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2.2 Stärkeverdauung

2.2.1 Enzymatische Spaltung der Stärkegranula

Bevor eine Spaltung der Glucoseketten erfolgen kann, müssen die Stärkegranula durchdrungen werden, so dass die Amylose- und Amylopektinketten für die stärkespaltenden Enzyme zugänglich sind. In Abhängigkeit von den äußeren Schichten und Strukturen (Löcher; Fissuren) wird Stärke entweder nach dem Prinzip der Endokorrosion oder der Exokorrosion abgebaut (KIENZLE et al. 1997). Von Endokorrosion wird gesprochen, wenn die Enzyme an der Granulaoberfläche bereits bestehende Löcher vergrößern und mit fortschreitender Enzymwirkung Kanäle in das Innere der Granula bilden. Hierdurch werden die Granula von innen heraus “ausgehöhlt“, wodurch die kristalline Struktur aufgelöst wird (BADENHUIZEN 1959; AGGARWAL u. DOLLIMORE 2000). Die Exokorrosion zeichnet sich dadurch aus, dass durch fehlende Löcher kein direkter Zugang in das Innere der Granula möglich ist, wodurch der enzymatische Abbau der Granulaschichten von außen stattfindet

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beginnt an der Oberfläche von Stärkegranula an Fissuren oder an Strukturen, die einen Fehler im kristallinen Aufbau (amorphe Strukturen) aufweisen. Die strukturellen Schwachstellen sind anfälliger für enzymatische Angriffe. Mit Fortschreiten der enzymatischen Wirkung kommt es zu einer Auflösung der Granula (FRENCH 1973; GALLANT et al. 1997).

Rasterelektronen-mikroskopische Untersuchungen zeigen, dass der enzymatische Abbau von Weizen, Reis, Gerste, Mais, Roggen und Kassava über eine Endokorrosion erfolgt (GALLANT et al. 1997; KIENZLE et al. 1998), Kartoffel-, Erbsen- und Tapiokagranula hingegen einer Exokorrosion unterliegen (KIENZLE et al. 1997). KIMURA u. ROBYT (1995) untersuchten den Abbau von Stärkegranula unterschiedlicher botanischer Herkunft (Wachsmais, Gerste, Kartoffel, amylosereicher Mais) und stellten dabei fest, dass die Granulaanzahl nach Zusatz von Glucoamylase (Maltase) in den ersten Stunden zunimmt. Es stellten sich aber deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Stärkeart dar. Ein Anstieg der Granulaanzahl um 50 % konnte bei Gerste und Wachsmais (reich an Amylopektin) gemessen werden, während Kartoffelstärke nur einen geringen Anstieg (< 10 %) und der amylosereiche Mais keine Veränderung der Granulaanzahl zeigte. Da die enzymatische Spaltung der Granula eine Oberflächenvergrößerung zur Folge hat, wird demnach die enzymatische Hydrolyse mit zunehmender Zeit beschleunigt. Die Abspaltung einzelner Glucosemoleküle von den Amylose und Amylopektinmolekülen erfolgt im Inneren der Granula. Mit zunehmender enzymatischer Einwirkung steigt die Durchlässigkeit der Granula und die Glucosemoleküle diffundieren in das umgebende Medium. Eine Ausnahme von diesem Prinzip stellen Kartoffelgranula dar. Da diese nur in geringem Umfang durchlässig für Enzyme sind, ist gleichzeitig auch die Diffusion der Glucose aus den Granula eingeschränkt (KIMURA u. ROBYT 1995).

2.2.1.1 Einflussfaktoren auf den enzymatischen Abbau der Stärkegranula

Bei Betrachtung der Einflussfaktoren auf die Stärkeverdaulichkeit muss klar unterschieden werden, ob die Stärke bereits extrahiert wurde oder ob die Stärkegranula noch im Endosperm vorliegen. In welchem Umfang und in welchem Zeitraum Stärkegranula enzymatisch hydrolysiert werden können, ist nach TESTER et al. (2004b) von folgenden Faktoren abhängig:

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- botanischer Ursprung der Stärke (Granulagröße, Zusammenlagerung der Granula innerhalb der Pflanzenzelle, Kristallinitäts-Typ (A-, B- oder C-Typ), Oberflächenstrukturen)

- Zusammensetzung der Granula (Amylose:Amylopektin-Verhältnis, Anteile von Fett, Eiweiß und Phosphor)

- Grad der Bearbeitung der Stärkequelle (mechanische Einwirkungen, Gelatinisierungsgrad)

- Quelle der Enzyme und das Verhältnis von Enzym zu Substratmenge - Temperatur und Dauer der Enzymeinwirkung

Thermisch und mechanisch unbehandelte Stärke ist im Vergleich zu bereits bearbeiteter Stärke gegenüber enzymatischen Abbauvorgängen resistenter (BORNET 1993). Dies ist der Anordnung der Stärkegranula innerhalb der Pflanze, bzw. des jeweiligen Speicherorgans der Pflanze geschuldet. Die kompakten Granula sind im Endosperm eng aneinander gelagert und werden von einer Proteinmatrix umgeben, wodurch die Granula originär zunächst vor einem enzymatischen Angriff gewissermaßen geschützt sind (ROONEY u. PFLUGFELDER 1986;

BORNET 1993). Um eine möglichst vollständige energetische Verwertung von stärkereichen Futter- und Lebensmitteln zu erzielen, muss eine Vorbehandlung erfolgen. Erst diese Vorbehandlung ermöglicht den stärkeabbauenden Enzymen den Zugang in das Innere der Stärkegranula (BORNET 1993; TESTER et al. 2004b). Eine derartige Bearbeitung kann sowohl durch mechanische als auch durch hydrothermische Verfahren erreicht werden. Die in der Lebensmittelproduktion oft angewandten Methoden zur thermischen und mechanischen Bearbeitung der Stärken stellen Kochen, Dämpfen, Walzen, Toasten, Backen und Poppen dar.

