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Ergebnisübergreifende Diskussion

Im Rahmen der vorliegenden Studie sollten die Auswirkungen der Vertränkung un-behandelter und pasteurisierter Sperrmilch auf Gewichtsentwicklung, Gesundheits-status und antimikrobielle Resistenz fäkaler Bakterien bei Kälbern im Vergleich zur Verfütterung unbehandelter und pasteurisierter Tankmilch untersucht werden. Zent-rale Voraussetzung waren dafür zunächst praxistaugliche Pasteure und ein geeigne-ter Betrieb mit einer ausreichenden Zahl von Aufzuchtkälbern.

Kommerziell verfügbar waren zum Zeitpunkt der Planung der Studie unterschiedliche Pasteure. Dies waren einerseits sog. Batch-Pasteure, die Milch über 30 min auf ca.

63 °C erhitzen (LTLT-Verfahren), sowie Durchflusspasteure, die die Milch mit heißem Wasserdampf für ca. 15 s auf 72 °C erwärmen (HTST-Verfahren). Ein auf die erfor-derlichen Milchmengen des Versuchsbetriebes ausgelegter Batch-Pasteur wurde von der Firma Holm & Laue GmbH & Co. KG, Westerrönfeld, zur Verfügung gestellt; mit dem „H&L Milchtaxi Pasteurisierer“ konnte zudem auch die Milch zu den Kälbern transportiert werden. Einen Durchfluss–Kompaktpasteur „MaxiSteam“ stellte die Fir-ma Förster Technik GmbH, Engen, zur Verfügung. Beide Pasteure wurden zunächst im Hinblick auf die Effektivität der Inaktivierung euterpathogener Keime im Max Rub-ner-Institut (Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch, Kiel) geprüft.

Ergebnisse des Laborversuchs

Bei der Überprüfung unter Laborbedingungen wurden von beiden Pasteuren die meisten Mastitiserreger zufrieden stellend inaktiviert. Die Ergebnisse entsprachen damit denen einer amerikanischen Studie (STABEL et al. 2004). Die Reduktionsraten betrugen > 5,8 log10 für den Durchfluss- Kompaktpasteur „ MaxiSteam“ und > 6,2 log10 für den „H&L Milchtaxi Pasteurisierer“. Bei Inokulation mit Keimkonzentrationen von 107 bis 108 KbE/ml waren bei beiden Pasteuren nach der Erhitzung noch

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kokken nachweisbar, deren Hitzeresistenz bekannt ist (ZANGERL 2007). Bei dem

„MaxiSteam“ waren wenige vitale S. aureus und E.coli noch nach dem Pasteurisier-prozess vorhanden. Dieses Ergebnis besitzt jedoch keine Praxisrelevanz, da derartig hohe Keimkonzentrationen eines einzelnen Pathogens von 108 KbE/mlunter natürli-chen Bedingungen in der Milch nicht auftreten. JORGENSEN et al. (2006) wiesen maximal einen Gesamtgehalt an coliformen Keimen von 8,0x 105 KbE/ml und einen Gehalt an Enterococcus spp. von 1,8x 105 KbE/ml in unbehandelter Sperrmilch nach.

Die Überprüfung der Pasteure unter Laborbedingungen ließ darauf schließen, dass beide Geräte für den Einsatz im Feld geeignet waren. Im ersten Durchgang der Feld-studie kam zunächst der „MaxiSteam“ zum Einsatz. Dieses Gerät erforderte jedoch einen erheblichen Zeit-, Energie- und Arbeitsaufwand für die Durchführung des teil-automatisierten Reinigungsprogramms mit speziellen Reinigungsmitteln, eine Nach-erhitzung der pasteurisierten Milch und intensive Wartung der vorgeschalteten Entkalkungsanlage. Im praktischen Einsatz erwies sich der „H&L Milchtaxi Pasteuri-sierer“ aufgrund des einfachen Aufbaus, der Bedienungsfreundlichkeit und der gerin-gen technischen Anforderungerin-gen als besser geeignet.

