• Keine Ergebnisse gefunden

5.5 Regionales Auftreten von PSP-Toxinen, toxinbildenden Algen und Vergiftungsfällen

5.5.1 Europa

In Europa empfiehlt der Volksmund Muscheln nur in Monaten mit „R“ (also September bis April) zu essen, da im Winter kaum mit giftigen Algenblüten zu rechnen ist. Dies kann allerdings nur als grober Anhaltspunkt verstanden werden.

In den letzten Jahrzehnten wurden relativ wenige Vergiftungsfälle bekannt. So gab es im Oktober 1976 in mehreren westeuropäischen Ländern einen Vorfall mit etwa 200 Fällen, davon 19 in Deutschland, aufgrund von Miesmuscheln aus Vigo/Spanien (29).

1969 (Monitoringzeitraum 1969-2007) erkrankten wegen erhöhter Konzentration des Dinoflagellaten Alexandrium tamarense 78 Menschen an der britischen Ostküste und zahlreiche Vögel und Meeressäuger starben (3). Ansonsten wird die PSP-Erkrankungsrate in UK vor 2011 als

„sehr wenige“ angegeben (3). Ursache war in der Regel Importware. Die Niederlande verzeichnen seit 1960 keinerlei Vorfälle (4).

1993 wurden mit der Verordnung 91/492/EEU(13) die Produktion und der Verkauf von lebenden Mollusken, einschließlich PSP-Höchstmengen und Überwachungsmethoden in der EU harmonisiert.

Seit den 1990er Jahren wird in der Ostsee (vor allem schwedische Küste) vermehrt der PSP-produzierende Dinoflagellat Alexandrium ostenfeldii beobachtet (41). Obwohl ein Zusammenhang mit der globalen Klimawandel und damit einer Erwärmung der Meere zu vermuten ist, sind die genauen Gründe für die plötzliche Ausbreitung weitgehend unbekannt.

Deutschland:

An den deutschen Küstengebieten wurde seit Jahren keine massenhafte Vermehrung PSP-produzierender Algen mehr beobachtet(6). Vergiftungsfälle resultieren meist aus importierter Ware.

2010 wurden vom Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen routinemäßig insgesamt 88 Proben von Muscheln und Muschelprodukten verschiedener Art und unterschiedlicher Herkunft aus dem Handel auf PSP-Toxine untersucht. In keiner der Proben wurden PSP-Toxine nachgewiesen (36). Noch im Jahr 2008 erfolgte ein derartiger Nachweis aus 11 von 133 Proben (=8,3%). Die Belastung der positiven Proben lag mit einem durchschnittlichen Gehalt von knapp unter 20 μg STXeq/100g deutlich unter der des Vorjahrs. Nur eine Probe Venusmuscheln aus Vietnam fiel mit einer relativ hohen Belastung von 68 μg/100g PSP-Toxinen auf (38).

Sollten bei solchen Routineuntersuchungen der Untersuchungsämter Ergebnisse über dem Grenzwert auftauchen, so werden Nachuntersuchungen angeordnet und bei positivem Ergebnis eine europaweite Schnellwarnung herausgegeben. Um Zweifel an der Richtigkeit der Ergebnisse zu begegnen werden beanstandete Proben sowohl vom Nationalen Referenzlabor für marine Biotoxine in Berlin als auch vom Europäischen Referenzlabor im spanischen Vigo untersucht. Werden die Ergebnisse des Untersuchungsamts bestätigt sind die betroffenen Chargen umgehend vom Markt zu nehmen (34).

Rechtlich geregelt wurden die zulässigen Belastungen in Deutschland erstmals 1988 in der Fisch-VO(42) (40µg/100g Schalentierfleisch) und in 1994 in der Fischhygiene-VO (43).

Seite 25

Monitoring-Ergebnisse in Europa 2007-2011:

Aus Tabelle 5-4 ist ersichtlich, dass die Belastungen in Europa, dank des Frühwarnsystems überschaubar waren. Bei den gemeldeten Daten gab es keine Erkrankungen oder gar Todesfälle.

