• Keine Ergebnisse gefunden

3 Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse aller sechs Untersuchungen zum

4 Empirische Untersuchungen zum Einfluss der Symmetrie auf Attraktivität

4.2 Einführung in die verschiedenen Methoden zur Untersuchung des Einflusses von Symmetrie

Diese oben genannten Operationalisierungen sind jedoch bereits gebunden an eine be-stimmte Methode zur Erfassung von Symmetrie, nämlich das (physikalische) Vermessen der Distanzen zwischen verschiedenen, definierten markanten Punkten im Gesichts, den Facial Landmarks. Dies ist eine sehr präzise Methode, die zwar innerhalb der Biologie (bei Körpern von Tieren) häufig, jedoch innerhalb der Attraktivitätsforschung nur von ei-nem Teil der Forscher verwendet wird. Viele andere verwenden ungenauere, „weichere“

oder indirekte Verfahren. Die folgende Grafik zeigt einen systematischen Überblick über die unterschiedlichen Verfahren.

Methoden zur

Abbildung 40: Übersicht über die verschiedenen Methoden zur Untersuchung des Ein-flusses der Symmetrie auf die Attraktivität.

Zunächst lassen sich zwei grundsätzliche Methoden unterscheiden:

• Die Experimentelle Manipulation der unabhängigen Variablen Symmetrie, bei der normale Gesichter mit natürlichen Asymmetrien symmetrisch optimiert werden, wäh-rend Versuchspersonen die Attraktivität der jeweiligen Gesichter-Varianten beurteilen.

• Ein korrelatives Design, bei der die Asymmetrie natürlicher Gesichter ermittelt wird und dann mit den jeweiligen Attraktivitätsbewertungen dieser Gesichter korreliert wird.

Die simpelste Form eines experimentellen Designs ist das Produzieren von Chimärenge-sichtern, bei dem mit einem Bildverarbeitungsprogramm ein frontal fotografiertes Gesicht entlang der Symmetrieachse in seine zwei Gesichtshälften geteilt und durch horizontales Spiegeln ein neues Gesicht kreiert wird, das entweder aus zwei linken oder aus zwei rechten Hälften konstruiert wird. Diese Art der Symmetrisierung wurde erstmalig zu Be-ginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt (Hallevorden, 1902, 1929), wurde schon damals für Experimente verwendet (Wolff, 1933) und ist unter dem Namen „Wolff’s split-face techni-que“ bekannt (zit. nach Kowner, 1996b).

Abbildung 41: Chimärengesicht aus zwei rechten Gesichtshälften (links), Originalgesicht (Mitte) und Chimärengesicht aus zwei linken Gesichtshälften (rechts).

Die Attraktivität eines Chimärengesichts wird dann mit der Attraktivität des asymmetri-schen Originalgesichts durch Paarvergleich oder Rating verglichen. Die Methode gilt als sehr schlecht, dennoch gibt es einige Studien, in denen sie eingesetzt wurde (Kowner, 1996a; Langlois et al., 1994; Samuels, Butterworth, Roberts, Graupner & Hole, 1994).

Hauptkritikpunkt ist, dass die dadurch produzierten symmetrischen Gesichter meist unna-türlich starr oder seltsam aussehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der

Experimenta-tor handwerklich nicht sauber arbeitet und Personen auf den Fotos nicht ganz frontal abgelichtet sind, sondern mit leicht gedrehtem Kopf, wenn die Ausleuchtung des Gesichts auf dem Foto unregelmäßig ist oder die Symmetrieachse vor dem Duplizieren einer Ge-sichtshälfte nicht exakt durch die Gesichtsmitte verläuft. Das typische Ergebnis solcher Studien ist, dass symmetrische Gesichter schlechter abschneiden als asymmetrische Originale.

Ein anderes experimentelles Verfahren ist der Einsatz von Morphing-Software zur Her-stellung perfekt symmetrischer Gesichter. Hierbei wird jedes Gesicht mit seinem eigenen Spiegelbild gekreuzt („blends“). Bei der Neuberechnung der Proportionen werden beide Bilder mit 50 % gewichtet, die Farbwerte jedes Gesichts gehen ebenfalls zu 50 % in das neue Bild ein (Rhodes, Proffitt, Grady & Sumich, 1998; Rhodes, Roberts et al., 1999;

Rhodes, Sumich et al., 1999; Swaddle & Cuthill, 1995). Der Vorteil gegenüber der Chimä-rengesichter-Methode ist, dass die symmetrisierten Morphs sehr natürlich aussehen. Der Nachteil ist, dass durch die Neuberechnung der Farbwerte zwar auch die Farbverteilung zwischen den beiden Gesichtshälften exakt gleich ist, jedoch gleichzeitig die Haut wei-cher und makelloser erscheint. Je unreiner die Haut eines Individuums ist, desto größer ist der positive Effekt, wenn man das Gesicht mit dieser Methode symmetrisch optimiert.

