• Keine Ergebnisse gefunden

Erklärungsfaktoren der hohen Erwerbstätigkeit

Im Dokument Altern in Deutschland Band 3 (Seite 115-118)

Die Beschäftigung älterer Menschen in Japan – Ursachen und Rahmenbedingungen einer hohen

3. Erklärungsfaktoren der hohen Erwerbstätigkeit

Die hohe Erwerbstätigkeit älterer Menschen in Japan ist nicht monokausal zu erklären. Tat-sächlich sind es eine Reihe sozialer, kultureller, ökonomischer und institutioneller Einfluss-größen, die zusammen betrachtet zu diesem positiven Befund beitragen. Ähnlich wie in Deutschland sind in Japan institutionelle Faktoren wie Arbeitsmarktregulierung, Transfer-leistungen, aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Entlohnung wirksam, denen auch in diesem Beitrag die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden wird (vgl. eiChhorSt 2006). Hinzu kommen spezifisch japanische Praktiken der Weiter­ bzw. Wiederbeschäftigung älterer Menschen, die in dieser Form in Deutschland nicht anzutreffen sind. Schließlich wirken auch soziale bzw. kulturelle sowie ökonomische Faktoren. In diesem Abschnitt werden letz-tere Einflußgrössen beleuchtet, während der nächste Abschnitt ausführlich auf die instituti-onellen Rahmenbedingungen eingeht.

Umfrageergebnisse zur Einstellung der älteren Japaner zeigen, dass über 30 % der beschäftigten Männer in den Altersgruppen 60 – 64 und 65 – 69 unabhängig vom Alter so lange wie möglich arbeiten möchten (Kōsei Rōdōshō 2005b). Diese hohe Motivation der

japanischen Beschäftigten kommt auch bei einem internationalen Vergleich zum idealen Renteneintrittsalter zum Ausdruck. Wie Tabelle 5 veranschaulicht, gaben immerhin 31,3 % der japanischen Befragten an, dass ihr ideales Rentenalter bei 70 Jahren liegt.

Tab. 5 Internationale Befragung zum idealen Rentenalter (in % der Befragten) (Quelle: naikakufu 2001) in % der Befragten in

Ideales Rentenalter Japan USA Deutschland Schweden Korea

Unter 40 Jahre 0,1 0,1 0,0 0,0 0,3

Um 50 Jahre 0,1 1,2 0,5 0,4 1,4

Um 55 Jahre 0,3 5,0 4,0 2,3 1,8

Um 60 Jahre 11,1 16,2 47,0 45,8 12,8

Um 65 Jahre 40,3 45,3 42,2 42,3 29,6

Um 70 Jahre 31,3 15,5 2,2 3,4 32,1

Um 75 Jahre 7,7 2,5 1,5 0,4 8,7

Um 80 Jahre 2,8 0,8 0,3 0,0 5,9

Andere 5,8 8,1 2,3 5,5 7,5

Auch wenn solche Befragungsergebnisse mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden sollten, weisen sie auf eine sehr hohe intrinsische Arbeitsmotivation der gegenwärtig älteren Bevölkerung hin.3 Ob diese hohe Motivation Ausfluss einer konfuzianistischen Arbeitsethik ist, ist sicherlich nur sehr schwer zu beantworten. Da diesbezügliche Erklärungsversuche leider allzu häufig zu kulturellen Essenzialisierungen und Stereotypenbildungen neigen und damit den Blick auf andere Erklärungsfaktoren eher verstellen als erhellen, sollte man mit solchen Hypothesen sehr vorsichtig sein.

Tatsächlich mögen bestimmte Ingredienzien des japanischen Wirtschaftserfolgs meta-konfuzianistischer Natur sein. Das allgemein relativ hohe Ansehen älterer Menschen, das Senioritätsprinzip und Aspekte der Loyalität sind in diesem Zusammenhang zu nennen (Weggel 1989). Inwiefern diese Faktoren aber ursächlich mit einem Wunsch zur Arbeit bis ins hohe Alter verbunden sind, ist weitaus schwieriger zu bewerten. So ist z. B. die Vorstel-lung von der Arbeit als einem Mittel zur Selbstverwirklichung oder als sittlicher Ausdruck innerweltlicher Askese dem traditionellen Asien durchaus fremd. Sicherlich spielen in der japanischen Kultur aber gegenseitige Abhängigkeit und menschliche Beziehungen eine herausragende und größere Rolle als beispielsweise Werte von Unabhängigkeit und Selbst-verwirklichung. In diesem Sinne treffen wir bei der heute älteren Generation eine stark eta-blierte Rollenverteilung an, wonach die Männer vornehmlich einer außerhäusigen Beschäf-tigung nachgehen und ihre sozialen Kontakte in aller erster Linie im Umkreis der Firma finden. Ein vollständiger Rückzug aus dem Erwerbsleben bedeutet für sie den Abbruch die-ser wichtigen sozialen Beziehungen, und eine Kompensation durch neue Kontakte bzw. an-dere sinngebende „selbstverwirklichende“ Tätigkeiten fällt vielen schwer. Auf der anan-deren Seite sind die Frauen dieser Generation in der Regel für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig und empfinden eine ständige Anwesenheit des Ehepartners im Alter nicht

3 Vor dem Hintergrund eines auch in Japan stattfindenden Wertewandels ist es allerdings fraglich, ob künftige Generationen der beruflichen Arbeit eine ähnlich große Bedeutung zuschreiben werden.

selten als unangenehm. Diese Rollenverteilung erklärt auch die insgesamt nicht so hohe Er-werbstätigkeit der Frauen. takayama (2003) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass am Arbeitsmarkt Frauen und Gastarbeiter häufig durch ältere männliche Beschäftigte „ersetzt“ würden.

