• Keine Ergebnisse gefunden

Entwicklungen in den Jahren 1989 bis 1991

Die in diesem Kapitel zu analysierenden Entwicklungen in der Zeit der

»Zwischenphase« (1989-1991) heben sich von dem vorhergehend behan­

delten allgemeinen ökologischen Problemdruck und den allgemeinen Mo­

dernisierungskapazitäten ab: Gegenüber jenen enthalten sie eine höhere Dynamik.

Es soll dargestellt werden, wie politische Handlungsträger mit den ökologischen Problemlagen, verursacht durch den Energiesektor, umge­

gangen sind. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, und wie wurden vor­

handene Kapazitäten genutzt (Output)? Welche Folgen ergeben sich für das administrative System (Outcome)? Welche Veränderungen werden in der Sache selbst, der Verschmutzung der Umwelt durch den Energiesek­

tor, bewirkt (Impact)?

Beginnend mit dem wichtigsten energiepolitischen Output dieser Pha­

se, den »Richtlinien der Regierung zur Energiepolitik für die Jahre 1990 bis 2010«, werden anschließend einige andere Outputs aufgezeigt, die ge­

plante «Ökokonversion« und Joint-Ventures, Kooperationen und Hilfen.

Das politische Outcome, die »Wirkungen der Politik im Staatsappa­

rat« (Jänicke 1990, S. 5), wird anhand der Veränderungen der Organisa­

tionsstruktur des Energiesektors analysiert. Einige Impacts, d. h. die »Wir­

kungen in der Sache selbst«, werden für den Bereich der Kohleförderung und der Sekundärenergiegewinnung aufgezeigt.

In einem Exkurs soll der Frage nachgegangen werden, ob, und wenn ja, warum der Baustopp des Atomkraftwerkes Zarnowiec als ein Beispiel für den Eintritt neuer Akteure in die Politikarena gelten kann. In einem weiteren Exkurs soll der Stand der Dezentralisierung auf dem Energiesek­

tor dargestellt werden.

4.1 Energiepolitische Outputs

4.1.1 Richtlinien der Regierung zur Energiepolitik

Im Dezember 1990 verabschiedete der Sejm die von der Regierung Mazo- wiecki im August vorgelegten und von dem Industrieministerium »in Übereinstimmung mit dem Arbeitsplan des Ministerrates für das erste Halbjahr 1990, gemäß Protokoll Nr. 37/89 des Dezembertreffens des R a­

tes« erarbeiteten »Richtlinien für die Entwicklung der Energiepolitik in der Republik Polen für die Jahre 1990 bis 2010«1.

Auf der Basis von drei Zukunftsszenarien1 2 wurden unverbindlich mög­

liche Politiken vorgeschlagen, die in der Hauptsache in dem Vorschlag be­

stehen, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, einen Brennstoffwechsel weg von dem Brennstoff Kohle hin zum Brennstoff Gas, sowie eine Fort­

setzung der bisherigen Preispolitik zu betreiben. Dem Anstieg des Ener­

gieverbrauchs sollte nach den Richtlinien mit Einsparungen, vor allem im Sektor der privaten Haushalte, begegnet werden.

Auf der Sitzung der Energiekommission des Ministerrates am 15. Juli 1991 wurde beschlossen, mit einem Programm zum sparsamen Energie­

verbrauch in den Haushalten jährlich 15 Millionen Tonnen Brennstoff einzusparen (vgl. Rzeczpospolita vom 16. Juli 1991).

Eine Gruppe Wissenschaftler hat errechnet, daß Energieeinsparmaß­

nahmen bis zum Jahr 2030 um 40 % möglich wären. Die größten Einspa­

rungen sind nach dieser Rechnung jedoch nicht durch Energiesparmaß­

nahmen der Haushalte zu erreichen, sondern durch einen Wandel der In­

dustriestruktur und durch Modernisierung bestehender Industrieanlagen (siehe Tabelle 9).3 Die Möglichkeit, dort Energie einzusparen, wo sie in großen Mengen benötigt wird, nämlich von der Industrie, ließen die Ver­

fasser der Richtlinien außer acht. Sie gingen vielmehr davon aus, daß der Produktionsrückgang die Möglichkeit eröffnet, den Energiesektor zu re- strukturieren und in dieser Zeit die einheimische Gasförderung mit aus­

ländischer Hilfe auszubauen:

1 Ministry of Industry (1990a, S. 3). Sie bilden die Grundlage des Energieberichtes des Industrieministeriums für die internationale Energieagentur, auf der diese ihre Einschätzung der »Energy Policies: Poland« stützt (IEA 1991, S. 7).

