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0 9 9 9 17 23 23 23 41 42 44 57 57

Die Punktwerte zeigen, dass kein Fall in jeder Dimension den möglichen Extrem-wert aufweist und nur einige eindeutig den beiden Idealtypen zuzurechnen sind.

Fast die Hälfte der Befragten befindet sich im mittleren Bereich. Sie bilden dort zu-nächst eine große Mischgruppe, die auf Grund ihrer verschiedenartigen Ausprägun-gen wieder in zwei Subgruppen unterteilt werden kann. Es werden deshalb jeweils die Fälle, die den Idealtypen am nächsten kommen als Gruppe empirischer Typen zusammengefasst und in ihren spezifischen Merkmalen beschrieben, d.h. es wird nicht eine Person beschrieben, sondern das Bündel von Merkmalen, dass die Ver-treter jedes Typs in besonderer Weise beschreibt. So werden z.B. für die Kontext-dimension nicht die Aussagen von H in die Beschreibung eingehen, weil sie eine ganz besondere Situation darstellt, die bislang an FHn nicht die Regel ist, sondern die Aussagen von M und P.

Am linken Ende der Verteilung finden wir die Vertreter, die als Fachdidakten eine nahezu homogene Gruppe bilden. Sie sind männlich, alle Sozialwissenschaftler und waren vor ihrer Berufung als FH-Professoren in staatlichen Organisationen beruflich tätig.

Am rechten Ende der Verteilung finden wir die Vertreterinnen, die sich selbst als Beraterinnen der Studierenden und als Moderatorinnen von Lern- und Arbeitspro-zessen bezeichnen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie vor ihrer Berufung als FH-Professorinnen in Wirtschaftsunternehmen tätig waren und dass sie mit diesen heu-te noch zusammenarbeiheu-ten. In allen anderen soziokulturellen Merkmalen unheu-ter- unter-scheiden sie sich voneinander.

Dazwischen liegt eine Gruppe von Ambivalenten, die in „Halbherzige“ und „Verhin-derte“ unterteilt werden können. Gemeinsam ist ihnen die Zielsetzung, Schlüssel-qualifikationen im Studiengang zu fördern, dies jedoch als Vermittlung von Strate-gien und Techniken begreift, die in zusätzlichen Veranstaltungen stattfinden kann.

Die „Halbherzigen“ sind erst seit kurzer Zeit Studiengangleiter und haben sich mit der Frage, wie Schlüsselqualifikationen gefördert werden können noch nicht sehr intensiv beschäftigt. Sie möchten den Studiengang neu gestalten und passende

Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Lehrkonzepte entwickeln. Sie wissen, dass es einer anderen Lernumwelt als der der Wissensvermittlung bedarf, wenn die Studierenden Schlüsselqualifikationen entwi-ckeln sollen, und sie wissen, dass es ihnen am know how fehlt, deshalb möchten sie dies an andere delegieren.

Die „Verhinderten“ haben diesbezüglich schon reichlich Erfahrung gesammelt und die eigenen Veranstaltungen kompetenzförderlich gestaltet. Mit den Rahmenbedin-gungen haben sie sich – in Ermangelung der Möglichkeit weiterer Einflussnahme - abgefunden.

Die soziokulturellen Merkmale in dieser Gruppe sind, bis auf die Funktion der Stu-diengangleiterin - unsystematisch verteilt.

Tabelle 14. Analyse in AQUAD: empirische Typen und sozioökonomische Daten

Alter Geschl. Ausbildung Fach Berufstätigk. Funkt.

<40 40-50

50-60

>60 m w trad. nicht-trad.

Nat. Soz. NPO PO StGL

Fachdidakt (3) 1 1 1 3 2 1 3 3

Ambivalent (5) 1 2 2 2 3 4 1 2 3 2 3 4

Moderatorin(3) 3 2 1 ? 2 2 1 3 1

Anmerkung: die Zahlen beschreiben die Häufigkeit, mit der Aussagen gemacht wurden, die das Merkmal beschreiben. Sie sagen nichts über die Häufigkeit des Auftretens in der Praxis aus.

