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niedrigeren Temperaturen als die schmelzkristallisierten. Vergleicht man die unterschiedlichen Polymerisationsverfahren, so stellt man fest, daß die Schmelztemperaturen sowohl der nativen als auch der schmelzkristallisierten Polypropene, die in toluolischer Lösung oder in flüssigem Propen entstanden sind, deutlich über denen der Polymere liegen, die im Slurry-Verfahren oder in der Gasphase hergestellt wurden.

Dieselben Trends wie für die Schmelztemperaturen finden sich für die Kristallinitäten, die in Tabelle 9.2-2 aufgeführt sind:

Tabelle 9.2-2 Kristallinitäten von Polypropenen in Abhängigkeit von Reaktionstemperatur und Herstellungsverfahren

Lösung Masse Slurry SlurryMasse Gasphase NaCl

TPol

[°C] αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

αa) [%]

αb) [%]

0 56,2 51,4 50,0 47,6 27,1 24,0 28,5 29,3 23,5 23,3

15 53,4 42,3 64,4 55,2 32,6 29,6 32,2 40,5 26,4 28,1

30 58,6 53,2 68,1 55,3 31,8 34,3 31,9 38,7 27,8 33,0

45 62,8 49,9 76,1 53,7 37,4 44,4 27,3 38,7 33,3 44,0

60 63,6 47,3 72,0 52,6 34,4 47,5 31,62 43,7 41,7 47,7

a) natives Polypropen, b) schmelzkristallisiertes Polypropen

sollten zu einer hohen lokalen Spannung am Katalysator und damit zu einer bevorzugten Bildung von Streckkristallen führen. Teilweise wird diese Annahme durch WAXS-Untersuchungen von nativen Polymerproben bestätigt[267]. Die Daten deuten an, daß ein signifikanter Teil des Polymers in der monoklinen oder in der triklinen Phase kristallisiert, wenn es sich um Polymere handelt, die bei niedrigen Temperaturen hergestellt wurden und die hohe Molmassen besitzen. Also wird angenommen, daß das Auftreten der monoklinen Phase bei nativen UHMWPE-Proben ein Zeichen dafür ist, daß die kristalline Matrix, bedingt durch die kontinuierliche Insertion von Monomer am aktiven Zentrum des Katalysators, starken Deformationskräften ausgesetzt ist[254, 268]. Zusammenfassend kann man also feststellen, daß das Standard-Modell die Entstehung der molekularen Morphologie des nativen Zustandes und das daraus resultierende Schmelzverhalten mit einer lokal scherinduzierten Kristallisation während der Polymerisation erklärt, die zu Polymeren führt, deren Schmelzverhalten charakteristisch für Streckkristalle ist.

Dieses Modell steht im Widerspruch zu den in dieser Arbeit präsentierten Daten. Um die Ergebnisse genauer diskutieren zu können und ein anderes Modell zur Beschreibung der Vorgänge formulieren zu können, sollen die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefaßt werden:

- Alle untersuchten Polyolefine zeigen das Phänomen, daß die Schmelztemperatur im nativen Zustand über der des schmelzkristallisierten liegt.

- Es gibt keinen Einfluß der Molmasse auf das thermische Verhalten der nativen Proben.

- Die Kristallinität der Polymere im nativen Zustand liegt im allgemeinen über der der Polymere im schmelzkristallisierten Zustand; dabei hängt die Kristallinität stark vom Herstellungsverfahren ab.

- Das thermische Verhalten der nativen Polymere ist für alle verwendeten Polymerisations-bedingungen einheitlich, wobei die Effekte bei niedrigen Polymerisationstemperaturen besonders ausgeprägt sind. Im Falle der im Slurry- und der im Gasphasenverfahren bei hohen Polymerisationstemperaturen hergestellten Polyolefine werden die beschriebenen Effekte allerdings nicht beobachtet.

Der Einfluß der Polymerisationstemperatur auf die thermischen Eigenschaften nativer Polymere kann, wie Wunderlich[245] ausführt, mit der Kinetik der Kristallisation während der Polymerisation erklärt werden. Danach führt eine Erhöhung der Reaktionstemperatur zu einer Veränderung der relativen Geschwindigkeiten von Polymerisation und Kristallisation, wobei bei niedrigen Temperaturen die beiden Prozesse gekoppelt, d.h. in direkt aufeinander folgenden Schritten, ablaufen sollten, so daß sie die Ausbildung perfekter Kristalle und damit

hoher Kristallinitäten ermöglichen. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, die vom Herstellungsverfahren und dem entstehenden Polymer abhängt, laufen Polymerisation und Kristallisation unabhängig voneinander ab, wobei die Geschwindigkeit der Molekülbildung deutlich höher sein sollte als die der Kristallbildung. In diesem Fall bestimmt die Menge der pro Volumeneinheit hergestellten Moleküle die Verschlaufungsdichte und die Kristallbildung.

