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6. Diskussion

6.1 Testgüte des Messverfahrens (F1)

6.1.2 Dynamische Validität

Eine rein statische Bestimmung der Validität ist zur Schätzung der Messgenauigkeit innerhalb einer dynamischen Situation allerdings unzureichend. Weitere dynamische Messungen an Schuhleisten mit definierten Geschwindigkeiten sind durchgeführt worden, um den Einfluss der Dynamik berücksichtigen zu können. Die Ergebnisse zeigen eine Abnahme der Datenqualität (Anzahl der Punkte) und eine Unterschätzung der tatsächlichen Fußlänge mit steigender Objektgeschwindigkeit (Abbildung 28). Es besteht eine Diskrepanz zwischen der technisch möglichen und der erforderlichen Geschwindigkeit zur Aufnahme des Fußes, was zu einer Einschränkung der auswertbaren Standphasen führt (siehe Tabelle 21).

Begründet werden kann diese Limitierung durch die in dieser Arbeit gewählte Messtechnologie der Multiplex-Kodierung. Wie in Abschnitt 4.4 erläutert, wird mit dieser Technik eine Serie von Einzelaufnahmen benötigt, um ein 3D-Bild zu generieren (Frankowski et al., 2000; Hoefling, 2004). Bewegt sich das aufzunehmende Objekt oder Teile des Objektes während der Serie der Einzelaufnahmen zu schnell, kann es zu Datenverlusten kommen. Dies tritt in den vorliegenden Untersuchungen insbesondere in der Phase des Ersten

Fersenkontaktes im Bereich des Vorfußes durch eine schnelle Plantarbewegung als auch in der Phase der Fersenablösung im Fersenbereich auf. Abbildung 69 bis Abbildung 71 im Anhang verdeutlichen, dass insbesondere die Randbereiche von der abnehmenden Datenqualität bei erhöhter Objektgeschwindigkeit betroffen sind. Hall-Holt und Rusinkiewicz (2001) verwenden ebenfalls das Verfahren der Multiplex-Kodierung und beschreiben eine maximal zulässige Geschwindigkeit des Objektes von lediglich 0.01m/s. Bei vier projizierten Streifenlichtmustern innerhalb eines 3D-Bildes ergibt sich die maximal zulässige Geschwindigkeit des Objektes durch die Streifenbreite, welche die örtliche Auflösung definiert und deshalb möglichst gering sein sollte. Bewegt sich das Objekt schneller als ein Viertel der Streifenbreite innerhalb eines Bildes, kommt es zu Kodierungsproblemen und damit zu Datenverlusten (Hall-Holt & Rusinkiewicz, 2001).

Möglichkeiten der Systemoptimierung

Mögliche Ansätze zur Optimierung der dynamischen Eigenschaften des Systems sind die weitere Herabsetzung der örtlichen Auflösung (z.B. 4x4 Binning Modus), die Verwendung höherfrequenter Kameraeinheiten (z.B. 500 Hz Kameras) sowie die Herabsetzung der Anzahl der benötigten Einzelaufnahmen zur Erzeugung eines 3D-Bildes (z.B. 3 Frames/ Bild). Aus diesen Maßnahmen resultieren allerdings Nachteile, die abzuwägen sind.

Die Minimierung der örtlichen Auflösung des Fußscanners bewirkt im Verhältnis zum Verzicht der Punktdichte lediglich eine geringe Optimierung der dynamischen Eigenschaften.

Bei einer 16-fachen Pixelvergrößerung im 4x4 Binning Modus kann die Messfrequenz etwa um das 1.25-fache gesteigert werden. Höherfrequente Kameraeinheiten sind hingegen sehr kostenintensiv, insbesondere in einem Mehrkamerasystem. Zudem werden mit der Verkürzung der Belichtungszeiten bei hochfrequenten Kameras, verkürzte Öffnung der Kamerablende, höhere Lichtintensitäten der Projektoreinheit notwendig, die mit der verwendeten LED momentan nicht erreicht werden könnten. Die Reduzierung der Bildsequenzen zur Generierung der 3D-Information ist mit einem Verlust der Tiefeninformation verbunden.

