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III. Quantitative Netzwerkanalyse

5. Der Einfluss des persönlichen Netzwerks und der unternehmensrelevanten Ressourcen auf

5.1. Stand der Forschung: Soziale Netzwerkanalyse, Gender und Gründungsforschung

5.1.2. Konzepte und Definitionen

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definiert. Der verbreitetste Weg zur Messung ist der Namensgenerator, zum ersten Mal eingesetzt 1985 im englischsprachigen General Social Survey (Bailey/Marsden 1999).

“From time to time, most people discuss important matters with other people.

Looking back over the last six months – who are the people with whom you dis-cussed an important personal matter?” (Bailey/Marsden 1999: 288)

Hierbei werden alle genannten Personen aufgelistet. Manche Studien adaptieren den Namensgene-rator, indem sie abfragen, mit wem die Gründungsperson unternehmensrelevante Angelegenheiten bespricht (Bhagavatula et al. 2010) oder wer eine Hilfsquelle für die Gründung/das Unternehmen ist (Sullivan/Marvel 2011). Andere unterscheiden verschiedene Netzwerkfragmente, indem sie nachei-nander nach Personen fragen, die für finanzielle Unterstützung, Ratschläge, Branchenkenntnisse etc.

wichtig sind (Chiesi 2007; Uzzi 1999).

Neben dem Namensgenerator werden viele andere – simplere – Arten der Größenmessung ange-wendet. So wird schlicht nach der Zahl der Personen gefragt, die ego als wichtig für sein/ihr Unter-nehmen erachtet (X.-Y. Zhao et al. 2010; Lechner et al. 2006) oder danach, wie viele Personen ego in bestimmten Positionen oder Berufen kennt (Prajapati/Biswas 2011; Johnson et al. 2002; Batjargal 2000; L. Zhao/Aram 1995). Wiederum andere Studien betrachten gar nicht das persönliche Netzwerk der Gründungsperson, sondern Unternehmensbeziehungen und Kooperationspartner (Ouimet et al.

2007; Baum et al. 2000; Rowley et al. 2000; Uzzi 1996). Dieser Ansatz scheint besonders für kleinere Unternehmen nicht sehr vielversprechend, da das persönliche Netzwerk der Gründungsperson be-deutender ist als formelle Unternehmensbeziehungen (Ouimet et al. 2007).

Netzwerkdichte

Netzwerkdichte ist definiert als der Anteil der tatsächlich realisierten Bindungen an den theoretisch möglichen Bindungen (Burt 1992). Bei ego-zentrierten Netzwerken basiert diese Messung auf den Bindungen der alteri untereinander, da die Bindungen von ego zu den alteri per Definition alle vor-handen sind (Jenssen/Greve 2002).

Zum Effekt der Netzwerkdichte auf den Unternehmenserfolg gibt es konkurrierende Hypothesen. Auf der einen Seite erhöht die Verbundenheit der Netzwerkmitglieder Vertrauen und Verbindlichkeit im Netzwerk (Coleman 1988). Auf der anderen Seite gibt es in Netzwerken mit geringer Dichte weniger Redundanz der verfügbaren Informationen und erreichbaren Kontakte (Burt 1992). Außerdem ist in Netzwerken mit hoher Dichte eine größere soziale Kontrolle gegeben und schränkt die Gründungs-person somit in ihrer Handlungsfreiheit ein (Bhagavatula et al. 2010; Uzzi 1996).

75 Stärke von Bindungen (Ties)

Die Stärke von Bindungen zwischen Netzwerkmitgliedern ist eines der zentralen Konzepte der sozia-len Netzwerkanalyse. Granovetter (1973) konnte zeigen, dass viele schwache Bindungen im Netzwerk effektiver sind, da sie weitreichender sind als starke Bindungen und deshalb zu mehr Ressourcen führen. Starke Bindungen sind oftmals redundant und führen daher zu redundanten Informationen.

Diese Zusammenhänge sind jedoch nicht immer zutreffend: In Karrierenetzwerken etwa profitieren zwar Männer in höheren Managementpositionen von vielen schwache Bindungen in ihrem Netzwerk, jüngere Männer hingegen und Frauen sind erfolgreicher, wenn sie ein Netzwerk haben, das auf star-ken Bindungen beruht (Burt 1992).

