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Das Wesen der Adoption als familienpolitisches Instrument:

ein historischer Überblick

Adoptionen existierten bereits im Altertum und finden sich in vielen Kulturen und rechtlich verfass-ten Gesellschafverfass-ten. In der Gegenwart liegt ihre Bedeutung in Deutschland zunächst darin, Kindern, die von ihren Eltern freigegeben wurden oder die ihre Eltern verloren haben, eine positive Entwick-lung in einer stabilen Familie zu ermöglichen, indem ein Eltern-Kind-Verhältnis rechtlich neu begründet wird. Als eine solche Maßnahme dienen Adoptionen der Sicherung des Kindeswohls und werden eingebettet in den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe vermittelt, begleitet und unter-stützt. Aufgrund ihrer Bedeutung bedarf es jedoch der Entscheidung eines Gerichts, damit eine Adoption wirksam werden kann. Gleichzeitig stellt die Adoption ein familienpolitisches Instrument dar, durch das ein besonderer Weg der Familiengründung geschaffen wurde.

In der großen Adoptionsreform von 1977 wurde das Kindeswohl erstmals als zentrale Leitschnur der Adoption benannt. Seit dieser Reform haben sich die Gesellschaft, die Familienbilder, aber auch Medizin, Sozialwissenschaften und Ethik stetig weiterentwickelt. Familien sind bunter geworden.

Unverheiratete Paare mit Kindern und alleinerziehende Eltern sind selbstverständlicher Teil der Vielfalt von Familienformen. Familien können umfangreiche staatliche Unterstützungsleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anspruch nehmen. Möglichkeiten der Geburtenkontrolle erleichtern es, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, während gleichzeitig Möglichkeiten der medizinisch unterstützten Reproduktion neue Optionen für ungewollt Kinderlose eröffnen. Neue Herausforderungen ergeben sich zudem durch alternative Formen der Familiengründung, die aus der Legalisierung der Leihmutterschaft im Ausland resultieren, sowie durch neue Gruppen von Bewerberinnen und Bewerbern um eine Adoption (z. B. gleichgeschlechtliche Paare).

Adoptionen heute

Die Zahl der in Deutschland ausgesprochenen Adoptionen ist seit 1994 stetig gesunken. Im Zeit-raum von 2004 bis 2015 hat die Gesamtzahl ausgesprochener Adoptionen in Deutschland von 5.072 auf 3.812 Fälle um ca. 25 % abgenommen. Der stärkste Rückgang ist bei internationalen Adoptionen zu verzeichnen; zwischen 2004 und 2015 erfolgte ein Rückgang um 59 %. Die Statistiken weisen weiterhin darauf hin, dass nicht nur die Zahl adoptierter Kinder, sondern auch die Zahl der Adopti-onsbewerbungen rückläufig ist. Auf jede Adoptionsfreigabe kamen im Jahr 2015 sieben Bewerbun-gen, während sich elf Jahre zuvor noch pro zur Adoption vorgemerktem Kind im Mittel 11,4 Paare bzw. Einzelpersonen bewarben. Wenngleich diese Veränderungen in den Zahlen keinen

vollständi-gen Aufschluss über den tatsächlichen Bedarf der Bewerberinnen und Bewerber liefern, geben sie Anlass, dieses Feld empirisch genauer zu analysieren.

Auf dem Prüfstand: rechtliche Grundlagen,

Strukturen und Prozesse der Adoptionsvermittlung

Adoptionen unterliegen einem Wandel und sind stets eingebettet in die verschiedenen gesellschaftli-chen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen. Adoptionen sind demnach immer auch ein Kind ihrer Zeit.

Politische Diskussionen über gesellschaftlichen Wandel, aber auch die internationale Adoptionsfor-schung haben in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse hervorgebracht, die das deutsche Adoptionsrecht und die deutsche Adoptionsvermittlungspraxis auf den Prüfstand stellen.

Beispielsweise sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bei Adoptionen eine „Inkognitoadop tion“

vor, d. h., die abgebenden Eltern erfahren nicht, wer ihr Kind adoptiert und wo es aufwachsen wird.

Dies dient dem Schutz der Adoptivfamilie vor einem möglichen Eingriff in ihr Fa milienleben durch die Herkuntsfamilie. Gleichzeitig ist inzwischen durch wissenschaftliche Studien belegt, wie wichtig das Wissen über die eigene Herkunft für eine angemessene Identitätsentwicklung des Adoptivkindes sein kann. In der Praxis ist bereits teilweise ein Umdenken in Form einer Öffnung von Adoptionen erfolgt, während die Gesetzeslage unverändert geblieben ist.

Im Fokus jeder Adoptionsvermittlung steht immer das Wohl des Kindes: Ziel ist es, die am besten geeignete Familie zu finden, in der ein zu adoptierendes Kind dauerhaft Fürsorge, Sicherheit und Geborgenheit erfährt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der Adoptiveltern, die Adoptivkinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Dies ist nicht immer einfach: Adoptivkinder haben im Gegensatz zu nichtadoptierten Kindern zusätzliche Entwicklungsaufgaben und ein Teil der Adoptivkinder bringt eine schwierige Vorgeschichte und damit verbunden Entwicklungsrückstände und Verhaltensprobleme mit. Dies stellt, insbesondere bei der Vermittlung von Adoptivkindern mit erhöhten Fürsorgebedürfnissen, die Adoptiveltern, aber auch die Fachkräfte der Adoptionsvermitt-lungspraxis, vor große Herausforderungen.

Die Erkenntnisse der internationalen Adoptionsforschung machen deutlich, wie wichtig eine fach-lich gute Vorbereitung, Begleitung und Nachbetreuung ist. Daher bedarf es in allen Phasen des Adoptionsprozesses eines gut funktionierenden Unterstützungssystems sowie gut ausgebildeter Fachkräfte verschiedener Disziplinen, um den spezifischen Bedürfnissen der Adoptivkinder, der abgebenden Eltern und der Adoptiveltern gerecht zu werden. Bedeutsam ist hierbei auch eine gelin-gende Kooperation und Vernetzung zwischen den beteiligten Stellen.

Das Expertise- und Forschungszentrum Adoption (EFZA)

Vor dem Hintergrund der vorangehend dargestellten Herausforderungen im deutschen Adoptions-wesen hat die aktuelle Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, das Adoptionsver-fahren weiterzuentwickeln, das Adoptionsvermittlungsgesetz zu modernisieren und die Strukturen der Adoptionsvermittlung zu stärken. Das Kindeswohl soll dabei im Vordergrund stehen. Das Adoptionsrecht soll die gesellschaftlichen und familiären Veränderungen, wie z. B. die Tendenz zur späteren Familiengründung und die generell höhere Lebenserwartung der Menschen, berücksichti-gen. Bei Stiefkindadoptionen sollen Möglichkeiten geprüft werden, wie das Verwandtschaftsverhält-nis zum leiblichen Elternteil im Einvernehmen erhalten bleiben kann.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat daher im Frühjahr 2015 die Einrichtung des Expertise- und Forschungszentrums Adoption (EFZA) am Deutschen Jugendinstitut e. V. in München initiiert. Die übergeordneten Aufgaben des EFZA bestehen darin, internationales Wissen zu bündeln, Forschung auf den Weg zu bringen und einen Austausch zwi-schen Expertinnen und Experten des Adoptionsbereichs zu fördern. Mittels einer ersten Bestands-aufnahme werden im „Dossier: Adoptionen in Deutschland“ nun zentrale Probleme, Fragestellun-gen und HerausforderunFragestellun-gen des deutschen Adoptionswesens dargestellt.