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Eigentumswohnung als Bewertungsobjekt .1 Beschreibung der Eigentumswohnung .1 Beschreibung der Eigentumswohnung

Im Dokument Bewertung von Eigentumswohnungen (Seite 96-108)

2.3 Exemplarische Veranschaulichung des Bewertungsmodells

2.3.2 Eigentumswohnung als Bewertungsobjekt .1 Beschreibung der Eigentumswohnung .1 Beschreibung der Eigentumswohnung

Potentielles Investitionsobjekt ist eine Eigentumswohnung im zweiten Obergeschoß ei-nes Mehrfamilienhauses mit neun Wohnungen im nordrhein-westfälischen Viersen. Die 72,5 qm große Dreizimmerwohnung wird vom Eigentümer provisionsfrei zum Verkauf angeboten und liegt in zentraler Lage, nahe der Fußgängerzone der Kleinstadt mit etwa 75.000 Einwohnern. Die Nord-Süd-Autobahn A61 führt in die Fahrtrichtungen Venlo und Koblenz und ist drei Kilometer bzw. fünf Autominuten entfernt. Die Auffahrt zur Autobahn A52 in ost-westliche Richtung nach Roermond bzw. Düsseldorf liegt fünf Kilometer bzw. sieben Minuten entfernt.

Das Gebäude wurde 1968 errichtet, es gibt es keinen auffälligen Sanierungsstau. Von der Straßenseite gesehen bietet es keinen besonderen Glanz. Die vielen Bäume entlang der Straße wirken diesem unauffälligen Eindruck positiv entgegen. Die Parkplatzsitua-tion ist schlecht, aber auf dem Grundstücksteil hinter dem Gebäude befindet sich der Garten, der links über eine große Wiese und rechts über je eine Garage pro Wohneinheit verfügt.366 Eine Besonderheit ist, daß es sich um zwei miteinander verbundene Reihen-häuser handelt, der Durchgang zwischen den beiden TreppenReihen-häusern ist über den Kel-lerflur möglich. Im Gebäude befindet sich außerdem eine Arztpraxis. Der ständige Kun-denverkehr im Treppenhaus steigert zwar den Reinigungsbedarf, kann aber hinsichtlich Einbruchsschutz als positiv gewertet werden, weil die starke Frequentierung viele Be-obachter mit sich bringt und Einbrecher abschreckt, während Treppenhäuser von reinen Wohngebäuden die meiste Zeit des Tages verwaist sind. Die Innenausstattung der seit kurzem leerstehenden Wohnung ist zwar nicht modern, aber gut erhalten und zumindest nicht abschreckend. Sie besteht aus Innentüren und Fenstern mit braunen Holzrahmen, hellbraunem Parkett sowie Rauhfasertapete. Heutzutage verwendet man häufig großflä-chige Fliesen anstatt Holzböden und weiße Türen mit Beschlägen aus Edelstahl. Die

365 Vgl. TOLL/HERING (2017), S. 475.

366 Der Garten einer WEG ist Gemeinschaftseigentum, weil er nicht räumlich abgeschlossen und damit nicht sondereigentumsfähig ist, vgl. SCHNEIDER (2017), Rn. 51 ff. Grundsätzlich kann die Teilungs-erklärung jedoch ein Sondernutzungsrecht am Garten bzw. dessen Teilflächen zugunsten bestimmter Eigentümer begründen, vgl. MÜLLER (2015b), Rn. 8. Wenn dies nicht geschieht, werden Gemein-schaftsgärten in der Praxis selten von jemandem genutzt und dienen nur der – hier durchaus schönen – Aussicht. Einen Überblick zu den Rechten und Pflichten der Eigentümer am Gemeinschaftsgarten gibt SUILMANN (2018c), Rn. 39 f.

Wohnung könnte renoviert werden, weil sie modische Anforderungen nicht erfüllt.367 Dies ist jedoch Geschmackssache. Es besteht zumindest kein zwangsläufiger Renovie-rungsbedarf.368 Präferenzen und Bedürfnisse möglicher Mieter sind unterschiedlich und es ist wichtig, sich nach diesen zu richten.369 Die Wohnung erscheint dem Investor für die ländliche Gegend geeignet und vermarktungsfähig, zumal das Badezimmer in den 90er Jahren in weißer Farbe renoviert wurde. Es gibt also keine farbig abschreckenden Fliesen. Erfreulicherweise ist ein Balkon mit Markise vorhanden, von dem man Vögel und Bäume auf der Wiese hinter dem Gebäude beobachten kann.