Die Stärke oder Schwäche einer Bindung definiert sich über eine Kombination von aufgewendeter Zeit, emotionaler Intensität, der Intimität sowie der reziproken Gefälligkeiten, die diese Bindung cha-rakterisieren. Da starke Bindungen zumeist zwischen Personen mit ähnlichen sozialen Merkmalen bestehen, lässt sich die Schwäche bzw. Stärke einer Bindung auch über die Distanz bzw. Nähe im soziodemografischen Raum bestimmen (McPherson et al. 1992). In den empirischen Studien zur Gründungsforschung, die dieser Literaturübersicht zugrunde liegen, wurde die Stärke der Bindungen in den meisten Fällen über Einschätzungen von Kontakthäufigkeit, Multiplexität (z.B. privater und beruflicher Kontakt) und emotionale Nähe von ego zum jeweiligen alter erfasst. Es finden sich auch Beispiele für die Definition von starken und schwachen Kategorien: Freunde oder enge Freunde gel-ten als starke Bindung, Bekannte oder lockere Bekannte als schwache (Jenssen/Greve 2002;

Krackhardt 1992).

Es variiert nicht nur die Art, die Stärke der Bindungen zu messen, sondern auch die Methoden, wie diese in den statistischen Analysen berücksichtigt wird. In manchen Fällen werden sowohl die Anzahl der starken als auch die Anzahl der schwachen Bindungen im Forschungsmodell berücksichtigt (Bosma et al. 2004; Jenssen/Greve 2002; Uzzi 1999), in anderen Fällen wird die Netzwerkzusammen-setzung, also der Anteil der starken Bindungen in die statistische Analyse aufgenommen.

Homophilie

Homophilie beschreibt die Neigung von Individuen, Gruppen mit solchen Personen zu bilden, die ihnen sozial ähneln (McPherson et al. 2001). Die Ähnlichkeit bezieht sich auf persönliche Eigenschaf-ten wie Alter oder Gender ebenso wie auf Beruf, KompeEigenschaf-tenzfeld oder Branche (Schutjens/Völker 2010). Ähnlichkeit zwischen Personen erleichtert Kommunikation sowie die Vorhersagbarkeit des Verhaltens, und erhöht somit Vertrauen und Reziprozität im Netzwerk (Ibarra 1993). Aufgrund dieser Erleichterung neigen Individuen dazu, solchen Organisationen beizutreten, deren Mitglieder ihnen ähneln. Dies führt dazu, dass in vielen Organisationen eine Gender-Segregation zu beobachten ist.

Das betrifft freiwillige Organisationen ebenso wie das berufliche Umfeld (McPherson et al. 2001).

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Auch Gründerinnen und Gründer verbringen ihre Zeit weitestgehend in einer homophilen Umgebung, so dass zu erwarten ist, dass ihr persönliches Netzwerk von Homophilie geprägt ist (Grossman et al.

2012). Empirisch zeigt sich, dass homophile Ties häufiger strong Ties sind, da Ähnlichkeit persönliche Nähe erzeugt (Ibarra 1993).

Ibarra (1993) argumentiert, dass wenn Frauen häufiger über einen niedrigeren beruflichen Status verfügen, Homophilie in Netzwerken negativ mit der in ihrem persönlichen Netzwerk vorhandenen Macht korreliert sein wird.

Homophilie kann in Bezug auf angeeignete Eigenschaften, z.B. Bildung und Einkommen, in Bezug auf psychologische und soziale Eigenschaften, etwa Einstellungen und Normen, oder in Bezug auf zuge-schriebene Eigenschaften wie Alter, Ethnizität und Gender erfasst werden (Ruef et al. 2003). Wäh-rend angeeignete und soziale Eigenschaften ein Ergebnis der Interaktion im Netzwerk selbst sein können, existieren zugeschriebene Eigenschaften unabhängig vom Netzwerk.

