• Keine Ergebnisse gefunden

Einfluss von Regeln beim Aufbau von Krisenpotenzial

Wettbewerb bewirkt, dass Ressourcen über einen funktionierenden Preismechanismus ihrer gesamtwirtschaftlich optimalen Verwendung zugeführt werden. Auf diese Weise wird statische und dynamische Effizienz erreicht.

Akteure in kompetitiven Märkten sind ständig mit der Gefahr konfrontiert, aufgrund effizien-terer Konkurrenten Einbussen zu erleiden.12 Andererseits bieten ihnen offene Märkte die Möglichkeit, durch Effizienzsteigerungen in aktuellen und neuen Märkten Gewinne zu erzie-len und ihre Marktposition zu verbessern. Effizienzsteigerungen können die Verbesserung der Beschaffung, der Produktion und des Absatzes betreffen und sind Folge technischer oder organisatorischer Innovationen, d.h. der Umsetzung von Inventionen in den Unter-nehmen.13 Innovationen können als Reaktion auf geänderte Angebots- oder Nachfragebe-dingungen entstehen oder beeinflussen (autonom) das Nachfrageverhalten, indem sie neue Angebotsbedingungen schaffen. Wettbewerb schafft also Anpassungsflexibilität und lässt technischen Fortschritt zu bzw. bedingt diesen.14

12 In offenen bzw. angreifbaren Märkten (contestable markets) geht eine solche Gefahr sogar von Akteuren aus, die noch nicht im Markt tätig sind, jedoch in diesen eintreten könnten. Vgl. hierzu Baumol/Panzar/Willig (1988).

13 Zum Zusammenhang von Invention (Erfindung) und Innovation (Umsetzung in Produkte und/oder Prozesse) vgl.

Baumol (2002).

14 Vgl. zu diesen dynamischen Wettbewerbsfunktionen Kantzenbach (1967).

Unternehmen können im Wettbewerb durch Innovationen ihre Marktposition verbessern oder halten.15 Die gesamtwirtschaftliche Produktionsstruktur wird in einem nach Schumpe-ter benannten „Prozess der schöpferischen Zerstörung“16 durch Innovationen und Imitatio-nen der Akteure permaImitatio-nent verändert, so dass ein permaImitatio-nenter Strukturwandel stattfin-det.17

Dieser Prozess ist aber nur wirksam, wenn Märkte offen sind, d.h. Marktzutritte nicht durch künstliche18 Marktzutrittsbarrieren und Marktaustritte nicht durch künstliche Marktaustritts-barrieren behindert werden.19 Staatliche wie private Regeln können solche Markteintritts- bzw. -austrittsbarrieren darstellen und so den Wettbewerb beeinträchtigen.

Staatliche Regeln, die im Fall von Marktversagen eingesetzt werden, können den fehlen-den Wettbewerb ersetzen bzw. die Funktionsfähigkeit eines Marktes unterstützen und kön-nen somit aus Effizienzgesichtspunkten gerechtfertigt sein. Regeln werden jedoch oft ge-setzt, um die aus dem Markt resultierende Einkommensverteilung im Hinblick auf politische Verteilungsziele zu verändern20 oder um gewisse Verhaltensweisen von natürlichen oder juristischen Personen zu fördern oder zu hemmen. Sämtliche Regeln - auch falsch konzi-pierte Effizienzregeln - können den Wettbewerb verzerren, wenn sie die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus und damit die Effizienzanreize beeinträchtigen.21 Transfers, Preis-vorschriften oder Abnahmegarantien tangieren diese Anreize direkt, so dass sie ebenso direkt die Lenkungsfunktion des Marktmechanismus beeinträchtigen. Auch Verbote und Gebote können nötige Anpassungen direkt verhindern. Markteintrittsbarrieren für ausländi-sche Wettbewerber (ausländiausländi-sche Produkte) durch Zölle, Kontingente, protektionistiausländi-sche Normen und Standards usw. bewirken eine Abkopplung von der Weltmarktentwicklung.

15 Baumol (2002), insbes. S. 9-11. Die Chicago School spricht in diesem Zusammenhang von „survival of the fit-test“, wobei dieser Begriff oft im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen genannt wird, die als organisatorische Innovation gewertet werden können. Eine Branche weist nach dem Stigler’schen „Survivor-Test“

die optimale Marktstruktur auf, wenn sie über einen längeren Zeitraum keinen staatlichen Marktzutrittsschranken unterlegen ist. Vgl. Stigler (1968).

16 Vgl. Schumpeter (1942), Kapitel 7.

17 Giersch (1964) und Ferguson (1964) sprechen explizit von der strukturpolitischen Funktion des Wettbewerbs.

18 Im Sinne von wettbewerbsbeeinträchtigender Barrieren, wie sie von Vertretern der Österreicher Schule, z.B.

Hoppmann beschrieben werden.

