-seits, massenhafte Entsorgung wertvoller Lebensmittel anderereiner-seits, nach wie vor gibt. Diese Probleme geben den Tafeln letztlich ihre Existenzberechtigung und müssten auch die letzten Maßstäbe für Erfolge abgeben. Bei einem Jubiläum steht allerdings erwartungsgemäß das eigene Bestehen, hier über anderthalb Jahrzehnte, im Vordergrund, was Grund genug zum Feiern bietet ± es wird zu beobachten sein, inwiefern die Ambivalenzen des Feierns (Etablierung versus Probleme) dennoch Eingang in die Ausgabe finden werden.

Eine Frage in diesem Zusammenhang wird sein, ob die Feier des Jubiläums allein als interne Veranstaltung angesehen wird oder inwiefern sie für externe Beiträge geöffnet wird. Kaum zu erwarten sind zu einem solchen Anlass Kriti-ker.11 ([WHUQH%HLWUlJHLQGHU=HLWVFKULIWZUGHQDOVRHKHUGLH¾)UHXQGH½SUlVHn-tieren, aber auch dabei den Grad der Offenheit und die Selbstverortung in der Gesellschaft deutlicher zutage treten lassen. Je nach Auswahl der Externen las-sen sich auch Wertigkeiten im Selbstverständnis ausmachen: geht es eher um ein kritisches Protestprogramm (politische Konfrontation) oder möglichst breite Akzeptanz und Popularität? Solche Beiträge könnten beispielsweise liefern:

kooperierende Organisationen (Verständnis als Teil einer größeren Bewegung?);

Experten (z.B. Sozialwissenschaft: die Tafeln in größerem gesellschaftlichen Zusammenhang); Geber (ein Forum für die Sponsoren); Prominenz (z.B. politi-sche Prominenz: höhere öffentliche Aufmerksamkeit, offizielle Anerkennung).

Konkretisiert wird der feierliche Anlass durch zwei Aufschriften auf den Schleifenbändern: »15 Jahre Tafeln in Deutschland« und »15 Jahre bürgerschaft-liches Engagement«. Interessant ist an dieser Rahmung der eigenen Arbeit als

»bürgerschaftlichem Engagement«, welches gefeiert werden soll, dass damit

11 Obwohl das nicht unmöglich wäre, wie etwa Jubiläumsausgaben der »tageszeitung«

(taz) zeigen, zu der auch politische Gegner in die Redaktionsräume eingeladen waren.

bestimmte gesellschaftliche Vorstellungen verbunden sind. Es ist die aktive Zivilgesellschaft, die hier als gesellschaftliche Kraft gewürdigt wird. Damit wird reklamiert, dass die gesellschaftliche Steuerung nicht dem Markt und/oder dem Staat überlassen wird. Wie genau dieses Zivilgesellschaftsverständnis aussieht, wird deshalb Teil der weiteren Analyse sein.

Aus der Analyse der Titelseite ergeben sich für die weiteren Rekonstruktionen Hinweise und Untersuchungsfragen, die bei der Sichtung des Heftes gezielt angesteuert werden:

‡ Wie wird mit den Ambivalenzen des Anlasses des Feierns umgegangen?

(Wie) Werden also die Armuts- und Überflussprobleme thematisiert? (4.2)

‡ Inwiefern finden die bislang zugunsten der eigenen Arbeit ausgeblendeten Nutzenden der Tafeln in der Ausgabe Berücksichtigung? (4.3)

‡ Werden externe Beiträge präsentiert? Was sagt das über Selbstverständnis und gesellschaftliche Selbstverortung? (4.4)

‡ Welches Verständnis bürgerschaftlichen Engagements wird demonstriert?

Welche gesellschaftlichen Vorstellungen verbinden sich damit? (4.5)

Um diese Fragen gezielt zu klären, wird zunächst das Inhaltsverzeichnis be-fragt. Dieses wird möglicherweise nicht über alle mehr oder weniger peripheren Textstellen Auskunft geben, die etwas zu den aufgeworfenen Fragen beitragen.

Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich besonders relevante Antworten bereits im Inhaltsverzeichnis abzeichnen.

Betrachtet man das Inhaltsverzeichnis entlang der herausgestellten Fragen, ergibt sich folgendes Bild. Zur ersten Frage, der Problemthematisierung, findet sich allein ein expliziter Hinweis (»15 Jahre Versagen der staatlichen Sozialpoli-tik«) als Teil des Untertitels des ersten Beitrags (S.2); schon deutlich weniger treffsicher könnten sich Thematisierungen auch indirekt unter »Was die Tafeln leisten« (S.4) sowie in »Berichte aus der Tafel-Landschaft« (S.14) finden. Zu den Nutzenden, Frage zwei, führt ein Beitrag mit dem Titel »Tafel-Kunden«

(S.10). Die dritte Frage nach externen Beiträgen wird potenziell in den Punkten

»Grußworte« (S.8) und »Spender und Sponsoren« (S.6) mit Antworten rechnen können. Schließlich gibt es, Frage vier, auch im- und explizite Hinweise auf das Verständnis von Bürgerschaftlichem Engagement: »15 Jahre außerordentliches bürgerliches Engagement« (Untertitelteil S.2), »Ehrenamtliches Engagement«

(S.12), »Was die Tafeln leisten« (S.4), »Berichte aus der Tafel-Landschaft«

(S.14).

4.2 Thematisierungen von Überfluss- und Ausgrenzungsproblemen?

Thematisierung I: Artikel »15 Jahre Tafeln in Deutschland: 15