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3. Qualitative Studie zu Qualifikationskriterien und Korruptionsprävention

3.3 Diskussion der Ergebnisse

Korruption wird aus der Sicht der Interviewpartner als Missbrauch einer anvertrauten Macht-stellung zu privatem Nutzen verstanden. Dies zeigt, dass die Definition von Transparency In-ternational Schweiz sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch im Anwendungsbe-reich Eingang gefunden hat. Obschon korrupte Praktiken in der Entwicklungszusammenarbeit viele subtile Formen annehmen können, zeigt die qualitative Studie, dass in diesem Bereich Veruntreuung am meisten vorkommt. Dabei werden von den Interviewpartnern insbesondere die Unterschlagung bei Workshops oder Seminaren oder die Verwendung von Projektressour-cen für persönliche Zwecke genannt.

Das grösste Korruptionsrisiko liegt gemäss den Befragten im Ausland bei der Umsetzung der Projekte, also dort, wo auch die grössten Geldflüsse der Entwicklungszusammenarbeit hin-fliessen. Obschon Schweizer NGOs vor Korruption nicht gefeit sind, sind deren Partnerorga-nisationen aus kontextabhängigen oder situationsspezifischen Gründen korruptionsanfälliger.

So wird bspw. hervorgehoben, dass im Ausland bei der Realisierung von Aktivitäten Mitar-beitende über mehr Handlungsspielraum verfügen und somit dort eine grössere Möglichkeit besteht, korrupt zu handeln oder korrumpiert zu werden. Dieses Risiko erhöht sich dazu dras-tisch, wenn Organisationen in einem Land operieren, in welchem Korruption stark verbreitet

ist. Auch die unterschiedliche Wahrnehmung von Korruption kann dazu führen, dass gewisse Handlungen, die bei uns als korrupt gelten, anderswo eher als Austausch oder Sitte verstanden werden, sodass sie von dortigen Akteuren unhinterfragt getätigt werden. Nicht zuletzt wurde hervorgehoben, dass Partnerorganisationen aufgrund ihrer sozialen Eingebundenheit korrupti-onsanfälliger sind als internationale Organisationen, da es für sie schwieriger ist, vorbeugende Massnahmen gegen interne Korruption zu ergreifen oder sich gegen externe korrupte Prakti-ken zu wehren.

Wie im theoretischen Teil bereits erläutert wurde, überprüft die DEZA durch die Qualifikati-onskriterien die Zulassung von Schweizer NGOs für die Programmbeiträge aufgrund ihrer Identität und ihres Engagements zugunsten der Entwicklungspolitik, ihrer Gouvernanz und Strategie sowie ihrer Management- und Leistungssysteme. Diese Kriterien erlauben der DE-ZA in Übereinstimmung mit den Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung aus dem Jahr 1998 eine sorgfältige Beurteilung und Auswahl der durch Programmbeiträge unterstützten NGOs zu gewährleisten und deren Korruptionsanfälligkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang zeigt die qualitative Studie, dass die für die Zulassung erforderlichen Qualifikationskriterien und die ZEWO-Anforderungen auch dazu beigetragen haben, die Qualität von Schweizer NGOs zu steigern, da sie sich aufgrund dieser Anforderungen mit spezifischen Themen (unter anderem mit der Korruptionsprävention) auseinandergesetzt haben. Neben den Qualifikati-onskriterien im engeren Sinne haben, wie die qualitative Studie ergeben hat, insbesondere die Diskussionen, die die DEZA im Rahmen der Programmbeiträge mit den NGOs führt, zur Steigerung der Qualität der Schweizer NGOs beigetragen.

Die genaue Umsetzung der Qualifikationskriterien wird von der DEZA jedoch nicht über-prüft, da NGOs in diesem Bereich als selbstständige Organisationen frei handeln können. So wird auch das Verhältnis zwischen NGOs und ihren Partnerorganisationen nur angesprochen, ohne dass dabei genaue Vorgaben festgelegt werden. Wie die Erkenntnisse der qualitativen Studie zeigen, liegt genau in diesem Bereich aber das grösste Korruptionsrisiko. Die befragten externen Experten sind deshalb der Meinung, dass die DEZA spezifische Anforderungen zur Korruptionsprävention bei Partnerorganisationen der Schweizer NGOs in Form von Minimal-standards in die Qualifikationskriterien integrieren könnte. Auch nach ihnen wäre es aber nicht sinnvoll, einen global gültigen und dezidierten Katalog für das Auswahlverfahren der Partnerorganisationen festzulegen, da die Auswahlkriterien auch kontextabhängig sein müs-sen. Die Vertreter der NGOs sind tendenziell eher gegen die Einführung von Minimalstan-dards für Partnerorganisationen. Sie sind diesbezüglich der Meinung, dass die NGOs und nicht die DEZA für die Umsetzung der Programme die Verantwortung übernehmen. Dazu würden zu strenge Anforderungen in Bezug auf das Auswahlverfahren von

Partnerorganisati-onen in der Praxis dazu führen, dass NGOs in gewissen SituatiPartnerorganisati-onen keine Partnerorganisatio-nen mehr finden würden, die diesen Kriterien entsprechen. Ein transparenterer Informations-austausch zwischen DEZA und NGOs zur Qualität der verschiedenen Partnerorganisationen in den jeweiligen Ländern wäre seitens der NGOs willkommen.