Auch Todesfälle bei Seevögeln oder Wirbeltieren waren offensichtlich nicht nennenswert. Einige Länder (Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Niederlande, Polen) verzeichneten mehrere Jahre ohne jegliches Auftreten von PSP-Toxinen oder PSP-produzierenden Algen. Wie aber das Beispiel des Toxinbildners Alexandrium ostenfeldii, der in den letzten Jahren neu und gleich in erhöhter Zellzahl in der Ostsee aufgetreten ist, zeigt, darf das Monitoring – und auch die Überprüfung und Aktualisierung des Monitoringsystems, einschließlich der gesetzlichen Regelungen – nicht vernachlässigt werden. Mehrere Länder haben vorsorglich Muschelerntegebiete geschlossen und damit möglicherweise Vergiftungsfälle verhindert.

Das Auftreten der Toxinbildner muss nicht zwingend zu giftigen Muscheln führen. In manchen Gebieten kamen zwar die entsprechenden Algen vor, aber ohne Auswirkungen auf die Muschelbestände. So bewirkte Alexandrium minutum 2007 in Katalonien mit 106 Zellen pro Liter keine überhöhten PSP-Werte in Muscheln, während der selbe Dinoflagellat im selben Jahr mit 105 Zellen pro Liter zu einem Gehalt von 205µg STXeq/100g Muschelfleisch führte.

Seite 26

Tabelle 5-4: Ergebnisse des PSP-Monitoring in Europa

2007 (27) 2008 (21) 2009 (44) 2010 (45) 2011 (46)

Dänemark kein PSP Limfjord:

Max: 8000 Zellen/L

(A.pseudogonyaulax, aber keine Reaktion bei MBA!) (September)

kein PSP >Grenzwert (=500Zellen/L)

kein PSP

Deutschland kein PSP A. minutum, A. ostenfeldii, A. tamarense in geringer Zellzahl

kein PSP kein PSP

Finnland kein PSP kein PSP Åtland:

Max:

>200.000 Zellen/L

>800µg/100g (A. ostenfeldii) (keine Lebensmittel) Frankreich 2x Mittelmeer:

Max: 127 STXeq/100g (A. minutum, A.

tamarense, A.catenella)

Alexandrium vorhanden aber keine HAB;

2x Bretagne:

Max: 288g PSP/100g Irland niedrige PSP-Werte;

Max: 800 Zellen/L (Juli) (Alexandrium ssp) Max: 39µg STX/100g

kein PSP 1x Cork Harbour (Juli)

Max:

50µg STX/100g

kein PSP nur Cork Harbour:

Max: 165µg STXeq/100g (A. minutum, nur 2 Wochen im Juni)

Niederlande kein PSP kein PSP 8. Jahr in Folge ohne

Toxin-Auftreten

kein PSP Norwegen PSP entlang der ganzen

Küste

Max: leicht >80µg/100g (meist max. 1-2 Monate)

Süden:

ernster als in Vorjahren Max: 230µg/100g (v.a. Apr/Mai) Norden:

Max: 100µg/100g (Apr – Aug)

Polen kein PSP (21) kein PSP keine Angaben zu PSP (kein Nachweis?) (46)

Seite 27

Schweden Skagerrak- Kattegat

keine größere HAB Vorkommen von Alexandrium ssp;

1x Schließung von Muschelbank (Sept)

keine größere HAB Max: 4700 Zellen/L (A. tamarense, April) PSP >Grenzwert in Muscheln

mäßiges Vorkommen von Alexandrium in Mai+Sept

keine größere HAB kein PSP >Grenzwert in Meeresfrüchten

keine größere HAB 2x PSP >Grenzwert in Muscheln (Mai)

keine Algentoxine

>Grenzwert in Meeresfrüchten

Schweden Baltic Proper

keine größere HAB Vorkommen von Cyanobakterien

keine Aussagen zu PSP (kein Nachweis?)

keine Vergiftungen;

Vorkommen von Cyanobakterien Schweden

Bay of Bothnia

Vorkommen von

(G. catenatum, Januar)

Mittelmeer:

mäßige lokale G. catenatum-Blüten

kein PSP trotz G. catenatum

Atlantik:

kein PSP nennenswert;

Mittelmeer:

mäßige Konz G. catenatum;

1x 10.520 Zellen/L

Sperrung von Erntegebieten

schwere PSP-Ausbrüche (Mittelmeer)

Max: 48.400 Zellen/L (G. catenatum, Juli/Okt-Dez),

PSP in Meeresfrüchten Spanien

Baskenland

kein PSP in Meeresfrüchten;

Alexandrium ssp: max.

