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Die Problemstellung der vorliegenden Arbeit bestand darin, zu erklären, in welcher Relation die zwei A rten von semantischer Inform ation (die aspektueUe und die einzeliexikalische) die sich bei Verbpräfigiemng im Russischen systematisch durch Präfigierung n u r eines M or- pbems verändern, zueinander stehen. Zur Lösung dieses Problems ist im Rahmen einer gene־

rativen Lexikontheorie eine ereignissemantische Analyse der russischen Perfektivierungsprä־

figienmg in DRT-Termen vorgeschlagen worden, die es ermöglicht, diese zwei semantischen Informationen zueinander in Beziehung zu setzen.

Bei der Formulierung dieser Präfigierungsanaiyse wurde von vier einleitend aufgestellten Hy- pothesen ausgegangen, auf die ich hier nochmals zurückkommen möchte.

Hypothese /: Die Veränderung der aspektuellen Information spielt bei Verbpräfigiemng im Russischen eine primäre Rolle.

Es wurde gezeigt, daß im Russischen ein Wechsel der aspektuellen Klasse eines Verbs in Verbindung mit jedem Verbpräfix erfolgt. Zur semantischen Charakterisierung dieser syste- matischen aspektuellen Veränderungen der Verben wurde der Begriff ausgezeichneter perfek־

liver Nach• bzw. Vorzustand angenommen. Als perfektiver Nachzustand eines Ereignisses wird ein Zustand verstanden, der temporal unmittelbar auf das Ereignis folgt und in einer schwach kausalen Relation zu diesem Ereignis steht

Der semantische Kern der vorgeschlagenen Perfektivanalyse besteht darin, daß bei Verbprä- figiening im Russischen eine lexikalisch festgelegte Charakterisierung ausgezeichneter Vor- bzw. Nachzustände von Ereignissen zum Bestandteil der Semantik präfigierter Verben wird.

Zur formalen Darstellung dieser Idee wurden zwei Perfektivierungsschemata vorgeschlagen, die die Perfektivinformation derivationell an das präfigierte Verb fügen. Unter Perfektivin־

formation wird ein Zustandsdiskursreferent Sq für den ausgezeichneten Vorzustand oder s für den ausgezeichneten Nachzustand eines Ereignisses verstanden, der in der Relation abut zu dem Ereignis steht. Abut ist eine temporale und schwach kausale Relation, die Ereignisse und Zustände zueinander in Beziehung setzt.

Da diese Perfektivinformation Hauptbestandteil eines jeden Präfixeintrages im Russischen is t spielt sie damit bei der Verbpräfigiemng im Russischen eine primäre Rolle.

Nachdem die aspektueUe Information durch das jeweilige Präfix in den Lexikoneintrag des Derivats hinzugefügt wurde, erfolgt ihre spezifische Interpretation. Folgende Hypothese wur- de diesbezüglich aufgestellt:

Hypothese 2: Die semantische Interpretation der aspektuellen Information ist abhängig von den semantischen Eigenschaften der Ereignisse, auf die ein Simplizium refe־

riert.

An zahlreichen Beispielen zeigte sich, daß der semantische Gehalt der perfektiven Vor- und Nachzustände, die durch unterschiedliche perfektive Verben im Russischen beschrieben wer*

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178 Zusammenfassung und Ausblick

Aus diesem Grund ist die Interpretation der Relation abut% in der Ereignisse und ihre perfekti- ven Zustände zueinander stehen, an den Kontext einzelner Ereigniskonzepte gebunden. Das heißt, die Interpretation dieser Relation ist in Perfektivierungsaxiomen für Verbklassen im Lexikon festgelegt. Nach der Perfektivierungspräfigierung mit einem beliebigen Präfix, wel- ches einen perfektiven Vor- oder Nachzustand einführt, erfolgt die Interpretation dieser Zu- stände im Lexikon auf Grund von Perfektivierungsaxiomen.

Diese für alle Präfixe zutreffende Perfektivanalyse wurde am Präfix pere- exemplarisch illu- striert. Dabei wurde geprüft, inwieweit die einzellexikalische Bedeutungsveränderung eines Verbs in Verbindung mit einem einzelnen Präfix von der allgemeinen aspektuellen Informati- on abhängig ist.

