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Einordnung von agrarpolitischen Positionen in der Bundesrepublik Deutschland

Entsprechend den Anmerkungen in Abschnitt 1 sollten agrarpolitische Re­

formkonzepte von Parteien und Interessengruppen nicht mit der gleichen Meßlatte wie wissenschaftsbasierte Modellösungen gemessen werden. Es geht vielmehr um ihre Einordnung in dem skizzierten Spektrum, ihre implizite Funktion, ihren Interessenhintergrund, ihre politische Wirksamkeit, ihre praktische Durchführbarkeit und ihre möglichen Konsequenzen. Dies kann wiederum nur andeutungsweise geschehen.

Auf allgemeiner Ebene herrscht zumindest zwischen den vier Parteien des Bundestages relativ weitgehender Konsens, was die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Agrarpolitik, den bäuerlichen Familienbetrieb als agrarpolitisches Leitbild, umweltverträgliche Landwirtschaft und ein aus­

gewogenes Verhältnis von Strukturerhaltung und Strukturanpassung angeht (Schmitz 1986). Die CDU/CSU läßt sich vorwiegend im Bereich bürokrati­

scher Agrarpolitik verorten, ebenso wie aus leicht nachvollziehbaren Gründen der Deutsche Bauernverband. Die SPD plädiert für eine soziale und ökologische Umorientierung der Agrarpolitik, ähnlich die Gewerkschaften und die EKD. Die FDP liegt irgendwo dazwischen. Interessant ist die zu­

nehmende Konvergenz der Positionen von Agraropposition, Naturschutzver­

bänden und den Grünen in einer Mixtur von kleinbäuerlichen und agraröko­

logischen Vorstellungen. Die Industrie hält sich mit eigenen Vorschlägen zur Agrarpolitik eher zurück, was durchaus ihrer Interessenlage ent­

spricht. Von Seiten der Verbraucherverbände werden insbesondere die Agrarsubventionen kritisiert, aber auch die Folgen unkontrol1ierter agro- industrieller Produktion für die Qualität von Nahrungsmitteln. Die Ver­

braucherverbände stehen noch am ehesten marktwirtschaftlichen Reformkon­

zepten nahe, die bei den meisten (Agrar-JÖkonomen im Vordergrund stehen.

Bei diesem agrarpolitisch bislang eher chancenlosen Typus A finden sich dementsprechend die meisten und detailliertesten Modellrechnungen und Kontroversen über die Auswirkungen spezifischer Maßnahmenpakete.

Bislang dürfte die politische Wirksamkeit partei- und gruppenpolitischer Reformkonzepte vorwiegend auf ideologischer Ebene liegen. Die konkreten

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-Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, lassen sich gemeinhin nicht einfach interessentheoretisch erklären. Erst im Kontext der aktuellen agrarpoli­

tischen Szenerie werden bestimmte Vorschläge verständlich. Eine konse­

quente Analyse der Vor- und Nachteile bestimmter Maßnahmen und Programme und ihr Beitrag zu übergeordneten Zielen wie Umweltschutz findet selten statt.

Unterhalb der Ebene allgemeiner Zielvorgaben und Wunschvorstellungen las­

sen sich heute drei agrarpolitische Orientierungen von einer gewissen Be­

deutung in der politischen Diskussion unterscheiden, die grob den Typen B, C und einer Mischung von D und E entsprechen. Konzepte von Typ A wer­

den auch wissenschaftlich und publizistisch vertreten, jedoch weitgehend ohne politische Resonanz im Sinne ihrer Übernahme von Parteien und Inter­

essengruppen. Neben den grundsätzlichen Divergenzen im agrarpolitischen Ansatz finden sich zwischen diesen Orientierungen sowohl eine Reihe von Berührungspunkten (z.B. Schaffung von Biotopverbundsystemen, keine Redu- zierung des Gesamtvolumens der Agrarsubventionen ) als auch von sekundä­

ren Konfliktpunkten (z.B. Mitverantwortungsabgabe versus gestaffelte Preise, Bioäthanolproduktion). (Verdeckte) programminterne Widersprüche (z.B. Preiserhöhungen für traditionelle Agrarprodukte und Stimulierung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe) dürften sachlich durchaus gleichge­

wichtig sein gegenüber solchen sekundären Konfliktpunkten zwischen den verschiedenen agrarpolitischen Positionen.

Insgesamt zeichnet sich die Entwicklung der agrarpolitischen Diskussion durch vermehrte Sensibilität gegenüber ökologischen und regional politi­

schen Fragen und eine größere Betonung der Notwendigkeit der Existenz- und Einkommenssicherung für kleine und mittlere Betriebe aus, während der andauernde Strukturwandel politisch zurückhaltender propagiert wird. Da­

mit haben sich die Chancen für eindeutig marktwirtschaftliche Reformkon­

zepte vermindert. Ob dies auch noch in 10, 15 Jahren so sein wird - nach einer weiteren Halbierung der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der BRD -, wird auch von den praktischen Umsetzungserfolgen der anderen Konzepte abhängen. Beim Andauern der gegenwärtigen destruktiven

Interfe-27 Vgl. zu deren Entwicklung Conrad/Uka 1987.

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-renzen unterschiedlicher, häufig nur auf wahlpolitische Optik ausgerich teter Maßnahmen (z.B. im Bereich der Biotop-Schutzprogramme) 28 dürfte de ren Mißerfolg vielfach vorprogrammiert sein.

CHS

So berichtete die Frankfurter Rundschau vom 6.8.1987, daß BMELF und BMU unabhängig voneinander mit jeweils 1,6 Mio. DM in der Daunenburger Marsch an der Elbe Entwässerungsmaßnahmen zwecks besserer Kultivierung bzw. die Erhaltung dieses Feuchtgebietes fördern (wollen).

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