Durch all diese Verfahren werden Getreidekörner bzw. Stärkegranula in unterschiedlichem Umfang beschädigt und/oder eine Gelatinisierung der Stärke erreicht. Durch den Verlust der kristallinen Ordnung, Auflösung der Helixstrukturen der Amylopektinmoleküle sowie der Komplexbildungen zwischen Lipiden und Amylose werden die Stärkegranula für die stärkeabbauenden Enzyme leichter zugänglich (TESTER et al. 2004b). Als weiterer Einflussfaktor auf die enzymatische Abbaubarkeit kann die Morphologie der Granula gesehen werden, wobei die Größe, die Oberflächenbeschaffenheit und die Art der Kristallinität der Granula eine Rolle spielen. Die Granulagröße beeinflusst die Verdaulichkeit durch das

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Substrat zunimmt, sofern die Größe der Granula abnimmt (TESTER et al. 2004b). Den Einfluss der Granulagröße auf die enzymatische Abbaubarkeit konnten auch (FRANCO et al.

1992) nachweisen. In Versuchen mit Kassava- und Maisstärke wurden die Granula beider Stärkearten der Größe nach separiert und jeweils für 36 Stunden mit stärkeabbauenden Enzymen (α-Amylase und Amylo-Glucosidasen) inkubiert. Es stellte sich heraus, dass die Hydrolyse mit steigender Größe der Granula abnimmt. Ein weiteres morphologisches Merkmal, das Einfluss auf die enzymatische Abbaubarkeit zeigt, ist die Oberflächenstruktur.

Die Poren, die auf einigen Stärkearten vorhanden sind, weisen eine Größe auf, die es ermöglicht, dass Enzyme in das Innere der Granula gelangen können und der enzymatische Abbau der Granula über diesen Weg erleichtert wird (FANNON et al. 1992). Auch die Anordnung der inneren Strukturen eines Granulums hat einen Einfluss auf eine gewisse Resistenz gegenüber enzymatischen Einwirkungen. Besonders die Verteilung und die Größe der semi-kristallinen und amorphen Bereiche sowie die Dichte der aneinander gelagerten Blocklets beeinflussen den Abbau der Stärkegranula (ANDRIEUX et al. 1992). In Versuchen konnten PLANCHOT et al. (1995) nachweisen, dass Stärkearten, die nach ihrer Art der Kristallinität zum Typ A und C gehören (Erbsen- und Getreidestärke), enzymatisch besser hydrolysiert werden können, als B-Typen (Kartoffelstärke). Die chemische Zusammensetzung bedingt ebenfalls Unterschiede in der Verdaulichkeit von Stärke. Hierbei spielt besonders das Verhältnis von Amylose und Amylopektin eine Rolle. Mit steigenden Amylosegehalten erhöht sich die Resistenz gegenüber enzymatischen Abbauvorgängen. WOLTERS (1990) und GALLANT et al. (1997) sehen die Ursache hierfür in einer verminderten Reaktionsfläche für die stärkespaltenden Enzyme, da Amylosemoleküle, bedingt durch ihre Doppelhelixstruktur, häufig komplexe Verbindungen mit Phosphor, Eiweiß und Lipiden eingehen (FRENCH 1973). Verbunden mit der Komplexbildung (hauptsächlich mit den Minorkomponenten) ist die Quellfähigkeit von Stärkegranula während der hydrothermischen Behandlung herabgesetzt (GEDDES et al. 1965) und somit ebenfalls die Anfälligkeit der Granula gegenüber Enzymen (BORNET 1993). Nicht nur die Stärkeart und die damit verbundenen strukturellen Unterschiede und Eigenschaften bestimmen die enzymatische Verdaulichkeit, sondern auch die Herkunft der stärkespaltenden Enzyme BULEON et al. (1998).

PLANCHOT et al. (1995) führten Versuche zur Hydrolisierbarkeit unterschiedlicher

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Unterschiede in der Wirksamkeit von α-Amylasen porciner Herkunft und der von Aspergillus fumigatus produzierten Amylasen nachzuweisen sind. Alle Stärkearten wurden durch die α-Amylasen von Aspergillus fumigatus effizienter abgebaut, obwohl die gleiche Konzentration und Einwirkungszeit der Enzyme vorlag. Dieser Befund konnte auch von AO et al. (2007) bestätigt werden. In in-vitro Stärke-Verdaulichkeitsuntersuchungen wurde Maltase-Glucoamylase sowohl humaner als auch fungaler Herkunft eingesetzt und nachgewiesen, dass das Enzym von Rhizopus spp. etwa 10-fach wirksamer ist, was den Abbau nativer Stärke betrifft. Die Enzymkonzentration ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Höhere Konzentrationen von stärkespaltenden Enzymen haben nachweislich eine dosisabhängige Steigerung des Stärkeabbaus zur Folge, wobei dieser Prozess dazu nicht direkt proportional ist. Auch bei Zugabe der 10-fachen Menge an α-Amylase steigt die Abbaurate der Granula nur um das 2- bis 3-fache an (BERTOFT 1991).