Ungeachtet dieser sozialen und gesellschaftlichen Ursachen, dürfen ökonomische Fak-toren als Erklärungsvariable keinesfalls vernachlässigt werden. Wie auch im nächsten Abschnitt noch genauer zu diskutieren sein wird, ist zur Überbrückung der zeitlichen Lücke zwischen betrieblicher Ruhestandsgrenze und Renteneintritt eine Weiterbeschäftigung für viele Arbeitnehmer auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Dieser Sachverhalt wird durch Befragungsergebnisse in Tabelle 6 anschaulich verdeutlicht. Hiernach sind sowohl für Frauen als auch für Männer in den Altersgruppen von 55 – 69 Jahren ökonomische Gründe das weitaus wichtigste Motiv für das Nachgehen einer beruflichen Tätigkeit.

Leider lassen die japanischen Statistiken keine genauen Aussagen zur genauen Einkom-menszusammensetzung und Höhe einzelner Haushaltstypen und einer daraus resultierenden Arbeitsaufnahme zu.4 Zwischen Rentenhöhe und Alterserwerbstätigkeit scheint aber ein klarer Zusammenhang zu bestehen. Eine Untersuchung von takayama und arita (1996) zeigt, dass bei 2­Personen­Altenhaushalten mit einem jährlichen Renteneinkommen von 1,2 Mio. Yen (ca. 16 Prozent aller 2­Personen­Altenhaushalte) ca. 85 % der über 65­jäh-rigen Haushaltsvorstände arbeiten. Mit zunehmender Rentenhöhe nimmt dieser Prozentsatz ab.

Tab. 6 Gründe für das Nachgehen einer beruflichen Tätigkeit nach Altersgruppen und Geschlecht (November 2004). Befragung von 25 224 Personen mit 17 853 Rückmeldungen. (Quelle: Kōsei Rōdōshō 2005b)

Altersklasse 55 – 59 Jahre 60 – 64 Jahre 65 – 69 Jahre

Gründe Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen

Um mich und meine Familie

finanziell zu unterstützen 88,7 62,7 67,4 56,9 53,9 46,6

Um meinen Lebensstandard

Bei einem Renteneinkommen von über 3,6 Millionen Yen arbeiten nur noch 25,5 % der über 65­jährigen Haushaltsvorstände. Letztere Zahl ist immer noch vergleichsweise hoch und macht deutlich, dass die insgesamt hohe Alterserwerbsquote bzw. ­tätigkeit sicherlich nicht nur mit finanziellen Faktoren zusammenhängt. Andererseits zeigt ein Vergleich mit den Mindestlebenshaltungskosten der Sozialhilfe, die in Japan regionsspezifisch für diesen

4 Obwohl die Datenlage in Deutschland diesbezüglich besser erscheint, fehlt auch hier eine auf Personen und/

oder Haushalte bezogene Berichterstattung über die einkommensmäßigen Konsequenzen der Alterssiche-rungssysteme für verschiedene Gruppen der Bevölkerung (SChmähl 1990).

Haushaltstyp zwischen ca. 1,4 Millionen und ca. 1,8 Millionen Yen jährlich liegen, dass mindestens 16 % der Zwei­Personen­Altenhaushalte eine Rente beziehen, die eindeutig un-ter Sozialhilfeniveau liegt. Außerdem beziehen 12 % der Zwei­Personen­Altenhaushalte eine Rente in Höhe von 1,2 bis 1,8 Millionen Yen (takayama und arita1996). Zusammen-gefasst folgt daraus, dass ca. 28 % der Zwei­Personen­Altenhaushalte nur eine Rente unter oder knapp in Höhe des Sozialhilfeniveaus erhalten. Hinsichtlich der Alleinstehenden lässt sich weiterhin anführen, dass ca. 50 % eine Rente unter 1,2 Millionen Yen beziehen und da-mit unterhalb bzw. nur knapp auf Höhe des Sozialhilfeniveaus liegen. Diese Zahlen ver-deutlichen, dass eine Arbeitsaufnahme für viele ältere Menschen in Japan stark ökonomisch motiviert ist. Berechnungen der OECD zeigen, dass ungefähr die Hälfte aller 60 – 69­jäh-rigen Japaner mit Renteneinkommen (privat oder öffentlich) einer Beschäftigung nachge-hen. Umgekehrt arbeiten rund 50 % aller Rentenbezieher nicht mehr (OECD 2004).

4. Institutionelle Rahmenbedingungen der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in

Im Dokument Altern in Deutschland Band 3 (Seite 115-118)