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Empfehlungen für zukünftige Förderungen und Förderperioden (im Falle des ESF ab etwa 2021)

Die Ergebnisse der Evaluierung haben ergeben, dass eine erfolgreiche Kurs- und Sensibilisie-rungsprojektumsetzung maßgeblich davon beeinflusst wird, wie aufgeschlossen zivilgesellschaftli-che und öffentlizivilgesellschaftli-che Akteure gegenüber dem Thema und dem sich ergebenden Handlungsbedarf sind. Wir empfehlen dem Land Sachsen-Anhalt aus diesem Grund, diese Akteure strategisch ein-zubinden und so einen Beitrag zur Wirksamkeit und Effizienz der Förderung zu leisten und gleich-zeitig zukünftige Förderungen vorzubereiten.

Hier bietet es sich an, die bereits eingeführte und zum Teil über Landesmittel finanzierte Ge-schäftsstelle des Netzwerks Alphabetisierung und Grundbildung zu stärken und als politische und fachliche Beratungs- und Koordinierungsstelle weiterzuentwickeln. Kurz- und mittelfristig sollte darüber nachgedacht werden, ob die Geschäftsstelle beispielsweise die fachliche und inhaltliche Prüfung der Förderfähigkeit übernehmen könnte. Dadurch würde die Rolle des Netzwerkes, seiner Geschäftsstelle und die Projektumsetzung fachlich und inhaltlich gestärkt sowie das Landesver-waltungsamt entlastet. Dazu wäre es ratsam, das Netzwerk als eigenen Fördergegenstand in der

59 Als Gründe für die Zeiten zwischen Bewilligung und Auszahlung wurde seitens der Bewilligungsbehörde die oft umfangreiche Einzel-nachweisprüfung sowie häufige inhaltliche Einzelfallentscheidungen zur Förderfähigkeit von Aktivitäten und Ausgaben genannt. Die Zu-sammenarbeit mit dem zuständigen Fachreferat im Ministerium für Bildung wurde diesbezüglich als gut bewertet.

Richtlinie zu verankern und von der Projektförderung zu entkoppeln. Als Beispiel hierfür könnte die Richtlinie „Schulerfolg sichern“ des Landes Sachsen-Anhalt dienen. Gleichzeitig eröffnet dies die Möglichkeit, über das Netzwerk und seine Geschäftsstelle die strategische Abstimmung mit relevanten Akteuren zu koordinieren und die Weiterentwicklung der Strukturen und Angebote über Verbands- und Netzwerkarbeit trägerübergreifend zu fördern. Ein solch koordinierter und kontinuierlicher Austausch mit relevanten Akteuren der Alphabetisierungs- und Grundbildungsar-beit kann einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Förderung leisten, auch indem mögliche An-schlussperspektiven für teilnehmende Personen, Adressaten der Sensibilisierungsarbeit und die geförderten Projektträger selbst erschlossen werden. Die sich aus der Evaluierung ergebenden zentralen Akteure, mit denen ein strategisch motivierter Dialog über die zukünftige Ausgestaltung der Förderung der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit geführt werden sollte, sind:

Komplementarität mit den Maßnahmen der Arbeitsverwaltung stärken:

Eine mit der Arbeitsverwaltung koordinierte Ansprache und Unterstützung der (langzeit-)arbeitslosen (funktionalen) Analphabeten könnte sowohl die Arbeitsverwaltung in ihrer Ver-antwortlichkeit für die Zielgruppe unterstützen als auch ein stärker aufeinander abgestimmtes Maßnahmenportfolio zwischen bestehenden Fördermöglichkeiten von Leistungsbezieherinnen und -beziehern und den über den ESF geförderten Maßnahmen ermöglichen. Das Netzwerk und seine Geschäftsstelle könnte hier beispielsweise darauf hinwirken, dass die Verantwort-lichkeiten und MögVerantwort-lichkeiten der Arbeitsverwaltung allen Projektträgern bekannt sind, um so zum einen die Einzelfallkooperation zu stärken und zum anderen die Arbeitsverwaltung bei der Betreuung und Begleitung ihrer Leistungsbezieherinnen und -bezieher gezielt zu unter-stützen.

