• Keine Ergebnisse gefunden

1.1 Entscheidungen

1.1.2 Entscheidungsstrategien

Um Entscheidungen zu fällen, gibt es mehrere Möglichkeiten und Vorgehensweisen. Bei der großen Klasse der analytischen Entscheidungsstrategien, die beschreiben, dass eine Person eine Bewertung anhand der Konsequenzen einer Option vornimmt, lassen sich Entscheidungsstrategien grundsätzlich in zwei weitere Unterklassen einteilen (Betsch et al.

1.1 Entscheidungen 7

Abbildung 1.1: Rahmenmodell für den Prozess des Entscheidens (nachBetsch et al. 2011, Betsch & Haberstroh 2005: S. 75).

2011: S. 97): Bei den kompensatorischen Strategien werden Optionen in all ihren Aus-prägungen auf den einzelnen Kriterien zunächst als Ganzes betrachtet und miteinander

kompensatorisch verglichen. Dadurch ist es möglich, dass schlechte Ausprägungen auf dem einen Kriterium

durch bessere Ausprägungen auf einem anderen Kriterium kompensiert werden. Erst dann werden die konkurrierenden Optionen hinsichtlich ihrer Konsequenzen bzw. Ausprägungen geprüft und abschließend die Option gewählt, die dem Entscheider z. B. den größtmögli-chen Nutzen verspricht (Betsch et al. 2011: S. 97). Im Gegensatz dazu erfolgt eine solche

non-kompensatorisch ganzheitliche Betrachtungsweise nicht bei der Verwendung einernon-kompensatorischen

Strategie. Dadurch, dass die Ausprägungen von Optionen nur auf einzelnen Kriterien miteinander verglichen werden, ist ein Ausgleich/Kompensation von schlechten Ausprä-gungen auf einem Kriterium durch eine bessere Ausprägung auf einem anderen Kriterium nicht ohne weiteres möglich: Optionen werden demzufolge nicht in ihrer Gänze betrachtet.

Optionen werden also nicht gewählt, wenn ein (oder mehrere) Ausprägungen bestimmte Schwellenwerte nicht erreichen bzw. überschreiten – egal, wie die Ausprägungen der Option bei den anderen Attributen sind (Jungermann et al. 2005: S. 120).

Abseits dieser analytischen Strategien gibt es auch noch die Klasse dernichtanalytischen

8 1 Grundlagen und Einbettung des Forschungsvorhabens

Tabelle 1.1:Übersicht über einige verschiedene Entscheidungsstrategien (nachBetsch et al. 2011: S. 102). Weitere Entscheidungsstrategien auch in:Jungermann et al.

(2005: S. 120-132).

Verschiedene Entscheidungsstrategien (Auswahl)

Name Suchmuster Strategie- Kurzbeschreibung

zentriert auf klasse

Weighted Additive Optionen komp. Wähle die Option mit dem höchsten

Rule (WADD)a gewichteten Gesamtgewicht.

Equal Weight Optionen komp. Wähle die Option mit dem höchsten

Rule (EQW)b Gesamtgewicht (gleichgewichtet).

Satisficing Optionen non-komp. Wähle die erstbeste Option, die das

Rule (SAT)c Anspruchsniveau für jedes Attribut erfüllt.

Elimination Attribute non-komp. Eliminiere attributsweise die Optionen,

by Aspects (EBA)d die den Kriteriumswert verfehlen. Wähle

die Option, die übrig bleibt.

Lexicographic Attribute non-komp. Wähle die Option mit dem höchsten Wert

Rule (LEX)e auf dem wichtigsten Attribut.

aPayne et al.(1988)

bEinhorn und Hogarth(1975),Thorngate(1980)

c Simon(1955)

dTversky(1972)

e Fishburn(1974),Goldstein und Gigerenzer(2002)

Entscheidungsstrategien, die sich z. B. über die Erfahrung aus vorangegangenen Situationen in der Routinisiertheit einer Entscheidung im Alltag oder dadurch äußert, dass wir bereits vorgefasste Meinungen zu Optionen haben (z. B. durch Werbung bei Kaufentscheidungen).

