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5. Entwicklung einer kontextadaptiven Anwendungsarchitektur 113

5.2. Adaptionsbedarfe kontextadaptiver mobiler Anwendungen

5.2.2. Dimensionen der Adaption

Austauschen von Geschäftslogik: Eine weitere Form der Adaption, die kontextabhängig den Kontrollfluss einer mobilen Anwendung beeinflus-sen kann, ist die des Austauschens der Implementierung eines Teils der Geschäftslogik einer mobilen Anwendung. Dies kann beispielsweise da-durch realisiert werden, dass in einer komponentenbasierten Anwen-dung eine Komponente durch eine andere ersetzt wird. Einerseits kön-nen so zwei unterschiedliche Implementierungen derselben Geschäfts-logik gegeneinander ausgetauscht werden. Beispielsweise lässt sich ei-ne speicher- gegen eiei-ne rechenintensive Variante austauschen. Anderer-seits kann hierdurch die Geschäftslogik selbst verändert werden und bei-spielsweise die Dienstqualität einer mobilen Anwendung bewusst her-abgesetzt werden, um die Dienstverfügbarkeit aufrechtzuerhalten. Hier-durch kann beispielsweise die Auflösung eines Videodatenstroms zwi-schen zwei Geräten herabgesetzt werden, wenn die für die Übertragung benötigte Bandbreite nicht verfügbar ist. Diese Form der Anpassung wur-de in Bezug auf das mobile Cloud Computing ursprünglich von Brian No-ble in [NSN+97] als sogenannte Fidelity-Adaptation vorgeschlagen und anschließend in einer Reihe von Forschungsarbeiten erfolgreich einge-setzt, um den begrenzten Ressourcen mobiler Geräte Rechnung zu tragen [BGSH07].

In welcher Situation die jeweilige Form der Adaption oder eine Kombination von Adaptionsformen sinnvoll ist, wird im Zusammenhang mit der Erarbei-tung der Ziele der Adaption (vergleiche Abschnitt 5.2.3) wieder aufgegriffen.

Zunächst sollen hierfür die jeweiligen Adaptionsformen auf entsprechende Di-mensionen der Adaption hin abstrahiert werden, um ein konzeptionelles Mo-dell zu erarbeiten, welches auch Kombinationen einzelner Adaptionsformen sinnvoll unterstützt.

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entlang der Dimensionen Zeit, Ort und Implementierung beschreiben, wie sie in Abbildung 5.3 veranschaulicht wird. Auf Basis dieser drei Dimensionen sol-len nun im Folgenden die Anpassungsbedarfe innerhalb dieser Dimensionen im Zusammenhang mit den in Kapitel 4.1 eingeführten Gruppen von Anwen-dungsszenarien untersucht werden.

Zeit

Ort Implementierung

verzögern

vorziehen auslagern

Qualität erhöhen

einlagern

Qualität verringern

Abbildung 5.3.:Dimensionen der Adaption

Verarbeitung von Sensordaten Durch die aufgezeigten Leistungsbeschrän-kungen einzelner Sensorknoten profitiert diese Gruppe von Anwendungssze-narien in erster Linie davon, dass Teile der Speicherung und Verarbeitung von Sensordaten in die Infrastruktur verlagert werden können, um die begrenzten Speicher- und Rechenressourcen eines Sensorknotens bei einer längeren oder ständigen Nutzung nicht zu überlasten.

Dadurch, dass auf einem Sensorknoten selbst oft nur eine begrenzte Historie von Messwerten vorgehalten werden kann, kann diese Historie beim Bestehen einer entsprechenden Verbindung zur Infrastruktur in diese zur Speicherung übertragen werden, was eine Auslagerung der Daten im Sinne einer Verände-rung des Speicherorts (Anpassung der Dimension Ort) entspricht. Hierdurch wird es möglich, innerhalb der Infrastruktur eine prinzipiell beliebig lange Historie von Messwerten vorzuhalten. Da diese Messwerte in einigen Fällen direkt nach ihrer Erfassung auch verarbeitet werden sollen, bietet es sich auf-grund der ebenfalls begrenzten Rechenressourcen des Sensorknotens an, eben-so die Verarbeitung der Seneben-sordaten in die Infrastruktur zu verlagern und sie damit ebenso in der Dimension des Ausführungsortes zu verschieben.

Die genannten Leistungsbeschränkungen können es zusätzlich erforderlich machen, in Situationen mit eingeschränkter Konnektivität zur

Infrastruk-tur oder einer geringen verbleibenden Energiemenge eine Fidelity-Adaptation durchzuführen, um die Dienstverfügbarkeit bei gleichzeitiger Einschränkung der Dienstqualität aufrechtzuerhalten.

Von einer Anpassung innerhalb der zeitlichen Dimension profitieren diese Anwendungsfälle jedoch nur bedingt, da die Erfassung, Verarbeitung und Wei-terleitung von Messwerten häufig zeitnah zu erfolgen hat. Ist dies nicht der Fall, kann diese Gruppe von Anwendungsfällen dadurch von einer Anpassung innerhalb der zeitlichen Dimension profitieren, dass bestimmte Aufgaben ver-zögert werden, bis Kontextattribute wie der verbleibende Energievorrat oder die Verbindungsqualität zur Infrastruktur eine erfolgreiche Ausführung der Geschäftslogik erwarten lassen.