Ältere Gebäude müssen keine schlechten Investitionsobjekte sein. Ganz im Gegenteil:370 Insbesondere bei Neubauten drohen ausufernde Wartungskosten, wenn umfangreiche technische Ausstattung vorhanden ist. Dem Verfasser ist aus seiner Tätigkeit als WEG-Verwalter ein Neubau-Wohngebäude mit Tiefgarage bekannt. Letztere verfügt u.a. über vielfältige Brandschutztechnik und zieht enorme Kosten nach sich.371 Sind zudem Auf-züge vorhanden, finden quartalsweise Wartungen und jährliche TÜV-Prüfungen statt.372

367 Zur Wohnwertverbesserung durch Renovierung und Modernisierung vgl. SCHULZE/STEIN/TIETGEN/ MÖLLER (2017), S. 84, KRÜGER/ROSDÜCHER (2017), S. 574.

368 Zwar warnen SCHULZE/STEIN/TIETGEN/MÖLLER vor der schlechteren Vermarktungsfähigkeit älterer Bausubstanz, weisen jedoch darauf hin, daß auch energetische Sanierungen oft zuviel des Guten sind und die Vermietbarkeit sogar verschlechtern können, vgl. SCHULZE/STEIN/TIETGEN/MÖLLER (2017), S. 122 f., vgl. ähnlich auch NIERMANN/SCHNUR/DRILLING (2014), S. 19, dort in Bezug auf Mieterhö-hungen nach § 559 BGB im Nachgang energetischer Investitionen und ihrem Konfliktpotential, weil sie – entgegen der Idealvorstellung – nicht immer korrespondierende Nebenkostenersparnisse mit sich bringen.

369 Zu Vermietbarkeit, Mieterpräferenzen, subjektivem Geschmack und Emotionalität vgl. WURZEL (2018), S. 10, BRAMMER/DZIOMBA (2018), S. 999 f. Zur starken Abhängig der Zielgruppe von der Mikrolage vgl. SCHARMANSKI/WIENCKE (2017), S. 732 ff. Zur Duldungspflicht des Vermieters bei der Gestaltung der Wohnung durch den Mieter (und deren Grenzen) vgl. HÄUBLEIN (2016a), Rn. 75.

370 Zum Vergleich „Neubau oder Gebrauchtobjekt“ vgl. SCHULZE/STEIN/TIETGEN/MÖLLER (2017), S. 16 ff.

371 In der Tiefgarage des Gebäudes befinden sich 11 Doppel- und 16 Einzelstellplätze. Die Nebenkosten (nicht Miete!) pro Einzelstellplatz lagen für das Gesamtjahr 2018 bei etwa 500 EUR, bei Doppel-stellplätzen waren es ca. 840 EUR. Grund für die extremen Kosten ist – neben gewöhnlichen Grund-besitzabgaben, Verwaltungs- und Hausmeisterkosten – vor allem umfangreiche Gebäudetechnik.

Insgesamt entfielen 2018 auf die gesamte Tiefgarage etwa 4.100 EUR Beleuchtungskosten, 4.300 EUR planmäßige Wartungskosten für die Sprinkleranlage zzgl. 400 EUR für deren TÜV-Prüfung, 1.000 EUR für planmäßige Wartung der Tiefgaragenabluftanlage, 200 EUR planmäßige Wartung des Tiefgaragentors sowie 200 EUR Kosten der TÜV-Prüfung von Notbeleuchtung und ihrer Strom-versorgung, in Summe 10.200 EUR für 38 Stellplätze. Auf Tiefgarage und Wohngebäude gemein-sam entfielen weitere Kosten: Etwa 700 EUR planmäßige Wartungskosten für die Brandmeldeanlage sowie 3.300 EUR für deren Aufschaltung zur Feuerwehr sowie 800 EUR planmäßige Wartungsko-sten der Brandschutzklappen, in Summe nochmals 4.800 EUR. Diese laufenden WartungskoWartungsko-sten be-inhalten keinerlei Reparaturen und keinerlei außerplanmäßige Kosten.