Derart veränderte Gesichter wirken meist attraktiver als die entsprechenden Originale, jedoch ist nicht mehr zu unterscheiden, ob der Effekt auf die Symmetrie oder die makel-losere Haut zurückzuführen ist. Experimente mit dieser Methode erzielten meist kleine bis mittelgroße Effektstärken.

Eine methodisch korrektere Variante, die Morphing-Methode zu verwenden, ist die Studie von Perrett et al., die lediglich die Gesichtsproportionen symmetrisch optimierten, nicht aber die Farbwerte neu berechneten (Perrett et al., 1999). Dadurch behält das Gesicht dieselbe Hautstruktur wie beim Original. Die Unterschiede zum Original sind hierbei aller-dings nicht mehr so deutlich wie bei der Methode mit Neuberechnung der Farbwerte (vgl.

Abbildung 42).

Abbildung 42: Das asymmetrische Originalgesicht (links), ein symmetrisch optimiertes Gesicht nach dem herkömmlichen Morphing-Verfahren mit Neuberechnung der Farbwerte, wodurch die Haut glatter und makelloser erscheint (Mitte), sowie ein symmetrisch optimiertes Gesicht (rechts), bei dem nur die Propor-tionen mit dem eigenen Spiegelbild vermorpht wurden, die Original-Farbwerte jedoch beibehalten wurden.

Bei allen experimentellen Verfahren, bei denen die UV Symmetrie manipuliert wird, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Attraktivität der beiden Gesichter-Varianten zu ermit-teln. Häufig werden Paarvergleiche verwendet (mit forced choice) – dadurch sind auch geringe Attraktivitätsunterschiede noch statistisch nachweisbar. Seltener ist das Rating der Varianten, das jedoch meist dann verwendet wird, wenn mehrere Variablen gleichzei-tig (varianzanalytisch) untersucht werden (wie z. B. Symmetrie, Durchschnitt, Ausdruck und verschiedene Versuchspersonen-Variablen, vgl. beispielsweise Rhodes, Sumich &

Byatt, 1999, Rhodes, Yoshikawa et al., 2001, Rhodes, Zebrowitz et al., 2001). Dieses hat den Vorteil, dass nicht nur der Unterschied zwischen den beiden Varianten erfasst wird, sondern zugleich auch, wie attraktiv ein Gesicht generell ist. Sinnvoll ist hier ein Between-Subject-Design, bei dem jede Vp entweder nur die originale oder nur die symmetrisch optimierte Version eines Gesichts zu sehen bekommt. Nachteil ist, dass aufgrund der geringen Mittelwertsdifferenzen große Stichproben notwendig sind, um signifikante Effek-te nachweisen zu können.

Bei den korrelativen Versuchsdesigns gibt es wiederum zwei völlig konträre Herange-hensweisen. Während die einen Forscher anthropometrische Messungen vornehmen und Symmetrie mit Hilfe von Facial Landmarks physikalisch vermessen, lassen andere wie-derum die Symmetrie von Gesichtern einfach von Versuchspersonen beurteilen, in der Regel mit Hilfe eines Ratingverfahrens (z. B. Frage: „Wie symmetrisch auf einer Skala

von 1 bis 7 ist dieses Gesicht?“). Obwohl Symmetrie-Ratings relativ häufig eingesetzt werden (z. B. Langlois et al., 1994; Rhodes et al., 1998; Rhodes, Roberts et al., 1999;

Rhodes, Sumich et al., 1999; Rhodes, Zebrowitz et al., 2001; Simmons et al., 2004;

Zebrowitz, Voinescu, & Collins, 1996) – selbst von renommierten Attraktivitätsforschern wie Rhodes – bestehen jedoch aus methodischer Sicht erhebliche Zweifel, ob Versuchs-personen überhaupt in der Lage sind, Symmetrie isoliert von anderen Eigenschaften des Gesichts zu bewerten. Gerade wenn man sich die zahlreichen Befunde zum Attraktivi-tätsstereotyp (Eagly, Ashmore, Makhijani & Longo, 1991; Feingold, 1992; Hosoda, Stone-Romero & Coats, 2003; Jackson, Hunter & Hodge, 1995; Langlois et al., 2000; Mazzella

& Feingold, 1994) vor Augen hält, so drängt sich der Verdacht geradezu auf, dass die kleinen bis mittleren Effektstärken, die bei diesen Symmetrie-Untersuchungen bisher erzielt wurden, zum Großteil auf einen Halo-Effekt der Attraktivität des Gesichts zurückzu-führen sind, dass also attraktive Gesichter eher als symmetrisch bezeichnet werden, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind.