Analyse von Audiodaten und Sprachassistenzsysteme Der Großteil der in der Gruppe von diesen Anwendungsszenarien charakterisierten Anwendungs-fälle stützt sich auf eine direkte Verarbeitung der aufgezeichneten Audiodaten, wie beispielsweise bei der Simultanübersetzung gesprochener Sprache. Ent-sprechend profitiert diese Gruppe von Anwendungsfällen nur bedingt von einer Verschiebung innerhalb der zeitlichen Dimension.

In Bezug auf die Verschiebung des Ausführungsortes hingegen profitiert die oft rechenintensive Geschäftslogik der Spracherkennung häufig von einer Ver-schiebung auf leistungsstarke Surrogates, wodurch die ressourcenbeschränk-ten mobilen Geräte entlastet werden. Sind jedoch keine entsprechenden Sur-rogates für solch eine Auslagerung verfügbar, bietet sich alternativ oder zu-sätzlich eine Anpassung innerhalb der Dimension der Implementierung an. In diesem Fall kann ähnlich wie im vorgenannten Beispiel die Anpassung der Dienstqualität zur Aufrechterhaltung der Dienstverfügbarkeit genutzt wer-den.

Video und Bildverarbeitung Der Anwendungsbereich der Video- und Bild-verarbeitung ist charakterisiert durch rechenintensive Operationen auf grö-ßeren Datenmengen. Entsprechend kann je nach Anforderung der Nutzer ei-nerseits eine Verschiebung innerhalb der Dimension der Implementierung, im Sinne einer Fidelity-Adaptation, sinnvoll sein, um die Ressourcen eines mobi-len Geräts zu entlasten. Andererseits kann für diese angestrebte Entlastung ebenso eine Verschiebung innerhalb der Dimension des Ausführungsortes an-gestrebt werden, um so in beiden Fällen die Dienstverfügbarkeit aufrechtzu-erhalten und im Fall der Verlagerung der rechenintensiven Operationen in die Infrastruktur zusätzlich die Dienstqualität zu erhöhen. Mit Berücksichtigung der genannten Anwendungsszenarien zeigt sich zusätzlich, dass diese nur zum Teil zeitkritisch sind, womit sich ebenfalls eine Verschiebung innerhalb der zeitlichen Dimension anbietet.

Mobiles Cloud Gaming Im Bereich des mobilen Cloud Gamings kann für die überwiegende Zahl von Anwendungsfällen davon ausgegangen werden, dass

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eine Verschiebung innerhalb der Dimension Zeit nur für wenige Anwendungs-fälle von Nutzen ist. Allerdings kann es vor dem Hintergrund der in diesem Anwendungsfall genannten Anforderungen mit Blick auf die Latenz von Vor-teil sein, Teile der Geschäftslogik in die direkte Infrastruktur zu verlagern oder die Dienstqualität anzupassen. Entsprechend bieten sich für diese Gruppe von Anwendungsfällen eine Anpassung der Geschäftslogik innerhalb der Dimen-sionen des Ausführungsortes oder der Implementierung an.

Augmented Reality Im Anwendungsbereich der Augmented Reality zeigt sich bei Betrachtung der angeführten Beispiele, dass eine Anpassung inner-halb der Dimension der Implementierung den beschränkten Ressourcen eines mobilen Geräts am deutlichsten entgegenkommt. Darüber hinaus kann eben-falls eine Verschiebung eines Teils der Geschäftslogik in die Infrastruktur von Vorteil sein, wodurch die Dimension des Ausführungsortes als weitere für die Adaption vorteilhafte Dimension betrachtet werden kann. Ebenso wie im vor-hergehenden Beispiel des mobilen Cloud Gamings gilt es jedoch, die Anforde-rungen im Hinblick auf die Latenz zu berücksichtigen.

Zusammenfassung der Analyse Die Analyse der einzelnen Gruppen von An-wendungsszenarien im Hinblick auf die zuvor vorgestellten Adaptionsformen ist in Tabelle 5.1 zusammengefasst. Die Auswertung zeigt, dass die vorgestell-ten Anwendungsfälle in erster Linie von einer Anpassung des Ausführungsor-tes und der Implementierung profitieren. Nachgelagert profitieren einige der Anwendungsfälle ebenso von einer zeitlichen Anpassung, im Sinne einer Ver-zögerung der Ausführung.

Zeit der Ausführung Ort der Ausführung Implementierung

Verarbeitung von Sensordaten + ++ ++

Analyse von Audiodaten + ++ ++

Video- und Bildverarbeitung ++ ++ ++

Mobiles (Cloud) Gaming - ++ ++

Augmented Reality - ++ ++

++ vollständig erfüllt + teilweise erfüllt - nicht erfüllt 0 nicht adressiert Tabelle 5.1.:Bewertung der Anwendungsfälle in Bezug auf die Adaptionsformen

Diese durch die Adaptionsformen ermöglichten generellen Potenziale sollen im Folgenden nun im Hinblick auf die konkreten Ziele einer Adaption näher untersucht werden.