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Die Struktur der Handlung

Im Dokument Grundprobleme der Moralphilosophie (Seite 47-145)

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• Die Affekte:

Affekt als „übersteigerter Trieb“

Ursache: falsche Zustimmung der Vernunft aufgrund eines falschen Werturteils (Kognitivismus)

Ziel: völlige Ausrottung der Affekte

• Tugendlehre:

Tugenden nicht an sich, sondern instrumentell nützlich

Tugend als „aufrechte Vernunft“, als Vernunft, die nichts Unverfügbares als ein Gut beurteilt

Inhaltlich Übernahme der platonischen Tugenden: Tapferkeit, Besonnenheit, Weisheit, Gerechtigkeit

• Güter, Übel und „Adiaphora“

Tugend als einziges Gut, Laster als einziges Übel, alles übrige ist gleichgültig (adiaphoron)

Das Gleichgültige als alles,was aus dem Bereich des durch Handeln sicher Erreichbaren herausfällt, z.B. Lust

Triebe sind Adiaphora, der Weise läßt sie geschehen, denn ohne Einwirkung der Vernunft steigern sie sich niemals zum Affekt

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„naturgemäß leben“ (Kleanthes)

Kein Wille zur Veränderung der Realität; innere Einstellung entscheidend

Radikale Entwertung der objektiven und intersub-jektiven Realität gegenüber dem Bewußtsein:

Epiktet: „Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen über die Dinge“

Das Ideal des stoischen Weisen

Epikuros: 341-270

Gründung einer Schule um 310: der

„Garten“

Straffe Lehrorganisation,

Auswendiglernen der Kernsätze

Mischung aus Philosoph, Therapeut und „Guru“

Desinteresse an „Bildung“

„Hedonismus“; Vorwurf:

„Schweinephilosophie“

Lehrbriefe: Brief an Menoikeus

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Weiterführung der hellenistischen Glücksethik im Blick auf die Gesellschaft

Hauptautoren:

Jeremy Bentham (1748-1832)

John Stuart Mill (1806-1873)

In der Gegenwart:

Dieter Birnbacher, Peter Singer

Bedeutendster Gegenentwurf zum Kantianismus (Prinzipienethik):

Konsequentialismus

Klassischer Haupttext: Der Utilitarismus (1861)

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Folgenorientierung (erwartbare oder tatsächliche Folgen einer Handlung)

Kurzformel:

„Das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl über den größtmöglichen Zeitraum“

Teleologische Ethik: Nützlichkeit für das Erreichen „guter Ziele“

entscheidend

Konsequentialismus

Hedonistische Wertbasis

Gleichheitsgrundsatz (Egalitarismus)

Maximierungsstruktur

Kalkülisierungsideal (Nutzensummenberechnung)

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Deskriptiver Teil:

Alle Menschen streben von Natur nach der Vermeidung von Schmerz und dem Gewinn von Lust (Zit. Bentham)

Normativer Teil:

Das moralisch Richtige besteht in der Maximierung der Differenz zwischen Lust und Leid

Nutzenprinzip:

Definition des Moralischen über seine Nützlichkeit zur Realisierung des außermoralisch Guten

Nutzen als Summe von Glückszuständen

Glück als positiv (lustvoll) getönte mentale Zustände (WYSIWYG-Prinzip): pleasure, happiness, lust, joy etc.

Solche Zustände sind intrinsisch gut, negative intrinsisch schlecht

Zentrale Rolle der individuellen Präferenzen

Gewichtung der Präferenzen nur nach ihrer Intensität/Stärke

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Bei Mill Übergang vom quantitativen zum qualitativen Utilitarismus:

Wertunterschiede zwischen Lustformen

Sinnliche und geistige Lüste

Geistige Lust höherwertig

Begründung: Urteil der Kenner→ gebildete vs. naturwüchsige Präferenzstrukturen

Anthropologische Annahme: wer beides kennt, zieht immer die höhere Lust vor

Die Glückszustände jedes Individuums zählen gleich; Mill: „Equal claim of everbody to happiness“

In der radikalen Versionen: alle Glückszustände (Lustquanten) zählen gleich

Idee des „benevolent spectator“: wie würde ein wohlwollender, unparteischer Beobachter urteilen?

