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4 Ergebnisinterpretation und -diskussion

4.1 Diskussion der Methodik

GIS-Werkzeuge zum Verarbeiten, Analysieren und Visualisieren von geographischen Daten haben generell ein großes Potenzial, das bislang noch nicht in seiner Gänze wissenschaftlich ausgeschöpft wurde (Bluemke / Resch / Lechner et al., 2017). Soziale Prozesse lassen sich mit ihrer Hilfe in raum-zeitlicher Auflösungen nachverfolgen, sodass neue Muster und Dynamiken sichtbar gemacht werden können. (Resch / Sudmanns et al., S. 515). Die Messung von Emotionen mithilfe von psycho-physiologischen Sensoren bleibt gleichzeitig eine Herausforderung für die Forschung, da physiologi-sche Reaktionen des Körpers nur bedingt als Indikator für emotionspsychologiphysiologi-sche Zustände und Prozesse geeignet sind.

Der Einsatz von Sensoren für das Fachgebiet der „Urban Emotions“ differiert insbesondere von den gewöhnlichen, bisher etablierten Einsatzformen: Für gewöhnlich beobachten Sensoren den Men-schen in sportlichen Aktionen - eine Kalibrierung des Sensors hängt dann vom Aktivitätstyp ab (z.B.

Laufen, Sprints, usw.). Ein größeres Delta stellt dabei die Messdatenanalyse selbst dar. Der Algorith-mus ist daher auf die Art der Aktivität abgestimmt. Gleichzeitig stellt diese Art der Erfassung für die Wissenschaft ein Novum dar, da mit Wearables zur Messung sportlicher Aktivitäten gearbeitet wird.

Eine zweckgebundene Bewertung kann – bei Anwendung auf eine andere Domäne - zu einer Verzer-rung der Ergebnisse führen. (Resch / Sudmanns / Sagl et al., 2015). Um die Daten dennoch nutzbar machen zu können, müssen verschiedene Voraussetzungen geschaffen werden:

Die Daten…

…müssen mit einem Standort in Verbindung gebracht werden können,

… brauchen einen Zeitstempel,

…müssen über eine zentrale Datenbasis gespeichert werden,

…müssen nahe der Echtzeit übermittelt werden (um Datenverlust zu vermeiden) und

…unterliegen den Datenschutzbestimmungen (müssen also anonymisiert verarbeitet werden)

(Resch / Sudmanns / Sagl et al., 2015)

Daten können also nur in Verbindung mit den raum-zeitlichen Aussagen der eDiary App und des Fra-gebogens zuverlässige Ergebnisse liefern. Alle diese Voraussetzungen wurden in der vorliegenden

137 Masterthesis geschaffen. Muster und Dynamiken lassen sich somit anhand eines qualitativen Ver-gleichs ableiten.

Nichtsdestotrotz können verschiedene Verzerrungen bei der Nutzung und Verarbeitung der Daten auftreten, denn die Verarbeitung wird durch auch immer durch die Art der Methodik mitbestimmt:

Dazu gehören beispielsweise die Nutzung eines bestimmten räumlichen Skalenniveaus, das verän-derliche Flächenproblem (MAUP), die eingesetzten Karten- und Visualisierungstechniken, potenzi-elle Fallstricke bei der Analyse von Kontextdaten, Fehler bei unterschiedlichen Analyseebenen (Einzel- und Aggregatdaten); Probleme im Zusammenhang mit vom Benutzer generierten Daten sowie Fragen zum Datenschutz. (vgl. Bluemke / Resch / Lechner et al., 2017). Diese verschiedenen Gesichtspunkte werden nachfolgend näher für die vorliegende Thesis diskutiert.

Die Wahl der räumlichen Skalenniveaus bestimmt maßgeblich die Detailebene. Dazu gehört - die Größe der Stichprobe,

- die Größe des gewählten Raumes und - der Grad der Abstraktion bei der Analyse.

Für die eDiary App galt insbesondere der Grad der Abstraktion als ein Problem, mit dem zu rechnen war und das auch die Eingaben nachweislich beeinflusst hat. Testpersonen mussten sich für eine Kategorie entscheiden. War die Kategoriengrenze zu schwammig gewählt, führte dies zu breiteren Antworten und weniger genauen Aussagen (z.B. Schwierigkeiten bei der Auswahl der Domänen:

„Mensch“ oder „Stadtbild“ sind beide nutzbar für die Ausprägung „Lärm“). Auch eine Zuweisung der Antwortmöglichkeit aufgrund offen gelassenen Interpretationsspielraums wird durch den Grad der Abstraktion bedingt. Dies liegt vermutlich daran, dass Menschen im Allgemeinen dazu tendieren, ihre Umgebung einzigartig wahrzunehmen und individuell zu bewerten (Dangschat, 2007, in vgl.

Bluemke / Resch / Lechner et al., 2017). Für zukünftige Erfassungen ergibt sich daraus eine differen-ziertere Wahl der Bezeichnungen zur Auswahl.

