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Es wurden mehrere Hundert Proben verwendet, die sich über den Molmassenbereich von 500 g/mol bis 4000000 g/mol erstrecken und mit unterschiedlichsten metallorganischen Katalysatoren bei verschiedenen Polymerisationstemperaturen und unterschiedlichen Monomerkonzentrationen nach folgenden Verfahren hergestellt wurden:

- mit homogenem Katalysator in Lösung (üblicherweise in Toluol, aber auch in Hexan) - mit homogenem Katalysator in flüssigem Propen

- mit geträgertem Katalysator in Lösung

- mit geträgertem Katalysator in flüssigem Propen

- mit geträgertem Katalysator in der Gasphase, wobei als Bettmaterialien NaCl, PE und Zeosil Z45 eingesetzt wurden, und die Polymerisationen sowohl im gerührten Festbett als auch in der Wirbelschicht durchgeführt wurden.

Von früheren Untersuchungen an UHMWPE-Proben ist bekannt[255, 259, 260]

, daß die nativen Polymerpulver sowohl eine höhere Schmelztemperatur als auch eine höhere Kristallinität aufweisen als die entsprechenden, aber aus der Schmelze kristallisierten Proben, was der Bildung von Streckkristallen während der Polymerisation zuzuschreiben ist. Abbildung 9.2-1 zeigt typische DSC-Kurven von verschiedenen Polyolefinen:

20 40 60 80 100 120 140 160 180

T [°C]

a

b

c d

e f g h

Abbildung 9.2-1 Typische DSC-Kurven von nativen und schmelzkristallisierten Polymeren:

a), b): PE, c), d): PP, e), f): verzweigtes PE, g), h): EP-Copolymer

Es zeigt sich bei allen vier Proben, daß sich das Schmelzverhalten beim ersten und beim zweiten Aufschmelzen deutlich voneinander unterscheidet. So findet man beim Aufschmelzen der nativen Proben höhere Schmelztemperaturen, wobei für das PE eine Schmelztemperatur von 141 °C - Kurve a) -, für das PP eine Schmelztemperatur von 164 °C - Kurve c) - und für das verzweigte PE bzw. das Ethen/Propen-Copolymer - Kurven e) und g) - ein breiter Schmelzbereich von 80 °C bis 110 °C gefunden wird. Für alle vier Probenpaare ist im nativen

Zustand außerdem die Kristallinität höher als bei den jeweiligen schmelzkristallisierten Proben, wie man an der jeweils größeren Schmelzenthalpie ( ~ Fläche des Schmelzpeaks) sehen kann. Es fällt weiterhin auf, daß einige der nativen Proben Heterogenitäten im Schmelzverhalten aufweisen, was sich in einem zweiten Schmelzpeak bzw. einer Schulter bei niedrigeren Temperaturen äußert, diese sind nach dem ersten Aufschmelzen verschwunden.

Die Schmelztemperaturen des schmelzkristallisierten Polymers in Abhängigkeit von der Schmelztemperatur des nativen Polymers zeigen für lineares und verzweigtes PE bzw. für PP und Ethen/Propen-Copolymere folgendes Verhalten:

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Tm (natives PE) Tm

(schmelzkristallisiertes PE) [°C]

Abbildung 9.2-2 Abhängigkeit der Schmelztemperatur schmelzkristallisierter Polymere von der Schmelztemperatur des nativen Materials für PE und verzweigtes PE

80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180

80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180

Tm (natives PP) [°C]

Tm

(schmelzkristallisiertes PP) [°C]

Abbildung 9.2-3 Abhängigkeit der Schmelztemperatur schmelzkristallisierter Polymere von der Schmelztemperatur des nativen Materials für PP und Ethen/Propen-Coplymere

