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Enzymdefizienzen und Phänotypen der Congenitalen Saccharase- Saccharase-Isomaltase-Defizienz (CSID)

Im Gegensatz zur Laktase, deren Aktivität bei den Säugern um die Geburt herum und während der Säugung am höchsten ist und anschließend bis zu 90% abfällt, ist bei der Saccharase eine Zunahme ihrer Aktivität ab der Entwöhnung bis zum Erwachsenenalter zu beobachten (KRETCHMER 1989). Obwohl die Regulation der Saccharase-Isomaltase-Aktivität ein transkriptionales Ereignis ist, das mehrere SI- und Intestinum-spezifische nukleäre Faktoren erfordert (TRABER u. SILBERG 1996; WU et al. 1994), beruhen die seltenen bisher beobachteten Formen von Enzymdefizienzen auf einer beeinträchtigten oder fehlerhaften Prozessierung des Proteins und nicht auf einer Beeinträchtigung seiner Expression (NAIM et al. 1988a). So auch bei der autosomal-rezessiv vererbten Saccharase-Isomaltase-Defizienz, die bei den betroffenen Patienten nach Aufnahme von Di- und Polysacchariden eine osmotisch-fermentative Diarrhoe verursacht (TREEM 1995).

Während bei dieser Erkrankung die Aktivität der Saccharase ganz eingeschränkt ist, waren bei einigen Patienten die Werte der Isomaltase-Aktivität im Normbereich. Aufgrund der beobachteten unterschiedlichen Pathogenese, z.B. Block der SI im Bereich des Golgi-Apparates oder korrekt lokalisiertes, aber inaktives Protein, sind mehrere Phänotypen dieser Erkrankung beschrieben worden.

Mitochondrium

Peroxisom

Freie Ribosomen

Endosom Lysosom Golgi Apparat

Zytoplasma

Rauhes Endoplasmatisches Retikulum

Kern

Basolaterale Membran Apikale Membran

1 2 3

4

5 6

Abbildung 4: Phänotypen der Congenitalen Saccharase-Isomaltase-Defizienz (CSID)

1 ER-Block; 2 Golgi-Block; 3 Inaktives Enzym; 4 Fehlsortierung zur basolateralen Membran;

5 Abnorme intrazelluläre Spaltung; 6 lösliches Protein. Abb. modifiziert nach KUCHEL u.

RALSTON (1988)

Mittels Untersuchungen der SI auf subzellulärer und molekularer Ebene von Patienten, die an dieser Erkrankung leiden, konnten sechs verschiedene Phänotypen der CSID (FRANSEN et al. 1991; JACOB et al. 2000; NAIM et al. 1988a) identifiziert werden, die biochemisch charakterisiert worden sind (Abb. 3):

Beim Phänotyp I erlangt der mannosereich glykosylierte Vorläufer keine Transportkompetenz, akkumuliert im ER und wird schließlich abgebaut.

Phänotyp II ist charkterisiert durch eine Retention der pro-SI im ER/cis-Golgi intermediären Kompartiment (ERGIC), im cis- und im trans-Golgi Netzwerk.

Auch Phänotyp III ist enzymatisch inaktiv, obwohl in diesem Fall das Protein an die apikale Zelloberfläche gelangt, es also normal transportiert und sortiert wird.

Eine zufällige Sortierung des teilweise falsch gefalteten Proteins wird beim Phänotypen IV beobachtet, so daß das Enzym nicht ausschließlich zur apikalen, sondern auch zur basolateralen Membran sortiert wird (SPODSBERG et al. 2001).

Beim Phänotypen V führt eine abnorme intrazelluläre Spaltung des Enzymkomplexes in seine beiden Untereinheiten zur Degradation der Saccharase, wohingegen die Isomaltase korrekt nach apikal sortiert wird.

Kürzlich wurde ein weiterer Fall der CSID beschrieben, bei der durch Spaltung eine sekretorische Form der ansonsten membrangebundenen Form des Proteins entsteht (JACOB et al. 2000).

Da translatierte Produkte entstanden sind, wurden als Ursachen dieser Phänotypen Punktmutationen oder kleinere Deletionen oder Insertionen innerhalb des Leserahmens angenommen.

Die Ergründung der molekularen Hintergründe dieser Erkrankung sind nicht nur aus klinischer Sicht interessant, vielmehr liefern diese natürlichen Modelle wichtige Aussagen hinsichtlich bisher noch unzureichend charakterisierter funktioneller Domänen der SI und ermöglichen daher eine weitere Aufklärung des zellulären Transports.

