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6.1 Modellbeschreibung

6.1.2 Elektrochemische Reaktionen

Dieses Rückwärtsrechnen von einem bekannten Korrosionsverlauf auf die benötigte Stromdichte beweist zwar die prinzipielle Anwendbarkeit dieses neuen Modellierungsansatzes, stellt aber noch nicht die Lösung der Aufgabenstellung dar Korrosionsprozesse vorhersagen zu wollen. Dennoch kann daraus gefolgert werden, dass die elektrochemischen Reaktionen in Form des materialspezifischen Polarisationsverhaltens tatsächlich die wichtigsten Eingangsparameter für die Verwendung des neuen Ansatzes sind. Es bleibt zunächst die Frage, welche der Darstellungsformen, die jeweils verschieden starke Näherungsverfahren derselben elektrochemischen Messung ausdrücken, die geeignetste ist. Die exakteste Form ist die Polarisationskurve selbst. Hierbei werden alle in der Realität auftretenden Einflussfaktoren vollständig auch in der Simulation nachgebildet. Daher ist es notwendig die Umgebungsbedingungen genau zu kennen und während der Messung auch exakt einzustellen. Die erste Näherung wird in Form der Butler-Volmer-Gleichung durchgeführt, die den Kurvenverlauf im Bereich des Korrosionspotentials exakt erfasst, jedoch für größere Entfernungen vom Korrosionspotential deutlich von den Messdaten abweicht. Dadurch können bestimmte Aspekte, wie beispielsweise Passivierungen, nicht beschrieben werden.

Die gröbste Näherung stellt die Tafelgerade dar. Sie ist die Tangente an die Polarisationskurve in halblogarithmischer Darstellung in dem Bereich, in dem die Stromdichte über eine Dekade linear anwächst. Als einzige Eingangsparameter für die Simulationen werden bei der Verwendung von Tafelgeraden also nur die

6.1 Modellbeschreibung

Austauschstromdichte, das Korrosionspotential sowie die Geradensteigung benötigt.

Durch die Geradenform der Tafeldarstellung lassen sich hier besonders einfach numerische Faktoren a und b einbringen (Gleichung ( 89 )), die empirisch die Vernachlässigung der oben genannten Prozesse korrigieren.

ln 𝑗 = 𝑎 ∗ ln 𝑗0− 𝑏 ∗ 𝐴 ∗ 𝜂 ( 89 )

Hierbei sind

j die Stromdichte,

j0 die Austauschstromdichte, A die Geradensteigung η das Überpotential und a, b numerische Faktoren.

Für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Simulationen wird eine Kombination aus Polarisationskurven und Tafelgeraden eingesetzt. Dabei wird

 das anodische Verhalten der Metalle jeweils über die Polarisationskurve dargestellt, damit die Metallauflösung möglichst exakt wiedergegeben wird,

 für die kathodische Reaktion hingegen auf die Tafelgeraden zurückgegriffen, um die empirischen Faktoren einfügen zu können.

Beides ist am Beispiel eines galvanischen Paares Zink/Stahl, wie es bei der Beschädigung eines elektrolytisch verzinkten Stahlbleches auftritt, in Abbildung 64 veranschaulicht.

Abbildung 64: Darstellung der elektrostatischen Randbedingungen, wie sie in den hier durchgeführten Simulationen eingesetzt werden. Beispielhaft sind die

6 Numerische Korrosionssimulation 6.1.2.1 Berücksichtigung der Phosphatierung

Zusätzlich zu den Elektrodenflächen, die direkten Kontakt zu dem Elektrolyt haben, muss auch die Grenzfläche Zink/KTL berücksichtigt werden. In der Simulation ist dieser Rand ebenfalls ein Übergang von einem Elektrolyt (KTL) zu einer Elektrode (Zink). Daher ist zu klären, ob an dieser Fläche auch eine Korrosionselektrode angenommen werden muss.

Abbildung 65: Schematische Darstellung der Modellgeometrie zur Veranschaulichung der Grenzfläche KTL/Zink, an der die Phosphatierung aufgebracht ist.

