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Die Einbindung von Praxisakteuren

Das ACRP betont die Bedeutung der Einbindung von Akteuren der Praxis in die Forschungsprojekte.

Dies geschieht in ganz unterschiedlichen Formaten. Zu den von den Befragten häufig genannten Ein-bindungsaktivitäten zählen etwa Workshops (z. B. scoping workshops zur Detailausrichtung der

Forschungsfragen, Befragungen), Expert/inn/eninterviews und die Information (z. B. über Ergebnisse, Publikationen, Veranstaltungen). Bisweilen liefern die Praxisakteure Daten, die für die Forschung un-abdingbar sind, oder sie sind selber Gegenstand der Forschung.

Im Vorfeld der Projekte dient der Kontakt mit der Praxis i. a. der Klärung, ob die Praktiker/innen Inte-resse an den Projektzielen haben. Viele Befragte nutzen die Möglichkeit, das Projekt inhaltlich in der Planung so anzupassen, dass die Ergebnisse für konkrete Anwender tatsächlich nutzbar sind; dies ge-schieht vielfach auch im Projektverlauf:

„Da mussten wir die Logik des Betriebes dort verstehen, damit die Zahlen richtig sind – also ging es gemeinsam mit den Praktikern um Modellevaluierung und Ein-stellung der Parameter.“

Manche der Befragten haben die Praktiker/innen in der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse einbezogen und damit gute Erfahrungen gemacht:

„Wir hatten überraschende Ergebnisse und die Gespräche mit den Praktikern hal-fen uns sehr bei der Interpretation. Für die war das ganz klar.“

In vielen Fällen sind Praktiker/innen auch die möglichen Nutzer/innen der Ergebnisse und damit sind sie für viele der Befragten wichtige Adressaten ihrer Ergebniskommunikation, z. B. über Pressemeldun-gen oder Berichte in angepasster Sprache, die teilweise auch direkt verschickt werden. Hier sind manche der Befragten allerdings zurückhaltend und warten erst auf eine fachliche Validierung durch das Peer Review vor einer wissenschaftlichen Publikation; die dazu nötige Zeit sei andererseits manchen Praxis-akteuren zu lang.

Unseren Befragungen zufolge gibt es auch einige Fälle, wo die Einbindung von Praxisakteuren eher im Hinblick auf die Erfolgsaussichten bei der Projektauswahl gedient hat und in der Praxis eher formal ausgefallen ist. Generell sind diese sogenannten Stakeholder kaum je als echte Partner in die Projekt-konsortien eingebunden. Dies liegt nicht nur an der Programmarchitektur, sondern sicher auch daran, dass für solche Kooperationen auf beiden Seiten großes Vertrauen und spezifische Kompetenzen benö-tigt werden. Die Verbindung zwischen Wissenschaft und industrieller Praxis ist seit über 20 Jahren Gegenstand großer und vielfältiger forschungspolitischer Maßnahmen (vgl. COMET-Zentren, Christian Doppler Labors etc.), so dass dort die Zusammenarbeit inzwischen fast alltäglich ist. Die meisten typi-schen Praxisakteure des ACRP und auch viele Forscher/innen hatten außerhalb des ACRP aufgrund fachlicher und institutioneller Einschränkungen in anderen kooperativen Programmen bisher wenige Möglichkeiten, die transdisziplinäre Forschungszusammenarbeit zu lernen und nutzbringend einzuset-zen. Viele der Befragten mit einschlägiger Erfahrung berichten, dass es mehrere Jahre (d. h. oft auch mehrere Projekte) lang dauern kann, bis man vom ersten Kennenlernen über das Finden einer gemein-samen Sprache zu einer echten Forschungszusammenarbeit gelangt. Gerade bei mehrfach eingebunde-nen Praxisakteuren ist aber ebenfalls Kompetenz in der Zusammenarbeit mit Forscher/inn/en aufge-baut worden und unsere Fallstudien zeigen exemplarisch, dass eine engere Kooperation in echten Part-nerrollen für solche Akteure interessant wäre (und auch im Sinne der Programmziele – siehe dazu un-sere Empfehlungen).

Dass Akteure der Praxis nicht zwangsläufig als echte Partner an einem Projekt teilnehmen müssen (was in anderen kooperativen Programmen oft der Fall ist), erlaubt andererseits nach Einschätzung von Be-fragten eine größere Vielfalt an Kooperationsformen und auch Arbeiten, die noch näher an der Grund-lagenforschung sind und dennoch vom Bezug zur Praxis profitieren.