2 Die genauen Daten sind dem Anhang zu entnehmen.

3 Vgl. Sinicki et al. (1990, S. 13). Sie verwendeten Daten von 1988 und prognostizier­

ten für das Jahr 2005 einen Primärenergieverbrauch von 1 415 PJ/J und für das Jahr 2030 2 320 PJ/J.

50

»Power reserves in the Polish energy sector, resulting from the recession, will probably still exist over the next 3 to 4 years. This gives us a unique chance of effecting restructurisation in this sector, and leaves a certain margin of safety to correct possible errors, which would be almost impossible under the condi­

tions of energy shortages.« (Ministry of Industry 1990a, S. 61).

Dabei wurde der Verwendung alternativer Energiequellen nur eine gerin­

ge Bedeutung beigemessen: Sie würde in keinem Fall mehr als 3 % des Primärenergiebedarfs decken (vgl. ebenda, S. 69) .4 Dafür wurde mit ei­

nem Anstieg des Gasverbrauchs um mindestens 3 Milliarden m3 im Jahr 2000 gerechnet (genaue Daten sind dem Anhang zu entnehmen).

Tabelle 9: Energieeinsparpotential in PJ und %

PJ %

Wandel der Industriestruktur 880 37,9

Bestehende Industrieanlagen 273 11,8

Neue Industrietechnologien 227 9,8

Gebäudeisolation 220 9,5

Reduzierung von Übertragungs- und Verteilungsverlusten 150 6,5

Qualitätsverbesserung von Kohle 147 6,3

Automation und Messung 136 5,9

Eisenbahnelektrifizierung 105 4,5

Kombination von Elektrizität- und Wärmeproduktion 73 3,1

Raumheizung 56 2,4

Verwendung von Dieselmaschinen bei Leichtwagen 53 2,3

Insgesamt 2 320 100,0

Quelle: Sinicki et al. (1990, S. 13)

Wegen des erwarteten Anstiegs des Ölverbrauchs (um 5 Millionen Ton­

nen bis zum Jahr 2000) schlug man vor, eine zusätzliche Raffinerie bauen.

Der Schadstoffausstoß durch Kohlekraftwerke sollte durch nachgeschalte­

te Techniken vermindert werden. Kleinere Kraftwerke sollten künftig mit Gas betrieben werden. Die Planung eines Pumpspeicherkraftwerkes in Mloty sollte in Angriff genommen werden. Nach Meinung der Autoren sollte jedoch von dem Bau eines weiteren Kraftwerks auf dem Belchatöw- Gelände abgesehen werden.

4 Unberücksichtigt bleibt dabei die vom Umweltministerium vorgeschlagene geother­

mische Nutzung des heißen Wassers aus dem Tatra-Gebirge.

Kernkraftwerke sollten nach Meinung der Richtünien-Autoren frühe­

stens 2005 in Betrieb gehen und eine Kapazität von 2 000 MW (2010 eine Kapazität von 6 000 MW) nicht überschreiten. Die Autoren der Richtli­

nien warnten vor den Kosten für den Bau von Kernkraftwerken. Die Ent­

scheidung über einen möglichen Bau stünde nach ihrer Meinung erst im Jahr 2000 an (vgl. Ministry of Industry 1990a, S. 63 ff.).

Am 9. November 1990 beschloß der Sejm die Gründung einer Agentur zur Energieeinsparung. Dies solle ein dem Ministerpräsidenten direkt un­

terstelltes staatliches Organ sein, das für alle Energiebereiche zuständig wäre: für die Gewinnung, die Verarbeitung, den Transport und die ratio­

nelle Nutzung von Energie. Eine unabhängige Expertengruppe wurde im April 1991 vom Sejm mit der Ausarbeitung eines Arbeitskonzeptes beauf­

tragt (vgl. Gazeta Wyborcza vom 18. April 1991).