7.9.1 Der Fachdidakt

entspricht der traditionellen Vorstellung eines Hochschulprofessors. Seine Ziele und Erwartungen hat er auf die Rahmenbedingungen abgestimmt.

Die Förderung von Schlüsselqualifikationen lehnt er für seine Veranstaltungen ab, weil für ihn das Kennen, Anwenden und Kommunizieren von Fachwissen absolute Priorität besitzt. Die Fähigkeiten, die er seinen Studierenden vermitteln möchte sind auf die Anforderungen des Studiums bezogen: Management und Kommunikation von Informationen, besonders die Präsentation von Wissen und Ergebnissen.

Unter Lehren und Lernen versteht er die einseitige Vermittlung von Fachwissen, das die Studierenden als Rezipienten übernehmen, verstehen und einsehen sollen. Sei-ne Aufgabe sieht er darin, die Studierenden als Klientel „durchzubringen“ und sich auf ihre mangelnden Fähigkeiten einzustellen. Die Studierenden dazu zu motivie-ren, mehr Leistung als zum Scheinerwerb notwendig aufzubringen, gehört nicht zu seiner Aufgabe. Er ist ohnehin davon überzeugt, dass er auf das Verhalten der Stu-dierenden keinen Einfluss hat.

Hinderlich für einen optimalen Unterricht sind die große Anzahl der Studierenden in einem Hörsaal und die wenige Zeit im Verhältnis zur Stofffülle, die zu vermitteln ist.

Der Fachdidakt hat sich darauf eingestellt und sieht auch keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern. Überhaupt ist er mit den Rahmenbedingungen zufrieden. Die Tat-sache, dass es zwischen den Kolleginnen keinen Erfahrungsaustausch und keine Abstimmung gibt, ist für ihn selbstverständlich. Er kann auf Gespräche mit Kollegin-nen jedenfalls verzichten. Wenn jeder sein Fach unterrichtet, ist es für ihn nicht von Bedeutung, was die Kolleginnen machen.

Die Gestaltung von Lernumgebung umfasst die Darstellung von Wissen, die

Verga-Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Sein Interaktionsstil ist von hoher Lenkung und Kontrolle geprägt und entbehrt per-sönlicher Teilnahme.

Der Lehrstil des Fachdidakten entspricht dem, was von Studierenden und Kollegin-nen traditionell erwartet wird. Deshalb kommt von Seiten der KolleginKollegin-nen keine Re-aktion. Auf Rückmeldung von den Studierenden legt er keinen Wert, weil ihnen oh-nehin die Einsicht fehlt. (Wahrscheinlich ist auch er, derjenige, der sich gegen stu-dentische Evaluationen seiner Veranstaltungen wehrt.) Dass sie passiv in der Vor-lesung sitzen, ist für ihn völlig in Ordnung, denn so wird der reibungslose Ablauf des Unterrichts nicht gestört.

Der Fachdidakt ist mit seiner Rolle und den Rahmenbedingungen weitgehend zu-frieden. Am Besten wäre, es bliebe alles beim Alten, denn zum einen sieht er keinen Bedarf für Veränderungen und zum anderen auch gar keine Möglichkeit dazu.

Tabelle 15. Merkmale des Fachdidakten

Haltung Rolle Kontext Gestaltung Verstärkung Entwicklung

3 Ablehner 3 einseitige Aktivität

2 gleichgültig 1 hemmend

3 Fachdidaktik 2 positiv und negativ 1 eher negativ

3 agonisch

Anmerkung: die Zahlen beschreiben die Häufigkeit, mit der Aussagen gemacht wurden, die das Merkmal beschreiben. Sie sagen nichts über die Häufigkeit des Auftretens in der Praxis aus.