Auswahl des Betriebes für die Feldstudie

Es wurden ausschließlich Kälber eines Betriebs in den Versuch einbezogen, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse durch einheitliche Routinen im Zusammenhang mit der Abkalbung und der Erstversorgung der Neonaten, der Haltungsbedingungen und des Hygienemanagements zu gewährleisten. Es unterschied sich lediglich das Fut-termittel zwischen den Gruppen (Tankmilch, pasteurisierte Tankmilch, Sperrmilch, pasteurisierte Sperrmilch), während die Tränkemengen und -zeitpunkte einheitlich gewählt wurden. Die Haltungs- und Fütterungsbedingungen auf dem Betrieb waren repräsentativ für die etablierten Aufzuchtverfahren auf der Mehrzahl der Betriebe in Norddeutschland.

Ergebnisübergreifende Diskussion

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Insgesamt wurden 114 Kälber, d. h. je 27-29 Tiere pro Fütterungsgruppe, in die Stu-die einbezogen. Zwar wäre eine noch größere Tierzahl wünschenswert gewesen; Stu-die aus dem Studiendesign resultierende tägliche Arbeitsbelastung im Zusammenhang mit der Fütterung und Befundung der Versuchstiere sowie der Probenentnahme ließ jedoch eine höhere Zahl von Versuchstieren nicht zu. Daraus ergab sich einerseits das Problem, dass aufgrund einer geringen statistischen Aussagekraft eine Absiche-rung von statistischen Unterschieden zwischen den Versuchsgruppen bzgl. täglicher Zunahmen und Krankheitsinzidenzen erschwert war. Andererseits aber liegt die durchschnittliche Herdengröße in Niedersachsen noch immer bei etwa 60 Milchkü-hen. Die in der Studie pro Gruppe befundeten Tiere waren somit nicht untypisch für die Anzahl weiblicher Kälber, die auf durchschnittlichen Betrieben jährlich aufgezo-gen werden. Lassen sich bei dieser Gruppengröße keine signifikanten Unterschiede nachweisen, so ist dies für die Praxis der Kälberaufzucht in Norddeutschland durch-aus von Bedeutung.

Milchqualität

Die GKZ in der Sperrmilch (WM) und der Tankmilch (BM) variierte stark über den gesamten Versuchszeitraum (Aust et al. 2012, Tab. 2). In der BM wurden Keimgehal-te von bis zu 3,8 x 105 KbE/ml nachgewiesen; zu diesem Zeitpunkt traten auf dem Betrieb Probleme mit der Bereitung von heißem Wasser und der Reinigung der Mel-kanlage auf. In mehreren Milchproben aus allen Fütterungsgruppen betrug der Ge-halt thermodurer Keime mehr als 200 KbE/ml, was wiederum als Hinweis auf eine unzureichende Reinigung und Hygiene zu werten ist (REINEMANN et al. 1997).

Auch bezüglich des Gehalts coliformer Keime wurde der Grenzwert von 100 KbE/ml (REINEMANN et al. 1997) mehrfach überschritten; derartige Konzentrationen gelten als Hinweis auf eine inadäquate Melkhygiene.

S. agalactiae wurde regelmäßig, S. dysgalactiae gelegentlich aus Milchproben der Gruppe WM nachgewiesen. Nach der Pasteurisierung konnte S. agalactiae nicht

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mehr isoliert werden. Durch beide Pasteure wurde die GKZ um 0,8 bis 2,1 log10 Stu-fen gesenkt. In Milchproben der Gruppen pasteurisierte Tankmilch (pBM) und pas-teurisierte Sperrmilch (pWM) wurden jedoch regelmäßig Äskulin-positive Streptococ-cus spp. nachgewiesen.

In der unbehandelten wie auch der pasteurisierten Tankmilch wurden - wie zu erwar-ten - nie antimikrobielle Hemmstoffe nachgewiesen. Bei WM wurden dagegen, in Abhängigkeit vom verwendeten Schnelltest, in allen (Delvo MCS) bzw. in 15 von 20 Proben (BR-AS spezial) Hemmstoffe nachgewiesen. Bei der Untersuchung von pWM ergaben alle bzw. 17 von 20 Proben positive Testergebnisse. Diese Werte liegen etwas höher als von SELIM und CULLOR (1997) und JORGENSEN et al. (2006) be-schrieben; diese Autoren wiesen in 63 % bzw. ca. 65 % der untersuchten Proben Hemmstoffe nach.