Mit nur wenigen Ausnahmen besitzen die Polymere in ihrem nativen Zustand höhere Schmelztemperaturen, wobei die Unterschiede zwischen erstem und zweitem Aufschmelzen bei bis zu 13 °C im Falle der linearen und der verzweigten Polyethene und bei bis zu 12 °C bei den Polypropenen sowie den Ethen/Propen-Copolymeren liegen. Eine lineare Anpassung der Daten führt zu R2-Werten von 0,98 für die Polyethene und von 0,93 für die Polypropene und die Ethen/Propen-Copolymere, was einen generellen Trend anzeigt. Es besteht demnach ein linearer Zusammenhang zwischen der Schmelztemperatur des nativen und des schmelzkristallisierten Materials unabhängig von Katalysator, Herstellungsverfahren und –bedingungen sowie der Molmasse des Produktes. Insbesondere ergeben sich auch Übereinstimmungen in den Thermalcharakteristika zwischen hochverzweigten Polyethenen und Ethen/Propen-Copolymeren mit statistischer Monomerverteilung: In beiden Fällen liegen die Schmelztemperaturen sowohl der nativen als auch der schmelzkristallisierten Proben bei

recht niedrigen Temperaturen, was auf die geringen Sequenzlängen ohne Defekt und die daraus resultierenden kleinen Kristalle zurückzuführen ist. Die Temperaturdifferenz vom ersten zum zweiten Aufschmelzen ist aber auch in diesen Fällen deutlich ausgeprägt.

Für die Kristallinität der nativen und schmelzkristallisierten Polymerproben findet man einen entsprechenden Trend. Abbildung 9.2-4 zeigt die Kristallinitäten linearer und verzweigter Polyethene, wie sie sich aus den Schmelzenthalpien des ersten und zweiten Aufheizens ergeben:

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Kristallinität (natives PE) [%]

Kristallinität

(schmelzkristallisiertes PE) [%]

Abbildung 9.2-4 Kristallinitäten schmelzkristallisierter linearer und verzweigter Polyethene in Abhängigkeit von der Kristallinität des nativen Materials

In allen Fällen liegt die Kristallinität im nativen Zustand des Materials höher und erreicht Werte von bis zu 80 %. Auch die hochverzweigten Polyethenproben zeigen denselben Trend, wobei die Auswertegenauigkeit bei diesen Proben im Falle geringer Kristallinität und damit sehr kleiner Schmelzenthalpien sinkt. Die Differenzen der Kristallinitäten aus dem ersten und dem zweiten Aufheizen liegen in der Größenordnung von 10 bis 20 %, bezogen auf die

Kristallinität des zweiten Aufheizens, - es werden aber auch Abweichungen von über 100 % gefunden.

Polypropene und Ethen/Propen-Copolymere zeigen, wie Abbildung 9.2-5 veranschaulicht, keinen einheitlichen Trend:

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Kristallinität (natives PP) [%]

Kristallinität

(schmelzkristallisiertes PP) [%]

Abbildung 9.2-5 Kristallinitäten schmelzkristallisierter Polypropene und Ethen/Propen-Copolymere in Abhängigkeit von der Kristallinität des nativen Materials

Die höchsten Kristallinitäten liegen bei Werten um 60 % und sind damit niedrig im Vergleich zu denen der Polyethene. Die Mehrheit der Proben zeigt eine Kristallinitätsdifferenz von ungefähr 10 % zwischen dem ersten und dem zweiten Aufschmelzen; einige Proben zeigen aber auch gar keine Differenz oder sogar eine höhere Kristallinität der schmelzkristallisierten Proben.

Nach dieser Beschreibung allgemeiner Thermalcharakteristika soll nun auf den Einfluß der molekularen Architektur, insbesondere der Molmasse, und den Einfluß der Reaktionsbedingungen, wie Polymerisationstemperatur und Polymerisationsverfahren, auf das thermische Verhalten nativer Polyolefine eingegangen werden:

40 60 80 100 120 140 160 180

0 400000 800000 1200000 1600000 2000000

PE PP

Mη [g/mol]

Tm (natives Polymer) [°C]

Abbildung 9.2-6 Einfluß der Molmasse auf die Schmelztemperatur nativer Polyolefine

0.0 2.0 4.0 6.0 8.0 10.0 12.0 14.0

0 400000 800000 1200000 1600000 2000000

PE PP

∆Tm

[°C]

Mη [g/mol]

Abbildung 9.2-7 Einfluß der Molmasse auf die Differenz der Schmelztemperaturen nativer und schmelzkristallisierter Polyolefine

Wie man Abbildung 9.2-6 und Abbildung 9.2-7 entnehmen kann, zeigt das hochmolekulare PE den bereits bekannten Effekt des verzögerten Schmelzens im nativen Zustand. Es zeigt sich aber auch, daß Polymere mit sehr hohen Schmelztemperaturen im nativen Zustand und großen Schmelzpunktdifferenzen zwischen nativem und schmelzkristallisiertem Zustand im gesamten untersuchten Molmassenbereich zu finden sind. Bei den Proben mit niedrigen Schmelztemperaturen im nativen Zustand und/oder geringen Schmelzpunktdifferenzen zwischen nativem und schmelzkristallisiertem Zustand handelt es sich um Copolymere, die insgesamt sehr niedrige Kristallinitäten aufweisen. D. h., daß in keinem Fall ein Einfluß der Molmasse auf die Schmelztemperatur oder auf die Schmelzpunktdifferenz zwischen den beiden untersuchten Zuständen besteht. Ein entsprechendes Bild zeigt sich auch für die Kristallinitäten.