7.9.2 Die Moderatorin von Lern- und Entwicklungsprozessen

steht mit ihren Zielen und Erwartungen oft im Widerspruch zu den Rahmenbedin-gungen und den Einstellungen ihrer Kolleginnen.

Als Verfechterin von Schlüsselqualifikationen betont sie, dass diese weitaus wichti-ger sind als auswendig gelerntes Faktenwissen. Neue Probleme, für die es noch keine Lösung gibt, erfordern ohnehin den flexiblen und schnellen Erwerb relevanten Wissens. Darüber hinaus bedarf die Komplexität von Themenstellung der Zusam-menarbeit mit Experten anderer Fachgebiete, anderer Kulturen und anderen An-schauungen. Diese zu verbinden setzt eine Vielfalt an Fähigkeiten wie die Fähigkeit zur Teamarbeit, Perspektivenübernahme und Flexibilität im Denken voraus.

Die Moderatorin von Lern- und Entwicklungsprozessen versteht sich als Fachexper-tin einerseits. Als Beraterin unterstützt sie die Entwicklung individueller Persönlich-keiten andererseits. Die Studierenden haben vielfältige FähigPersönlich-keiten und Erfahrun-gen. Sie sind leistungsfähig und erarbeiten – alleine und gemeinsam mit ihrer Pro-fessorin - gute Ergebnisse. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass es Studierende gibt, die erst einmal versuchen, sich von den anderen mitziehen zu lassen, später aber doch bereit sind, ihre Fähigkeiten voll einzusetzen und viel zu leisten.

In den Rahmenbedingungen erkennt sie sowohl hemmende als auch als förderliche Aspekte. Zeitknappheit bemängelt sie nicht im Hinblick auf Stofffülle, sondern im Hinblick darauf, dass die Studierenden nicht genügend Zeit haben, selbst etwas ordentlich und umfassend zu erarbeiten. Die bestehenden Lehrkonzepte und Curri-cula schränken die Handlungsfreiheit für die Gestaltung von Lernumgebung ein. Sie zu ändern ist unter den derzeitigen Verhältnisse ausgesprochen schwierig. Deshalb ist die Moderatorin mit den Rahmenbedingungen äußerst unzufrieden.

Unter den Kolleginnen gibt es solche, mit denen man gut zusammenarbeitet, mit denen man sich abstimmt und gemeinsam neue Dinge entwickelt. Es gibt auch Kol-leginnen, mit denen man keine Übereinstimmung herstellen kann. Die Moderatorin hat die Erfahrung gemacht, dass es aussichtslos ist, sich darum weiter zu bemühen.

Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Deshalb konzentriert sie sich darauf, bestehende Lehrkonzepte individuell und ge-meinsam mit Gleichgesinnten weiter zu entwickeln und ihre Erkenntnisse und Erfah-rungen interessierten Professorinnen anderer Hochschulen und Fakultäten zur Ver-fügung zu stellen.

Der Lehrstil der Moderatorin ist handlungs- und erfahrungsorientiert. In der Bearbei-tung realer Projekte werden studentische Teams angeleitet und beraten. Die dabei ablaufenden Prozesse werden im Vorfeld dargestellt, auf mögliche Probleme hin-gewiesen und die Studierenden dazu angehalten, diese Prozesse zu beobachten, um im Anschluss darüber zu sprechen, sich gegenseitig Rückmeldung zu geben und Alternativen zu entwickeln. Inhaltlich wird das benötigte Wissen teilweise ver-mittelt, teilweise von den Studierenden selbst entdeckt, transformiert und entwickelt.

Der Interaktionsstil ist kooperativ und persönlich.

Rückmeldungen von Studierenden und Kollegen werden gezielt eingeholt. Der ei-gene Erfolg bemisst sich zum einen an den erzielten Ergebnissen, zum anderen daran, dass Veränderungen und Entwicklungen beobachtet werden und dass mit allen direkten Interaktionspartnern ein guter sozialer Kontakt besteht. Positive Ver-stärkung erfährt die Moderatorin durch die Unterstützung von Kolleginnen, die in Ihren Sichtweisen und Überzeugungen mit ihr übereinstimmen. Anerkennung erhält sie durch Externe aus Unternehmen, welche die Ergebnisse der Projektarbeiten würdigen und neue Aufträge vergeben.