19 Vgl. dazu auch die Theorie der contestable markets nach Baumol/Panzar/Willig (1988).

20 In der Ökonomie wird diese Ursache wirtschaftspolitischer Eingriffe mit „Marktablehnung“ bezeichnet (im Gegen-satz zu „Marktversagen“ als Ursache des Eingriffs), da die am Markt resultierende Einkommensverteilung abge-lehnt wird.

21 Die Regulierung (der Staat) kann ebenso versagen, wie dies der Markt oft tut. Während die Theorie des Markt-versagens und Vorschläge für korrigierende Eingriffe schon lange zum ökonomischen Grundwissen gehören, trifft dies für eine Theorie des Staatsversagens noch nicht gleichermassen zu. Allerdings wurden diesbezüglich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit der ökonomischen Theorie der Politik (Public Choice) und mit der In-stitutionenökonomik grosse Fortschritte erzielt. Vgl. für eine Übersicht Wolf (1990).

Wirksamer Wettbewerb kann nicht nur durch staatliche, sondern auch durch private Regeln beeinträchtigt werden. Besonders horizontale Preis-, Mengen- oder Gebietsabreden - die so genannten „harten Kartelle“ - schränken in vielen Fällen den Marktmechanismus ein.

Dasselbe gilt für gewisse strategische Verhaltenweisen marktbeherrschender Unterneh-men.22 In einem dynamischen Umfeld setzt eine nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbe-werbs durch derartige private Regeln oft deren explizite oder implizite staatliche Duldung oder sogar Unterstützung voraus.23 Einer solchen Unterstützung entspricht beispielsweise die Zulassung von Exportkartellen, wie dies in vielen Ländern und auch in der Schweiz vorkommt bzw. vorkam.

Im Fall wettbewerbsbeeinträchtigender Regeln, die in letzter Konsequenz meistens wie Markteintrittsbarrieren wirken, weil sie sonst den Wettbewerb gar nicht dauerhaft beein-trächtigen könnten,24 werden die eingangs genannten Wettbewerbsfunktionen ausgehebelt.

Da Anpassungen an potenzielle Marktmöglichkeiten bzw. an die internationale Marktent-wicklung aufgrund fehlender Anreize so nicht stattfinden oder aufgrund von Geboten und Verboten gar nicht stattfinden können, werden statische und dynamische Ineffizienzen auf-gebaut. Bei Kosten, die von den technisch-ökonomischen Möglichkeiten abgekoppelt sind, und/oder bei Angeboten, die an den Konsumentenpräferenzen vorbei zielen, ist eine Krise latent vorhanden, d.h. Krisenpotenzial wird aufgebaut. Würden die Märkte geöffnet und der Schutzwall entfernt, würde die Krise unweigerlich ausbrechen.

Eine latente Krise kann bei handelbaren Gütern durch regelbedingte Binnenorientierung besonders stark auftreten. Die Binnenorientierung kann dadurch bedingt sein, dass Han-delshemmnisse den Marktzugang für ausländische Produkte verteuern, so dass die inlän-dischen Unternehmen dem internationalen Wettbewerbsdruck nicht voll ausgesetzt sind.

Binnenorientierung kann aber auch darin begründet sein, dass einheimischen Unterneh-men der Marktzugang im Ausland erschwert ist (so etwa wegen Nichtintegration wie im Fall der EU, wegen Protektionismus im Ausland oder auch als Folge von Reziprozitätsregeln im Rahmen einer strategischen Handelspolitik des Auslands).

Aus diesen Überlegungen lässt sich Hypothese 1 zum Einfluss von Regeln auf den Aufbau von Krisenpotenzial wie folgt formulieren:

22 Zu wettbewerbsschädigenden Abreden (Kartellen) sowie unzulässigen Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen und zu Fusionen, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen vgl. Kartellgesetz (SR 251) und Bot-schaft zum Kartellgesetz vom 23. November 1994 (BBl 1995 I 468). Wie bei den staatlichen Regeln lassen sich auch private Regeln identifizieren, die den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, sondern Ausdruck wirksamen Wett-bewerbs sind oder diesen sogar intensivieren. Vgl. z.B. Rey/Tirole (1986) und Baumol (2002), Teil 1.

23 Rein private Abreden haben in einem dynamischen Umfeld eine Tendenz zur Instabilität. Vom Kartell profitieren in erster Linie die schwächsten Mitglieder. Effizientere Mitglieder haben stets Anreize, das Kartell zu verlassen.

24 Zu wettbewerbseinschränkenden Markteintrittsbarrieren vgl. v. Weizsäcker (1980).

Hypothese 1: Regeln, welche den Wettbewerb beeinträchtigen oder beseitigen, führen zur Bildung oder Erhaltung ineffizienter Strukturen und damit zur Bildung oder Erhöhung des Krisenpotenzials.