Die dargestellten Maßnahmen haben somit nur einen geringen Effekt auf die Optimierung der dynamischen Eigenschaften des Systems und können die Diskrepanz zwischen der technisch messbaren Objektgeschwindigkeit von 0.35 m/s bis 0.40 m/s und der tatsächlichen Geschwindigkeit von 2.5 m/s bis 3.5 m/s momentan nicht vollständig ausgleichen.

Folglich muss diskutiert werden ob diese messtechnischen Grenzen für die Beschreibung der dynamischen Fußform tolerierbar sind und ob es messtechnische Alternativen gibt.

Kapitel 6: Diskussion Beurteilung der alternativen Messmethoden

Die in der Literatur beschriebenen und im Unterabschnitt 2.1.2 dargestellten alternativen Messtechnologien der passiven Stereogrammetrie (Coudert et al., 2006; Kouchi et al., 2009;

Wang et al., 2006) , der aktiven Triangulation mit direktem Kodierungsansatz (Kimura et al., 2009; 2011) und der Time of Flight Methode (Oggier et al., 2010) benötigen lediglich ein Kamerabild zur Erfassung der dreidimensionalen Information eines Objektes. Somit ist die zulässige Objektgeschwindigkeit bei diesen Verfahren in erster Linie von der Messfrequenz der Kamera abhängig. Allerdings sind die Vorteile der höheren Zeitauflösung mit strengen Bedingungen an das aufzunehmende Objekt verbunden (siehe Tabelle 3). Insbesondere die ungleichmäßig reflektierenden Oberflächen und die mangelnde Struktur des Fußes schränken die Verwendung dieser Systeme zur Erfassung der menschlichen Fußform ein und beeinflussen die Messgenauigkeit negativ (Coudert et al., 2006; Kimura et al., 2009). In den vorliegenden Untersuchungen wurden jedoch keine Angaben zur dynamischen Validität der verwendeten Messsysteme gemacht (Coudert et al., 2006; Kimura et al., 2008; 2009; Subke, Kolling, Griesemann, Kleinau & Staudt, 2009; Wang et al., 2006). Zudem sind in den Arbeiten unterschiedliche Ansätze verfolgt worden, um eine Aussage über die Validität der Messverfahren treffen zu können, was den Vergleich der Messgenauigkeit erschwert.

Kimura et al. (2009) verwendeten zur Validierung des Systems ebenfalls rigide Schuhleisten aus Kunststoff. Das Objekt wurde zur Bestimmung der Messgenauigkeit in unterschiedlichen Positionen der relevanten Standphasen statisch vermessen. Der somit ermittelte Messfehler von < 1mm wurde als die relevante Messgenauigkeit des dynamischen Systems angegeben.

Wang et al (2006) verwenden wiederholte Messungen am statisch rigiden Schuhleisten und geben einen durchschnittlichen RMSE von 2.46mm an. Keine Angaben zur Vorgehensweise der Bestimmung der Messgenauigkeit werden bei Subke et al. (2009) gemacht. Unter Verwendung des in Unterabschnitt 2.1.2 dargestellten Projektors nach Wolf (2004) mit rotierendem Glasprisma wird der Messfehler mit dem 1/7500 des Messbereiches angegeben, was jedoch annehmen lässt, dass es sich dabei um die maximale statisch erreichbare Messgenauigkeit handelt. Zudem wird in der genannten Arbeit die Dauer des aufgezeichneten Abrollvorgangs mit zweieinhalb Sekunden angegeben, was einer natürlichen Bewegung im Gang (ca. 0.6 bis 0.8 Sekunden) nicht gerecht wird (Subke et al., 2009). Coudert et al. (2006) machen keine Angaben zur Messabweichung des Systems und geben somit die relevanten messbaren Grenzwerte nicht an.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die in der Literatur angegebenen Messgenauigkeiten der dargestellten dynamisch-optischen Messverfahren ausschließlich auf statischen Messungen basieren. Es werden statische, rigide Objekte als Maßstab für die Erfassung nicht rigider Objekte in der Bewegung verwendet. Dieser Transfer und die damit verbundene Vernachlässigung der durch die Dynamik entstehenden Fehlerquellen führen zwangsläufig zur Unterschätzung des relevanten Messfehlers. Somit besteht, auf Basis der durchgeführten Recherche, momentan kein dynamisch-optisches Messverfahren zur Oberflächenerfassung, welches eine höhere dynamische Validität nachweisbar gewährleisten kann, als das in dieser Arbeit vorgestellte Verfahren.