Die Moderatorin strebt nach Optimierungen der eigenen Lehrkonzepte, der sozialen Beziehungen und der institutionellen Rahmenbedingungen. Sie ist bereit, dafür weit mehr Zeit als im Deputat vorgesehen zu investieren.

Tabelle 16. Merkmale der Moderatorin von Lern- und Arbeitsprozessen

Haltung Rolle Kontext Gestaltung Verstärkung Entwicklung

3 Verfechter 3 gemeinsame

Der Mischtyp wird hier als „Ambivalent“ bezeichnet, weil allen Fällen gemeinsam ist, dass sie Schlüsselqualifikationen als Lernziele anstreben, Lehren aber weiterhin als vermitteln und anleiten, Lernen als übernehmen und üben betrachten. Die Ambiva-lenten beschreiben eine Phase, die als Übergang von der Fachdidaktik zur ganz-heitlichen Entwicklung gesehen werden kann. Sie wird jedoch nicht in allen Fällen bis zum Ende durchschritten.

Tabelle 17. Merkmale der Ambivalenten

Haltung Rolle Kontext Gestaltung Verstärkung Entwicklung

3 Befürworter

Der Ambivalenten sind Schlüsselqualifikationen sehr wichtig, weil sie durch ihre persönlichen Kontakte zu Unternehmen genau weiß, wie sehr diese dort geschätzt werden. Dennoch steht für sie die Vermittlung von Fachwissen an erster Stelle.

Ent-Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Ergebnisse überzeugend präsentieren – später an den Anforderungen im Beruf – zielführende Kommunikation mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Sie würde die Entwicklung von Schlüsselqualifikationen gerne fördern, hätte sie mehr Zeit, weni-ger Stoff, weniweni-ger und einsichtiweni-gere Studierende und mehr pädagogisches Wissen.

Den daraus entstehenden Konflikt kann sie lösen, wenn sie Schlüsselqualifikationen in eigenständigen Fächern, d.h. additiv anbietet. Darunter versteht sie vor allem Lern- und Arbeitstechniken, Methoden der Sozialkompetenz und Projektmanage-ment, mit anderen Worten, das Wissen über das „richtige“ Verhalten wird rezept-mäßig vermittelt und seine Anwendung angeleitet.

Für die Ambivalente sind die Rahmenbedingungen nicht besonders förderlich, aber auch nicht hemmend. Als „junge“ Studiengangleiterin strebt sie die Neugestaltung von Curricula und Lehrkonzepten an, die den Erwerb von Schlüsselqualifikationen ermöglichen sollen. Dies ist nur in Übereinstimmung mit den Kolleginnen möglich und deshalb schwierig, weil es auch in ihrem Studiengang nur wenig Bereitschaft zu Abstimmung und Zusammenarbeit gibt. Sie hofft darauf, Kollegen dafür zu gewin-nen, in ihren Veranstaltungen Schlüsselqualifikationen fördern oder Aufgeschlosse-ne und pädagogisch Qualifizierte Aufgeschlosse-neu zu berufen. Für ihre eigeAufgeschlosse-ne Veranstaltung kann sie sich mit den Rahmenbedingungen insoweit arrangieren, als sie kleine Ab-striche in der Wissensvermittlung zulässt.