Verbandsarbeit landesweit systematisieren und stärken:

Den Austausch mit den Verbänden und Einrichtungen der anerkannten Träger der Erwachse-nenbildung nutzen, um die (zukünftige) Funktion, Rolle und Bedeutung der anerkannten Trä-ger in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit zu schärfen und so auch langfristige Entwicklungen zu stärken. Zur Bekanntheit und somit Bedeutung der Angebote (Kurse und Sensibilisierung) auf Verbandsebene der öffentlichen und sozialen Anlauf- und Beratungsstel-len beitragen.

Einbindung und Koordinierung mit kommunalpolitischen Entscheidungen und Strategien:

Die Evaluierung legt nahe, dass eine stärkere Berücksichtigung der kommunalen Ausgangsla-ge und der kommunalpolitisch verfolgten Maßnahmen und Strategien (beispielsweise Bil-dungsbüros) die landespolitische Förderung stärken könnte. Das Netzwerk und seine Ge-schäftsstelle könnte dazu genutzt werden, kommunal verantwortliche Stellen und vor Ort durchgeführte Aktivitäten, Projekte und Initiativen mit den über den ESF (und/oder Landes-mittel) finanzierten Stellen und Projekten zusammenzuführen.

Bundes- und landespolitische Förderungen stärker aufeinander abstimmen:

Gleiches gilt für eine Koordinierung mit bundespolitischen Förderungen und Strategien. Eine noch stärkere Abstimmung dieser Aktivitäten, auch auf regionaler Ebene, könnte dazu beitra-gen, dass landes- und bundespolitische Aktivitäten sinnvoller ineinandergreifen und stärker abgegrenzt werden. Hierzu gehört auch ein systematischer Transfer bereits bestehender Evi-denzen und Innovationen zu Ansätzen und Förderungen, die im Zuge bundespolitischer För-derungen gesammelt wurden. Eine solche Abstimmung sollte auch zukünftige durch den Bund abgedeckte Förderschwerpunkte und Handlungsfelder (zur arbeitsplatzorientierten oder sozi-alräumlichen Alphabetisierungsarbeit) beinhalten, um zukünftig die Komplementarität und Wirksamkeit der Landes- und Bundesförderungen zu gewährleisten.

Das so entstehende Netzwerk und gebündelte steuerungs- und umsetzungsrelevante Wissen soll-te vom zuständigen Fachreferat begleisoll-tet und genutzt werden, um einen ressortübergreifenden Dialog mit beschäftigungs- und bildungspolitisch relevanten Stellen des Bundes, des Landes und der Kommunen zu führen, um Ziele, Förderungen und Aktivitäten aufeinander beziehen und von-einander abgrenzen zu können. Dieser ressortübergreifende Dialog ist zugleich ein wichtiges In-strument, um die langfristige Strategie und damit einhergehenden Investitionen zu entwickeln.

Die Evaluierung hat ergeben, dass einige der Alphabetisierungsarbeit zugrundeliegenden Annah-men reflektiert werden sollten. Dies erfordert unserer Einschätzung nach einen offenen und kon-struktiven Dialog über eben diese Annahmen und ihre Reflexion. Hierzu gehört maßgeblich die Annahme, Lesen und Schreiben sei ein „Selbstzweck“ und könne (funktionalen) Analphabeten in

