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Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt

3 Der Nationale Aktionsplan des Bundes

Die Bundesregierung hat mit Kabinettsbeschluss vom 15.06.2011 einen “Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen” (Nationaler Aktionsplan, NAP) verabschiedet. Damit will die Bundesregierung einen Prozess anstoßen, der in den kommenden zehn Jahren nicht nur das Leben von Menschen mit Behinderungen maßgeblich beeinflussen wird, sondern das Le­

ben aller Menschen in Deutschland. Sie sieht in der Idee der Inklusion den zentralen Leitgedan­

ken der Behindertenrechtskonvention. Unter Inklusion versteht sie „Gemeinsamkeit von Anfang an“ und die Überwindung des „Wechselspiels von Exklusion (= ausgrenzen) und Integration (=

wieder hereinholen)“. Mit dem Nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in den nächsten zehn Jahren systematisch vorantreiben1. In­

nerhalb dieses Zeithorizontes von zehn Jahren soll der NAP regelmäßig auf den Prüfstand ge­

stellt und entsprechend weiterentwickelt werden2. Inklusionsfortschritte sollen messbar werden.

Die Grundlagen soll der neue Behindertenbericht der Bundesregierung liefern3.

4 Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt 4.1 Die Verpflichtung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention

Nach Art. 4 Abs. 5 BRK gelten die Bestimmungen des Übereinkommens ohne Einschränkung oder Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaats, mithin auch für die Bundesländer und die Kommunen in Deutschland.

4.2 Zum Stand der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt

Eine Vielzahl der in der Behindertenrechtskonvention geforderten Maßnahmen ist bereits ge­

setzlich verankert bzw. umgesetzt. Teilweise beruht dies auf bundeseinheitlichen Maßgaben, teilweise auf Regelungen oder Initiativen des Landes Sachsen-Anhalt. Eine Bestandsaufnahme soll den derzeitigen Entwicklungsstand erfassen. Dazu werden gesetzliche Regelungen und Ak­

tivitäten auf Bundes- und Landesebene aufgeführt, die der Gleichstellung und der Verwirkli­

chung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft dienen.

Mittels eines Abgleichs der Bestandsaufnahme mit den Vorgaben der Behindertenrechtskonven­

tion werden Handlungsbedarfe herausgearbeitet. Dabei sind die Kompetenzverteilungen des

1 s. NAP, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Internet 11017 Berlin, Stand: September 2011, S. 11.

2 Ebenda S. 14.

3 Ebenda S. 13.

Grundgesetzes insbesondere mit Blick auf die Zuständigkeit des Bundes zu beachten. Dies be­

deutet, dass sich die Bestandsanalyse und der daraus abzuleitende Handlungsbedarf für das Land im Wesentlichen auf die Einflussbereiche beschränken, für die das Land im föderalen Sys­

tem Verantwortung trägt. Diese Analyse ist ein Kernbestandteil des Landesaktionsplans.

Seit dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention in Deutschland am 24. März 2009 hat das Land einige weitreichende Schritte zu ihrer Umsetzung unternommen. Herauszuheben ist die Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes (BGG LSA), das am 28.12.2010 in Kraft getreten und nach § 1 Abs. 1 das Ziel verfolgt, in Umsetzung des Überein­

kommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen im Land Sachsen-Anhalt zu verhindern und zu beseitigen, gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit so­

wie die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

Es führt die Begriffe der Behindertenkonvention in das Gleichstellungsrecht des Landes ein und leitet aus diesen die wesentlichen Verpflichtungen der Träger der öffentlichen Verwaltung ab. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere:

- der dynamische, soziale, funktionale Behinderungsbegriff, vgl. Präambel Bst. e sowie Art. 1 Abs. 2 BRK und § 2 BGG LSA,

- die umfassenden Begriffe der Kommunikation und der Sprache, vgl. Art. 2 Abs. 1 und 2 BRK und § 6 BGG LSA,

- der weite Begriff der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ in Verbindung mit dem Begriff der „Versagung angemessener Vorkehrungen“, vgl. Art. 2 Abs. 3, 4 BRK und § 4 BGG LSA,

- die Verpflichtung zur Gleichstellung und das Benachteiligungsverbot, vgl. Art. 3 Bst. b, e, Art. 4 und 5 BRK sowie Abschnitt 2 BGG LSA,

- die Verpflichtung zur Herstellung von Zugänglichkeit und Barrierefreiheit, vgl. Art. 9 BRK und Abschnitt 3 BGG LSA,

- die Gewährleistung der unabhängigen Lebensführung und der Einbeziehung in die Ge­

meinschaft, vgl. Art. 19 BRK und Abschnitt 2 BGG LSA,

- die Verwirklichung des Zugangs zu Informationen, vgl. Art. 21 BRK und Abschnitt 3 BGG LSA,

- die Gewährleistung der Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben, vgl. Art. 29 BRK und § 12 sowie Abschnitt 5 BGG LSA.

Die zur Konkretisierung in §§ 14, 15 und 16 BGG LSA enthaltenen Verordnungsermächtigungen hat die Landesregierung mit Erlass der Verordnung zur Gleichstellung von Menschen mit Be­

hinderungen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (Behindertengleichstel­

lungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BGGVO LSA) vom 23. Februar 2012 ausge­

schöpft und dabei zugleich mit Blick auf die Barrierefreiheit der Informationstechnik in der öffent­

lichen Verwaltung die aktuellen internationalen Standards – d.h. die sog. Web Content Accessi­

bility Guidelines (WCAG) 2.0 – in das Landesrecht übernommen.

