• Keine Ergebnisse gefunden

ESIPT: Excited State Intramolecular Proton Transfer

Im Dokument Neue H-Chelate mit dualer Fluoreszenz (Seite 23-26)

1.5 ESIPT: Excited State Intramolecular Proton Transfer

Als erster berichtete K. Weber 1931 davon, daß sich bei einigen organischen Ver-bindungen eine Änderung des Säure-Base-Gleichgewichts ergab, je nachdem ob die Untersuchung im Grundzustand oder im ersten angeregten Zustand durchgeführt wurde [22]. 1949 konnte T. Förster die richtige Erklärung für dieses Verhalten geben [23] und wurde Pionier auf dem Forschungsgebiet des intermolekularen Protonen-transfers im angeregten Zustand (ESIerPT). Sechs Jahre später erkannte A. Weller einen ungewöhnlich großen Stokes-Shift zwischen der Absorption und Fluoreszenz des Salicylsäuremethylesters XXIVa [24], der nach Methylierung der Hydroxygrup-pe XXV nicht mehr beobachtet werden konnte. Weller schlug als Ursache für die rotverschobene Fluoreszenz die Bildung des Tautomeren XXIVb durch einen in-tramolekularen Protonentransfer im angeregten Zustand vor (ESIraPT) (Abbildung 1.16).

O O

O

O O

H O

O O

O H

XXIVa XXIVb

XXV

Abbildung 1.16– Intramolekularer Protonentransfer des Salicylsäuremethylesters im angeregten Zustand

1993 haben L. G. Arnaut und S. J. Formosinho in einer umfassenden Veröffentlichung über inter- und intramolekularen Protonentransfer im angeregten Zustand, den aktu-ellen Forschungsstand zusammengefaßt [25, 26].

Demnach gilt als gesichert, daß funktionelle Gruppen des TypsROH,RNH2und RNH3+nach Absorption imS1-Zustand stärkere Säuren (schwächere Basen), während R2C=OH+,RCO2H,RCO2H2+,RSO3H+2,RPO3H+3,RAsO3H+3 undRNO2H stärkere Basen (schwächere Säuren) werden. Für aromatische Verbindungen gilt all-gemein, daß im ersten angeregten Zustand aus Elektronendonator-Gruppen stärkere Donatoren werden, während Elektronenakzeptor-Gruppen Elektronen noch stärker anziehen. Die Effekte durch Elektronenanregung können dabei durchaus drastische Auswüchse annehmen, z. B. wurde bei pK-Werten organischer Säuren ein Anstieg von bis zu 32 Einheiten beobachtet.

Wenn nun die basische oder die azide Seite in einem Molekül im angeregten Zustand noch basischer oder noch azider wird, dann kann im angeregten Zustand eine Tauto-merenbildung durch intramolekularen Protonentransfer erfolgen. In den meisten der bekannten Fälle fungieren Sauerstoffatome als Protonendonatoren und Stickstoff ato-me als Protonenakzeptoren (O–H...N-Systeato-me). Der intramolekulare Protonentrans-fer erfolgt dabei meist über eine Wasserstoffbrückenbindung zwischen den beteiligten Reaktionszentren.

1 Einleitung

Die von uns dargestellten H-Chelate Va sind Vertreter des seltenen Falles eines N–

H...N-Systems: Die 2-Aminogruppe des Chinolins ist die azide Donatorseite und bildet eine Wasserstoffbrücke zum Ringstickstoff des 3-Heteroarylsubstituenten, der basischen Akzeptorseite, aus. Nach Protonierung stellt sich im angeregten Zustand ein Tautomerengleichgewicht zwischen der Amino- (Vb) und der Iminoform (Vc) ein (Abbildung 1.17).

N N N

A

H H

N N N

A

H H

H H

N N N

A

H H

Va

H+

Vc Vb

Abbildung 1.17– Tautomerengleichgewicht der H-Chelate

Dualfluoreszierende Systeme mit intramolekularer N–H...N-Brücke sind im Gegen-satz zu dualfluoreszierenden Systemen bzw. Systemen mit anomal großer Fluores-zenzlücke (Systeme, bei denen im angeregten Zustand der intramolekulare Protonen-transfer zu 100% erfolgt) mit N–H...O-Brücken wenig bekannt [16].