372 Zu Aufzugskosten vgl. LANGE (2018), S. 566, zu Betreibervorschriften vgl. FRITSCH (2018), Rn. 814 ff. Im vorgenannten Mehrfamilien-Doppelhaus befinden sich zwei Aufzüge. Die Kosten ei-nes Aufzugs lagen im Gesamtjahr 2018 bei ca. 3.800 EUR für planmäßige Wartung zzgl. 350 EUR für die Zwischenprüfung durch den TÜV sowie 550 EUR Stromkosten. Das vorgeschriebene, von

Das Viersener Gebäude hingegen verfügt – abgesehen von Heizung und Dach – über keinerlei Anlagen mit Wartungsaufwand.373 Angelehnt an Gliederungspunkt 2.2.3.2.3 nimmt der Investor eine Einordnung der Wohnung anhand dort genannter Merkmale vor. Diese sind in Tabelle 10 zusammenfassend dargestellt:

Merkmal Merkmalsausprägungen

Gesamte Immobilie

Lage  Fußläufige Nähe zur Fußgängerzone.

 Schlechte Parkplatzsituation.

 Kreisangehörige Stadt Viersen, 75.000 Einwohner.

Gebäudedaten  Bestandsgebäude, Baujahr 1968.

 Neun Wohn- bzw. Teileigentumseinheiten.

 691,25 qm Gesamtwohnfläche.

 1.282,10 qm Grundstücksfläche.

Sondereigentum

Wohnungsdaten  2. OG links.

 72,56 qm Wohnfläche.

 104,97/1.000stel Miteigentumsanteile.

Nutzungsart  Wohneinheit einschließlich Garage.

Sanierungsbedarf  Nicht modern, aber nicht zwingend renovierungsbedürftig.

Derzeitige Nutzung  Leerstehend, grundsätzlich vermietbar.

Gemeinschaftseigentum

Nutzungsart  Gemischt genutztes Gebäude (Arztpraxis im EG).

Sanierungsbedarf,

Wartungsintensität  Alterstypisch durchschnittlicher Instandhaltungsbedarf.

 Außer Dach und Zentralheizung keinerlei Wartungsaufwand.

Besonderheiten  Viele Bäume im Garten.

 Zwei Doppelhaushälften.

Tabelle 10: Merkmale der exemplarischen Eigentumswohnung

2.3.2.2 Prognose des Zahlungsstroms der Eigentumswohnung 2.3.2.2.1 Zahlungen im Investitionszeitpunkt

Wie bereits in Unterabschnitt 2.2.3.3 erfolgt auch hier eine Einordnung nach der Zeit:

Im Entscheidungszeitpunkt t = 0 findet lediglich die Zahlung des Kaufpreises statt, die nicht Eingangsdatum, sondern Ergebnis der Rechnung ist. Die Wohnung wird provisi-onsfrei durch den Eigentümer verkauft, daher ist nicht mit Maklercourtage zu rechnen, sondern nur mit Grunderwerbsteuer, Notar- und Grundbuchkosten. Diese summieren

beiden Aufzügen genutzte Notrufsystem rief Telefonanschlußkosten von 450 EUR zzgl. 1.200 EUR für die Aufschaltung zur Notrufzentrale hervor.

373 Ausufernde Gebäudetechnik kann ein Gebäude aufgrund hoher Folgekosten unattraktiv machen, vgl.

LANGE (2019), S. 503. Zu Erst- und Folgekosten im Spannungsfeld zwischen vermiedener und aus-ufernder technischer Gebäudeausstattung bei Neubauten vgl. KURZROCK (2017a), S. 439.

sich insgesamt auf etwa acht Prozent des Kaufpreises.374 Entsprechend ist der Entschei-dungswert um den Faktor 1,08 zu bereinigen.