In der Studie wurde die pasteurisierte Kälbermilch erheblich bei Lagerung, Transport und anschließender Verfütterung rekontaminiert. Der Gehalt an coliformen Keimen in den Nuckeleimern betrug bis zu 6,9 x 104 KbE/ml. Die Ergebnisse lassen keine Aus-sagen darüber zu, in welchem Umfang sich apathogene Kommensalen und/oder po-tentiell pathogene Erreger wieder vermehrten. In jedem Fall aber wird deutlich, dass die positiven Effekte der Pasteurisierung auf dem Betrieb durch mangelhafte Tränke-hygiene u. U. wieder aufgehoben wurden.

Die Ergebnisse lassen zusammenfassend darauf schließen, dass Sperrmilch erheb-lich mit antimikrobiellen Wirkstoffen belastet ist, dennoch aber erheberheb-liche Konzentra-tionen potentiell pathogener Infektionserreger aufweist. Die Pasteurisierung führt zu einer nachhaltigen Reduktion der Keimzahl, beeinflusst die Konzentration von anti-mikrobiellen Wirkstoffen jedoch nicht. Aufgrund des hohen Risikos einer massiven Rekontamination der pasteurisierten Milch ist der Einsatz von Pasteuren nur sinnvoll, wenn ein hoher Hygienestandard bei der Lagerung und Verfütterung der Milch ge-währleistet ist.

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30 Gewichtsentwicklung der Kälber

Die durchschnittlichen Tageszunahmen der Kälber unterschieden sich zwischen den vier Versuchsgruppen WM, pWM, BM und pBM zu keinem Zeitpunkt signifikant. Her-vorzuheben sind die sehr geringen Zunahmen während der ersten zwei Lebenswo-chen, die mit < 100 g/d sehr deutlich unter den empfohlenen Tageszunahmen bei intensiver Aufzucht liegen (MACCARI et al. 2012). Dies ist als Konsequenz der ei-nerseits geringen Tränkemengen bei andererseits niedrigen Umgebungstemperatu-ren unter Außenklimabedingungen anzusehen. Innerhalb der folgenden zwei Wo-chen stiegen die tägliWo-chen Zunahmen auf ca. 500 g/d und während des zweiten Le-bensmonats auf ca. 800 g/d an.

In älteren Studien war ebenfalls kein negativer Einfluss von Sperrmilch auf die Ge-wichtsentwicklung von Kälbern nachweisbar (CHARDAVOYNE et al. 1979, KEYS et al. 1980, KESLER 1981, KEITH et al. 1983, SCHMOLDT 1991). Höhere Zunahmen durch die Pasteurisierung von Sperrmilch, wie von JAMALUDDIN et al. (1996) und GODDEN et al. (2005) beschrieben, konnten in unserer Studie nicht bestätigt werden.

Mögliche Erklärungen hierfür sind der Hygienestandard auf dem Versuchsbetrieb, die stark während des Versuchszeitraums schwankende bakterielle Belastung der Sperrmilch sowie die im Versuch beobachtete erhebliche Rekontamination der pas-teurisierten Milch durch Milchtaxis und Nuckeleimer, die eventuell positive Effekte der Pasteurisierung überlagert hat. Außerdem war die Anzahl der Versuchskälber mit 27 bis 29 pro Fütterungsgruppe zu gering, um geringe Unterschiede in den Tageszu-nahmen statistisch abzusichern. In der Praxis variieren die TageszuTageszu-nahmen von Auf-zuchtkälbern interindividuell erheblich. Bei einem Variationskoeffizient von 25 % für würden 195 Kälber pro Fütterungsgruppe benötigt, um einen Unterschied von 50 g/d zwischen den Gruppen statistisch abzusichern (power 0.80, α-error 0.05). Diese Gruppengrößen wurden bei JAMALUDDIN et al. (1996) und GODDEN et al. (2005) mit 150 bzw. ca. 220 Kälbern pro Fütterungsgruppe ungefähr erreicht. Die täglichen Zunahmen der ab dem ersten Lebenstag mit pasteurisierter Milch getränkten Kälber

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lagen hier zum Zeitpunkt des Absetzens im Mittel bei 470 ± 130 g/d [SD] verglichen mit 350 ± 140 g/d [SD] (p < 0,001) bei den Kälbern der Kontrollgruppe, die einen handelsüblichen Milchaustauscher erhielten (GODDEN et al. 2005). JAMALUDDIN et al. (1996) berichten von signifikant höheren Zunahmen zum Zeitpunkt des Absetzens bei männlichen, nicht jedoch bei weiblichen Kälbern der Behandlungsgruppe, die mit pasteurisierter Sperrmilch, verglichen mit unbehandelter Sperrmilch, gefüttert wurden.