In den Interviews und Fokusgruppen haben wir nach konkreten Beispielen für Praxisakteuren gefragt, mit denen während des Projekts Kontakte bestanden haben. Die nachstehende Tabelle zeigt einen exemplarischen Überblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Tabelle 12 Beispiele für Adressat/inn/en der Forschungsergebnisse Bereich Art der Institution

Öffentliche Einrichtungen

Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (verschiedene Fachabteilungen)

Klimaschutzkoordinatoren der Bundesländer

Hydrologische Dienste

Behörden für Tourismus

Gemeinden

Katastrophenfonds

Agenturen

Interessensvertretungen und Verbände

Arbeiterkammer

Landwirtschaftskammer

Wirtschaftskammer

Gewerkschaften

Städtebund

Tourismusverbände

Unternehmen

Bauträger

Stahlindustrie

Tourismusbetriebe

Versicherungen

Waldbesitzer

Wasserkraftwerke

NGO und Zivilgesellschaft Katholische Sozialakademie

Klimabündnis

Forschung Andere, nicht beteiligte Fachrichtungen, welche auf den Ergebnissen aufbauen Quelle: Interviews und Fokusgruppen

Viele der Befragten haben über positive Erfahrungen mit der Einbindung von Praxisakteuren berichtet, und zwar besonders dann, wenn sie über längere Zeit, oft über mehrere Projekte hinweg mit den glei-chen Praktiker/inne/n zusammengearbeitet haben.

„Wird im Call gefordert und ist sinnvoll, aber nicht immer leicht zu erreichen. Die Frage ist, wie! Und Wann? Dass die Praxis am Design mitarbeitet, haben wir aus-probiert, das war schwer für die Praktiker, die taten sich leichter, wenn man schon mit etwas Konkretem gekommen ist und sie Feedback geben konnten.“

Anderseits ist die Kooperation mit der Praxis anspruchsvoll und es gibt einige Herausforderungen, über die in Interviews und Fokusgruppen besonders häufig gesprochen wurde, darunter etwa folgende:

• Manche zentralen Akteure werden von vielen Projekten angefragt und können angesichts begrenz-ter Zeit- und Personalressourcen nicht im angestrebten Ausmaß teilnehmen, etwa die Klimaschutz-beauftragten der Länder.

„Wir haben auch nicht so viele Stakeholder in Österreich, die sollte man nicht über-fordern, z. B. die Klimaschutzbeauftragten der Länder, die werden von zig Projek-ten angefragt … Da beobachProjek-ten wir „Stakeholder Fatigue“, weil immer wieder die gleichen Personen eingeladen werden.“

• Die Identifikation mit dem Projekt ist manchmal schwach bzw. nimmt im Lauf der Zeit ab.

„Am Anfang sind oft 15-20 Leute, bei der Endpräsentation nur noch 3-4 – Wegen der langen Zeit, da verliert man die Leute oft.“

• Viele für das ACRP relevante Praxisakteure haben wenig oder keine eigene Forschungspraxis oder Erfahrung mit der Forschung. Sie sind mit den Möglichkeiten und Grenzen der Forschung nicht vertraut und haben bisweilen unerfüllbare oder falsche Erwartungen, etwa zum Verlauf oder zu möglichen Ergebnissen.

„Bei mehrjährigen Projekten haben die Praktiker uns schon gefragt, was macht ihr eigentlich so lange?“

„Die Fragen und Erwartungen, die manchmal aus der Praxis kommen, sind manchmal nicht erfüllbar. Die hätten gerne sehr konkreteres Material. Oft gibt es das aber noch nicht.“

„Ich bekomme viele Fragen aus der Praxis, aber ich bin da sehr vorsichtig, weil selber noch unsicher, was wirklich das Beste ist. Ich habe viel Unterstützung von der Praxis, aber daher auch viel zu verlieren. Muss also sehr vorsichtig sein, was man empfiehlt.“

• Manche Akteure der Praxis sind trotz nachgewiesener Relevanz des Klimawandels für ihre Arbeit schwer zu gewinnen, etwa wenn sie sich selber als Verlierer des Klimawandels sehen.

„Ich beobachte eine zurückhaltende Haltung bei den […], sie glauben, sie können nichts gewinnen, es wird nur negative Nachrichten für sie geben.“

Die Einbindung von Praxisakteuren ist ganz wesentlich eine Frage der Kompetenz und viele der Befrag-ten haben uns berichtet, wie sie mit der Zeit die entsprechenden KompeBefrag-tenzen selber aufgebaut haben oder gezielt über Partner in ihr Konsortium geholt haben. Die Kürzung der zulässigen Projektgröße ist hier ein Problem, weil man damit nicht mehr so leicht solche Partner finanzieren kann; außerdem lassen die tendenziell verkürzten Laufzeiten der Projekte sich schwer mit den oft langwierigen Prozessen trans-disziplinärer Forschung vereinbaren.

Manche der befragten Forscher/innen haben auch auf prinzipielle Grenzen der Forschung hingewiesen:

„Die Wissenschaft beteiligt Stakeholder. Oft ist das sinnvoll. Aber eigentlich müss-ten diese Stakeholder auch in den politischen Prozessen beteiligt werden.“

Wir erachten die Kooperation mit der Praxis als wesentlich für das Erreichen der Ziele des ACRP. Dabei ist es jedoch wichtig zu beachten, dass sich diese Kooperationen auf die Forschung konzentrieren und dass keine genuin klimapolitischen Aufgaben an die Forschungsprojekte delegiert werden dürfen.

8 Kontext und Einbettung des ACRP