2.3.2.2.2 Zahlungen während der Investitionsdauer

Zuerst sammelt der Investor ortsübliche Durchschnittsdaten, bevor er im folgenden Schritt eine Individualisierung mit Hilfe einer Nutzwertanalyse vornimmt. Zu den wich-tigsten Erfolgsdeterminanten zählen die laufenden Mieteinnahmen. Ausgangspunkt von deren Prognose ist die durchschnittliche Kaltmiete pro Quadratmeter. Obwohl ein Miet-spiegel für die Stadt Viersen verfügbar ist, erscheinen dessen Daten dem Investor zu undifferenziert und zu alt.375 Er hält es für zielsetzungsgerechter, im Netz auf den gän-gigen Portalseiten nach Inseraten von mehr oder weniger vergleichbaren Objekte zu su-chen.376 Damit die Suchergebnisse der Eigentumswohnung in möglichst vielen Merk-malen ähnlich sind, verwendet er die in Tabelle 11 abgebildeten Kriterien.

Suchparameter: Merkmalsausprägung:

Baujahr bis: 1997 (≥20 Jahre alt)

Etage bis: 4

Zimmer von: 3 Zimmer bis: 3 Quadratmeter von: 65 Quadratmeter bis: 75

Ort: Viersen (Stadt)

Tabelle 11: Suchparameter für vergleichbare Eigentumswohnungen

Es erscheinen acht Suchergebnisse. Für den Investor erscheint die vergleichsweise ge-ringe Trefferzahl nachrangig, Nähe und Ähnlichkeit zum Bewertungsobjekt sind ihm wichtiger. Deren Mittelwert hinsichtlich Kaltmiete pro Quadratmeter beträgt 5,92 EUR.

Diesen Mietpreis rechnet er auf 72,56 qm und 12 Monate hoch und prognostiziert jähr-liche (Kalt-) Mieteinnahmen von 5.155,91 EUR.

Den auf den Mieter umlagefähigen Anteil des Hausgelds, also Heiz- und Betriebskosten, entnimmt er den vergangenen Jahresabrechnungen und bildet deren arithmetisches Mit-tel. Es ergibt sich ein Jahreswert von 1.830,07 EUR. Es wird unterstellt, daß diese Ko-sten vollständig an den Mieter weitergegeben werden können. Den nicht umlagefähigen Teil des Hausgelds schätzt der präsumtive Käufer, wobei er eine Differenzierung nach Instandhaltungs- und übrigen Kosten vornimmt:377 Für die jährlichen Instandhaltungs-kosten setzt er den Durchschnittswert aus der II. Berechnungsverordnung an. Er beträgt 11,50 EUR pro Quadratmeter und Jahr.378 Multipliziert mit der Fläche der Wohneinheit

374 Vgl. Gliederungspunkt 2.2.3.3.1.

375 Siehe Gliederungspunkt 2.2.3.3.3.1.

376 Deutschlandweite Portale für Vermietung und Verkauf von Wohnungen und Häusern sind z.B.

Immobilienscout, Immowelt und Immonet, vgl. dazu BRAUER (2019a), S. 13.

377 Zu diesen Kosten vgl. Gliederungspunkt 2.2.3.3.2.2.

378 Vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 3 II. BV, vgl. auch Gliederungspunkt 2.2.3.3.2.2.

ergibt dies Instandhaltungskosten von 834,44 EUR p.a. Die übrigen nicht umlagefähi-gen Kosten übernimmt er aus Durchschnittswerten verganumlagefähi-gener Jahresabrechnunumlagefähi-gen.

Auf die Wohneinheit entfiel ein jährlicher Mittelwert von 363,52 EUR. Der Bezugsbasis einer jeden Position gebührt größte Aufmerksamkeit, damit sich bei der Hochrechnung keine Fehler einschleichen: Die Kaltmiete bezieht sich auf Quadratmeter und Monat, die Instandhaltungskosten auf Quadratmeter und Jahr, sonstige nicht umlagefähige Kosten beziehen sich auf Wohnung und Jahr. Als Eingangsdaten für die jährlichen Zahlungs-ströme werden jährliche Gesamtwerte benötigt. Es ergibt sich folgende Prognose:

Mietertrag:

5,92 EUR ∙ 72,56 qm ∙ 12 Monate = 5.155,91 EUR Umlagefähige Betriebskosten:379

−1.830,07 EUR ∙ 0

12 Monate = 0,00 EUR Nicht umlagefähige Nebenkosten (ohne Instandhaltung):

−363,52 EUR =−363,52 EUR

Nicht umlagefähige Nebenkosten (nur Instandhaltung):

−11,50 EUR ∙ 72,56 qm =−834,44 EUR

Zahlungsstrom: = 𝟑. 𝟗𝟓𝟕, 𝟗𝟓 𝐄𝐔𝐑

2.3.2.2.3 Nutzwertanalyse zur Anpassung von Durchschnittswerten an den Einzelfall Dem Investor ist bewußt, daß diese Werte viel zu pauschal sind. Er hält ihre Anpassung mit Hilfe einer Nutzwertanalyse für erforderlich, um objektindividuellen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und diese in die Bewertung einfließen zu lassen. Dazu erstellt er eine Liste von Kriterien, welche die Zahlungsströme seiner Meinung nach beeinflussen können und gruppiert sie in folgende sechs, möglichst homogene Kategorien:380

 Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwaltung,

 Bauqualität,

 Zustand und Erneuerungsbedarf,

 Ausstattung,

 Standortfaktoren unmittelbare Umgebung sowie

 Standortfaktoren Großraum.

Von den Kategorien erwartet der Investor in unterschiedlichem Maße Einfluß auf die beiden Rechtssphären Mietvertrag und Wohnungseigentümergemeinschaft, weshalb sich die Berechnung von zwei Nutzwerten anbietet. Jede Kategorie wirkt sich entweder

379 Mögliche Leerstände werden vorerst ausgeblendet. Deren Berücksichtigung erfolgt im nächsten Gliederungspunkt durch Anwendung einer Nutzwertanalyse.

380 Die vollständige Liste mit sämtlichen Kriterien befindet sich im Anhang 1.

auf den Nutzwert MH (für Miethöhe), auf den Nutzwert NUNK (für nicht umlagefähige Nebenkosten) oder auf beide Nutzwerte aus. Sicherlich ist auf einem unvollkommenen Markt keine trennscharfe Zuordnung möglich, zumal zahlreiche Interdependenzen exi-stieren. Dies ist dem Investor klar, letztlich ist die Auswirkung eines Kriteriums ebenso subjektiv wie auch deren Gewichtung. Er legt folgende Zuordnung fest:

 Die Kategorie Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwaltung beeinflußt das Miteinander und somit die Fähigkeit aller Beteiligten, sich bei Problemen koopera-tiv zu verständigen, anstatt in endlosen Debatten oder Blockadehaltungen zu ver-sinken.381 Durch diese Kategorie werden u.a. Hausgeldrückstände, Sanierungsstau und die Gefahr von kostenintensiven Rechtsstreitigkeiten innerhalb der WEG be-wertet. Diese erste Kategorie ordnet er ausschließlich dem Nutzwert NUNK zu.382

 Die Kategorien Bauqualität sowie Zustand und Erneuerungsbedarf hält er für so-wohl vermietungsrelevant als auch bedeutsam in Hinblick auf nicht umlagefähige Instandhaltungskosten. Das Erscheinungsbild des Gebäudes ist für den ersten Ein-druck bei neuen Mietinteressenten bedeutsam.383 So kann man bei der Vermarktung der Wohnung entweder mit gehobener Bauqualität oder niedrigen, vom Mieter zu tragenden Wartungskosten werben. Die Frage ist auch für den Vermieter von Inter-esse: Sanierungsstau kann Folgeschäden und somit Mietminderungen innerhalb des Sondereigentums verursachen und so zu einem finanziellen Schaden führen.

 Die Kategorien Ausstattung und Standortfaktoren unmittelbare Umgebung sowie Standortfaktoren Großraum besitzen aus Sicht des Investors ausschließlich einen Stellenwert bei der Vermarktung gegenüber potentiellen Mietern.384 Wenn das Um-feld ansprechend, eine gute Verkehrsanbindung vorhanden und viele Freizeit- und Versorgungsmöglichkeiten in der Nähe verfügbar sind, ist die Nachfrage c.p. höher.

Eine hochwertige Ausstattung des Gebäudes tut ihr Übriges.

