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5.3 Schließen im Fall weiterer beobachteter präventiver Ursachen

5.3.8 Experiment 7: Ergebnisse

Die Ergebnisse von Experiment 7 sind in Tabelle 9 und in Abbildung 35 darge-stellt; die detaillierten varianzanalytischen Ergebnisse finden sich in Tabelle J-1 in Anhang J.

Wie in Abbildung 35 gut zu erkennen, hängt die Wahrscheinlichkeitsein-schätzung bezüglich der Anwesenheit des Zieleffekts deutlich von der Anzahl der als anwesend beobachteten weiteren Effekte ab (Haupteffekt NE+: F2,46=7.08, p<.01, η2=.24). Ausgehend von null als anwesend beobachteten weiteren Effek-ten steigen die Beurteilungen mit deren zunehmender Anzahl in der „Offene-Türen“-Bedingung von 4.58 auf 7.04 (F2,46=8.39, p<.01, η2=.27) und in der „Wän-de“-Bedingung von 5.96 auf 7.33 (F2,46=4.15, p<.05, η2=.15). Der Anstieg der Be-wertungen ist in der „Offene-Türen“-Bedingung deutlich stärker ausgeprägt als in der „Wände“-Bedingung (Interaktionseffekt EXT x NE+: F2,46=3.42, p<.05, η2=.13).

Tabelle 9

Durchschnittliche Bewertung der Anwesenheit des Zieleffekts (Experiment 7) EXT = 0 – Offene Türen EXT = 1 – Wände NE+ = 0 NE+ = 1 NE+ = 2 NE+ = 0 NE+ = 1 NE+ = 2 [C = 1]

(„POR“)

4.58 5.63 7.04 5.96 6.00 7.33

(2.69) (1.93) (2.26) (2.51) (2.34) (2.20)

Anmerkungen. Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen Bewertungen auf einer Skala von „0 von 10“ bis „10 von 10“ (Häufigkeitsskala mit 11 Stufen) bezüglich der Wahrscheinlichkeit der Anwe-senheit des Zieleffekts (Standardabweichung in Klammern; N = 24). C = Zustand der gemeinsa-men Ursache; NE+ = Anzahl der als anwesend beobachteten weiteren Effekte; EXT = Zustand der beobachteten präventiven Ursache (abwesend [0] vs. anwesend [1]).

Abbildung 35. Durchschnittliche Ratings bezüglich der Häufigkeit der Anwesen-heit des Zieleffekts in zehn fiktiven Situationen gegeben der AnwesenAnwesen-heit ge-meinsamen Ursache C (C = 1) und der Anzahl der als anwesend beobachteten weiteren Effekte (Faktor NE+) über den Faktor der externen präventive Ursache (Faktor EXT; beide intraindividuelle Manipulation, N = 24) in Experiment 7. Die Fehlerbalken stellen den Standardfehler des Mittelwerts dar.

5.3.9 Diskussion

In Experiment 7 konnte die Vorhersage des an den Fall weiterer beobachtbarer präventiver Ursachen angepassten Modells für den Fall der Anwesenheit der Ursache bestätigt werden. Damit scheint das Problem in Experiment 6, in dem ein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen der „Offene-Türen“- und der

„Wände“-Bedingung im Hinblick auf deren Interaktion mit der Anzahl als anwe-send beobachteter weiterer Effekte nicht gefunden werden konnte, vor allem auf die unzureichende Manipulation der präventiven Ursache zurückzuführen zu sein, nicht jedoch auf die Unangemessenheit des Modells. Insgesamt erscheint daher im Nachhinein, dass eine deutlichere, explizite Instruktion der Bedeutung der eingeführten Wände als präventive Ursache sinnvoller gewesen wäre. Die Manipulation in Experiment 6 und auch in Experiment 7 war subtiler und damit aus rein psychologischer Sicht sicherlich interessanter. Doch im Hinblick auf die Testung der Modellvorhersage war gerade nicht interessant, ob die

Versuchsper-sonen eine Wand als eine präventive Ursache für das Gedankenübertragen bei Außerirdischen ansehen – darüber macht das Modell schließlich keinerlei Vor-hersagen. Getestet werden sollte, wie sich die Inferenzen der Probanden bezüg-lich der Anwesenheit eines unbeobachteten Zieleffekts durch die Einführung ei-ner als anwesend beobachteten präventiven Ursache verändern. Dies setzt na-türlich aber gerade voraus, dass die Versuchspersonen die Manipulation („Wän-de“ vs. „Offene Türen“) als eine Manipulation im Sinne des Modells, also der Anwesenheit oder Abwesenheit einer weiteren präventiv wirkenden Ursache, verstehen – und dies hätte deutlicher instruiert werden können.