Am detailliertesten wurden in den Richtlinien die geplanten Maßnah­

men zur Energiepreissteuerung dargestellt. Im Vorfeld des Verfassens der Richtlinien, im Juli 1990, wurden bereits die Kohlepreise freigegeben, die Gaspreise für die Haushalte verdoppelt, die Elektrizitätspreise für die Haushalte um 80 % angehoben (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 1990). Bis Anfang des Jahres 1992 sollten nun nach den Richtlinien die Kohlesubventionen vollständig abgebaut sein (vgl. Ministry of Industry 1990a, S. 53).

Für die Gaspreise wurde in Zusammenarbeit mit der Weltbank ein Stufenplan erstellt, der eine Angleichung der Gaspreise für die Haushalte an die Preise für die Industrie im Jahr 1992 vorsieht. Ab 1994 sollen die Gaspreise für die Haushalte weiter angehoben werden, die Industriepreise dagegen stagnieren (siehe Abbildung 17).

D er Prozeß der Angleichung der polnischen Energiepreise an die Weltmarktpreise ist schwierig, unter anderem auch deshalb, weil die ge­

planten und durchgeführten Energiepreissteigerungen (im September 1991 hat man bei den Gaspreisen schon den Planungsstand von Ende 1992 erreicht5) fast immer von der Inflation überrollt werden.

5 Auskunft eines Mitarbeiters der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Institut für technologische Grundlagenforschung, Abteilung Energieprobleme, Warschau, November 1991.

52

Abbildung 17: The time-scale o f increases o f prices o f natural gas, as negotiated with World Bank

prices for industrial use USS/1000 cubic metres thousands Zl/10000 m.cu

Quelle: Ministry of Industry (1990a, S. 55)

Seit 1989 stiegen deshalb die Energiepreise in absoluten Zahlen, jedoch blieben sie weit unter dem westlichen Standard, sogar weit unter dem Standard anderer osteuropäischer Länder wie Bulgarien, die CSFR und Ungarn (siehe Abbildungen 18 und 19).

Ende November 1990 gab der Ökonomische Rat, eine Einrichtung des Ministerrates, eine kritische Stellungnahme zu den Richtlinien ab. Zwar seien die Handlungsrichtungen richtig abgesteckt, wie z. B. eine rationelle­

rer Brennstoff- und Energieverbrauch, eine Erhöhung des Anteils von Flüssig- und Gasbrennstoffen, eine Verringerung negativer Einflüsse der Energiewirtschaft auf die Umwelt, es gebe aber zu viele Hypothesen und Forderungen. Unklar blieben Maßnahmen zu ihrer Durchführung. Es ge­

be darüber hinaus

»keinerlei Grund - wie das in den letzten Jahren der Fall war -, das Angebot der Energieträger direkt in Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum zu sehen, im Gegenteil, das Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung sei um so höher, je stärker der Energiebedarf der Wirtschaft verringert werden kann« (Zycie

Gospodarcze vom 3. Februar 1991).

Abbildung 18: Real energy prices in East and West Europe

Year

—I— Bulgaria Czechoslovakia Hungary

- X “ Poland --- W est Europe average

Quelle: Hughes (1991, S. 92)

Während der letzte Kritikpunkt von der im Januar 1991 eingesetzten R e­

gierung Bielecki unberücksichtigt blieb, reagierte Bielecki auf den Vor­

wurf, es mangele an konkreten Maßnahmen, mit der Auflistung folgender energiepolitischen Ziele:

■ Schließung von 10 % der Kohleminen mit den höchsten Produktionsko­

sten

■ Steigerung des Öl- und Gasanteils am Primärenergieverbrauch

■ Vertagung der Entscheidung des Baus von Kernkraftwerken auf drei bis vier Jahre

■ umfassende Modernisierung von Kraftwerken

■ Bau von kleineren gasbefeuerten Kraftwerken

■ Schutz der Umwelt durch

- Säuberung und Entschwefelung der Steinkohle - Entsalzung der Grubengewässer

54

- Entschwefelung emittierter Gase

- Verminderung der Stickoxidemissionen

■ Forcierung der Umstrukturierung des Energiesektors.6

Abbildung 19: Aggregate energy prices (West European quantity weight)

—f— Bulgaria ~ C S F R ~ O Hungary - X - Poland ---' Western Europe

Quelle: Hughes (1991, S. 88)

Die Regierung unterließ eine Korrektur der Ausgangsdaten für die er­

stellten Szenarien bis zum Jahr 2010, die auf Schätzwerten für das Jahr 1990 beruhten. Das bedeutet, daß im Jahr 1991 keine detaillierte Beschäf­

tigung der Regierung mit diesem Thema erfolgte. Die im Vorjahr erstell­

ten Szenarien hielt man entweder für ausreichend, oder aber die Behand­

lung des Themas Energiepolitik versprach im Jahr der Wahl nicht genü­

gend Wählerstimmengewinne.