Tabelle 12 zeigt die Zuordnung der Kategorien zu beiden Einflußbereichen. Die voll-ständigen Kriterien, deren Gewichtungen und Wertungen sind im Anhang 1 zu finden, ebenso wie die schrittweise Ermittlung der Teilnutzwerte und die anschließende Berech-nung beider Gesamtnutzwerte.

381 Zur Relevanz einer guten Nachbarschaft und deren Auswirkungen auf Lebensqualität, Wohnzufrie-denheit und Immobilienwert vgl. KEMPER/SCHÖFFEL (2014), S. 203.

382 Eine komplizierte Wohnungseigentümergemeinschaft kann regelmäßig weitere Kosten verursachen, z.B. Sonderhonorare der Verwaltung oder Anwalts- und Gerichtskosten, vgl. dazu 2.2.3.3.3.2.

383 Zum hohen Stellenwert des subjektiven Geschmacks bei Vermietung und Verkauf von Immobilien vgl. SCHULZE/STEIN/TIETGEN/MÖLLER (2017), S. 84, WURZEL (2018), S. 10.

384 Auch zum Folgenden vgl. NIERMANN/SCHNUR/DRILLING (2014), S. 14, FELDMANN/GERSTNER/ HOFMANN/ISENHÄFER/SEGERER/VÄTH (2016), S. 392 f., SCHÜRT (2017), S. 75.

Kategorien der Nutzwertanalyse: Relevanz?

Wohnungseigentümergemeinschaft und Verwaltung:

 Von Eigentümern abhängige Faktoren,

 von Verwaltung abhängige Faktoren,

 von Eigentümern und Verwaltung gemeinsam abhän-gige Faktoren,

 Gesamtgebäude und Grundstück,

 Wohneinheit.

Relevant für MH Standortfaktoren unmittelbare Umgebung:

 Straße und unmittelbare Nachbarschaft,

 Infrastruktur,

Die Berechnung ergibt die beiden Nutzwerte MH (2,12) und NUNK (2,16), die in den folgenden Tabellen wiedergegeben sind.385

Die einzelnen Kategorien: Relevant? Kategorie-

Gewicht Tabelle 13: Berechnung des Nutzwerts MH

385 Der Rechenweg im Detail ist in Anhang 1 zu finden.

Die einzelnen Kategorien: Relevant? Kategorie-

Gewicht

Kategorie-Nutzwert Teilnutzwert

WEG und Verwaltung ja 63 2,5714 0,9529

Bauqualität ja 63 1,9841 0,7353

Zustand und Erneuerungsbedarf ja 44 1,8182 0,4706

Ausstattung nein - - -

Standortfaktoren

unmittelbare Umgebung nein - - -

Standortfaktoren Großraum nein - - -

Nutzwert NUNK: 2,1588 Tabelle 14: Berechnung des Nutzwerts NUNK

Die gewonnenen Nutzwerte sind auf einen Wertebereich zwischen null und vier nor-miert. Zur situationsspezifischen Anpassung der durchschnittlichen Vergleichswerte an die vorliegende Immobilie werden sie in die gleichnamigen Faktoren MH und NUNK sowie in den Faktor MOL (für Monate ohne Leerstand) überführt, Tabelle 15 zeigt Re-chenweg und Ergebnisse.386

Kennzahl Berechnung Ausprägung Wertebereich

MH (NWMH∙ 0,1 + 0,8) ∙ 100 101,23% 80% - 120%

MOL (wenn NWMH< 1 dann NWMH∙ 10,5

sonst 10,5 + (NWMH− 1) ∙ 0,5) 11,06 Mon. 0 - 12 Mon.

NUNK (2 − [NWNUNK∙ 0,50]) ∙ 100 92,06% 0% - 200%

Tabelle 15: Berechnung von Kennziffern auf Nutzwertbasis

Mit diesen Kennzahlen können nun die auf Durchschnittswerten basierenden Zahlungs-ströme an das vorliegende Gebäude angepaßt werden. Zunächst wird die ortsübliche Kaltmiete mit dem Faktor MOL multipliziert. Dieser deutet auf jährlich ca. elf Monate ohne Leerstand hin. Anschließend wird die Miete mit dem Faktor MH multipliziert, der eine Miethöhe von rund 101 Prozent eines Vergleichs- oder Durchschnittswertes signa-lisiert und somit zu keiner wesentlichen Veränderung der durchschnittlichen Zahlungs-ströme führt.387 Es ergibt sich eine jährliche Kaltmiete von 4.810,95 EUR.