Den Einfluß von Polymerisationstemperatur und Syntheseprozeß auf das thermische Verhalten der Polymere am Beispiel isotaktischen Polypropens zeigt Tabelle 9.2-1:

Tabelle 9.2-1 Schmelztemperaturen von Polypropenen in Abhängigkeit von Reaktionstemperatur und Herstellungsverfahren

Lösung Masse Slurry SlurryMasse Gasphase NaCl

TPol

[°C]

Tm a)

[°C]

Tm b)

[°C]

Tm a)

[°C]

Tm b)

[°C]

Tm a)

[°C]

Tm b)

[°C]

Tm a)

[°C]

Tm b)

[°C]

Tm a)

[°C]

Tm b)

[°C]

0 165,9 162,5 167,4 163,3 156,8 155,9 155,7 154,7 148,3 145,7 15 166,7 163,4 165,7 160,9 156,8 155,2 145,3 154,2 151,6 150,3 30 166,0 163,9 166,8 162,6 154,3 155,4 146,9 150,8 145,2 145,5 45 164,4 162,7 164,0 160,9 150,5 152,3 146,6 149,7 141,8 142,0 60 160,7 159,7 161,0 157,9 150,0 152,6 148,2 151,0 142,7 143,6

a) natives Polypropen, b) schmelzkristallisiertes Polypropen

Es wurde ein kompletter Satz von Proben unter möglichst identischen Reaktionsbedingungen hergestellt und charakterisiert (s. Kap. 8), wobei die Reaktionstemperatur (Reihen) und das Polymerisationsverfahren (Spalten) variiert wurden. Im Falle der Polymerisation in toluolischer Lösung liegt die Schmelztemperatur der nativen Polymere stets über der der schmelzkristallisierten Proben. Die Schmelzpunktdifferenz nimmt dabei mit steigender Polymerisationstemperatur ab. Für niedrige Herstellungstemperaturen findet man unabhängig vom eingesetzten Verfahren eine höhere Schmelztemperatur für die nativen Polymere, während sich bei hohen Polymerisationstemperaturen höhere Schmelztemperaturen für die schmelzkristallisierten Polymere ergeben, - insbesondere beim Slurry- und beim Gasphasenverfahren. In diesen Fällen schmelzen die nativen Polymere bei deutlich

niedrigeren Temperaturen als die schmelzkristallisierten. Vergleicht man die unterschiedlichen Polymerisationsverfahren, so stellt man fest, daß die Schmelztemperaturen sowohl der nativen als auch der schmelzkristallisierten Polypropene, die in toluolischer Lösung oder in flüssigem Propen entstanden sind, deutlich über denen der Polymere liegen, die im Slurry-Verfahren oder in der Gasphase hergestellt wurden.

Dieselben Trends wie für die Schmelztemperaturen finden sich für die Kristallinitäten, die in Tabelle 9.2-2 aufgeführt sind:

Tabelle 9.2-2 Kristallinitäten von Polypropenen in Abhängigkeit von Reaktionstemperatur und Herstellungsverfahren

Lösung Masse Slurry SlurryMasse Gasphase NaCl

TPol

[°C] αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

0 56,2 51,4 50,0 47,6 27,1 24,0 28,5 29,3 23,5 23,3

15 53,4 42,3 64,4 55,2 32,6 29,6 32,2 40,5 26,4 28,1

30 58,6 53,2 68,1 55,3 31,8 34,3 31,9 38,7 27,8 33,0

45 62,8 49,9 76,1 53,7 37,4 44,4 27,3 38,7 33,3 44,0

60 63,6 47,3 72,0 52,6 34,4 47,5 31,62 43,7 41,7 47,7

a) natives Polypropen, b) schmelzkristallisiertes Polypropen