6 Der genaue Wortlaut kann dem Anhang 3 entnommen werden; vgl. Bielecki/Siwik- ki (1991, S. 5 f.).

Entgegen der Voraussagen (genaue Daten siehe Anhang) betrug der Gasanteil am Primärenergieverbrauch im Jahr 1990 tatsächlich 9 %, und nicht, wie angenommen, 6,7 %. Dagegen fiel der Ölanteil am Primärener­

gieverbrauch im Jahr 1990 tatsächlich mit 13 % um 0,6 % geringer aus als angenommen (siehe Abbildung 5).

D er im mittleren Szenarium prognostizierte Gasanteil von 12,8 % für das Jahr 2000 könnte folglich schon früher erreicht werden. Das mittlere Szenarium, das von der Regierung Bielecki bevorzugt wurde, gibt einen Anstieg des Primärenergieverbrauchs von 15,4 % bis zum Jahr 2000 und von insgesamt 44 % bis zum Jahr 2010 an. Danach würde sich der Anteil der Energieträger am Primärenergieverbrauch im Jahr 2000 wie folgt ver­

teilen (vgl. Bielecki/Siwicki 1991, S. 13):

Steinkohle: 57,4% (3 211PJ) Braunkohle: 9,7 % (545 PJ) Gas: 12,8 % (715 PJ) Öl: 17,7 % (993 PJ)

Die Regierung will eine Steigerung des Gas- und Ölanteils im Primärener­

gieverbrauch anstreben, wobei der Gasanteil im Zeitraum 1990 bis 2000 nahezu verdoppelt, der Ölanteil um 60 % gesteigert werden sollte.

Die Richtlinien der Regierung sind allgemein gehalten und lassen viel Entscheidungsspielraum für konkrete Maßnahmen. Sie sind eher eine Zu­

standsbeschreibung denn eine konkrete Politikformulierung. Die Regie­

rung Bielecki hat nicht an der Ausarbeitung dieser Richtlinien gearbeitet.

So sind die beschriebenen »Richtlinien« bis zur Wahl im Oktober 1991 einzige Grundlage für Entscheidungen durch die Regierung.

Die allgemein gehaltenen Richtlinien ließen viel Verhandlungsspiel­

raum für die jeweilige Regierung und die ihr unterstellten zuständigen Be­

hörden auf dem Energiesektor. Die beiden folgenden Abschnitte sollen verdeutlichen, wie der erweiterte Handlungsspielraum von den energiepo­

litischen Akteuren genutzt wurde (Ökokonversion, Joint-Ventures, Ko­

operationen und Hilfen).

4.1.2 Ökokonversion

Das Umweltministerium unter Minister Nowicki entwickelte 1991 das Konzept der »Ökokonversion«. Die Idee der Ökokonversion ist, 10 % der Summe, die Polen Gläubigerländern, die den Pariser Club bilden, schul­

56

det, nicht diesen zurückzuzahlen, sondern in einen eigens dafür errichte­

ten Ökofonds einzuzahlen, aus dem die Umweltschutzmaßnahmen in Po­

len bezahlt werden sollen.

Auf diese Weise erhielte Polen einen Fonds von ca. 3 Milliarden US- Dollar, vorausgesetzt, jedes der 17 Gläubigerländer ist mit dem De-facto- Verzicht auf Rückzahlung einverstanden. In den ersten drei Jahren würde eine Summe von 120 Millionen US-Dollar, in den Folgejahren von 300 Millionen US-Dollar ausgezahlt werden können (vgl. BOSS vom 12. Juni 1991).

Der Fonds soll vom Ministerium für Umweltschutz, Natürliche Res­

sourcen und Forstwirtschaft (MOSZNIL) als Stiftung eingerichtet werden.

