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Ergebnisse in der Regierungszeit von Maria Theresia

Nach109 der Zusammenfassung von Kompilations- und Prüfungs-Kommissi on zu einer einzigen Hofkommission gewann das Privatrecht unter den Kodifi-kationsprojekten zunächst das Übergewicht, während die Bemühungen der Kriminalkommission, welche eben 1756 mit der Adaptierung der böhmischen als Grundlage einer einheitlichen Kriminalgerichtsordnung die erste Etappe ihres Auftrages abgeschlossen hatte, zunächst zum Stillstand kamen. Auch die 1759 erfolgte Reaktivierung einer eigenen Kriminalkommi ssion unter dem Vorsitz ihres früheren Präsidenten Michael Althann110 und zusammengesetzt aus früheren Mitgliedern, von denen die Mehrzahl nun auch der neuen Kompi-lations-Kommission angehörte, zeitigte vorerst nur schleppende Fortschritte.

Der im März 1766 vorgelegte Entwurf einer Constitutio Criminalis Theresia-na rief im Staatsrat, dem Beratungsorgan der MoTheresia-narchin, Bedenken hervor, so dass eine Revision angeordnet wurde, und zwar unter dem Referat von Holger, der offenbar nicht nur als Kenner des österreichischen, sondern auch des böh-mischen Rechts galt und der sich vor allem auch als „ein geschwinder Arbei-ter“ empfahl. Als er seinen Entwurf des Strafkodex vorlegte, standen auch die Arbeiten am Entwurf des Codex civilis bereits vor dem Abschluss. Beide Ent-würfe sollten aber noch einer Begutachtung durch den Staatsrat unterzogen werden. Während der Staatsrat sich wegen Arbeitsüberlastung außer Stande sah, den Entwurf des Codex criminalis selbst zu prüfen und die Be gutachtung dem Prager Appellationsgerichtspräsidenten Franz Xaver Wirsch nik überließ, nahm er den Entwurf des Zivilkodex selbst in Augenschein: Und das hatte für die geplante Rechtsvereinheitlichung entscheidende Folgen.

107 So Maasburg, Justizstelle 133 sowie derselbe, AöGZ 210 Anm 11; 8 Bände bei den Akten der Kompilationskommission: AVA, OJ / Hfk, Bücher 112–119. Vgl auch Harrasowsky, Codex I 10 Anm 23.

108 Harrasowsky, Geschichte 124; derselbe, Codex I 8 sowie Anm 17.

109 Zum Folgenden Neschwara, Justizstelle.

110 Högel 65 ff; Maasburg, Halsgerichtsordnung; Wahlberg, Genesis; Zeiller, Criminal-Gesetz-gebung 71 ff.

2. Erlass des Kriminalkodex 1768 – Scheitern des Zivilkodex 1769/70

Während der Strafkodex als Constitutio Criminalis Theresiana die Sank-tion erhielt111, blieb der Ende 1766 bereits vorgelegte Entwurf des Codex Theresianus zunächst liegen. Erst nach der Ende 1768 erfolgten Kundma-chung des Kriminalkodex wurde der Entwurf des Zivilkodex112 nach einer Vorzensur durch Hayek von Waldstätten, früher Mitglied der Kompilations-kommission für Mähren, 1769/70 durch den Staatsrat selbst im Umlaufweg einer umfassenden inhaltlichen Prüfung unterzogen.

Nach nahezu einhelliger Ablehnung durch die einzelnen Staatsräte – von Blümegen abgesehen, der den Entwurf als Lehrbuch empfahl – 113 erhielt der Codex Theresianus schließlich nicht die Sanktion. Ausschlag-gebend war vor allem das negative Votum von Staatskanzler Kaunitz, der insbesondere rügte, dass der Entwurf den „fehlerhaften und unzusam-menhängenden Plan der Institutionen Justinians“ als Grundlage hatte und auch „fast alle Definitionen nach dem alten römischen Geschmack“

folgten.