Wie die Erkenntnisse der Literatur- und Dokumentenanalyse zeigen, beinhalten die Qualifika-tionskriterien und die ZEWO-Anforderungen auch Aspekte, die zur Korruptionsbekämpfung und -prävention beitragen. Wie im Kapitel 2.5.3 „Qualifikationskriterien und Korruptionsprä-vention“ beschrieben wurde, gibt es Qualifikationskriterien, die sich explizit auf die Korrupti-onsbekämpfung und -prävention beziehen, während andere Aspekte enthalten, die nach der Literatur der Korruptionsprävention dienen, auch wenn dies nicht explizit in diesen Kriterien genannt wird. Dies ist z.B. bei Kriterien der Fall, die Aspekte zur Organisationskultur, zur Gouvernanzstruktur, zum internen Kontrollsystem oder zur externen und internen Kommuni-kation der Organisation beinhalten. Trainings von Mitarbeitenden zur Korruptionsproblematik und die Einrichtung einer Meldestelle, die in der Literatur als wichtige Massnahmen zur Kor-ruptionsprävention bezeichnet werden, werden von der DEZA im Rahmen der Qualifikations-kriterien nicht angesprochen und auch für das ZEWO-Gütesiegel nicht angefordert. Da die meisten Interviewpartner über keine vertieften Kenntnisse zu den Qualifikationskriterien der DEZA verfügten, wurde während der Interviews der Leitfaden so angepasst, dass eher im Allgemeinen über Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung und -prävention in der Entwick-lungszusammenarbeit gesprochen wurde. Dabei sind Massnahmen erwähnt worden, welche den nach Transparency International Schweiz (2010) und Transparency International Öster-reich (2012) genannten „organisatorischen Massnahmen“, „Verhaltensrichtlinien“ und

„Kommunikation“ entsprechen. So werden bspw. eine umfassende Finanzkontrolle oder eine klare Gouvernanzstruktur mit entsprechender unabhängiger Aufsichtsstruktur als wichtige Massnahmen zur Korruptionsprävention genannt. Daneben wird aber auch auf die Wichtigkeit der Anwendung des sog. „Vieraugenprinzips“ bei grösseren Entscheidungen und auf die Fest-legung eines klaren Verfahrens bei der Beschaffung von Gütern hingewiesen. Zur Aufde-ckung korrupter Praktiken wird als Ergänzung zu Evaluationen, Audits und Jahresrechnungen die Einbindung der Zielgruppe in die Korruptionskontrolle (sog. „Audit from below“) ge-nannt. Dieses Instrument erweist sich insbesondere als wirksam, da die Begünstigten den lo-kalen Kontext gut kennen und als Zielgruppe am meisten an einem erfolgreichen Projekt inte-ressiert sind. Auch die unabhängige Preiserhebung und eine verstärkte Wirkungsmessung der realisierten Projekte werden schliesslich als sehr gute Methoden bezeichnet, um eventuelle Unregelmässigkeiten aufzudecken. Grosse Wichtigkeit wird der Thematisierung von Korrup-tion innerhalb der OrganisaKorrup-tion beigemessen. So wird hervorgehoben, dass sich NGOs mit

dieser Problematik offen auseinandersetzen müssen und den Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitenden fördern sollen. Wie die Literatur- und Dokumentenanalyse gezeigt hat, erwei-sen sich auch laut den Interviewpartnern Schulungen, Trainings und Workshops, in welchen die Mitarbeitenden Handlungsanleitungen im Umgang mit Korruption erhalten, als zentrale Instrumente zur Korruptionsbekämpfung und -prävention. In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass die Unterzeichnung von Verhaltensrichtlinien und Anti-Korruptionsklauseln alleine keine Wirkung hat, wenn sie nicht durch Schulungen, Trainings und Workshops ergänzt wird. Auch eine Meldestelle für Hinweisgeber, die gemäss Huber-Grabenwarter (2011: 104) bei der Aufdeckung von Korruptionsfällen sehr wirksam ist, setzt laut den Interviewpartnern die Sensibilisierungsarbeit voraus und wird somit eher als ergän-zendes Instrument bezeichnet.