Einschränkend muss hierbei aber erwähnt werden, dass die männlichen Kälber der Behandlungsgruppe allgemein später als die der Kontrollgruppe abgesetzt wurden und die Ermittlung der Gewichte durch Messen des Brustumfanges erfolgte. Bei bei-den o.a. Studien sind die Kälber nicht über einen genau definierten Zeitraum, son-dern unterschiedlich lang bis zum Zeitpunkt des Abtränkens befundet worden.

Tiergesundheit

In Bezug auf die neonatale Diarrhoe war die Morbidität in den einzelnen Fütterungs-gruppen vergleichbar (p= 0,452) und lag zwischen 21,4 % (pBM) und 41,4 % (pWM), wobei die Dauer der Durchfallepisoden im Mittel bei 1,8 ± 0,2 d (WM), 1,4 ± 0,2 d (pWM), 1,6 ± 0,2 d (BM) bzw. 3,7 ± 0,8 d (pBM) lag. Andere Studien berichten von Morbiditätsraten zwischen 58,7 % und 83,7 %, mit mittlerer Dauer der ersten Durch-fallepisoden von 3,9–4,1 Tagen (PARE et al. 1993).

Lediglich ein Versuchstier verendete an den Folgen einer klinisch massiven neonata-len Diarrhoe, was einer Gesamtmortalität von 0,9 % über den gesamten Versuchs-zeitraum von 8 Wochen entspricht und ein ausgezeichnetes Ergebnis darstellt. Auf der Mehrzahl der Betriebe liegen die Aufzuchtverluste bei > 5 %, wobei Durchfaller-krankungen für mehr als die Hälfte der Tierverluste verantwortlich sind (KASKE et al.

2008). Die Kälbergesundheit auf dem Versuchsbetrieb kann somit als überdurch-schnittlich gut bewertet werden. JAMALUDDIN et al. (1996) beobachteten bei Käl-bern, die mit pasteurisierter Sperrmilch gefüttert wurden, einen späteren Krankheits-beginn, eine kürzere Dauer der Durchfallepisode und mildere klinische Symptome

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verglichen mit Kälbern, die unbehandelte Sperrmilch erhielten. Diese Vorteile konn-ten in unserer Studie nicht bestätigt werden; wiederum kann dafür die vergleichswei-se geringe Tierzahl pro Gruppe als ausschlaggebender Faktor vermutet werden.

Die signifikant längere Dauer der Durchfallepisoden in Gruppe pBM verglichen mit allen anderen Fütterungsgruppen (p = 0,017) lässt sich mit dem höheren Anteil unzu-reichend mit Kolostrum versorgter Kälber in dieser Fütterungsgruppe erklären. Auch in unserer Studie war die STP-Konzentration signifikant mit der Durchfalldauer korre-liert (r = -0,46; p = 0,007) (DONOVAN et al. 1998, WEAVER 2000, GODDEN 2008).

Dies belegt erneut, dass gutes Kolostrummanagement und die Einzelhaltung wäh-rend der ersten Lebenswochen die Prävalenz von neonataler Diarrhoe bei Kälbern verringert (KASKE et al. 2009).

Insgesamt erkrankten nur drei aller 114 Versuchskälber an respiratorischen Erkran-kungen; die Morbidität war hierbei innerhalb der Fütterungsgruppen vergleichbar (p = 0,296).

Da keinerlei Daten über die Eutergesundheit der aufgezogenen Färsenkälber erfasst wurden, konnte das Risiko der Erregerübertragung aus der Milch auf die mit Sperr-milch getränkten Kälber nicht geprüft werden.