Ein alternatives Verfahren zur Bewertung der Symmetrie durch Vpn ist ein Ähnlichkeits-Rating von jeweils zwei Chimärengesichtern, die entweder aus zwei rechten oder zwei linken Hälften eines Gesichts hergestellt wurden. Je größer die Ähnlichkeit der Chimä-rengesichter, desto symmetrischer ist das Original (Mealey et al., 1999; Penton-Voak, Jones et al., 2001). Alternativ dazu lassen sich die beiden Hälften des Originalgesichts unverbunden nebeneinander präsentieren (Hönekopp et al., 2004; Scheib, Gangestad &

Thornhill, 1999) und somit ein Ähnlichkeitsurteil erheben (eine Hälfte wird dabei horizon-tal gespiegelt). Das Erheben eines Ähnlichkeitsurteils für beide Gesichtshälften ist auf-grund der geringeren Konfundierung des Urteils mit der Attraktivität des Gesichts metho-disch geschickter als die direkte Frage nach Symmetrie, wurde aber nur selten eingesetzt.

Aus theoretischer Sicht ist zudem bei allen Symmetrie-Bewertungen durch Vpn proble-matisch, dass völlig offen bleibt, welche Art von Symmetrie die Vpn eigentlich bewerten, die direktionale oder die fluktuierende.

Die präziseste Messung von Symmetrie ist das bereits oben erwähnte Vermessen von Facial Landmarks mit dem Berechnen der Abweichungen dieser Referenzpunkte von der idealen Symmetrie. Für jedes Gesicht wird dann basierend auf der Summe der Abwei-chungen ein Gesamtwert für Asymmetrie berechnet (Composite Index of Fluctuating Asymmetry = CFA), der mit dem Attraktivitätsurteil korreliert werden kann (Leung, Forbes

wurde, existieren etliche (Baudouin & Tiberghien, 2004; Grammer & Thornhill, 1994; Hö-nekopp et al., 2004; Hume & Montgomerie, 2001; Jones et al., 2001; Jones & Hill, 1993;

Kowner, 1996a; Penton-Voak & Perrett, 2001; Rhodes, Zebrowitz et al., 2001; Rikowski &

Grammer, 1999; Shackelford & Larsen, 1997; Simmons et al., 2004), allerdings gibt es zum Teil große Unterschiede in den verwendeten Landmarks, den zwischen Landmarks gemessenen Strecken (Simmons et al., 2004) und der Formel, mit der ein Gesamt-Index für die Asymmetrie eines Gesichts berechnet wird. In einem Review von 1986 zählten Palmer und Strobeck bereits 22 verschiedene Berechnungsverfahren. Unterschiede sind beispielsweise,

• ob mit den Beträgen oder den Varianzen von Abweichungen gerechnet wird,

• ob berücksichtigt wird, welche Größe ein bestimmtes Merkmal hat (allometry), und wenn ja, wie eine Standardisierung erfolgt (am Individuum oder an der Population) (Leung, 1998)

• ob berücksichtigt wird, dass bei bestimmten Gesichtsmerkmalen Asymmetrien natür-licherweise ausgeprägter sind als bei anderen (Palmer & Strobeck, 1986).

Bei der anthropometrischen Messung von Symmetrie erzielten bisherige Studien manchmal kleine (Baudouin & Tiberghien, 2004; Hume & Montgomerie, 2001; Penton-Voak, Jones et al., 2001; Rhodes, Zebrowitz et al., 2001), seltener mittlere Effektgrößen (Grammer & Thornhill, 1994; Jones et al., 2001; Rikowski & Grammer, 1999; Scheib et al., 1999), am häufigsten aber Nulleffekte (Hönekopp et al., 2004; Jones & Hill, 1993;

Kowner, 1996a; Rhodes, Zebrowitz et al., 2001; Rikowski & Grammer, 1999; Shackelford

& Larsen, 1997; Simmons et al., 2004).

Bei einer solchen Vielfalt unterschiedlicher Methoden – experimentell mit primitiven Chi-märengesichtern oder raffinierten Morphings, korrelativ mit simplen Symmetrie-Ratings oder komplizierten Landmark-Vermessungen – verwundert es nicht, wenn dies zu völlig verschiedenen und teilweise einander widersprechenden Ergebnissen führt. Zusammen-fassend muss festgestellt werden, dass trotz zahlreicher Untersuchungen zum Zusam-menhang von Symmetrie und Attraktivität völlig unklar ist, wie groß der Einfluss von Symmetrie auf die Attraktivitätsbewertung eines Gesichts ist.

4.3 Ziel der Untersuchungen zum Einfluss der Symmetrie und