Der Entwurf konnte weder in Bezug auf seine „Ordnung noch Schreib-weise dem Genio unseres Saeculi“ entsprechen. Es wurde aber nicht nur die verfehlte Kombination von Lehrbuch und Gesetzbuch kritisiert, son-dern vor allem auch der gewaltige Umfang von sechs Foliobänden mit 8.367 Bestimmungen;114 womit der Kodex für das Rechtsleben wohl auch kaum praktikabel gewesen wäre. Der Entwurfstext sollte daher massiv gekürzt und auf der Grundlage von Richtlinien, die durch den Staatsrat festgelegt worden waren, umgearbeitet werden. Vor allem sollte der Inhalt aus seinen vielfältigen Bindungen an das gemeine römische Recht her-ausgelöst und stärker auf vernunftrechtliche Grundlagen gestellt werden.

Als Kodifikation des Zivilrechts war er nicht nur strikt vom öffentlichen, sondern auch vom Provinzialrecht zu trennen: Durch seine Geltung sollten alle älteren in das Privatrecht einschlagenden Normen außer Kraft treten, dem Zivilgesetzbuch sollte also ausschließliche Geltung als Kodifikation zukommen.

Im Herbst 1770 wurde die Konkretisierung dieser Vorschläge angeord-net: Die Umarbeitung und Kürzung des Codex Theresianus wurde dem Be-amten des Staatsrats, Johann Bernhard Horten, aufgetragen – und zwar zunächst ohne Einbindung der Kompilationskommission.

111 Maasburg, AöGZ.

112 Voltelini 35 ff, besonders 39 f, 43; Harrasowsky, Codex I 9 ff.

113 Harrasowsky, Codex I 12; Zeiller, Commentar I, 8.

114 Harrasowsky, Codex IV 3 Anm 4.

I. Der Codex Theresianus und andere Rechtsvereinheitlichungsprojekte

3. Vorbereitung der Allgemeinen Gerichtsordnung – Umarbeitung des Codex Theresianus115

Die vorläufige Beendigung der Arbeiten der Kompilationskommission am Zivil- und Strafrecht gab im August 1766 auch den Anstoß für den Beginn der Ausarbeitung einer allgemeinen Gerichtsordnung – und zwar in Verbin-dung mit der Frage der Neugestaltung der Gerichtsverfassung. Nachdem im November 1770 die Entscheidung dieser Vorfrage gefallen war, erging zwar der Auftrag an die Kompilationskommission zur Ausarbeitung der Ge-richtsordnung, der faktische Beginn der Arbeiten verschob sich dann aber bis in das Frühjahr 1772.

Holger, der bereits bei der Ausarbeitung des Strafkodex eine federführen-de Rolle gespielt hatte, wurfederführen-de zum Referenten für federführen-den Entwurf federführen-der Gericht-ordnung bestellt. Bis August 1772 lieferte er zwar eine erste – von Azzonis ursprünglichem Plan abweichende – Gliederung, sah sich dann aber außer Stande, diese Aufgabe noch weiter wahrzunehmen, weil er inzwischen auch mit dem Koreferat neben Horten bei der Umarbeitung des Codex There-sianus betraut worden war. Er ersuchte daher um die Enthebung vom Re-ferat über den Entwurf der Gerichtsordnung – unter Hinweis auch auf sein hohes Alter von 66 Jahren und seine dadurch verminderte Leistungsfähig-keit, was es ihm nicht mehr gestattete, auch nachts zu arbeiten.

Zugleich mit dem Auftrag zur Ausarbeitung der Gerichtordnung war im November 1770 an die Kompilationskommission auch die Aufforderung gangen, die vom Staatsrat zur Überarbeitung des Zivilrechtsentwurfes er-gangenen Vorschläge in Verhandlung zu nehmen, und zwar auf der Grundla-ge eines AuszuGrundla-ges des Codex Theresianus, den der Staatsratsbeamte Johann Bernhard Horten seit Oktober 1770 für die Beratungen der Kompilations-kommission lieferte. Horten wurde den Beratungen aber nur fallweise dann beigezogen, wenn nicht Holger selbst das Referat führte.