Ob bei einer Verbindung V lediglich „rote“ oder „blaue“ Fluoreszenz, oder beide Emis-sionen zugleich auftreten, läßt sich anhand Abbildung 1.18 verstehen:

Vb Vb

Vb Vc Vc Vc

S1 S1

S1

S0 S0

S0

A B C

S0

∆S0

∆S0

Abbildung 1.18– A: Nur „rote“ Fluoreszenz, scheinbar großer Stokes-Effekt, große Fluoreszenz-lücke;

B: Duale Fluoreszenz;

C: Duale Fluoreszenz, zusätzlich bereits im S0Anteil von Vc

A: Liegt der S1-Zustand von Vc energetisch deutlich niedriger als Vb, so befindet sich das Tautomerengleichgewicht völlig auf der Seite von Vc und es kann nur „rote“

Fluoreszenz beobachtet werden. Die Verbindung hat dann einen scheinbar großen Stokes-Effekt bzw. eine große Fluoreszenzlücke.

B: Liegt derS1-Zustand von Vc energetisch auf ähnlichem Niveau wie von Vb, so kann neben der „roten“ auch eine „blaue“ Fluoreszenz, die sogenannte duale Fluoreszenz,

1.5 ESIPT: Excited State Intramolecular Proton Transfer beobachtet werden. In beiden Fällen ist der energetische Unterschied ∆S0 zwischen S0[Vb] und S0[Vc] so groß, daß im Grundzustand das Gleichgewicht der beiden Tautomerenformen vollständig auf der Seite Vb liegt.

C: Liegt der S1-Zustand, wie im Fall B, von Vc energetisch auf ähnlichem Niveau wie von Vb, so kann auch bei C die „rote“ neben der „blauen“ Fluoreszenz be-obachtet werden. Nähern sich darüberhinaus die energetischen Lagen der beiden Grundzustände an, so stellt sich bereits hier ein Gleichgewicht zwischen Vb und Vc ein.

Die Gleichgewichtskonstante K des Tautomerengleichgewichts berechnet sich nach K = [S1(Vc)]/[S1(Vb)]. Für K < 0,01 wird lediglich „blaue“, für K > 0,99 nur „ro-te“ Fluoreszenz beobachtet. Liegt K zwischen 0,01 und 0,99, kann – entsprechend große Fluoreszenzquantenausbeute vorausgesetzt – duale Fluoreszenz erhalten wer-den.

Tieftemperaturmessungen zeigen, daß – in Übereinstimmung mit der für den un-terschiedlich großen Doppelbindungscharakter der die beiden heteroaromatischen Teilsysteme verknüpfenden Bindung zu erwartenden unterschiedlichen intramoleku-laren Beweglichkeit – die Raumtemperatur-Fluoreszenzquantenausbeuten der Tau-tomeren Vb und Vc deutlich verschieden sind und so die bei Raumtemperatur be-obachtbaren Fluoreszenzen für den angeregten Zustand eine viel zu weite Verschie-bung des Tautomerengleichgewichtes vortäuschen [27]. Eine Abschätzung des im S1-Zustandes vorliegenden Gleichgewichtes erfordert also zumindest Tieftemperatur-Untersuchungen.

Bis auf wenige Ausnahmen entsprechen alle bisher dargestellten Verbindungen V nach Protonierung bei Raumtemperatur dem Fall (B), lediglich mit 6-Ringheterocyc-len (Chinolin, Pyridin, Pyrimidin) substituierte 2-Aminochinoline entsprechen dem Fall (A) und zeigen ausschließlich „rote“ Fluoreszenz.

Anhand der Verbindung XVII seien alle Ergebnisse zusammenfassend dargestellt:

In der Neutralform XVIIa wird kein ESIraPT beobachtet. Die Azidität der Amino-gruppe bzw. die Basizität des Stickstoffatoms der Benzothiazolyl-Gruppe sind auch im angeregten Zustand XVIIa* zu schwach, um einen Protonentransfer zu ermögli-chen. Nach Protonierung zu XVIIb ändern sich die Basizitäten der beteiligten Reak-tionszentren, so daß im ersten angeregten Zustand durch intramolekularen Protonen-transfer ein Tautomerengleichgewicht zwischen der Amino- (XVIIb*) und der Imino-form (XVIIc*) beobachtet werden kann. Kehrt XVIIb* durch Emission in den Grund-zustand XVIIb zurück, so wird „blaue“ Fluoreszenz beobachtet, „rote“ Fluoreszenz dementsprechend beim Übergang von XVIIc* nach XVIIc. Durch die geänderten Basi-zitäten im Grundzustand, lagert sich XVIIc durch intramolekularen Protonentransfer wieder in das Tautomer XVIIb um (Abbildung 1.19).

1 Einleitung

250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

0

Wellenlänge [nm]

Wellenzahlen [1000/cm]

Extinktion/rel.Intensit

250 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800

0

Wellenlänge [nm]

Wellenzahlen [1000/cm]

Extinktion/rel.Intensit

Abbildung 1.19– Erklärung der dualen Fluoreszenz

Im Dokument Neue H-Chelate mit dualer Fluoreszenz (Seite 23-26)