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Kapitel 3: Empirisches Vorgehen 3.1 Übersicht über die Datenbasis

4.6 Ergebnisse

4.6.2 Ergebnisse der qualitativen Studie

Strukturen. Kombiniert man die Ergebnisse, lässt sich aufzeigen, dass der Berufswahlprozess des Individuums innerhalb des Netzwerkes nicht nur auf der individuellen Ebene betrachtet werden sollte, da Schüler sich nicht nur gegenseitig beeinflussen (in Dyaden und Triaden), sondern auch eine Einflussnahme im Gesamtnetzwerk aufgezeigt werden kann (Da jeder Schüler von allen anderen Schülern über das Netzwerk erreichbar ist, kann der Einfluss sich im Netzwerk über Dritte ausbreiten).

Auch die Position der Akteure ist interessant. Es lassen sich zentrale und nicht zentrale Akteure identifizieren. Dabei fiel auf, dass die zentralen Akteure sowohl die größte Anzahl an ausgehenden als auch an eingehenden Einflussbeziehungen haben. Das bedeutet, dass Akteure die viele andere Mitschüler als wichtig für ihre Berufswahl empfinden auch von vielen anderen Akteuren als wichtig für die Berufswahl empfunden werden. Auch fällt auf, dass der Großteil der Schüler andere Mitschüler als wichtig empfindet und nur eine kleine Gruppe an Schülern andere Schüler als nicht wichtig für die Berufswahl empfindet. Betrachtet man das Netzwerkbild in Bezug auf Homophilie, so ist auch hier Gender-Homophilie anzunehmen.

Betrachtet man nun die rechte Seite des Bildes zeigt sich, dass wenn nur die starken Einflüsse auf die Berufswahl ausgewertet werden, das Netzwerk in einzelne Subgruppen zerfällt. Es zeigt sich also, dass innerhalb des innerschulischen Kontextes verschiedene Subgruppen existieren, in denen die Schüler einen starken wechselseitigen Einfluss auf die Berufswahl der anderen Gruppenmitglieder haben.

Abbildung 6: Übersicht über das innerschulische berufliche Einflussnetzwerk

Quelle: eigene Darstellung

F3: Welche Arten von Interaktionen finden innerhalb der Einflussnetzwerke statt und wie lassen sich diese nach Akteursgruppen differenzieren?

Die Interviews wurden in Hinblick auf die Frage analysiert, welche verschiedenen Arten von Interaktion im innerschulischen Kontext differenziert werden können. Um den Anschluss an die quantitative Studie zu gewährleisten geben die Zahlen in Klammern in der Spalte Freunde (Schule) an, wie hoch die Anzahl dieser Antworten bei den besten Freunden (innerster konzentrischer Kreis) war. Diese Funktionen werden anschließend mit der Referenzgruppe verglichen. Basierend auf der Beschreibung der einzelnen Akteure für den Berufswahlprozess wurden verschiedene Formen an Interaktion codiert und für die vier Gruppe zusammengezählt.

Die Zahlen stellen die Häufigkeit der Nennung der jeweiligen Interaktionsform pro Netzwerkpartner dar und nicht die Codehäufigkeit. Das bedeutet, wenn ein Teilnehmer angibt, dass er von drei Freunden in der Berufswahl bestärkt wird, wird dies 3-mal gezählt. Wenn ein Akteur bei einer Person mehrfach erwähnt, dass diese ihn bestärkt, wird dieser Code jedoch nur einmal gezählt (siehe Tabelle 11). Um den Zusammenhang zwischen dem theoretischen

Rahmen und den Ergebnissen leichter herstellen zu können, wurden die Ergebnisse in drei Gruppen unterteilt:

a) Ergebnisse in Bezug auf den interaktionstheoretischen Berufswahlansatz b) Ergebnisse in Bezug auf die sozial-kognitive Laufbahntheorie

c) Neue Ergebnisse des Netzwerkansatzes

Tabelle 11: Arten von Interaktionen

Familie

Freunde (Schule)

weitere Freunde

relevante Andere Interaktionstheoretischer

Ansatz

Information 11 25 (8) 7 15

Vergleich der Interessen 8 25 (11) 8 8

Alternativen 6 8 (6) 1 2

kontextuelle Einflüsse (SCCT)

Manipulation 34 16 (14) 8 5

Bestärkung 16 29 (9) 5 3

Unterstützung 26 12 (9) 11 3

neue Netzwerkergebnisse

gleicher Weg/ gleiche Idee 18 15 (11) 4 7

sozialer Vergleich 20 12 (8) 7 4

Verstärkung der Unsicherheit 10 18 (12) 1 7

emotionale Bindung 5 27 (27) 11 x

Ergebnisse in Bezug auf den interaktionstheoretischen Berufswahlansatz

Tabelle 11 zeigt, dass die zentrale Idee des interaktionstheoretischen Ansatzes, dass Schüler mit ihrem sozialen Umfeld in Interaktion treten, um an berufsrelevante Informationen zu gelangen, bestätigt werden kann. Die Teilnehmer berichten, dass sie sich in Gesprächen mit Freunden darüber unterhalten, welche Anforderungen ein bestimmtes Berufsfeld erfordert und welche Arbeitsbedingungen bestimmte Berufe haben (Information). Diese Gespräche bieten den Schülern die Möglichkeit abzuwägen, ob ein Beruf zu ihren persönlichen Interessen passt (Vergleich der Interessen). Somit kann die Idee Langes, dass Schüler neue Informationen auf Basis ihres persönlichen Wertesystems strukturieren, bestätigt werden. Zudem berichten die

Teilnehmer, dass sie sich bei ihren Freunden auch bezüglich beruflicher Alternativen erkundigen (Alternativen). Dies trifft dann zu, wenn der Schüler sich noch nicht sicher ist, ob die Berufswahlideen, die er bislang entwickelt hat, wirklich passend sind. Vergleicht man die Gruppe der innerschulischen Freunde in Bezug auf diese drei Kategorien mit den Referenzgruppen, ist ersichtlich, dass die innerschulischen Freunde hier hohe Werte erzielen.