Antimikrobielle Resistenzmuster der isolierten E. coli

Trotz der geringen Anzahl an Stichproben konnte die deutliche Beeinflussung des Wachstumsverhaltens intestinaler E. coli durch die Verfütterung unbehandelter und pasteurisierter Sperrmilch an Kälber in unserer Studie belegt werden.

Signifikant mehr (p = 0,031) FOT-resistente E. coli wurden von Kälbern der Gruppe pWM verglichen mit der Kontrollgruppe (BM) isoliert. Bei Isolaten aus der Gruppe WM ließ sich im Hinblick auf die Resistenz gegen FOT und CEP im Vergleich zur

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Kontrollgruppe eine Tendenz ausmachen (p = 0,060 bzw. p = 0,073). Die Prävalenz einer NAL Resistenz war unter Isolaten aus der pWM Gruppe signifikant gegenüber der von Isolaten aus der BM Gruppe erhöht (p = 0,009). Die Unterschiede bezüglich des Anteils SXT- resistenter Isolate waren signifikant zwischen pWM und BM Isola-ten (p = 0,031) und Isola-tendierIsola-ten zu Signifikanz zwischen WM und BM IsolaIsola-ten (p = 0,059).

Im Bezug auf antimikrobielle Substanzen ohne einen klinischen CLSI Grenzwert un-terschieden sich die MHK90 Konzentrationen der E. coli Isolate der Gruppen WM und pWM deutlich von denen aus der BM Gruppe für folgende Substanzen:

FOP (≥ 64 vs. 2 µg/ml), CEQ (≥ 64 vs. 0,06 µg/ml), XNL (≥ 128 vs. 0,5 µg/ml), SPE (256 vs. 8 µg/ml) und TMP (≥ 256 vs. 1 µg/ml).

Verglichen mit BYWATER et al. (2004) sind die erhaltenen MHK50 und MHK90 Werte ähnlich; die Resistenzraten der isolierten E. coli vergleichbar (CHL, ENR, GEN) oder höher (AMP, FOT, TET, SXT). Im Vergleich zu ORDEN et al. (2000) sind die nach-gewiesenen Resistenzraten bzw. MHK-Werte ähnlich bzw. deutlich geringer. Auch WERCKENTHIN et al. (2002) gehen von deutlich höheren Resistenzraten aus. Mög-licherweise ist hierfür die Herkunft der Isolate entscheidend: Die anderen Studien basieren auf Proben durchfallkranker und systemisch antibiotisch behandelter Kälber, während die Isolate unserer Studie von klinisch gesunden Kälbern ohne antibiotische Behandlung gewonnen wurden. Die Art des Tests, mit dem das Wachstumsverhalten von Bakterien gegenüber verschiedenen Antibiotika überprüft wird, könnte ebenfalls die Resistenzrate beeinflussen.

Für TET, obgleich regelmäßig auf dem Versuchsbetrieb zur Behandlung kranker Kü-he eingesetzt und folglich in der Sperrmilch vorhanden, konnten keine Unterschiede im Wachstumsverhalten der E.coli aus den verschiedenen Fütterungsgruppen beo-bachtet werden. Diese Tatsache wurde auch von anderen Forschungsgruppen be-schrieben (DAWSON et al. 1984, KHACHATYRAN et al. 2004). Laut KHACHATY-RAN et al. (2006) könnten die niedrigen biologischen Kosten, die durch das

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bergen von TET Resistenzgenen verursacht werden, zur Aufrechterhaltung resisten-ter E. coli Stämme nach Entfernen des antibiotischen Selektionsdrucks beitragen.

Auch gelegentliche Exposition aufgrund eines therapeutischen Einsatzes könnte zur Aufrechterhaltung von TET Resistenz in E. coli Populationen ausreichen (DUNLOP et al. 1998). Diese Voraussetzung könnte in unserer Studie durch den Einsatz von CTC-Spray zur Wundversorgung nach Enthornung bei Kälbern aller Fütterungsgrup-pen gegeben sein.