In diesem Fall beeinflußt auch eine Temperung die endgültige Kristallgröße und Kristallinität.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß nach diesem Ansatz die native Morphologie, d.h. die Art der entstehenden Kristalle und die Ordnung der amorphen Phase, - hier insbesondere die Verschlaufungsdichte -, von der lokalen Kinetik von Polymerisation und Kristallisation abhängen.

Danach bestimmen die Polymerisationsbedingungen, d.h. der Katalysator, das Monomer und das Polymerisationsverfahren, also die chemischen Aspekte, die Konfiguration, inter- und intramolekulare Heterogenitäten und die Stereoregularität der Polymere, während das Verhältnis von Polymerisations- und Kristallisationsgeschwindigkeit, also physikalische Aspekte, letztendlich den nativen Zustand des Polymers bedingen.

Ob es sich bei den nativen Kristallen nun um Streck- oder Lamellenkristalle handelt, kann ebensowenig klar beantwortet werden wie die Frage nach der Verschlaufungsdichte im nativen Zustand. Allerdings sollten mit Hilfe des beschriebenen Modells Vorhersagen über den Grad molekularer Organisation im nativen Zustand möglich sein:

Abbildung 9.3-1 Unterschiedliche Umgebungen der aktiven Zentren als Ursache für unterschiedliche Kristallstrukturen im nativen Zustand[7]

Ist die Zahl der aktiven Zentren sehr gering und/oder liegt die Polymerisationstemperatur deutlich unter der Schmelz- und/oder Lösungstemperatur (im Falle der Lösungs- bzw. der Slurry-Verfahren), so können die entstehenden Moleküle als isoliert betrachtet werden. Daher kann aus kinetischen Gründen angenommen werden, daß die Moleküle als Lamellenkristalle ohne Verschlaufungen in der amorphen Phase kristallisieren, wie es in Abbildung 9.3-1a)

gezeigt ist. Diese metastabilen Kristalle könnten vor dem Schmelzen beim Erwärmen reorganisieren und so hohe Schmelztemperaturen und Kristallinitäten verursachen[269, 270]. Bei hoher Polymerisationstemperatur (die aber immer noch unterhalb der Schmelz- bzw.

Löslichkeitstemperatur liegt) und/oder einer hohen Dichte aktiver Zentren, sollte dann allerdings eine Morphologie, gekennzeichnet durch eine hohe Verschlaufungsdichte und Faltkristalle, entstehen, da die Polymerisationsgeschwindigkeit die Kristallisationsgeschwin-digkeit bei weitem übersteigt und so die Moleküle vor der Kristallisation in einen Zustand größerer Unordnung geraten (Abbildung 9.3-1b)). Im Falle der relativ hohen Polymerisations-temperaturen sollte außerdem das Tempern der Proben im Reaktor nach erfolgter Kristalli-sation als Aspekt der Morphologieänderung bedacht werden.

Im Falle einer geringen Dichte aktiver Zentren und/oder gleicher Polymerisations- und Kristallisationsgeschwindigkeiten kann die Ausbildung einer nativen Morphologie, die sich durch eine geringe Verschlaufungsdichte und Streckkristalle auszeichnet, bevorzugt sein, wenn keine externen Scherkräfte einwirken (Abbildung 9.3-1c)).

Obwohl die Polymerisationsbedingungen einander soweit wie möglich angeglichen wurden, sind gewisse Unterschiede in den Prozessen begründet und somit unvermeidbar. So ist z. B.

die Trägerung der Metallocene für einen Gasphasenprozeß unumgänglich, führt aber im Vergleich zum Lösungsverfahren mit homogenem Katalsator zu Produkten mit einem deutlich erhöhten Anteil von Fehlinsertionen, was sich wiederum in einer geringeren Schmelztemperatur und einer geringeren Kristallinität niederschlägt. Zur genaueren Untersuchung des nativen Zustandes müssen also noch einheitlichere Polymerisationsbedin-gungen realisiert werden. Außerdem ist es wünschenswert, die Polymere weiteren Untersuchungsmethoden zugänglich zu machen. Aus diesem Grunde wurde in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. P. Thüne (AK Prof. Niemantsverdriet, TU Eindhoven) ein neues Modellkatalysatorsystem entwickelt: