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7 Deutungen von Inklusion 109

7.5 Exkurs: Konsensuales Verständnis von Schulqualität

DurchdieAnalysederMessinstrumenteundderInterviewsistdeutlichgeworden,dasses keinenKonsensdarübergibt,wasunterInklusionverstandenwird.ImRahmendesfolgenden Kapitels(→ Kapitel8),wirdesdarumgehen,herauszuarbeiten,welcheRahmenbedingungen dieEntwicklungvonInstrumentenzuInklusiongeprägthaben.Zuvorsolljedochnochim RahmeneinesExkursesaufdieIdeeeinesallgemeinanerkanntenVerständnissesvon Schul-qualitätnähereingegangenwerden.DiesistalsHintergrundinformationvonRelevanz,um die Rechtfertigungsordnungen der Instrumenteentwickler_innen einordnen und verstehen zu können. So zeigt sich als Muster in den Dokumenten sowie in vielen der Interviews, dass bei der Entwicklung von Instrumenten auf ein allgemein anerkanntes Verständnis von Schulqualität zurückgegriffen wird, wenn Bewertungsinstrumente entwickelt werden.

So argumentiert Sachsen-Anhalt: „Bei dem Versuch Qualitätsstandards (…) zu formulieren, gehen die „Verfasser“ des Qualitätsrahmens von der Vorstellung einer Guten Schule aus“ (Lan-desinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt 2013, S. 2). Es fehlt jedoch im weiteren Dokument bzw. in anderen Dokumenten an einer expliziten Definition, was unter einer

„guten Schule“ verstanden wird. Bei solchen Formulierungen entsteht der Eindruck, dass alle

wüssten, was damit gemeint sei. Des Weiteren beschreibt Bayern den Überarbeitungsprozess der Instrumente zwischen dem ersten und zweiten Zyklus folgendermaßen: „Dabei wurden (…) die eingesetzten Instrumente überarbeitet und weiter objektiviert“ (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2005, S. 8). Des Weiteren wird in Bayern argumentiert:

„Externe Evaluation muss frei sein von subjektiven Theorien. Es ist unwichtig, was einzelne Evaluatoren für wichtig halten. Die Kriterien für die Qualität von Schule und Unterricht müssen dem Stand der jeweiligen wissenschaftlichen Forschung genügen, also valide und intersubjektiv nachvollziehbar sein“

(ebd., S. 10).

ImHandbuchvonNiedersachsensteht:„Grundsätzlichwirddavonausgegangen,dassdie inderwissenschaftlichenUnterrichtsforschungallgemeinanerkanntenKriterienfür„guten Unterricht“schulform- undfachunabhängiggelten“ (NiedersächsischesLandesinstitutfür schulischeQualitätsentwicklung2014,sieheauchfürBayernBayerischesStaatsministeriumfür UnterrichtundKultus2005,S.4).

DieArgumentation,dassesKonsenssei,wasunterguterSchulebzw.untergutemUnterricht verstanden wird, findet sich auch in vielen Interviews wieder. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Bezüge hergestellt, die den Eindruck erwecken, als wenn es ein Verständnis von guter Schule gebe, welches allgemein anerkannt wäre: Erstens wird argumentiert, dass alle Bundesländer das gleiche machen würden: „Ich meine die Kriterien guter Schule – da brauchen sie im Grunde nur einen (…) der 14 Qualitätsrahmen der Länder anzusehen. Die ähneln sich alle sehr – meines Erachtens“ (Int.18_19; siehe auch 4_20; 5_16; 17_21; 7_10; 9_35; 6; 12_21;

8_5; 8_22). Dagegen argumentieren Döbert et al:

„In Bezug auf die in den Unterrichtsbeobachtungsbögen aufgenommen Qualitätsaspekte finden zwischen Bundesländern zwar Gemeinsamkeiten, eine tiefergehende Analyse zeigt aber, dass die Konzepte auf der Ebene der einbezogenen Items eine hohe Variation aufweisen. (…) Darüber hinaus finden sich auch bei Items, die sich auf den ersten Blick auf die Erfassung desselben Sachverhaltes beziehen, vielfach unterschiedliche Nuancierungen“ (Döbert et al. 2008, S. 146).