5.1.2.2. Konzepte und Definitionen von Ressourcen

Grundlegend wird angenommen, dass ein effektives soziales Netzwerk die Unternehmerin oder den Unternehmer dazu in die Lage versetzt, Ressourcen zu erlangen, die für den Unternehmenserfolg relevant sind (Batjargal 2000, Bhagavatula et al. 2010, Davis/Aldrich 2000, Ge et al. 2009, Jens-sen/Greve 2002, Jones/Jayawarna 2010, McEvily/Zaheer 1999, Starr/Macmillan 1990). Als relevant werden dabei die folgenden Ressourcen eingestuft:

(1) Gewinnung von Informationen, Rat und Wissen (2) Zugang zu finanziellen Mitteln

(3) Gering oder gar nicht bezahlte Mitarbeit (4) Soziale und emotionale Unterstützung

(5) Kontakte zu potenziellen Kunden und Lieferanten

In den betrachteten Studien lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze hinsichtlich der Ressourcen von Gründerinnen und Gründern bzw. Unternehmerinnen und Unternehmern identifizieren. Zum einen wird das Vorhandensein der Ressourcen fokussiert, das heißt, es wird erhoben, ob im Netzwerk die verschiedenen Ressourcen überhaupt vorhanden sind (Klyver/Hindle 2010; Witt et al. 2008; L.

Zhao/Aram 1995). Die andere Perspektive untersucht, ob Ressourcen aus dem Netzwerk auch tat-sächlich mobilisiert worden sind (Bhagavatula et al. 2010; Jenssen/Greve 2002; Batjargal 2000; Uzzi 1999). Weniger verbreiteter ist der Ansatz, nicht tatsächlich mobilisierte Ressourcen abzubilden, sondern die Kompetenz von ego, Ressourcen abzurufen, zu erheben (Jones/Jayawarna 2010). Dieser

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dritte Ansatz soll uns im Weiteren nicht beschäftigen, da keine spezifische Definition solcher Kompe-tenzen existiert. Es scheint daher nicht angebracht, das Konzept von KompeKompe-tenzen zum Abrufen von Ressourcen ohne vorhergehende explorative Forschungsleistungen zu verwenden. Die oben be-schriebene Unterscheidung zwischen grundsätzlich verfügbaren und tatsächlich mobilisierten Res-sourcen wird weiter unten bei der Operationalisierung der Variablen Berücksichtigung finden.

5.1.2.3. Konzepte und Definitionen von Erfolg

Die empirischen Studien, die diesem Literaturüberblick zugrunde liegen, weisen eine Vielzahl von Arten auf, den Unternehmenserfolg zu messen. Eine Standardisierung oder Häufung bestimmter Maßzahlen ist kaum auszumachen. Die verschiedenen Erfolgsmaße lassen sich in fünf übergeordnete Kategorien unterteilen:

(1) Finanzieller Erfolg

(2) Erfolg bei der Schaffung von Arbeitsplätzen (3) Innovationsfähigkeit

(4) Marktbezogener Erfolg (z.B. Marktanteile, die Eroberung neuer Märkte) (5) Subjektiver Erfolg (Zufriedenheit)

Darüber hinaus lassen sich bei Studien, die Gründerinnen und Gründer vor oder zum Gründungszeit-punkt betrachten, zukunftsorientierte Erfolgsmaße wie „Erkennen von Möglichkeiten“, die „Entwick-lung neuer Ideen“ und „erste Gründungsaktivitäten“ finden (Bhagavatula et al. 2010;

Davidsson/Honig 2003; R. P. Singh et al. 1999). Die Unterschiedlichkeit der Maßzahlen des finanziel-len Erfolgs ist besonders groß und reicht vom Unternehmenswert (Zuwarimwe/Kirsten 2010) über den Ertrag (Jenssen/Greve 2002) bis zum Umsatz (Lechner et al. 2006), um nur einige zu nennen.

Vielfach werden als Maß für den Unternehmenserfolg nicht absolute Beträge herangezogen, sondern vielmehr Entwicklungen über die Zeit, z.B. die prozentuale Umsatzsteigerung über einen definierten Zeitraum, oder ob überhaupt eine Steigerung erzielt werden konnte (Jones/Jayawarna 2010; Ge et al.

2009; Cooke 2007). Die Berücksichtigung von Entwicklungen in der statistischen Analyse ist zwar weniger präzise als absolute Beträge; das Verfahren hat aber den Vorteil, dass unterschiedliche Aus-gangslagen der Unternehmen die Ergebnisse nicht verfälschen können und es somit einen Vergleich des Unternehmenserfolges ermöglicht (Westlund/Nilsson 2005).

Als Minimalkriterium hat das Überleben eines gegründeten Unternehmens zu gelten (Brü-derl/Preisendörfer 1998). Dieses kann allerdings oft nicht als Maß genutzt werden, da viele Studien ausschließlich existierende Unternehmen untersuchen.

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