Der Vorsitzende des zwölfköpfigen Rates soll der Umweltminister sein.

Von den übrigen Ratsmitgliedern sollen fünf aus dem Ausland kommen, darunter Mitglieder des Pariser Clubs, internationaler Finanzinstitute und der Europäischen Gemeinschaft.

Im August 1991 stellte das Umweltministerium eine erste Liste von aus dem Ökofonds zu finanzierender Projekte zusammen. Darunter befin­

den sich für den Bereich des Energiesektors folgende Projekte (vgl.

MOSZNIL 1991b, S. 2 f.):

■ Entschwefelung und Entstickung der Kraftwerke Turöw (10 Blöcke), Sierzsza (6 Blöcke), Laziska (2 Blöcke) und Dolna Odra (2 Blöcke)

■ Entschwefelung der Kraftwerke Jaworzno III (6 Blöcke), Belchatöw (4 Blöcke), Rybnik (8 Blöcke) und Katowice (HKW)

■ Installation einer Wirbelschichtfeuerung für das HKW Siekierki

■ Kohleanreicherung in den SKG Siersza und Jaworzno

■ Abwärmenutzung im KW Konin.

Im Gegensatz zu den Richtlinien ist sieht das Konzept der Ökokonversion konkrete Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung durch Energiein­

dustrien vor. Die Regierung beschloß, daß zu diesem Zwecke der Um­

weltminister mit den ausländischen Kreditgebern verhandelt (vgl. BddW vom 7. Oktober 1991). Wird das Konzept der Ökokonversion umgesetzt, dann würde sich der Etat des Umweltministeriums, der im Jahr 1990 ca.

90 Millionen DM betrug, quasi verdoppeln. Vorausgesetzt, dem Umwelt­

minister gelänge es, seinen Vorsitz in der Stiftung für seine politischen Ziele einzusetzen, würde sich das Investitionsvolumen für den Umwelt­

schutz erheblich erhöhen. Doch bliebe der Etat des seit 1985 bestehenden

Umweltministeriums7 weiterhin deutlich hinter dem des Industrieministe­

riums zurück, das im Jahr 1990 über ca. 1,3 Milliarden DM verfügte.8 Zum Vergleich: Die Ausgaben des Umweltministeriums der Bundes­

republik beliefen sich im Jahr 1990 auf 1 078,9 Millionen DM (vgl. Fischer Weltalmanach 1992).

4.1.3 Joint-Ventures, Kooperationen und Hilfen

Das Umweltministerium erhielt 1990 von der Weltbank einen Kredit von 18 Millionen US-Dollar (Laufzeit: drei Jahre), außerdem Hilfen in der Höhe von 22 Millionen ECU (28,1 Millionen US-Dollar) für den Zeit­

raum 1990/91 und 30 Millionen ECU (38,4 Millionen US-Dollar) für den Zeitraum 1991/1993 im Rahmen des PHARE-Programms der G-24-Län- der in Zusammenarbeit mit den Europäischen Gemeinschaften.9

An den Umweltschutzmaßnahmen beteiligten sich ab 1990 außerdem fünf Staaten (USA, Belgien, Niederlande, Dänemark, Finnland) mit 47,1 Millionen US-Dollar (bei Laufzeiten bis zu vier Jahren) und ab 1991 wei­

tere vier (Schweiz, Schweden, Norwegen, Großbritannien) mit 43,4 Millio­

nen US-Dollar (mit Laufzeiten bis zu zwei Jahren).10

Frankreich, Schweden und Japan wollen in Zukunft in den Energiebe­

reich investieren. Im Juni 1991 unterschrieben die Betreiber des Kraft­

werks Belchatöw und das niederländische Unternehmen SEP einen Ver­

trag zur Installierung von Entschwefelungsanlagen.

Ein Projekt zur Errichtung eines Pumpspeicherkraftwerkes in Mloty wurde im August 1991 von der belgischen Firma TRACTABEL und der französischen EDF zusammen mit dem polnischen Unternehmen GRID,

7 Der organisatorische Aufbau dieses Ministeriums ist dem Anhang 6 zu entneh­

men.