Anders als bei WERCKENTHIN et al. (2002), BERGE et al. (2005) und DONALD-SON et al. (2006) wurden keine multiresistenten E. coli aus Kotproben von zwei Ta-ge alten Kälbern isoliert. Nur 11 % der Isolate wiesen Resistenzen Ta-geTa-genüber maxi-mal zwei Antibiotika auf. Dieser Unterschied könnte auf unterschiedlichen Einsatz von Antibiotika auf den einzelnen Milchviehbetrieben zurückzuführen sein. Im späte-ren Studienverlauf stieg die Prävalenz resistenter Isolate, in Übereinstimmung mit anderen Autoren (BERGE et al. 2005), an. Da die Kälber nach der Tränkephase nicht weiter beprobt wurden, können aus den Ergebnissen unserer Studie keine An-gaben zum Resistenzverhalten von E. coli bei Kälbern nach dem Absetzen gemacht werden. HINTON et al. (1985) berichten von einer Abnahme der Anzahl resistenter Isolate mit steigendem Alter der Kälber.

Antimikrobielle Resistenzmuster der isolierten E. faecalis

Ein erheblicher Anteil der E. faecalis Isolate aus der Kolostralphase war gegenüber den meisten geprüften antimikrobiellen Substanzen resistent. Der Anteil resistenter Isolate unterschied sich nicht signifikant zwischen den drei Fütterungsgruppen BM, WM und pWM und der Kolostralphase (BL). Unterschiede zwischen den Fütterungs-gruppen wurden nicht eindeutig durch die Antibiotika in der getränkten Milch verur-sacht. So wiesen z. B. Isolate der BL- und pWM Gruppe deutlich höhere MHK90– Werte für TIL, TUL und SPI gegenüber denen aus der BM und WM Gruppe auf.

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Verglichen mit den Ergebnissen von BUTAYE et al. (2001), waren die beobachteten Resistenzraten für TYL und GEN niedriger, für TET etwas erhöht, und die MHK90 -Konzentrationen für ENR deutlich geringer.

E. faecalis erwies sich damit als ein ungeeigneter Indikatorkeim, um die Auswirkun-gen der Verfütterung von Sperrmilch auf das Wachstumsverhalten der grampositiven intestinalen Mikroflora von Kälbern zu untersuchen.

Empfehlungen für die Praxis

1. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen in Übereinstimmung mit prak-tischen Erfahrungen, dass auf einem Betrieb der Infektionsdruck in der Umge-bung der Tiere, der mikrobiologische Status von Tankmilch wie Sperrmilch, der Hemmstoffgehalt und die Konzentrationen unterschiedlicher antimikrobiel-ler Wirkstoffe in der Sperrmilch wesentlich variieren. Ebenso unterscheiden sich die Expertise und die Motivation des Personals sowohl bei der Versor-gung der Tiere als auch der Bedienung eines Pasteurs. Jegliche Empfehlun-gen müssen deshalb zwinEmpfehlun-gend die jeweiliEmpfehlun-gen spezifischen Gegebenheiten auf dem betreffenden Betrieb angemessen berücksichtigen.

2. Durch die Verfütterung von Sperrmilch sind keine massiven negativen Effekte auf die Gewichtsentwicklung und den Gesundheitsstatus der Kälber zu erwar-ten. Die Belastbarkeit der fehlenden Unterschiede zwischen den Fütterungs-gruppen in dieser Feldstudie wird zwar durch die geringe Anzahl der Versuch-tiere eingeschränkt, doch potentiell repräsentiert Sperrmilch offenbar ein brauchbares Futtermittel für die Kälberaufzucht. Dabei gilt andererseits, dass der durchaus problematische mikrobiologische Status der Sperrmilch aus Gründen der Biosicherheit und unter Berücksichtigung einer guten fachlichen Praxis eine Pasteurisierung der Sperrmilch zwingend erfordert. Bei betriebs-spezifischen Problemen mit E. coli, S. agalactiae und Mycoplasma spp.

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(WALZ et al. 1997; BUTLER et al. 2000) erscheint die Pasteurisierung der Kälbermilch ohnehin unverzichtbar; angesichts der erheblichen Bedeutung von Paratuberkulose in Milchviehbetrieben ist zudem das mit der Pasteurisie-rung von Milch verminderte Risiko einer Übertragung dieser Erreger (GOD-DEN et al. 2006) ein weiteres wichtiges Argument für den Einsatz eines Pas-teurs in der Praxis.