Zweitens, wird darauf verwiesen, dass auf internationaler Ebene Konsens über die Kriteri-en von Schule bzw. Unterricht herrscht: „Da kann man sich natürlich wieder an dKriteri-en KriteriKriteri-en des guten Unterrichts, die international einfach anerkannt sind, orientieren“ (Int. 11, siehe auch 10_27;8_9).DrittenswerdenBezügezurWissenschafthergestellt.Sowirdargumentiert, dassdieeigenenKriterienausderWissenschaftkämenundesdorteineinheitlichesVerständnis darübergebe,welcheKriterienrelevantsind:„EsgibtsovereinzeltUnterschiede,aberletztlich istderAufbauschoneigentlichähnlich.Wasjaauchdaranliegt,dassallesagenwirstützenuns aufForschung,dasheißtForschungwirdmiteinbezogen“(Int.4_20).Dabeiistbeimanchen auchdasBildvorhanden,dassesinnerhalbderForschungEinigkeitdarübergebe,wasman unter Schulqualität versteht: „Na gut, Wissenschaft ist sich einig – da fordern wir das auch ein.“

(Int. 1_44, siehe auch 1_14; 2_12; 18_18; 7_16) oder „das ist einfach der generelle, auch wis-senschaftlich fundierte Blick auf gute Schule, ob man das jetzt mit Hilbert Meyer oder mit der Hattie-Studie definiert - das ist ja eigentlich relativ egal – die decken sich in den ganz großen Bereichen – da hat man ja nicht zwingend was Neues” (Int. 11_8). Die Notwendigkeit, das eigene Handeln über Forschung legitimieren zu können, wird anhand dieses Beispiels deutlich: Als eine Interviewperson bemerkt, dass es bei den Instrumenten an wissenschaftlichen Verweisen fehlt, meint sie: „Es gibt keine Traktur in weiß. Keine Quelle. Nirgends. (AP: Ja.) Und das finde ich zum Beispiel verwunderlich. Als ob sich das jemand komplett alles ausgedacht hat“ (Int. 5_7).

In den Interviews gab es zugleich einzelne Positionierungen zu Schulqualität, wonach nicht davon ausgegangen wird, dass es allgemein anerkannt sei, was unter einer guten Schule zu verstehen ist. So beschreibt die Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin im Vorwort des Handlungsrahmens Schulqualität:

„Die Ansichten darüber, was von einer guten Schule erwartet wird, sind vielfältig und entwickeln sich fortwährend weiter. In der öffentlichen Diskussion zeigt sich, dass die an Schule Beteiligten und Interessierten in der Regel recht klare Vorstellungen haben und je nach Interessenslage unterschiedliche Schwerpunkte setzen“ (Senatsverwaltung für Bildung 2012; siehe auch Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg 2008).

Des Weiteren steht im Handbuch der Schulinspektion von Schleswig-Holstein:

„Der <Orientierungsrahmen Schulqualität> beschreibt differenziert, was in Schleswig-Holstein un-ter einer guten Schule verstanden wird. Die Qualitätsbereiche und Qualitätsmerkmale mit ihren Erläuterungen sind jedoch nicht statisch, da sich die Anforderungen an Schule verändern. Der Ori-entierungsrahmen erhebt daher nicht den Anspruch, alle Kriterien einer guten Schule umfassend zu beschreiben“ (Ministerium für Schule und Berufsbildung Schleswig-Holstein 2016).

Die Positionierung, dass es keine allgemein anerkannten Kriterien gebe, findet sich vereinzelt auch in den Interviews wider (Int. 9_34; 16_19; 8_42): „Stellen sie sich ne Blume vor, lassen sie n Chemiker ran, lassen sie n Maler ran, lassen sie nen Pfarrer ran, lassen sie ein verliebten jungen Menschen ran. Jeder schaut das gleiche an und wird zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen“

(Int. 8_42). Des Weiteren wird von anderen Instrumenteentwickler_innen die Forschung nicht als einheitlicher Akteur wahrgenommen, der ein einheitliches Verständnis von guter Schule vermittle: „Es gibt aus der Forschung verschiedene Ansprüche an Unterricht und auch, dass nach HelmkeoderähmHilbertMeyeroderwasauchimmer.DassindverschiedeneAnsprüche,auch inBezugaufneuereVeröffentlichungen,inBezugaufkognitiveAktivierungzumBeispiel“(Int.

5_27).

AuchwennsicheinzelneInterviewpersonendavondistanzieren,verweisenviele Instrumen-teentwickler_innendarauf,dasseseinallgemeinanerkanntesVerständnisvonguterSchule gebeunddiesesalsGrundlagegenutztwird,umInstrumentezurMessungvon Schulquali-tät zu entwickeln. Im Folgenden wird deutlich, dass jene Argumentation sich in Bezug auf die Entwicklung von Instrumenten zu Inklusion als ein Teilaspekt von Schulqualität nicht aufrechterhalten lässt.

8 Entwicklung von Messinstrumenten zu