Mögliche nichtanalytische Strategien sind aber auch, einfach einem Expertenurteil (z. B.

externen Produkttests wie denen der „Stiftung Warentest“) zu folgen oder den Zufall entscheiden zu lassen (Betsch et al. 2011: S. 100). Daran anschließend ist auch ein weiteres Entscheidungsverhalten zu erwähnen, das aus der Erfahrung vorausgehender Studien (Eggert 2008, Eggert & Bögeholz 2010) im Zusammenhang mit Bewertungskompetenz zu beobachten ist: Intuitive Entscheidungen, die im Anschluss gerechtfertigt werden, z. B.

durch die Nennung einzelner, passender Kriterien der gewählten Option. Die Optionen und deren Ausprägungen werden hierbei nicht vergleichend betrachtet und gegeneinander abge-wogen. Haidt(2001) hat die These aufgestellt, dass alle Entscheidungen zunächst intuitiv getroffen werden. Erst post-hoc werden Begründungen für die getroffene Entscheidung

intuitiv-rechtfertigend gesucht und zur Rechtfertigung herangezogen. Dabei kommen nur solche Argumente zum Tragen, die die eigene Entscheidung in einem günstigen Licht dastehen lassen, unpassende Kriterien werden in geringerem Umfang oder gar nicht beachtet. Da dieses Vorgehen im Rahmen dieser Studie nicht als Entscheidungsstrategie im engeren Sinn sondern mangels eines strategischen Vorgehens nur als ein Entscheidungsverhalten betrachtet wird, ist es in Tabelle 1.1 nicht mit aufgeführt. Es spielt aber dennoch eine beachtliche Rolle, auch

1.1 Entscheidungen 9

bei Bewertungs- und Entscheidungsaufgaben im Kontext nachhaltiger Entwicklung (siehe Kapitel2.5.1).

Die Frage, welche Auswirkungen solche intuitiven Entscheidungsprozesse beim Bewerten Intuition und Entscheiden spielen, ist Gegenstand aktueller Forschung.Menthe(2012), Menthe und

Düker(2013) verweisen darauf, dass diesem Aspekt bisher noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wichtig ist, die Rolle der Intuition weiter zu erforschen und daraus sich ergebende etwaige Hemmnisse für das Aneignen adäquater Entscheidungsstrategien zu verstehen (vgl. Menthe 2012). Der Anspruch von Seiten der Fachdidaktiken und der Bildungspolitik an mündige, reflektiert entscheidende und dabei naturwissenschaftliche Erkenntnisse nutzende Bürgerinnen und Bürger in komplexen Situationen nachhaltiger Entwicklung bleibt davon jedoch unberührt (vgl.Bögeholz 2006, Eggert & Hößle 2006).

Eine Unterscheidung wird auch zwischen impliziten und expliziten Bewertungen gemacht: implizite und explizite Bewertungen Sie könnenimplizit vorgenommen werden, wenn der Entscheider sich zwar bewusst ist,

dass die zu beurteilenden Optionen mehrere Attribute haben, diese „Bewertungen des Objekts auf den einzelnen Attributen [allerdings] kognitiv ,irgendwie’ integriert [werden]“

(Jungermann et al. 2005: S. 120). Eine Option wird somit als „gut“ bewertet, obwohl nicht detailliert erkennbar ist, ob der Entscheider diese Option auf allen Attributen als gut betrachtet oder ob diese (Gesamt-) Bewertung schon eine Zusammenfassung von Attributen ist, von denen manche als sehr gut und andere als befriedigend eingestuft werden (Jungermann et al. 2005: S. 120). Explizit ist eine Bewertung hingegen, wenn Einzelbewertungen auf jedem Attribut stattfinden, die danach gegebenenfalls zu einer Ge-samtbewertung zusammengefasst werden. Dazu zählen z. B. die in Tabelle1.1aufgeführten Entscheidungsstrategien.

Im Zusammenhang mit dem Göttinger Modell der Bewertungskompetenz nenntEggert (2008: S. 30) Strategien, die bei der Operationalisierung der Teilkompetenz Bewerten, Entscheiden und Reflektieren einbezogen werden sollten. Hierzu zählt auch das zuletzt ge-nannte intuitive Entscheidungsverhalten, aber in größerem Umfang noch die elaborierteren nonkompensatorischen und kompensatorischen Entscheidungsstrategien.