3. Die gegenwärtig kommerziell verfügbaren Pasteure sind für die Praxis geeig-net und ermöglichen bei vertretbarem Arbeitsaufwand die Erhitzung der je-weils erforderlichen Menge an Kälbermilch. Der Kostenaufwand für die Pas-teurisierung differiert zwar drastisch in Abhängigkeit von der Menge Milch, die täglich erhitzt werden muss und den Anschaffungskosten des Gerätes, dürfte aber bei < 0,02 €/l Milch liegen. JAMALUDDIN et al. (1996) ermittelten Kosten von 0,0535 $ pro Kalb und Tag. Berücksichtigt man den Futterwert der Sperr-milch, so erscheint dieser Aufwand betriebswirtschaftlich absolut gerechtfertigt.

4. Der Einsatz von Sperrmilch, die mit antimikrobiellen Wirkstoffen kontaminiert ist, erscheint problematisch. Bereits sehr niedrige Konzentrationen der Wirk-stoffe, die deutlich unter der MHK liegen, können die Selektion resistenter Bakterien begünstigen (GULLBERG et al., 2011). Sperrmilch enthält eine Mi-schung verschiedener antimikrobieller Substanzen in niedrigen Konzentratio-nen. Daraus ergibt sich ein Selektionsdruck auf die gramnegative intestinale Mikroflora. In der vorliegenden Studie wurde ein signifikanter Einfluss auf die Resistenzrate von gramnegativen Isolaten nachgewiesen, obwohl die Anzahl der beprobten Kälber sehr gering war. Die Bedeutung der erhöhten Resistenz-raten bei Verfütterung von Sperrmilch für die allgemein beklagte Zunahme von Resistenzen in der Humanmedizin (FRIDKIN 2001, VonBAUM und MARRE 2005, GERMAP 2010) muss gegenwärtig völlig offen bleiben. Es mag An-haltspunkte geben, diese Bedeutung der Sperrmilch als nicht sonderlich hoch einzuschätzen im Vergleich zu anderen diskutierten Problembereichen in der Rinderhaltung (insbesondere der prophylaktische Einsatz von Antibiotika beim

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Trockenstellen von Milchkühen und der metaphylaktische Einsatz von Antibio-tika in der Fresseraufzucht). Die Ergebnisse der Studie lassen nicht einmal Aussagen darüber zu, ob die Auswirkungen auf die Darmflora vorübergehend oder auch wesentlich später noch nachweisbar sind, da nach dem Absetzen der Kälber von der Milch keine Kotproben untersucht wurden. Aus generalprä-ventiven Gründen ist jedoch auf Grundlage der Ergebnisse dieser Studie der Einsatz von Antibiotika-belasteter Sperrmilch für Kälber abzulehnen.

5. Insbesondere für größere Milchviehbetriebe ergibt sich die Option, nicht ver-kehrsfähige Milch getrennt zu sammeln. Nicht Antibiotika-belastete Milch kann dann nach der Pasteurisierung als hochwertiges Futtermittel für Aufzuchtkäl-ber genutzt werden. Mit antimikrobiellen Wirkstoffen belastete Milch stellt demgegenüber kein akzeptables Futtermittel für junge Kälber dar.

Zukünftige Studien

Zukünftige Studien sollten auf größeren Tierzahlen basieren und eventuell auf Be-trieben mit einer schlechteren Kälbergesundheit durchgeführt werden, um mehr und genauere Daten im Hinblick auf z. B. Morbiditätsraten zu erhalten.

Weiterhin wäre es erstrebenswert, auch den Aspekt der Eutergesundheit der mit Sperrmilch aufgezogenen Kälber zu untersuchen, da hierzu kaum aktuelle Publikati-onen verfügbar sind.

Literatur

38 Literatur

AUST, V., K. KNAPPSTEIN, H.-J. KUNZ, H. KASPAR, J. WALLMANN u. M. KASKE (2012):

Feeding untreated and pasteurized waste milk and bulk milk to calves: Effects on calf performance, health status and antibiotic resistance of faecal bacteria

Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition Artikel online am 4.12.2012 veröffentlicht

DOI 10.1111/jpn.12019

Von BAUM, H. u. R. MARRE (2005):

Antimicrobial resistance of Escherichia coli and therapeutic implications

Antimicrobial resistance of Escherichia coli and therapeutic implications