16.000 Zellen/L (Flussmündungen) Gymnodium ssp: max.

16.000 Zellen/L (Küste, Flussmündungen)

keine HAB

kein PSP in Meeresfrüchten;

Alexandrium ssp 20-100 Zellen/L

kein PSP >Grenzwert in Meeresfrüchten; (A. minutum, April) Max.

2,3 x106Zellen/L, aber keine Auswirkungen auf Muscheln (A. minutum)

Max 30.000 Zellen/L 83μg STXeq/100g (A. catenella, Juli)

max. 39µg STXeq/100g (A. minutum, A. catenella, April);

dichte A. minutum-Blüten im Norden (keine

Muschelgebiete)

max. 4000 Zellen/L (April), aber max. 38µg STXeq/100g;

A. catenella

max. 180.000 Zellen/L, aber kein Muschelgebiet

A. minutum

max. 2000 Zellen/L, aber PSP-Proben <Grenzwert

Seite 28

Spanien Galicien

A. minutum:

max. 383.130 Zellen/L (Juni/Juli/Sept) G. catenatum:

max. 360 Zellen/L

A. minutum:

max. 11.000 Zellen/L G. catenatum:

kein PSP-Ereignis

Sperrungen (Okt-Nov) max. 6720 Zellen/L 1140μg STX/100g (Okt, G. catenatum) A. minutum Mai-Sept

Sperrungen

(A. minutum; Juni, Juli-Okt) kein G. catenatum

Sperrungen G. catenatum:

max. 51.800 Zellen/L 2220µg STXeq/100g (Juli-Okt)

A. minutum:

max. 11 872 Zellen/L 136μg STXeq/100g (Mai-Okt)

max. 268.707 Zellen/L 790μg STXeq/100g (Mai) UK

Nordirland

kein PSP >Grenzwert in Schalentieren;

Alexandrium ssp:

max. 120 Zellen/L (Juni)

kein PSP >Grenzwert in Schalentieren;

Alexandrium ssp:

max. 80 Zellen/L (April)

kein PSP >Grenzwert in Schalentieren;

Alexandrium ssp:

max. 1560 Zellen/L (Mai)

kein PSP >Grenzwert in Schalentieren;

Alexandrium ssp:

max. 140 Zellen/L

kein PSP >Grenzwert in Schalentieren;

Alexandrium ssp:

max. 60 Zellen/L UK

England/Wales

3x PSP in Muscheln (Mai/Juni);

Alexandrium ssp:

max. 2Mio Zellen/L (Juli)

7x PSP >Action Level (Aug);

Alexandrium ssp:

max. 1,7Mio Zellen/L (Aug)

5x PSP >Action Level (Aug/Sept);

Alexandrium ssp:

max. 1,5Mio Zellen/L (Aug)

7x PSP >Action Level (Aug);

Alexandrium ssp:

max. 3,3Mio Zellen/L (Aug)

14x PSP >Action Level (Juni/Aug);

Alexandrium ssp:

max. 675.000 Zellen/L (Mai-Okt)

UK Schottland

kein PSP >Grenzwert in Muscheln

Alexandrium ssp:

max. 9180 Zellen/L

Alexandrium ssp:

max. 1440 Zellen/L (Juni) Nur 160 Zellen/L erhöhen PSP in Muscheln (Mai)

Alexandrium ssp:

max. 61720 Zellen/L (Juli), aber kein PSP in

Schalentiere A. minutum:

max. 1200Zellen/L

(April)PSP >Grenzwert in Muscheln

kein PSP >Grenzwert in Muscheln;

Alexandrium ssp:

max. 3100 Zellen/L (Mai)

2 Sperrungen;

Alexandrium ssp:

max. 9680 Zellen/L (Mai)

Seite 29