Hypothese 3: Die möglichen einzellexikalischen Bedeutungsveränderungen bei der Präfigie-rung mit unterschiedlichen Präfixen sind SpezifiziePräfigie-rungen der allgemeineren aspektuellen Information.

Ausgehend von der Hypothese 3 hatte ich als Lexikoneintrag des Präfixes pere- ein Situati- onsschema angenommen, das lediglich eine Spezifizierung des allgemeinen Perfektivierungs- schemas darstellt. Die Interpretationen der generierten Lexikoneinträge der Derivate wurden u.a. von den Perfektivierungseigenschaften der jeweiligen Ereigniskonzepte bestimmt.

Daraus, daß mit Hilfe eines spezifizierten Perfektivierungsschemas sechs unterschiedliche Bedeutungen der Derivate abgeleitet werden können, schließe ich, daß die einzellexikalischc Bedeutungsveränderung eines Verbs bei der Präfigierung im Russischen tatsächlich nicht durch das Präfix, sondern durch die Perfektivinformation des Ereigniskonzepts des jeweiligen Verbs wesentlich bestimmt wird.

Des weiteren hat sich bei der Anwendung der Perfektivanalyse auf das Präfix pere- auch die Hypothese 4 bestätigt:

Hypothese 4\ Die einzellexikalische Bedeutungsveränderung eines Verbs in Verbindung mit einem konkreten Präfix ist von den aspektuellen und anderen semantischen Ei- genschaften der Ereignisse abhängig, auf die das Verb referiert.

Es wurde gezeigt, daß bei Berücksichtigung der semantischen Eigenschaften von Ereignissen bzw. von Ereigniskonzepten, auf die die jeweiligen Simplizia referieren, die möglichen Be- deutungen der Derivate aus diesen Eigenschaften abgeleitet werden können, ohne zu Überge- neralisierungen zu führen.

Bei der hier vorgeschlagenen Auffassung eines Verbpräfixes als Situationsschema, das eine Art Anleitung zur Interpretation der Simplizia nach der Präfigierung darstellt, war es nicht erforderlich, für jede Bedeutung der Derivate einen separaten Lexikoneintrag anzunehmen.

Die einzellexikalischen Bedeutungen der Derivate sind erst durch Anwendung des allgemei- nen Schemas im Kontext der jeweiligen Ereigniskonzepte unter Berücksichtigung ihrer ent- sprechenden Eigenschaften zustande gekommen.

Für die unterschiedlichen Interpretationen der behandelten /w/v-Derivatc haben folgende se- mantische Eigenschaften der Ereigniskonzepte eine wesentliche Rolle gespielt:

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räumliche Charakterisierung der Individuen als Perfektivierungseigenschaft;

Skalierbarkeit der Ereignisse;

die M öglichkeit das Thema des Ereignisses unmittelbar aus dem perfektiven Nachzustand heraus einem zweiten perfektiven Ereignis zu unterziehen;

die Möglichkeit Zustände, die bewußt begonnen und beendet werden können, zu temporalen Bewegungsereignissen umzuinterpretieren.

Es hat sich als grundsätzlich möglich erwiesen, durch Anwendung eines Situationsschemas aus den allgemeinen Perfektivierungseigenschaflen und drei weiteren oben genannten seman- tischen Eigenschaften von Ereignissen, auf die russische Verben referieren, alle untersuchten Bedeutungen und Mehrdeutigkeiten der Derivate abzuleiten, ohne daß es zu Übergeneralisie- rungen fUhrt.

Gleichzeitig hat sich bei der vorgestellten Analyse auch gezeigt daß für eine systematische Behandlung der Verbpräfigierung in diesem Rahmen detailliertere Studien der semantischen Eigenschaften von Ereigniskonzepten und der Relationen zwischen ihnen erforderlich sind, ohne die die Interpretationen der Derivate formal schwer ableitbar sind.

Gegenstand weiterer Untersuchungen könnte es sein, die am Beispiel des Präfixes pere- ex- emplarisch gezeigte Analyse auf weitere russische Verbpräfixe zu übertragen.

Zu prüfen wäre auch, inwieweit die für das Russische vorgeschlagene Perfektivanalyse zur Behandlung der Verbpräfigierung in anderen slavischen Sprachen geeignet ist.

Ergebnisse der Arbeit und Ausblick 179

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