Simulationen, bei denen dies der Fall ist, führen zu einer Zinkauflösung von „oben nach unten“ und nicht zu der im Experiment beobachteten und daher erwarteten Unterwanderung der KTL vom Ritz aus. Die Berücksichtigung der Sauerstoffdiffusion durch die KTL, die die kathodische Reaktion in der Theorie an dieser Stelle verringert und somit die Korrosion bremst, hat in der Simulation keinen merklichen Einfluss.

Außerdem wird die KTL-Schicht als elektrisch schlecht leitendes Material mit einer Leitfähigkeit von σ = 1*10-7 S angenommen, woraus sich jedoch ebenfalls nicht die erwartete Schutzwirkung gegen den Korrosionsangriff von oben darstellen lässt. Den Korrosionsfortschritt für diese Situation nach acht Wochen zeigt Abbildung 66. Es ist dabei anzumerken, dass dabei auch die Unterwanderung vom Ritz aus im Vergleich zur Realität zu kurz ist.

6.1 Modellbeschreibung

Abbildung 66: Elektrolytpotential und Stromdichte nach acht Wochen Korrosionsdauer. Es ist die gleichmäßige Zinkkorrosion von oben nach unten zu erkennen, die in der Praxis nicht auftritt.

In experimentellen Untersuchungen zur Ritzunterwanderung (Abbildung 67) korrodiert der Stahl innerhalb des Ritzes und die KTL-Schicht wird wegen der Zinkkorrosion unterwandert. Aber es ist keine flächige Zinkkorrosion von oben nach unten unter der KTL-Schicht zu beobachten.

Abbildung 67: Schliffbild eines Ritzes in elektrolytisch verzinktem Stahl nach sechs Wochen im Klimawechseltest. In Gelb ist die KTL hervorgehoben um aufzuzeigen, dass keine gleichmäßige Flächenk orrosion unterhalb der KTL auftritt.

Diese Diskrepanz zur experimentellen Beobachtung liegt in der Vernachlässigung der Phosphatierung in der Simulation begründet. Die Phosphatierung stellt eine elektrische Isolationsschicht dar, wodurch kein direkter elektrischer Kontakt zwischen der Zinkschicht und dem Elektrolyt (KTL-Schicht) besteht und somit der Stromfluss unterbunden wird.

Außerdem trägt die Phosphatierung, die eine starke Diffusionsbarriere für Sauerstoff und Wasser darstellt, noch einem zweiten wichtigen Aspekt Rechnung. Im Gegensatz zu den Darstellungen von Fürbeth et al. [81] [82] werden die in dieser Arbeit untersuchten Probekörper vor der Lackierung zuerst phosphatiert. Dadurch ist die Diffusion von Sauerstoff und Wasser durch die Lackschicht bis zum Metall

6 Numerische Korrosionssimulation steht und somit keine Korrosion initiiert werden kann. Außerdem wird die Delamination bei dem Vorhandensein einer weiteren Elektrode stark durch den galvanischen Korrosionsprozess der unedleren Elektrode überlagert. Genau diese Situation liegt jedoch für die Untersuchungen in dieser Arbeit vor, so dass der Delaminationsprozess ohne große Einschränkung als anodische Delamination und somit als die galvanische Auflösung der Verzinkung angesehen werden kann.

Aufgrund der geringen Schichtdicke der Phosphatierung [129] [130] verursacht die Berücksichtigung dieser Schicht durch die zwangsläufig feine Vernetzung viele Freiheitsgrade und eine unverhältnismäßig längere Rechendauer. Die Phosphatierung wird schließlich durch die Annahme einer nicht-korrodierenden Grenzfläche zwischen Metall und KTL-Schicht berücksichtigt, da auf diese Weise alle phänomenologischen Einflüsse der Phosphatierung in den Simulationen integriert sind. Gleichzeitig wird aber auch das Fernziel dieser Korrosionssimulationen gewahrt, indem durch die Nicht-Vernetzung einer zusätzlichen Domäne die Lösungszeit reduziert wird.