Durch den Faktor MOL verändert sich die Bedeutung umlagefähiger Nebenkosten. Der Investor geht nun von jährlich knapp einem Monat Leerstand aus und muß den entspre-chenden Teil der umlagefähigen Betriebskosten selbst tragen. Die aus dem Durchschnitt vergangener Jahresabrechnungen ermittelten Kosten von 1.830,07 EUR werden mit 0,94 Monaten Leerstand multipliziert und führen zu einer jährlichen Belastung in Höhe von 143,15 EUR. Der Wert der Instandhaltungskosten von 11,50 EUR aus der II. BV

386 Vgl. auch Gliederungspunkt 2.2.3.3.3.3.

387 Auch die Erkenntnis, daß man einen Umweg nicht benötigt hätte, kann das Ergebnis einer Analyse sein. Angesichts der Tragweite der Entscheidung darf der Investor trotzdem nicht einfach abwarten, welche Werte sich einstellen, und sich bis dahin mit ungenauen Durchschnittsdaten zufrieden geben.

Aufgrund von Hebeleffekt und hoher Kapitalbindung ist eine sorgfältige Analyse erforderlich, um eine Vorstellung zu erlangen, inwieweit sich die Daten in die Zukunft hochrechnen lassen. Ähnlich, jedoch bzgl. zukünftiger Zahlungsströme im Allgemeinen, äußert sich HERING (2017), S. 402.

ist höchst pauschal.388 Er wird mit dem Faktor NUNK angepaßt, der einen überdurch-schnittlich guten Wert aufweist und auf nicht umlagefähige Nebenkosten von nur rund 92 Prozent eines Vergleichs- oder Durchschnittswertes hindeutet. Für diese ergibt sich ein jährlicher Wert von 768,18 EUR. Der Betrag nicht umlagefähiger Kosten (ohne In-standhaltungsaufwand) wird nicht angepaßt, weil der durchschnittliche Jahreswert von 363,52 EUR aus Vergangenheitswerten des Bewertungsobjekts gewonnen wurde. In Summe ergibt sich ein zu erwartender Zahlungsstrom in Höhe von 3.536,10 EUR jähr-lich, wie folgende Rechnung zeigt:

Mietertrag:

5,92 EUR ∙ 72,56 qm ∙ 11,06 Monate ∙ 101,23% = 4.810,95 EUR Umlagefähige Betriebskosten (bei Leerstand):

−1.830,07 EUR ∙0,94

12 Monate =−143,15 EUR Nicht umlagefähige Nebenkosten (ohne Instandhaltung):

−363,52 EUR =−363,52 EUR

Nicht umlagefähige Nebenkosten (nur Instandhaltung):

−11,50 EUR ∙ 72,56 qm ∙ 92,06% =−768,18 EUR

Zahlungsstrom: = 𝟑. 𝟓𝟑𝟔, 𝟏𝟎 𝐄𝐔𝐑

Beide Nutzwerte weisen mit 2,12 bzw. 2,15 von maximal 4,00 Punkten ein leicht über-durchschnittliches Niveau auf. Dennoch wundert es nicht, daß die erwarteten jährlichen Zahlungsüberschüsse um knapp 400 EUR niedriger sind als in der vorangegangenen durchschnittlichen Berechnung. Dort wurde schließlich von vollen zwölf Monaten ohne Leerstand ausgegangen. Daß es sich um einen unrealistischen Wert handelte, war dem Investor bereits klar. Ähnliche Überlegungen führten ja gerade zur Notwendigkeit, eine Nutzwertanalyse zur Anpassung der Daten zu verwenden. Insoweit handelte es sich zu-vor um eine unfertige Datenbasis, die nun verbessert bzw. vervollständigt wurde.