Die Vorstellung der Ambivalenten von Lehren und Lernen ist der des Fachdidakten noch eng verwachsen. Ihr Lehrstil ist überwiegend darstellend und interaktiv. Wie im fachlichen werden auch im sozialen Bereich Übungen durchgeführt, für die die Lö-sung bereits besprochen wurde. Übernimmt sie diese Aufgabe In ihre eigene Ver-anstaltung, dann leitet sie als Trainerin Übungen an, die sie begleitet, beobachtet und Rückmeldungen gibt. Diese Form der Kompetenzentwicklung ist sehr zeitinten-siv, weshalb sie nur selten verwendet wird. Eine Möglichkeit der Problemlösung sieht sie darin, die Studierenden selbständig arbeiten zu lassen und im Anschluss aufgetretene Schwierigkeiten zu diskutieren. Zu Beginn erhalten die Studierenden Hinweise und Informationen, sowohl methodisch als auch das Arbeiten in der Grup-pe betreffend. Wenn die Ambivalente die Studierenden während ihrer selbständigen Arbeit betreut, dann nutzt sie die Chance, das aktuelle Verhalten der Studierenden zu beobachten, oder hält sie zur Selbstbeobachtung an, um Schwierigkeiten und deren Lösungsmöglichkeiten mit ihnen zu diskutieren. Der Interaktionsstil ist vor-wiegend direktiv, d.h. bestimmt von hoher Lenkung und Kontrolle.

Je nach Aufgabenstellung und der damit verbundenen Handlungsfreiheit erhält die Ambivalente positive oder negative Verstärkung von den Studierenden. Mit der Zu-nahme der Anforderung an Selbständigkeit weicht die vermeintlich mangelnde Ein-sicht der konstruktiven Aktivität mit guten Ergebnissen auf allen Ebenen. Diese Er-fahrung bestätigt die getroffene Wahl für eine Lernumgebung, die von den Studie-renden mehr Selbständigkeit fordert und ermutigt, die eigene Kompetenz als Mode-ratorin von Lernprozessen weiter zu entwickeln.

Ist die Ambivalente Studiengangleiterin, hat sie von Seiten der Kolleginnen keine Kritik an ihren Veranstaltungen zu befürchten. In ihren Bemühungen um veranstal-tungsübergreifende Kooperation erfährt sie Verständnis, wenn es um inhaltliche stimmung geht, sie stößt auf Probleme, wenn sie methodische und zeitliche Ab-sprachen treffen möchte. Zur Zielerreichung strebt sie zunächst eine akkomodative Anpassung, die Neugestaltung von Lehrkonzepten und die Erweiterung der eigenen pädagogischen Kompetenz an. Bald stößt sie jedoch an Grenzen, die sie zu einer Neubestimmung ihrer Ziele veranlassen.

Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Orientiert am Stand der Entwicklung in der Gestaltung der Lernumwelt kann diese Gruppe in zwei Untergruppen geteilt werden. Am Beginn stehen die HALBHERZI-GEN (R, S), die meinen, die Förderung von Schlüsselqualifikationen im Studien-gang delegieren zu können und die eigenen Veranstaltungen außen vor lassen. Am Ende stehen die VERHINDERTEN (N, J, E), die bereits an die Grenzen in der Be-einflussung der Rahmenbedingungen gestoßen sind. Sie fördern die Entwicklung überfachlicher Fähigkeiten in ihren eigenen Veranstaltungen.

Tabelle 18. Zwischen Fachdidaktik und Moderation: die Ambivalenten

Halbherzige Verhinderte

S R N J E

Verfechterin Befürworter Befürworterin Befürworter Verfechterin Rolle einseitig einseitig wechselseitig wechselseitig wechselseitig Kontext förderlich hemmend gleichgültig hemmend hemmend Fachdidaktik Fachdidaktik Sozialdidaktik Sozialdidaktik Sozialdidaktik