8 Aus einem internen Papier des Finanzministeriums im August 1991 wird der Etat des Umweltministeriums mit 1 Billion Zloty, der des Industrieministeriums mit 14 Billionen Zloty angegeben. Als Umrechnungsfaktor wurde 1 DM gleich 11 000 Zloty gesetzt.

9 Im Jahr 1990 erhielt Polen im Rahmen des PHARE-Programms insgesamt 195 Millionen ECU, von Januar bis Mai 1991 7,5 Millionen ECU. Diese Zahlen aus:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1991, S. 16).

10 Die Angaben wurden in nationalen Währungen gemacht. Umrechnungsgrundlage ist der amtliche Dollar-Devisenkurs vom 13. Dezember 1991 (Süddeutsche Zei­

tung): 1,58 US-Dollar = 1 DM. Vgl. ferner MOSZNIL (1991b, S. 70).

58

das für die Elektrizitätslieferung verantwortlich ist11, vereinbart. Bis zum Jahr 2000 soll dort eine Kapazität von 750 MW installiert worden sein.

Die geplante Inbetriebnahme wurde für das 1998 vorgesehen.

Ebenfalls im August diesen Jahres verhandelte GRID mit Siemens über die Modernisierung des Kraftwerkes Turöw sowie mit Westinghouse über den Modernisierung anderer Kraftwerke.

Mit der schwedischen Firma NORDEL plant GRID, eine 500 KV- Stromleitung mit einer Länge von 180 Kilometern in der Ostsee zu verle­

gen.11 12

Weitere Planungen betreffen die Gasversorgung Polens. Hierfür über­

legte die polnische Gas- und Ölbehörde PGNIG13 im Laufe des Jahres 1991 Gas entweder aus der Nordsee (via Emden-Berlin oder via D äne­

mark-Ostsee) oder aus der CSFR (via Bundesrepublik) zu beziehen.14 Der Ausbau des Heizungssystems in den Städten konnte seit Juni 1991 durch einen Kredit von 50 Millionen US-Dollar der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vorangetrieben werden (vgl. BddW vom 27. Juni 1991). Zur Modernisierung der Gasanschlüsse erhielt Polen im Jahr 1990 von der Weltbank einen Kredit von 250 Millionen US-Dollar (vgl. Polens Gegenwart, 8/1990, S. 20).

Eine weitere Möglichkeit wäre die Nutzung von Methangas, das bei der Kohleförderung austritt. Dazu wurde im Jahr 1991 eine Studie erstellt.

Für das Jahr 1991 wurden 380 Milliarden m3 nachgewiesen (davon 97 % in Oberschlesien) (vgl. Bibier et al. 1991, S. 57).

Im Meteorologischen Institut in Warschau wurde die Nutzung von Windenergie im Rahmen des ELSAM-Projektes der dänischen Energie­

agentur erforscht. Gebiete, in denen Windenergie genutzt werden können, befinden sich in Zentralpolen und an den Küsten.15

Mit internationaler Hilfe soll in den nächsten Jahren16 eine Entsal­

zungsanlage in der Ziemovit Grube gebaut werden, die 744 600 Tonnen

11 Diese Organisation wird im nächsten Kapitel eingehender beschrieben.

12 Aus einem Interview mit einem Direktor des GRID, Warschau, August 1991.

13 Auch diese Organisation wird im nächsten Kapitel eingehender beschrieben.

14 Aus einem Interview mit einem Mitarbeiter des PGNIG, Warschau, November 1991.

15 Aus einem Interview mit Halina Lorenc, Mitarbeiterin des Meteorologischen In­

stitutes, Warschau, August 1991.

16 Der Forschungsbericht über dieses Projekt wurde im Juli 1991 fertiggestellt; siehe Japan Consulting Institute (1991, S. 13-1).

Salz pro Jahr in die Weichsel abgibt. Die Anlage soll Salz in der Menge von 378 000 Tonnen pro Jahr zurückhalten.

Die Modernisierung des Verkehrswesens wurde von der Weltbank im Jahr 1990 mit Krediten in Höhe von 153 Millionen US-Dollar gefördert, davon waren 145 Millionen US-Dollar für die Modernisierung des Schie­

nenverkehrs bestimmt (vgl. Polens Gegenwart, 8/1990, S. 20).