2.3.2.2.4 Zahlungen am Planungshorizont

Wie bereits erwähnt, geht der Investor von einer 50-jährigen Nutzungsdauer der Eigen-tumswohnung aus und unterteilt den Planungshorizont in eine zehnjährige Detailpla-nungsphase, gefolgt von einer vierzigjährigen Grobplanungsphase.389 Die Zielvorstel-lung eines möglichst langfristigen und gleichmäßigen Zusatzeinkommens, auch bis ins

388 Vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 3 II. BV. Dieser Wert ist für Gebäude vorgesehen, die älter als 32 Jahre sind.

Für Gebäude im Alter zwischen 22 und 32 Jahren nennt das Gesetz Kosten von 9 EUR pro qm, und bei Gebäuden, die jünger als 22 Jahre sind, beträgt der Wert 7,10 EUR, vgl. ebd.

389 Vgl. Gliederungspunkt 2.3.1.

Rentenalter hinein, widerspricht dem Gedanken, die Wohnung am Ende des Planungs-horizonts zu verkaufen.390 Daher ist kein Restwert im Sinne eines fiktiven Verkaufser-löses anzusetzen, sondern der Barwert der Mietüberschüsse jenseits des Detailplanungs-horizonts in t = 10. Aufgrund der Abhängigkeit vom Entscheidungsfeld muß der Investor den Zinssatz zur Berechnung des Barwertfaktors schätzen und dabei auf die Verzinsung potentieller Grenzobjekte abstellen.391 Wie bereits in Abschnitt 2.3.1 erläu-tert, zieht er einen zweiprozentigen Zinssatz heran, daraus ergibt sich ein Barwertfaktor von

1,0240− 1

0,02 ∙ 1,0240= 27,36.

Die gleichbleibenden periodischen Zahlungsüberschüsse, die man ab der elften Periode erwartet, sind zur Berechnung des Barwerts mit diesem Faktor zu multiplizieren. Der anzusetzende Restwert am Detailplanungshorizont beträgt somit 3.536,10 ∙ 27,36 = 96.747,70 EUR. Er repräsentiert alle Zahlungen ab der elften Periode und wird bereits in der zehnten Periode in Form einer zusätzlichen Einzahlung angesetzt. Weil die Ei-gentumswohnung einen uniformen Zahlungsstrom hervorruft, kann hierfür der Fak-tor 27,36 + 1 = 28,36 angewendet werden.

2.3.3 Entscheidungsfeld als Bewertungsrahmen

Welche zusätzlichen Objekte, Handlungsoptionen und Restriktionen im Entscheidungs-feld des Bewertungssubjekts aus seiner Sicht bedeutsam sind, ist Gegenstand der fol-genden Ausführungen. Die für Konsumzwecke verfügbaren Zahlungsüberschüsse bt des Investors entstammen seinem Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit abzgl.

Steuern, Sozialabgaben und Lebenshaltungskosten.

In der Beispielsituation wird von einem genau durchschnittlichen Bruttoeinkommen ausgegangen, welches laut dem Statistischen Bundesamt 52.044 EUR p.a. beträgt.392 Davon sind Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 20.455,19 EUR p.a. abzuziehen.393 So wird ihm ein jährliches Nettoeinkommen von 31.588,81 EUR ausgezahlt. Gleich-wohl steht ihm dieser Betrag noch nicht zur freien Verfügung, denn Privatpersonen kön-nen sich nur innerhalb bestimmter Grenzen für oder gegen Konsumausgaben entschei-den. Man spricht von Lebenshaltungskosten, welche der Investor noch von seinem

In der Beispielsituation wird von einem genau durchschnittlichen Bruttoeinkommen ausgegangen, welches laut dem Statistischen Bundesamt 52.044 EUR p.a. beträgt.392 Davon sind Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 20.455,19 EUR p.a. abzuziehen.393 So wird ihm ein jährliches Nettoeinkommen von 31.588,81 EUR ausgezahlt. Gleich-wohl steht ihm dieser Betrag noch nicht zur freien Verfügung, denn Privatpersonen kön-nen sich nur innerhalb bestimmter Grenzen für oder gegen Konsumausgaben entschei-den. Man spricht von Lebenshaltungskosten, welche der Investor noch von seinem

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