schulförmigen Kursen vermittelt werden. Diese Annahmen zu überdenken, könnte eine Präzisie-rung der Zielgruppen, der passenden Formate und geeigneten Lernorte und -inhalte zur Folge haben. Hierzu gehört nicht zuletzt die Frage, welche Formate am effizientesten sind und beinhal-tet somit auch die Frage, welche Einrichtungen und Träger oder Verbundprojekte zukünftig diese Formate umsetzen sollten sowie die Frage, welche Kapazitäten ihnen hierfür noch fehlen und wie eine entsprechende Weiterentwicklung gezielt gefördert werden könnte. Hieran anschließend stellt sich die Frage, welche Art der Förderung und welche Mittel sich am besten eignen. Bei-spielsweise ergeben sich Anhaltspunkte für eine Antwort auf die Frage, wie sinnvoll es ist, aus-schließlich anerkannte Träger der Erwachsenenbildung zu fördern. Dafür spricht, dass sie in der Regel Vorerfahrungen in der Grundbildung haben und diese als eine ihrer „Kernaufgaben“ verste-hen. Gleichzeitig zeigt sich, dass sie die Zielgruppe dann am besten erreichen und unterstützen können, wenn Einrichtungen „sozialräumlich“ und „offen“ arbeiten oder wie es der Bericht zur wissenschaftlichen Evaluation „Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit im Land Sachsen – Anhalt“ aufgreift: „das (adressierte und teilnehmende) Subjekt in seiner lebensweltlichen Eigen-willigkeit“60 berücksichtigt wird. Es stellt sich mithin die Frage, welche zukünftige Funktion, Rolle und Bedeutung Träger der Erwachsenenbildung in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsar-beit haben sollten. Wenn diese Frage mit dem Stichwort „nachbarschaftliche, sozialräumliche Bil-dungszentren“ beantwortet werden sollte, handelt es sich hier um eine längerfristige und gezielte Weiterentwicklung ihrer Funktionsweise, die dialogisch und strategisch unterstützt werden sollte.

Hier könnte sich als zielführend erweisen, für die Projektauswahl zum Beispiel Unterstützungs- und/oder Kooperationsvereinbarungen mit kommunalen Stellen zu fordern und zu berücksichti-gen.

Eine kurz- und langfristig effiziente und wirksame Förderung und Steuerung der Alphabetisie-rungs- und Grundbildungsarbeit des Landes Sachsen-Anhalt erfordert eine langfristig angelegte, integrierte und koordinierte Strategie. Diese sollte soweit und so schnell wie möglich entworfen und diskutiert werden. Nicht zuletzt bedeutet dies, über Zuständigkeiten und Verantwortlichkei-ten zu sprechen. Hierzu gehören mithin AntworVerantwortlichkei-ten auf folgende Fragen:

• Welche Bedeutung sollte Alphabetisierung / Grundbildung in der Erwachsenenbildung und in Bezug auf lebenslanges Lernen einnehmen? Welche Ziele werden konkret verfolgt?

• Welche Strukturen und Angebote sind hierfür notwendig? Mit welchen Strukturen und Ange-boten müssen diese ineinandergreifen?

• Welche Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Rollen ergeben sich zwischen welchen Ein-richtungen und Trägern, zwischen welchen bildungspolitischen und beschäftigungspolitischen Ressorts und auf welchen föderalen Ebenen (EU, Bund, Land, Kommune)?

• Welche Teilziele und Implementierungen können durch befristete Projektförderungen unter-stützt, welche sollten dauerhaft finanziert werden? Wie kann u.a. durch eine „Anschubfinan-zierung“ (z.B. in Form einer Projektförderung) eine langfristig tragfähige und nachhaltige Struktur vor Ort geschaffen werden?

Eine dezidiertere Antwort auf diese Fragen würde es noch stärker als heute ermöglichen, auch kurz- und mittelfristig Investitionen so zu tätigen, dass sie langfristig zur Umsetzung der gewähl-ten Strategie beitragen. Antworgewähl-ten auf diese Fragen entscheiden zudem darüber, welches Wissen systematisch genutzt werden sollte, um zukünftige Förderungen zielgerecht zu konzipieren, zu implementieren und zu steuern.

60 Bericht zur wissenschaftlichen Evaluation - „Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit im Land Sachsen –Anhalt“, S. 3.

K O N T A K T:

Marcus Neureiter