Nichtsdestotrotz konnte das Modell auch für den Fall der Einführung einer beobachteten präventiven Ursache ausreichend bestätigt werden. Dies ist insbe-sondere deshalb interessant, da die eingeführte zusätzliche Variable direkt mit dem im Modell angenommenen Prozess der adaptiven Fehlerattribution inter-agiert. Der Fall liefert damit einen weiteren Beleg für die Richtigkeit der dem Modell zugrunde liegenden strukturellen Annahmen.

5.4 Zusammenfassung

Im vorliegenden Kapitel wurde für das Basismodell (siehe Kapitel 4) bzw. die dem Basismodell zugrunde liegende Idee der Einführung einer gemeinsamen ursacheseitigen Fehlerquelle explizit getestet, indem das Modell in drei verschie-denen Kontexten angewendet, entsprechende Vorhersagen abgeleitet und empi-risch untersucht wurden.

In Abschnitt 5.1 wurde das Modell auf eine Common-Cause-Struktur ange-wendet, in der beide Zustände der gemeinsamen Ursache kausal aktiv sind („A/B“-Fall anstatt wie im Basismodell der „0/1“-Fall, in dem nur die Anwesen-heit der Ursache kausal aktiv ist). Hierfür musste lediglich die der Zielinferenz zugrunde liegende bedingte Wahrscheinlichkeitstabelle angepasst werden. In dieser Situation sagt das Modell für die Bewertung der Anwesenheit eines unbe-obachteten Zieleffekts eine Abhängigkeit vom Status der weiteren Effekte für beide Zustände der Ursache voraus und, dass diese Abhängigkeit wie im Basis-modell in einem kausalen System mit starker gemeinsamer Fehlerursache („Sending“-Bedingung) deutlich größer ausfallen sollte als in einem System mit schwacher gemeinsamen Fehlerursache („Reading“-Bedingung). Diese

Vorhersa-gen wurden experimentell in einem für den „A/B“-Fall angepassten, auf dem Paradigma der Basisexperimente beruhenden Experiment getestet. Hierfür wur-den beide Gedanken der Außerirdischen („TUS“ und „POR“ statt nichts und

„POR“) als kausal aktiv beschrieben und mit der bekannten

„Reading“-vs.-„Sending“-Manipulation kombiniert. Wie vorhergesagt, zeigte sich eine Abhän-gigkeit vom Status der weiteren Effekte für beide Zustände der Ursache, und zwar deutlich stärker in der „Sending“-Bedingung.

In Abschnitt 5.2 wurde die dem Modell zugrunde liegende Idee der Einfüh-rung einer gemeinsamen, an die Ursache gebundenen Fehlerquelle auf eine Causal-Chain-Struktur angewendet. Für diesen Fall sagt das Modell vorher, dass der Unterschied zwischen einer „Reading“- und einer „Sending“-Bedingung ver-schwinden sollte, da es bei der Bewertung der potentiellen Anwesenheit des ultimativen Effekts in einer kausalen Kette nicht darauf ankommt, ob mögliche Fehler ursache- oder effektseitig attribuiert werden. Die Vorhersagen wurden experimentell dergestalt getestet, dass das in den Basisexperimenten verwende-te Paradigma für eine kausale Ketverwende-te angepasst wurde, indem den Probanden (entsprechend je nach Bedingung) erklärt wurde, das in einer Reihe von Außerir-dischen jeweils links stehende Alien verursache die Gedanken des jeweils rechts stehenden. Wie vorhergesagt unterschieden sich die Bewertungen der Proban-den hinsichtlich der Anwesenheit des ultimativen Effekts, dem Gedanken des letzten Aliens in der Kette, nicht im Hinblick auf die „Reading“-vs.-„Sending“-Manipulation. Die dem Modell zugrunde liegende Idee einer adaptiven ursache- vs. effektseitigen Fehlerattribution konnte damit auch in einer kausalen Struktur bestätigt werden, für die das Modell nicht entwickelt worden war.