Priorität Wissen Wissen Wissen Wissen Können

Sozialform Plenum Plenum Gruppe Gruppe

Methode aufgabenorientiert aufgabenorientiert aufgabenorientiert aufgabenorientiert erfahrungsorientiert erfahrungsorientiert Verstärkung

positiv

neutral neutral negativ positiv

Entwicklung gemäßigt

gemäßigt agonisch agonisch dynamisch

7.10 Persönlichkeitsmerkmale: Offenheit und Struktur

Im Anschluss an die Interviews wurden die teilnehmenden Professorinnen gebeten, einen Fragebogen zur eigenen Personenbeschreibung auszufüllen. Mit diesem werden zwei Persönlichkeitskonstrukte der sogenannten „Big Five“ (z.B. Neo-PI, Costa & Mc. Crae 1985, FPI, Fahrenberg 1978) “Offenheit für Neues“ und „Gewis-senhaftigkeit“ mit je 12 Items gemessen. Zur Bestimmung eines aus beiden Skalen errechneten Orientierungsstils wählen Huber & Roth (1999:30) ein Verfahren, aus dem ein zweidimensionales Konstrukt resultiert, das als „Ungewissheitsorientierung“

eine enge Beziehung zu Wahrnehmung und Verhalten aufweist. Als ungewissheits-orientiert werden die Personen bezeichnet, deren Werte für Offenheit > 0 und Werte für Gewissenhaftigkeit < 0 sind. Umgekehrt werden die Personen als gewissheits-orientiert bezeichnet deren Werte für Offenheit < 0 und für Gewissenhaftigkeit > 0 liegen. Jene Person, deren individuelle Orientierung aufgrund positiver bzw. negati-ver Werte „in beiden Skalen nicht klar ausgeprägt erscheint“155, werden von weiteren Analysen ausgeschlossen. In einer Reihe von Untersuchungen beschäftigten sich Huber & Roth mit dem Einfluss des Orientierungsstils auf Lehren und Lernen. Sie konnten zeigen, dass Lehrerinnen mit ausgeprägter Ungewissheitsorientierung sich mehr bemühen „offene Lernsituationen zu realisieren und dies mit einschränkenden institutionellen Vorschriften zu vereinbaren“156 als gewissheitsorientierte

Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung nen, die einen direkten Unterricht vorziehen. Für die Erklärung der Bereitschaft, of-fene Lernsituationen zu gestalten von Personen, deren Orientierungsstil nicht klar ausgeprägt ist, scheinen die Werte für Gewissenhaftigkeit besser geeignet zu sein.

Auch die Präferenz für kooperatives vs. kompetitives Lernen lässt sich mit dem der Kenntnis des Orientierungsstils gut vorhersagen: ungewissheitsorientierte Personen präferieren kooperative Situationen mehr als gewissheitsorientierte und umge-kehrt.157

„Offenheit für Neues“ bezieht sich auf Aspekte der Umwelt und beschreibt das Ausmaß in dem neue Erfahrungen gesucht werden. Als untergeordnete Faktoren werden angeführt: Herausforderung vs. Bedrohung und Innovation vs. Tradition. Auf der Verhaltensebene wird angenommen, dass Personen mit einem niedrigen Wert an Offenheit, darum bemüht sind Sicherheit zu bewahren, Personen mit einem ho-hen Wert an Offenheit, Herausforderungen und die Auseinandersetzung mit Wider-sprüchen suchen.

Tabelle 19. „Offenheit“ in der Stichprobe der Professorinnen

R W E J K S P N D M H

OFFENHEIT -1,66 -1,51 -1,08 -0,66 -0,52 0,32 0,45 0,61 0,76 1,03 1,30

(z-transformierte Werte)

Für die Förderung von Schlüsselqualifikationen könnte dies bedeuten, dass Lehren-de mit einer gering ausgeprägten „Offenheit“ einen traditionellen Unterricht vorzie-hen, in dem sie die Lernenden direktiv anleiten, eine persönliche Distanz gegenüber den Studierenden einnehmen und den Austausch mit Kollegen auf Themen be-schränken in denen weitgehende Übereinstimmung herrscht.

