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5.3 Methode

5.4.2 Ergebnisse der Studie am Versuchspferd

Bei der Untersuchung der Versuchspferde wurde in allen acht Fällen das Ganglion trigeminale erreicht und Glyzerol appliziert. Dazu waren im Mittel vier (±1,9) Punktionsversuche nötig. Die Planung der Stichrichtung durch die beiden Marker- Kanülen war ein hilfreicher Schritt, da auf diesem Weg bereits eine präzise Planung der Stichrichtung - lateral oder medial der V. linguofacialis - vorgenommen werden konnte, ohne dass eine wesentliche Traumatisierung des Gewebes entstand.

Beim Vornehmen der Stichinzision der Haut mittels Skalpell wurde in zwei Fällen die V. linguofacialis verletzt. In beiden Fällen wurde eine Ligatur der Vene vorgenommen. Dies hatte keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Injektion.

Auch im Anschluss an die OP traten keine Komplikationen auf. Eine Verletzung der Vene scheint daher von untergeordneter Bedeutung zu sein und kann durchaus zum Erreichen einer besseren Punktionsrichtung in Kauf genommen werden.

Während des weiteren Vorschiebens der Kanüle wurde bei einem Pferd der Schildknorpel des Kehlkopfes verletzt. Da der Schildknorpel mehr Widerstand bietet als das übrige Gewebe und im CT- Bild gut darstellbar ist, ist eine Verletzung des Knorpels grundsätzlich vermeidbar. In diesem Fall sind keine Komplikationen entstanden.

Bei Eintritt in den Luftsack half das endoskopische Bild, eine Verletzung von Gefäßen und Nerven zu vermeiden. In dieser Untersuchung wurde drei Mal die Plica neurovasculosa perforiert und dadurch eine Blutung in den Luftsack ausgelöst. In fünf Fällen wurde die Kanüle so gesteuert, dass eine Verletzung vermieden wurde.

Da sich die Pferde in Rückenlage befanden, sammelte sich das Blut genau an der Stelle, an der die Kanüle in die Schädelhöhle eingeführt werden sollte, da dies der tiefste Punkt des Luftsacks war. Die Blutung verschlechterte die Sicht, die Verletzung von Gefäßen sollte daher durch leichtes Lenken der Kanüle vermieden werden. Sie gefährdete jedoch das Platzieren der Kanüle nicht.

Auch beim Entfernen der Kanüle aus dem Ganglion kann es durch die Verletzung der A. carotis interna oder des Sinus petrosus ventralis zu Blutungen in den Luftsack kommen. Dies trat in sieben von acht Fällen auf. Die Blutung wurde nicht therapiert,

es wurde kein Zusammenhang zwischen der Blutung in den Luftsack und einer nachfolgenden Komplikation festgestellt.

Rückblickend lässt sich feststellen, dass der Verlauf der Kanüle medial des Zungenbeins durch das mediale Luftsackkompartiment bei allen Pferden erfolgreich war. In keinem Fall konnte die Kanüle lateral am Zungenbein entlang geführt werden.

5.4.2.2 Anästhesie und Blutdruckverlauf

Während der Allgemeinanästhesie traten keine Zwischenfälle auf. Zum Zeitpunkt des Eintretens der Kanüle in das zerebrale Gewebe, bei manchen Pferden erneut zum Zeitpunkt der Injektion des Glyzerols, wurde ein Blutdruckanstieg verzeichnet. Beim Menschen kommt es in etwa 20 % der Fälle zu einer vasovagalen Antwort (mit Bradykardie und Hypotension) auf die Penetration der Kanüle oder die Glyzerolinjektion. Andere Patienten zeigen einen Blutdruckanstieg, der ebenfalls durch Schmerz oder Angst ausgelöst wird (Kondziolka and Lunsford 2005).

Da die Komponente der Angst beim Pferd unter Allgemeinanästhesie auszuschließen ist, käme nur eine Stressreaktion in Frage. Dies könnte auf erhebliche Veränderungen im Ausmaß der sympathischen nervalen Aktivität beruhen. Ähnliches wurde in einer Untersuchung von Lambert et al. (2006) vermutet. Hier kam es nach einer intrazisternalen Injektion von Bupivacain beim Menschen zu einem Blutdruckanstieg. Als Ursache dieser hämodynamischen Konsequenz wurde von einer Interferenz mit der neuronalen Aktivität auf Stammhirnhöhe ausgegangen:

Eine Blockade der Barorezeptoren der Gehirnnerven ist ebenso denkbar wie ein direkter Effekt des Bupivacains auf die Neurone, die vom Nucleus tractus solitarius ausgehen und auf diesem Weg eine Veränderung der Inhibition der sympathischen, präganglionären Fasern hervorruft (Lambert et al. 2006). Zusammengefasst kommt auch beim Pferd als Ursache des Blutdruckanstiegs eine akute Aktivierung sympathischer Nerven in Frage.

5.4.2.3 Postoperativer Verlauf und Sektion

Bei drei Pferden kam es im postoperativen Verlauf zu Komplikationen.

Die bei Pferd 1 diagnostizierte Endokardfibrose und Perikarditis ist nicht in Zusammenhang mit der Glyzerolinjektion zu bringen. Da das Herzgeräusch schon vor dem Eingriff auffiel, bestand die Erkrankung höchstwahrscheinlich bereits vor dem Eingriff.