Relevanz der Standphasen

Begründet durch die Limitierung der zulässigen Objektgeschwindigkeit stellt sich die Frage, ob die Schwungphase des Fußes und die unbelasteten Situationen während des Abrollvorgangs zur Beurteilung der Veränderung des Fußes in der Dynamik relevant sind.

Tabelle 21 auf S.75 zeigt die messtechnisch erfassbaren Fußmaße in den einzelnen Standphasen. Es können alle gewählten Messgrößen in der Mittleren Standphase sowie in der jeweiligen spezifischen Hauptbelastungsphase erhoben werden. Keine der in der Literatur dargestellten und dem Autor bekannten Untersuchungen der dynamisch-optischen Oberflächenvermessungen verwendet Fußmaße innerhalb der Schwungphase (Coudert et al., 2006; Kimura et al., 2008; Kimura et al., 2009; Kimura et al., 2011; Kouchi et al., 2009;

Subke et al., 2009; Wang et al., 2005; Wang et al., 2006). Kouchi et al. (2009) vergleichen zwischen der statischen und der dynamischen Fußform in der Mittleren Standphase sowie während der ersten und der zweiten Belastungsspitze. Die Relevanz der anderen Standphasen, bzw. der Schwungphase, wird von den Autoren damit als gering eingeschätzt, da diese ebenfalls darstellbar gewesen wären. In anderen Anwendungen, die über eine reine Beurteilung der Fußformveränderung über den Abrollvorgang hinausgehen, wird die Schwungsphase hingegen teilweise integriert (Müller et al., 2006; Wolf et al., 2008). Die Autoren verwenden allerdings markerbasierte Bewegungsanalysesystem mit spezifischen Fußmodellen (Müller et al., 2006). Zahlreiche markerbasierte Fußmodelle zur Beschreibung der Kinematik des menschlichen Fußes werden in der Literatur vorgestellt (Leardini, Benedetti, Catani, Simoncini & Giannini, 1999; Scott & Winter, 1993; Simon et al., 2006;

Wolf et al., 2008).

Abhängig von der Zielsetzung der dynamischen Fußerfassung können die unbelasteten Phasen für die Analyse relevant sein (Wolf et al., 2008), insbesondere in biomechanischen

Kapitel 6: Diskussion

Untersuchungen. Zur Beurteilung der Fußform und zur Optimierung der Passform von Einlagen und Schuhen werden die unbelasteten Phasen des Fußes während des Gehens vom Autor der vorliegenden Arbeit als weniger relevant bewertet. Unterschiedliche Belastungssituationen können bei Bedarf in hoher Datenqualität in statischen Situation ergänzt werden (Houston et al., 2006; Tsung et al., 2003; Xiong et al., 2009).

Die in der Literatur dargestellten Untersuchungen haben gezeigt, dass die zu erreichende Messfrequenz der dynamischen 3D-Fußscanner im Vergleich zur maximal erfassbaren Objektgeschwindigkeit des Systems das wichtigere Kriterium darstellt. Die bewusste Reduzierung der Gehgeschwindigkeit (Subke et al., 2009) oder die Verwendung von nur 8 - 11 Bildern über den Abrollvorgang (Kouchi et al., 2009) aufgrund zu geringer Messfrequenz verhindert die Erfassung natürlicher Verhältnisse des Abrollverhaltens des menschlichen Fußes. Die in dem hier vorgestellten Messsystem limitierte Objektgeschwindigkeit hat demnach nach eigener Auffassung keinen maßgeblichen Nachteil in der Beurteilung der dynamischen Fußformveränderung im Gehen.