Tabelle 20. „Offenheit“ und Handlungsmuster

1 v = verständnisorientiert; e = erkenntnisorientiert

2 dd = direktiv, distanziert; kp = kooperativ, persönlich

3 f = rein formell; ie = informell (erwünscht)

„Gewissenhaftigkeit“ bezieht sich auf den Umgang mit Aufgaben und beschreibt das Anspruchsniveau und die Art der Informationsverarbeitung. Als untergeordnete Fak-toren werden angeführt: Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe bis hin zu Pedan-terie, Perfektionismus und Formalismus. Personen mit einem hohen Wert an „Ge-wissenhaftigkeit“ richten sich an gegebenen Vorschriften und Strukturen aus, arbei-ten zielorientiert und planvoll. Personen mit einem niedrigen Wert haben ein gerin-geres Strukturierungsbedürfnis, sind flexibler und arbeiten bisweilen nachlässig und unbeständig.

157 Huber & Roth 1999: 44

Kapitel 7 Fallübergreifende Analyse und empirische Typenbildung Tabelle 21. „Gewissenhaftigkeit“ in der Stichprobe der Professorinnen

M K P H R E N W S D J

GEWISSEN-HAFTIGKEIT

-1,54 -1,4 -1,23 -0,49 -0,18 0,13 0,41 0,48 1,03 1,18 1,78

(z-transformierte Werte)

Für die Förderung von Schlüsselqualifikationen könnte dies bedeuten, dass Lehren-de mit einer stark ausgeprägten „Gewissenhaftigkeit“ mehr Wert auf die Einhaltung von Regeln legen und den Erwerb gesicherten Wissens höher einschätzen im Ver-gleich zur Entwicklung individueller Fähigkeiten als Lehrende mit gering ausgepräg-ter „Gewissenhaftigkeit“.

Tabelle 22. „Gewissenhaftigkeit“ und Handlungsmuster

M K P H R E N W S D J

GEWISSEN-HAFTIGKEIT

-1,54 -1,4 -1,23 -0,49 -0,18 0,13 0,41 0,48 1,03 1,18 1,78

Lernen1 e ü e e ü ü ü ü ü ü e

Fokus2 P I/M P P I/M I/M I/M I/M I/M I/M P

1 ü = übernehmen, anwenden; e = entwickeln

2 I/M = Inhalte und Methoden; P = Prozesse

Der Vergleich mit den in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeiteten Merkmalen zeigt, dass die Annahmen tendenziell bestätigt werden, die Ausprägun-gen in den beiden EinstellunAusprägun-gen für sich Ausprägun-genommen jedoch keine eindeutige Vor-hersage erlauben.

Die Kombination von „Offenheit“ und „Gewissenhaftigkeit“ ergibt für die an der Un-tersuchung teilnehmenden Professorinnen das zweidimensionale Konstrukt „Orien-tierungsstil“.

Tabelle 23. „(Un-)gewissheitsorientierung“ in der Stichprobe der Professorinnen

W K D R J N S E M P H

Orientierungsstil GO 0 0 0 GO 0 0 GO UGO UGO UGO

Typen FD FD FD HH VH VH HH VH Mod Mod Mod

FD= Fachdidakt, HH= Halbherzig, VH= Verhindert, Mod= Moderatorin

Ganz offensichtlich haben weder das Alter, das Geschlecht noch das Fach einen Einfluss auf den Orientierungsstil der Befragten oder umgekehrt. Die Daten legen den Verdacht nahe, dass Personen mit Gewissheitsorientierung ihre berufliche Laufbahn eher in staatlichen Institutionen und Personen mit Ungewissheitsorientie-rung diese eher in profitorientierten Unternehmen beginnen. Allgemeingültige Aus-sagen lassen sich aber aufgrund der kleinen Stichprobe nicht treffen. Eindeutig zeigt sich, dass keine Lehrende mit Gewissheitsorientierung den Typus der Moderatorin vertritt, umgekehrt jedoch alle Lehrenden die diesem Typus zugerechnet werden, Ungewissheitsorientierung zum Ausdruck brachten.

Wenngleich die Daten keine allgemein gültigen Aussagen zulassen – hierfür wäre eine quantitative Studie notwendig – lässt sich erkennen, dass selbst