Ein Grund für Verzerrungen kann die Wahl des Maßstabes sein bzw. die Größe des gewählten Unter-suchungsgebietes (MAUP und Spatial Scale). Für Salzburg ist das Untersuchungsgebiet vergleichswei-se groß, gemesvergleichswei-sen an der Gesamtfläche der Stadt, während das Stadtgebiet in Köln insgesamt größer ausfällt und das Untersuchungsgebiet vergleichsweise kleiner. Um jedoch die Übersichtlichkeit des Stadtgebiets zu wahren und die Walkability auf Stadtteilgebietseben vergleichen zu können, und um die Länge des Stadtspaziergangs zu limitieren, wurden die Stadtgebiete entsprechend ihrer Erreich-barkeit und ihres Walkability-Scores gewählt. Die Wahl und Größe des Gebietes können jedoch

indi-138 viduell verschieden wahrgenommen werden. Manche spaziergehenden Testpersonen bewerteten beispielsweise die Größe des Untersuchungsgebiets für einen Stadtspaziergang zu klein. Sie kön-nen als „erfahrene“ Stadtspaziergehende gewertet werden. Da jedoch die Zusammensetzung der Gruppen teilweise heterogen war, war auch die Schnelligkeit während des Stadtspaziergangs unter-schiedlich. Somit wurde mitunter mehr oder weniger „viel“ Umgebung wahrgenommen, was sich auch unterschiedlich in der abschließenden Bewertung des Stadtspaziergangs (gilt vor allem für die Fragebögen) geäußert haben könnte.

Eine weitere Verzerrungsquelle ist die gewählte Art der Darstellung in der Karte. Nicht nur die Räumliche Aggregierung und der Maßstab sind hier ausschlaggebend, sondern auch die Verwendung von farblichen Skalen (color ramps) die Verwendung bestimmter Klassen und Klassifizierungsmetho-den. Sogar die Wahl des räumlichen Koordinatensystems kann Einfluss haben. In diesem Fall wurde auf die Wahl eines räumlichen Bezugssystems geachtet, das winkeltreu erscheint (Web Mercator) und eine color ramp gewählt, die sich an der Fokussierung auf Helligkeiten (Hellgelb = hohe Inten-sität) orientiert.

Eine weitere Verzerrungsquelle kann der Kontext der Untersuchung sein. Die Start- und Tageszeiten waren je nach Teilnehmergruppe unterschiedlich. Das gewährleistet eine bessere Verteilung von verschiedenen Ansichten (z.B. Ansichten zur Dunkelheit einer Umgebung), jedoch müssen eventuelle Unterschiede auf deren Ursachen hin geprüft werden. Für die vorliegende Thesis wurden das Wetter und die Uhrzeit als Kontext untersucht. Sowohl für das Wetter als auch für die vorliegende Uhrzeit ergeben sich keine signifikant feststellbaren Unterschiede in der Bewertung der jeweiligen Stadt.

Hinzu kommt die Wohnumgebung der Testpersonen. Leben diese eher in ländlichen Regionen, neig-ten sie vergleichsweise häufig dazu, das Auto zu benutzen. Gleichzeitig war ihre Sicht auf die Testum-gebung signifikant verschieden von der, die eher städtisch wohnende Testpersonen zeigten.

Weitere Effekte bei der Beantwortung von Fragen gleichen Charakters wie in der eDiary App könnte ein Konditionierungseffekt sein: Menschen werden an bestimmten Orten dazu konditioniert, vorab festgelegte Antworten zu geben. Sie können es beispielsweise als für die peer group relevant be-trachten, während sie persönlich gar nicht zustimmen. Dem „kooperative Prinzip der Wahlkommuni-kation“ (Grice, 1975 in Bluemke / Resch et al., 2017) zufolge ist es möglich, dass Befragte ihre Aussa-gen ändern, „[…]weil sie der Meinung sind, dass neue Informationen bereitgestellt werden müssen;

Andere Befragte bleiben bei dem, was sie zuvor geantwortet haben, um konsistent zu sein und sich nicht zu widersprechen“ (ebd.). Für die Zukunft wäre eine variierende Art der Fragestellung denk-bar (etwa durch eine alternierende Satzstruktur oder einen auf ähnliche Inhalte abzielende, ver-gleichbare Fragestellung).

139 Die Testpersonen sind darüber hinaus durch ihren soziokulturellen Hintergrund geprägt, sodass sie raum-zeitliche Erscheinungen und räumliche Umgebungen insgesamt unterschiedlich wahrnehmen.

Das individuelle mentale Konstrukt der sie umgebenden Umwelt prägt den Eindruck ihres Stadtspa-ziergangs. Sie erinnern sich an unterschiedliche Dinge aufgrund ihrer unterschiedlichen mentalen Fähigkeiten und Abbilder der Umwelt. Daher sind die Aussagen aus dem Fragebogen – und auch aus der eDiary App – nur bedingt kontextualisierbar. Beispielsweise kann es passieren, dass die Testper-sonen nicht am Ort des Interesses berichterstatten. Dies kann in einer abweichenden retroperspekti-ven Bewertung münden (z. B. Steretroperspekti-vens & Mecklenbräuker, 2007, in Bluemke / Resch et al., 2017).

Dieser Verzerrung kann zukünftig entgegengewirkt werden, in dem die Daten doppelt erfasst wer-den, etwa über das Setzen einer zusätzlichen Markierung der Testpersonen (was aber wiederum andere Fehler nach sich ziehen könnte).

Ein weiterer Effekt kann durch die Motivation der Teilnehmer hervorgerufen werden, die eigene Person vor einem Missbrauch der herausgegebenen Daten zu schützen und daher persönliche Fragen eher zu vermeiden. Dem kann durch eine offene Kommunikation über den Gebrauch, die anonymi-sierte Form der Verarbeitung und die Zielgruppe der Forschung entgegengewirkt werden. Eine Datenschutzerklärung ist dabei im Sinne der im Jahr 2018 in Kraft getretenen EU-Richtlinie zur Da-tenschutzverordnung obligatorisch.

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