4.3 Der Landesaktionsplan

Im Koalitionsvertrag für die sechste Legislaturperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt ist zwi­

schen den die Regierung tragenden Fraktionen die Erstellung eines Landesaktionsplans zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (LAP) vereinbart worden. Sachsen-Anhalt will sich durch eine zukunftsgerichtete teilhabeorientierte Behindertenpolitik verstärkt in dem Prozess des Abbaus von Barrieren engagieren und auf den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft bege­

ben. Menschen mit Behinderungen und Interessenverbände sollen einbezogen und ermutigt werden, diesen Prozess aktiv mitzugestalten.

Der Landesaktionsplan dient der systematischen Erfüllung der Verpflichtungen des Landes, die aus der Behindertenrechtskonvention erwachsen. Richtungsweisend sind insbesondere das Ziel der Verwirklichung der universalen Menschenrechte, das Recht aller Menschen auf Gleichbe­

handlung, Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Teilhabe an allen Bereichen des gesell­

schaftlichen Lebens und des Abbaus von einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der Gesellschaft.

Zentrale Leitlinie ist die Idee der Inklusion. Unabdingbar für die Verwirklichung der Teilhabe ist die Umsetzung des universellen Designs bei der Gestaltung der Infrastruktur, der Ausgestaltung von Dienstleistungen und Programmen, mithin bei allen Angeboten von allgemeinem Interesse.

Universelles Design bedeutet eine Gestaltung von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne Anpas­

sung oder ein spezielles Design genutzt werden können. Es schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus, vgl. Art. 2 BRK. Durch die Beachtung dieses Prinzips der Gestaltung wird eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Normalität möglich. Der Verweis auf „Sondersysteme der Teilhabe“ erübrigt sich.

Der Aktionsplan des Landes Sachsen-Anhalt ersetzt nicht Rechtsvorschriften. Er ist vielmehr Grundlage für die Bewertung von Lebensumständen und -bedingungen von Menschen mit Be­

hinderungen sowie für Initiativen zur Verbesserung und Veränderung bestehender Lebensum­

stände von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt. Der Landesaktionsplan ist Ziel-und Maßnahmeplan in einem Ziel-und stellt eine sozialpolitische Richtschnur für die Weiterentwick­

lung der Landespolitik von und für Menschen mit Behinderungen dar.

Zur Feststellung des Handlungsbedarfs werden die Forderungen der Konvention mit dem aktu­

ellen Umsetzungsstand in Sachsen-Anhalt abgeglichen. Aus den Ergebnissen der Analyse des Umsetzungsstandes wird anschließend in einem gemeinsamen Diskussionsprozess mit Vertre­

tern der Zivilgesellschaft ein Maßnahmeplan erstellt und fortgeschrieben. Dieser soll in einem Zeitraum von 10 Jahren realisiert werden.

4.4 Inhalt des Landesaktionsplans

4.4.1 Lebensbereiche und Handlungsfelder

Inhaltlich ist der Landesaktionsplan gegliedert in neun Lebensbereiche bzw. Handlungsfelder, die für das Recht auf Gleichstellung und Teilhabe in der Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Thematisch verwandte Lebensbereiche sind unter Einbeziehung der jeweiligen Artikel der Behindertenrechtskonvention zusammengefasst:

(1.) Barrierefreiheit, Kommunikation, Information und unabhängige Lebensführung (Artikel 9, 19, 20 und 21 BRK)

(2.) Bildung und lebenslanges Lernen (Artikel 24 BRK) (3.) Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27 BRK)

(4.) Gesundheit, Habilitation, Rehabilitation und Pflege (Artikel 25 und 26 BRK) (5.) Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29 BRK)

(6.) Sport, Kultur und Tourismus (Artikel 30 BRK) (7.) Frauen und Mädchen (Artikel 6 BRK)

(8.) Kinder und Jugendliche (Artikel 7 BRK) (9.) Bewusstseinsbildung (Artikel 8 BRK)

Für jedes Handlungsfeld wird aus den häufig abstrakt und komplex formulierten Forderungen der Behindertenrechtskonvention ein Fundamentalziel gebildet. Aus diesem Fundamentalziel werden Instrumentalziele abgeleitet. Die Instrumentalziele geben wiederum konkrete Forderun­

gen der BRK wieder.

Ein zentraler Aspekt eines jeden Handlungsfeldes ist die Bestandsaufnahme, um Handlungsbe­

darfe aus den Forderungen der Behindertenrechtskonvention abzuleiten. Diese Bestandsauf­

nahme wird im Zuge der Umsetzung des Landesaktionsplans fortgeschrieben.

Innerhalb eines jeden Handlungsfeldes sind Maßnahmepläne aufgeführt.

4.4.2 Allgemeine Grundsätze

Die in Artikel 3 der Behindertenrechtskonvention niedergelegten Allgemeinen Grundsätze sind als Leitlinien bei der Entwicklung und der Fortschreibung der Maßnahmepläne zu beachten.

Allgemeine Grundsätze der Behindertenrechtskonvention sind:

a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;

b) die Nichtdiskriminierung;

c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;

d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzep­

tanz als Teil der menschlichen Vielfalt;

e) die Chancengleichheit;

f) die Zugänglichkeit;

g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau;

h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.

4.4.3 Maßnahmepläne

Die Maßnahmepläne bilden die Grundlage zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt. Sie tragen Ergebnisse zusammen, die sich aus der Bestandsaufnahme und unter aktiver Beteiligung aller Mitwirkenden im Diskussionsprozess ergeben. Der Plan benennt die Maßnahmen, die Zuständigkeit und den zeitlichen Rahmen der Umsetzung.