Gemessen an den zu leistenden Umweltschutzmaßnahmen fielen fi­

nanzielle Hilfen relativ gering aus: Im Jahr 1990 betrugen sie bestenfalls 75,2 Millionen US-Dollar. Allein für die Verminderung der Luftver­

schmutzung berechnete die Wirtschaftskommission der Europäischen Ge­

meinschaften in Genf jährliche Kosten von 536 Millionen US-Dollar (1985-Preise) (vgl. ECE 1990b, S. 83).

4.2 Energiepolitisches Outcome: Die Umstrukturierung des Energie­

sektors

Ein weiteres erklärtes Ziel der Regierung gemäß der Richtlinien war die Umstrukturierung des Energiesektors (vgl. Ministry of Industry 1990a, S. 61). Im folgenden soll untersucht werden, welche Wirkung die Regie­

rungspolitik auf den Staatsapparat hinsichtlich der Reorganisation des Energiesektors in der Zeit der Zwischenphase hatte, oder anders formu­

liert: Wie sehen die praktisch-politischen Handlungsergebnisse bezüglich der Reorganisationspolitik der Regierung aus (Outcome) (vgl. Prittwitz 1990, S. 97; Jänicke 1990, S. 5)?

Die Organisationsstruktur des Energiesektors war vor der Zeit des

»Runden Tisches« weit verzweigt und ausgeprägt bürokratisch. Eine Steinkohlebehörde (WWK) und eine Braunkohlebehörde (WEWB) sowie eine Öl- und Gasbehörde (PGNIG) waren direkt dem Industrieministe­

rium unterstellt.

Besonders die WWK zeichnete sich durch eine große verzweigte Büro­

kratie aus: Neben fünf regionalen Förderbehörden, die durch Unterorga­

nisationen untereinander vernetzt waren, bestand eine Vielzahl gleichge­

stellter Koordinations- und Planungsbüros. Es ist leicht vorzustellen, daß es mangels abgesteckter Kompetenzbereiche zu Entscheidungsverzöge­

rungen kam, was ein Grund für die schlechte Energieversorgung war.

60

Mit Hilfe von Weltbankberatern entwickelte man seit der Zeit des

»Runden Tisches« Organisationsmodelle für den Übergang. Die Welt­

bank und die neue Regierung versuchten seit dieser Zeit, die verkrusteten bürokratischen Organisationsformen aufzuweichen. Beide strebten eine vereinfachte Organisationsstruktur an, um die hohen Personalkosten zu senken und um die Energieversorgung wirtschaftlich rentabel zu gestalten.

Im Jahr 1990 löste man die WEWB auf. Sie beschäftigte zu der Zeit 197 000 Mitarbeiter (Beldowski 1990a, S. 4). Die Erzeugung elektrischer Energie und Wärme erfolgte seitdem ohne eine übergeordnete Schaltstel­

le direkt von vier Förderungsunternehmen, zehn Unternehmen zur Ener­

giegewinnung aus Steinkohle und elf Kraftwerken. Die Verteilung elektri­

scher Energie ist nun Aufgabe des neu geschaffenen Lieferungsunterneh­

mens GRID. Der Strom wird von 33 regionalen Stromverteilungsunter­

nehmen verteilt, die auch von Selbsterzeugern gespeist werden.

Die beiden anderen Agenturen, die WWK und die PGNIG, blieben dagegen erhalten. Die Steinkohleförderung und die Verteilung an inländi­

sche Verbraucher wird von einer Planungsstelle begleitet. Für den Stein­

kohleexport ist WEGLOKOKS, für die inländische Lieferung WEGLO- BEKS zuständig.

Mit dem Regierungsvorhaben, die inländische Gasproduktion zu stei­

gern, gewinnt die Organisationsstruktur der PGNIG zunehmend an Be­

deutung (siehe Abschnitt Outputs). Im Jahr 1990 wurden dort 42 400 Mit­

arbeiter beschäftigt.17 Die PGNIG ist im Bereich der Brennstoffe Gas und Öl für alle wichtigen Aufgaben zuständig: für die Entwicklung von Förder­

plänen, seismographischen Untersuchungen, für die Herstellung techni­

scher Geräte und auch für die Förderung und Verteilung inländisch pro­

duzierten Öls und Gases. Eine Ausnahme bildet der Kauf von Erdöl und

duzierten Öls und Gases. Eine Ausnahme bildet der Kauf von Erdöl und