Die bei Pferd 2 beobachteten neurologischen Symptome (gesteigerte Sensibilität und Juckreiz im Kopf/Halsbereich, hypermetrischer, ataktischer Bewegungsablauf) und die in der Sektion festgestellte Meningoenzephalitis werden auf die Glyzerolinjektion zurückgeführt. Gewöhnlich entsteht eine Meningoenzephalitis auf hämatogenem Infektionsweg oder durch penetrierende Wunden im Bereich des Kopfes. Eine durch Chemikalien ausgelöste Meningitis wurde nach Kontrastmittelmyelographien ebenfalls beobachtet (Hahn et al. 1999). Da die Meningitis in dieser Studie nicht nur im Bereich des injizierten Glyzerols bestand, sondern auch andere Bereiche betraf, ist eine Reizung durch das Glyzerol nicht wahrscheinlich. Vermutlich handelt es sich um eine Infektion, ausgelöst durch eine Kontamination, die durch die Injektion hervorgerufen wurde. Nach dieser Komplikation wurden die unter 3.2.2.1 beschriebene Spülung des Luftsacks mit einer Povidon-Iodlösung sowie die perioperative Antibiotika - Prophylaxe eingeführt. In der Folge trat keine derartige Komplikation mehr auf.

Auch Pferd 7 fiel nach der Injektion mit neurologischen Symptomen (Kopfschiefhaltung nach links, linksseitiger hemifazialer Spasmus, generalisierte Ataxie in Form von hypermetrischen, ataktischen Bewegungen) auf. Auf Grund des Auftretens der neurologischen Symptome im unmittelbaren Anschluss an die Injektion muss hier ein ursächlicher Zusammenhang gesehen werden. Die Platzierung der Kanüle erfolgte analog derjenigen der anderen Versuchspferde. Eine kollaterale Schädigung durch die Kanüle selbst oder eine abweichende Reaktion auf das Glyzerol sind denkbar. Denkbar wäre eine Reaktion auf das Glyzerol selbst, da der Stute mit 2,1 ml eine erhöhte Menge Glyzerol injiziert wurde. Die Position der Kanüle wurde mittels Computertomographie überprüft und wies keine erheblichen Unterschiede im Vergleich zu den übrigen Pferden auf.

5.4.2.4 Histologie

Bei allen acht Pferden wurde auf der injizierten und der kontralateralen Seite eine histologische Untersuchung des Ganglion trigeminale und der abgehenden Nerven vorgenommen. Bei allen Pferden zeigte sich auf der injizierten Seite eine degenerative Neuropathie, abgestuft von gering- bis zu hochgradigen Veränderungen der Nerven. Bei zwei Pferden wurden ggr. Veränderungen (2), bei zwei Pferden ggr.-mgr. (3), in einem Fall mgr. (4) und in zwei Fällen hgr. (6) Veränderungen festgestellt. In verschiedenen Untersuchungen waren nach einer Glyzerolinjektion an den Infraorbitalnerven ebenfalls degenerative Veränderung festgestellt worden (Isik et al. 2002; Stajcic 1991). Diese zeigten sich in Axonolyse und Demyelinisierung im Randbereich des Nerven. Es waren sowohl stärker und weniger stark myelinisierte Fasern betroffen. Einige der zerstörten Nervenfasern waren durch Makrophagen oder Schwannsche Zellen ersetzt (Stajcic 1991). Diese Ergebnisse gleichen den in dieser Studie auf der behandelten Kopfseite erhobenen Befunden.

Zum Teil fanden sich auch auf der kontralateralen, unbehandelten Seite geringgradige degenerative Veränderungen. Da das Glyzerol dort keine histologischen Veränderungen hervorgerufen haben kann, ist die Ursache der Veränderungen nicht sicher zu bestimmen. Möglich wäre eine altersbedingte Degeneration. Dies wurde in einer histologischen Untersuchung von Biopsien des Nervus suralis bei älteren Menschen festgestellt. Hier konnte eine Degeneration sowohl von myelinisierten als auch nicht myelinisierten sensiblen Fasern mit zunehmendem Alter in zunehmender Häufigkeit festgestellt werden. Sie zeigte sich in einer Reduktion der Faserdichte und einer Abnahme von großen, myelinisierten Fasern. In besonderem Ausmaß wurden bei älteren Menschen „leere“, nach einer Degeneration der Axone entstandene Schwannsche Zellen, gefunden (Ochoa et al.

1969; Tohgi et al. 1977).

Die in einer Studie an 100 Pferdegehirnen festgestellten physiologischen Veränderungen des Nervengewebes im Alter (Jahns et al. 2006) entsprechen nicht denen einer Degeneration. Die Veränderungen bestehen in dieser Studie aus

Calcium (n = 24) Ablagerungen und Haemosiderin Ablagerungen rund um Blutgefäße (n = 60). Bei zwei Pferden wurden Alzheimer Typ II Zellen gefunden.

Diese Veränderungen konnten hier nicht nachvollzogen werden.

Die glyzerolbedingten (Stajcic 1991) und altersbedingten (Ochoa et al. 1969; Tohgi et al. 1977) Veränderungen gleichen einander. Auf Grund der signifikanten Unterschiede zwischen der injizierten Seite und der Kontrollseite wurden die Veränderungen in dieser Studie auf der behandelten Seite mit großer Sicherheit durch das Glyzerol hervorgerufen.