Das schleppende Verfahren und das Erfordernis der Einhelligkeit der Kom-mission für Anträge von Horten ließen einen Abschluss der Überarbeitung des Codex Theresianus erst in etwa zehn Jahren erwarten. Im August 1772 wurde das Verfahren vereinfacht und Horten auch als Mitglied in die Kompilations-kommission integriert; er hatte inzwischen bis Mai 1772 die Überarbeitung des ersten Teils auch bereits abgeschlossen. Die Beratungen darüber wurden seit August 1772 ausschließlich in der Kompilationskommission geführt, von wo die Materialien zur Begutachtung an den Staatsrat weitergeleitet wurden. Im März 1773 stellte Horten den Abschluss seiner Arbeiten in etwa eineinhalb bis zwei Jahren, also bis 1775, in Aussicht – und zwar unter Einschluss der Gerichtsord-nung. Horten konnte die Überarbeitung des Codex Theresianus zwar bis Ende 1773 auch zu den anderen Teilen fertiggestellen, und die Beratungen in der

115 Zum Folgenden Neschwara, Justizstelle; Harrasowsky, Geschichte 125 ff; derselbe, Codex IV 1.

Kommission wurden ebenfalls noch auf mehrere Kapitel des zweiten Teils vor-angebracht, dann waren die Arbeiten jedoch zum Stillstand gekommen.116

Es war nun wieder die Ausarbeitung der Gerichtsordnung in den Vordergrund getreten. Das Referat darüber wurde inzwischen im Februar 1774 von Holger auf eine jüngere Kraft übertragen, den niederösterreichischen Hofkammerpro-kurator Hyazinth Froidevo, der ohne Bruch der Kontinuität die bisher geleiste-ten Arbeigeleiste-ten fortsetzte; seine Entwürfe, die innerhalb der Kommission im We-sentlichen eine einhellige Befürwortung fanden, wurden laufend dem Staatsrat zur Begutachtung vorgelegt; im August 1776 waren sie abgeschlossen.

Es folgte nun die Stellungnahme des Staatsrates und eine abschließende gemeinsame Sitzung mit einer Deputation der Kompilations kommission un-ter Beiziehung von Froidevo als Referenten und seines Vorgängers Holger.

Der Entwurf erhielt die Sanktion, allerdings vorbehaltlich der Klarstellung seiner Geltung allenfalls entgegenstehenden Provinzialrechts, woran die Kundmachung schließlich scheiterte: Die bereits angeordnete Kundmachung und Übersetzung wurden sistiert – und blieben es letztlich bis 1781.117

Erst Anfang 1779 wurde die Frage der Gerichtsordnung durch ein Gutach-ten des Justizhofrates Mathias Wilhelm Haan118 wieder aktualisiert.119 Seine grundlegende Kritik und die Anregung zur Bildung einer gemischten Depu-tation der Obersten Justizstelle, bestehend aus drei Mitgliedern des böhmi-schen sowie aus fünf Mitgliedern des österreichiböhmi-schen Senats, darunter neben Haan als Vorsitzendem Franz Georg Keeß120 als Referenten, führte zu einer umfassenden Überprüfung des Entwurfs der Gerichtsordnung. Nach mehr als 50 Sitzungen, auch gemeinsamen Verhandlungen mit der Kompilations-kommission waren die Beratungen nach der abschließenden Entscheidung der offenen Streitfragen durch den Staatsrat in 17 weiteren Sitzungen, denen zum Teil auch die Präsidenten und Referenten von Oberster Justizstelle und Kompilationskommission beigezogen wurden, Ende 1780 abgeschlossen.

D. Fortsetzung der Rechtsvereinheitlichungsprojekte