In Abschnitt 5.3 wurde schließlich getestet, welchen Einfluss es hat, wenn in eine Common-Cause-Struktur weitere beobachtbare präventive Ursachen ein-geführt werden, die mit der modellendogenen Fehlerquelle bei der Fehlerattribution konkurrieren. Das Modell sagt in diesem Fall vorher, dass die Einschätzung bezüglich der Anwesenheit eines unbeobachteten Zieleffekts deut-lich weniger von der Anzahl der weiteren als anwesend beobachteten Effekte abhängen sollte, wenn in das kausale System eine als anwesend beobachtete präventive Ursache eingeführt wird, die nicht auf den Zieleffekt, aber auf alle

anderen beobachteten Effekte wirkt. In diesem Fall dient die beobachtbare prä-ventive Ursache als Erklärung für die mögliche Abwesenheit von Effekten und reduziert damit die Attribution auf die modellendogen angenommene unbeo-bachtete Fehlerquelle. In einem ersten Experiment, das an die Basisexperimente angelehnt war, wurden für den „Sending“-Fall drei experimentelle Bedingungen bezüglich einer solchen präventiven Ursache konstruiert. Neben zwei Kontroll-Bedingungen ohne eine solche Ursache wurden in einer weiteren Bedingung Wände zwischen dem Gedanken sendenden Alien und den beobachteten Effekt-aliens eingefügt. In dieser Bedingung war der Einfluss der Anzahl der als anwe-send beobachteten weiteren Effekte auf die Zielinferenz zwar etwas geringer als in den beiden Kontrollbedingungen, dieser Unterschied konnte statistisch jedoch nicht abgesichert werden, was vermutlich vor allem an der mangelnden explizi-ten Instruktion in Verbindung mit der interindividuellen Manipulation gelegen haben mag. In einem weiteren Experiment wurde nur für den Fall der Anwesen-heit der gemeinsamen Ursache die AnwesenAnwesen-heit einer präventiven Ursache („Wände“ und „Offene Türen“) intraindividuell und damit in der Bedeutung et-was offensichtlicher manipuliert. Wie vorhergesagt zeigte sich eine deutlich ge-ringere Abhängigkeit der Einschätzung der Anwesenheit eines unbeobachteten Zieleffekts von der Anzahl der als anwesend beobachteten Effekte für die Testfäl-le mit anwesender präventiver Ursache („Wände“). Das Modell hat sich damit auch in einem Kontext bewährt, in dem in die betrachtete Common-Cause-Struktur explizit eine weitere präventive Ursache eingeführt wurde, die direkt mit der modellendogenen Fehlerquelle im Hinblick auf die Fehlerattribution kon-kurriert.

Insgesamt konnte das Modell bzw. die dem Modell zugrunde liegende Idee einer adaptiven Fehlerattribution somit in sehr verschiedenen Kontexten bestä-tigt werden. Die gute Übereinstimmung der Modellvorhersagen mit den Befun-den der Basisexperimente kann also im Hinblick auf die Ausführungen in Ab-schnitt 4.6 als überzeugend gelten. Sie ist offenkundig weder Ergebnis zu hoher Modellflexibilität – wie in Abschnitt 4.5 dargelegt –, als sie auch nicht schlichtes Ergebnis zu hoher Modellierungsflexibilität sein kann, wie durch die gute Bestäti-gung in den expliziten Tests im vorliegenden Kapitel belegt wurde.

6 Modellerweiterung: Merkmalsbasierte Inferenz

Das in diesem Kapitel dargestellte erweiterte Modell wie auch die empirischen Befunde finden sich in gekürzter Form bereits in Mayrhofer et al. (2008).