Ein Glutamin zu Prolin-Austausch an Aminosäureposition 1098 (Q1098P) in der Aminosäuresequenz der SI eines Patienten konnte als Ursache des Phänotypen II der CSID durch Untersuchung einer Darmbiopsie bestätigt werden, bei dem die mannosereich glykosylierte pro-SI im cis-Golgi und ER/Golgi-intermediären Kompartiment (ERGIC) akkumuliert (MOOLENAAR et al. 1997). Die elektronenmikroskopische und biochemische Beobachtung eines solchen Phänotypen, der eine Akkumulation eines Proteins in einem Kompartiment beschreibt, welches entlang des sekretorischen Weges hinter dem ER gelegen ist, läßt vermuten, daß neben dem Qualitätskontrollsystem des ER eine weitere Maschinerie zur Kontrolle von Proteinen nach dem ER und vor dem Golgi-Apparat vorhanden sein muß.

Die Tatsache, daß diese Q1098P Mutante nicht vom Qualitätskontrollsystem des ER erkannt wird, läßt die Frage aufkommen, ob dieses hypothetische System ein Protein genauer

untersucht als das bisher bekannte Kontrollsystem oder ob andere Erkennungsmerkmale oder anders arbeitende Faltungssensoren an der Signalisierung von Fehlfaltungen beteiligt sind.

Durch Expression dieser Mutante in COS-1 Zellen, die nicht-intestinaler Herkunft sind, konnte einerseits demonstriert werden, daß die Mutation an sich Ursache der Retention ist und andererseits, daß mögliche Faltungssensoren des hypothetischen Kontrollsystems nicht auf Zellen des Darmes beschränkt sind.

Ein weiterer Phänotyp, bei dem die strikte Sortierung der Saccharase-Isomaltase an die apikale Bürstensaummembran aufgehoben scheint und es vielmehr zu einer zufälligen Sortierung an die apikale und basolaterale Zelloberfläche kommt, konnte ebenfalls auf einen Aminosäureaustausch zurückgeführt werden (SPODSBERG et al. 2001). Dieser Austausch von Glutamin zu Arginin an Position 117 der Polypeptidkette zeigt, daß eine einzige, an einer bestimmten Stelle ausgetauschte Aminosäure eine korrekte Sortierung verhindern kann. Somit scheint diese Stelle in der Peptidkette Teil einer noch unbekannten Domäne zu sein, die wichtige Aufgaben im Bereich der Sortierung der SI übernimmt.

Dieser natürlich vorkommende Phänotyp (Phänotyp IV) bekräftigt die Hypothese, daß für die apikale Sortierung der SI, die von der Assoziation O-gebundener Glykane mit Lipidmikrodomänen abhängig ist, ein dazwischengeschaltetes Molekül existieren muß, welches diese Assoziation vermittelt. Kann diese Erkennung zwischen SI und Vermittler nicht stattfinden, kommt es nach diesem Modell wie im Falle des Phänotypen IV zu einem zufälligen Weitertransport des Proteins sowohl an die apikale wie auch an die basolaterale Zelloberfläche.

Auch ohne Untersuchung der genetischen Information der veränderten SI liefert uns die Beobachtung von Phänotyp V wichtige Informationen über das apikale Sortiersignal der SI.

Da bei diesem Phänotypen die Isomaltase-Untereinheit die apikale Membran im Alleingang erreicht, die Saccharase-Untereinheit aber degradiert wird, ist die Transportkompetenz der Isomaltase-Untereinheit für sich alleine nachgewiesen. Allerdings findet die Spaltung in die beiden Untereinheiten erst im Golgi-Apparat statt, so daß dieser Phänotyp nicht klärt, ob die Isomaltase in der Lage ist, alleine das Qualitätskontrollsystem des ER zu passieren oder ob bis zum Austritt aus dem ER die Saccharase für den Transport eine wichtige Rolle übernimmt.

Beim Phänotypen VI der CSID kommt es durch Spaltung der Saccharase-Isomaltase zur Bildung einer sekretorischen anstatt einer membrangebundenen Form des Proteins. Auch in diesem Fall war eine Punktmutation der Auslöser für eine Änderung einer Aminosäure in der Polypeptidkette (JACOB et al. 2000). Anhand dieses Phänotypen der CSID konnte zum ersten Mal eine Erkrankung beschrieben werden, bei der der Pathomechanismus darauf beruht, daß ein membrangebundenes Protein durch einen Aminosäureaustausch in ein lösliches Protein umgewandelt wird.

Zielsetzung dieser Arbeit war die Aufklärung der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen eines Phänotypen der CSID, bei dem durch biochemische Charakterisierung bereits vermutet wurde, daß der mannosereich glykosylierte Vorläufer der Saccharase-Isomaltase (SI) keine Transportkompetenz erlangt, im ER akkumuliert und schließlich abgebaut wird.