Ergebnisse in Bezug auf die sozial-kognitive Laufbahntheorie

Die SCCT unterteilt die Einflüsse des sozialen Umfeldes in unterstützende Einflüsse (soziale Unterstützung) und hemmende Einflüsse (Barrieren). Die unterstützenden Einflüsse die in der qualitativen Analyse gefunden wurden, sind Bestärkung und Unterstützung. Bestärkung beschreibt einen Prozess, in dem der Schüler sich ein durchgehendes positives Feedback von seinem sozialen Umfeld hinsichtlich seiner Berufswahlidee holt. Dieser vorgefundene Rückversicherungsprozess unterstreicht die in der SCCT enthaltene Idee einer durchgängigen Feedbackschleife. Unterstützung ist hingegen ein tieferer Prozess an Interaktion in dem das Individuum emotionale, kognitive oder instrumentelle Unterstützung erhält. Hemmende Einflüsse werden als Manipulationen aus dem sozialen Umfeld festgestellt. Die Teilnehmer berichten, dass Andere sie dahingehend beeinflussen wollen, ihre Berufswahlidee aufzugeben oder in eine andere Richtung zu lenken. Sie erwarten, dass eine Wahl gegen die Wünsche Anderer eine Vielzahl an Barrieren in der Zukunft erzeugen wird. Vergleicht man die innerschulischen Freunde mit den Referenzkategorien, lässt sich feststellen, dass Bestärkung hohe Werte erhält, wohingegen Unterstützung und Manipulation am häufigsten bei der Familie zu finden sind.

Neue Ergebnisse des Netzwerkansatzes

Von einigen Teilnehmern wird berichtet, dass sie beruflich etwas Ähnliches wie ihre Freunde machen wollen (Gleicher Weg /gleiche Idee). Die soziale Netzwerkanalyse sieht für dieses Phänomen zwei Ansätze. Zum einen kann es sich um ein Kontagion handeln. Dabei führen soziale Einflussprozesse zwischen den Akteuren zur Herausbildung des gleichen Berufswunsches (Shalizi & Thomas, 2011). Zum anderen ist auch ein Homophilieeffekt möglich. Dies würde bedeuten, dass Schüler andere Schüler mit gleichem Berufswunsch zu ihren Freunden wählen. Da während des Interviewzeitraums die Freundschaften schon über einen langen Zeitraum bestanden, die Berufswünsche aber bei vielen Schülern noch nicht allzu konkret waren bzw. häufiger wechselten, erscheint der Kontagioneffekt plausibler.

Ein weiter Effekt ist die emotionale Bindung. Personen, die eine hohe emotionale Verbindung zueinander aufweisen, können einen sehr starken Einfluss auf berufliche Ideen und sogar auf den Studienort ausüben. Interessant aus Sicht der sozialen Netzwerkanalyse ist, dass diese emotionalen Bindungen immer reziprok sind. In einigen Fällen sind die emotionalen Bindungen so stark, dass das Zusammenbleiben wichtiger ist als die Wahl des Studiengangs.

Ein weiterer bemerkenswerter Netzwerkeffekt ist der soziale Vergleich. Schüler, die eine langjährige Freundschaft verbindet, sind sich in vielen Bereichen in Hinblick auf ihre Einstellungen, ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit ähnlich. Im Prozess der Berufswahl evaluieren sie daher, ob die Wahl des Freundes auch die richtige Wahl für einen selber sein kann. In diesem Alter bedeutet Freundschaft oft noch die gleichen Dinge zu mögen (oder nicht).

Erst an einem späteren Punkt wird oft klar, dass die Wahl des Freundes nicht zu den eigenen Fähigkeiten und Interessen passt.

Der Prozess der Loslösung von der Peergroup und die Notwendigkeit einer eigenständigen Wahl löst ein Gefühl der Verunsicherung aus. Dieser Prozess bedeutet nämlich, dass die Schüler sich ihrer eigenen beruflichen Interessen und Möglichkeiten bewusst werden und eine von den Freunden unabhängige berufliche Persönlichkeit ausbilden müssen. Diese Verunsicherung kann durch die Netzwerkstruktur noch verstärkt werden (Verstärkung der Unsicherheit). Diese Verunsicherung ist immer reziprok, zeigt sich jedoch auch in triadischen Strukturen, sodass auch hier von sozialen Einfluss ausgegangen werden kann. Vergleicht man die Gruppe innerschulischer Freunde mit den Referenzkategorien fällt auf, dass die Verstärkung der Unsicherheit und die emotionale Bindung hohe Werte erreicht, wohingegen ein gleicher Weg/ eine gleiche Idee sowie der soziale Vergleich häufiger bei der Familie zu finden ist.