Verrechenbarkeit des Nutzens für ein Individuum bzw. eine soziale Gruppe mit dem Gesamtnutzen

Zentralität des Gesamtnutzens

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Entscheidend ist die Erhöhung der Gesamtsumme der Differenz zwischen Freud und Leid

Kein absoluter Wert des Individuums; diese als verrechenbare Posten in der Bilanz

Einschluß aller empfindungsfähigen Wesen in die „moral community“

Pathozentrik; Bentham: „The question is not: can they reason, but:

Can they suffer?“

Gleichstellung der Zukunft mit der Gegenwart:

Zukunftsverantwortung in die Theorie eingebaut

Maximum der Nutzensumme entscheidend

Prinzip der einfachen Aggregation (es gibt keine intrinsisch

schlechten Handlungen, entscheidend ist ihr Effekt für den sozialen Nutzen)

Idee eines formalisierten Berechnungsverfahrens: der utilitaristische Kalkül

Bentham: „Sum up all the values of the pleasures on the one side and those of all the pains on the other“

Plausibilität des Gedankens bei Übertragung auf die

Wohlfahrtsökonomie: Sozialreformerischer Impuls - Geld als Quantifizierungsvariable

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Problem: wie können Lusteinheiten quantifiziert werden? Nur technische Schwierigkeit oder prinzipielle Unmöglichkeit?

Differenzierungsversuch: Übergang vom Aktutilitarismus zum Regelutilitarismus

AU: Nützlichkeitskriterium auf Einzelhandlungen bezogen

RU: solche Regeln sind zu befolgen, deren Befolgung auf Dauer den Gesamtnutzen maximiert

Kontraintuitiver Charakter:

Keine absoluten Verbote (Rechtfertigung von Tötungen etc., wenn Nutzensumme steigt)

Beispiel Organspende

Singer: Menschsein Personsein

Nutzenmaximierung zwingt zu radikalem Verzicht auf die Verfolgung von Eigeninteressen

Unvereinbarkeit mit normativ strukturierten Institutionen: Beispiel Sport - Korrektur von Schiedsrichterentscheidungen bei

entsprechender Lustbilanz?

Unvereinbarkeit mit der Idee der Menschenrechte

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Die Pflichtethik Immanuel Kants

Lebensdaten, Kontext

Quellen

Glückseligkeit und Glückswürdigkeit

Grundcharaktere: Rationalismus, Formalismus, deontologischer Charakter, Universalismus, Apriorismus

Praktische Regeln und die Idee eines kategorischen Imperativs

Das einzig Gute: der gute Wille

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Der KI als Metaregel: Vernunft prüft den Verstand

Der Universalismus und die weiteren Formulierungen des KI

Naturgesetzformel

Selbstzweckformel und die Idee der Menschenwürde

Pflicht und Neigung: Freiheit und Notwendigkeit

Vom Apriorismus zur sozialen Praxis:

Geschichtsphilosophie

Pädagogik

Stilles Leben in Königsberg

Vollendung der deutschen Aufklärung: „Mündigkeit“

Verfasser der drei Kritiken

Kritik der reinen Vernunft

Kritik der praktischen Vernunft

Kritik der Urteilskraft

Bedeutendster deutscher Philosoph, heute weltweit wichtiger Bezugspunkt aller philosoph. Debatten

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Quellentexte zur Moralphilosophie

!Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: Ermittlung des obersten Prinzips der Moral

!Kritik der praktischen Vernunft: Vorausset-zungen und Konsequenzen dieses Prinzips

!Metaphysik der Sitten: Konkretisierung und Rechtstheorie

!Geschichtsphilosophische Schriften: Einbettung der Moral in die Menschheitsentwicklung

!Pädagogik-Vorlesung: „Gründung eines moralischen Charakters“

• Hilfreiche Texte:

!Ralf Ludwig, Kant für Anfänger: Der kategorische Imperativ, DTV

Bis jetzt behandelte Ethiken: „Glücksethiken“

Kant: Ethik der „Glückswürdigkeit“

Grundgedanke: nur wer so handelt, daß alle glücklich sein könnten, wenn alle so handeln würden wie er, ist würdig, glücklich zu sein

Glück als unser natürliches, Pflicht als unser moralisches Handlungsmotiv

Unabhängigkeit der Moralgeltung von Gott, aber: Gott als Instanz der (jenseitigen) Verbindung von Glückswürdigkeit und

Glückseligkeit

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Rationalismus

Prinzip der Normbegründung und der Handlungsprüfung ist die Vernunft

Gefühle sind in der Moralbegründung irrelevant

Formalismus

Die Ethik gibt keine Inhalte, sondern nur ein formales Prüfungsverfahren vor

Sie will unsere Alltagsintuitionen formalisieren und besser begründen

Deontologisch-kategorischer Charakter

Sie zielt auf unbedingte Sollens- bzw. Verbotssätze

Universalismus

Die Grundidee besteht in der Verallgemeinerbarkeit als Moralkriterium:

Einbeziehung aller (Betroffenen)

Nähe und Differenz zur goldenen Regel:

Verallgemeinerung des eigenen Standpunktes vs. Standpunkt „einer von allen“ (Kant: „die Menschheit in meiner Person“)

Apriorismus

Kant abstrahiert von aller Erfahrung: nicht was tatsächlich gilt, sondern was gelten soll, ist gefragt

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Ausgangspunkt: regelgeleitetes Handeln nach Maximen

Drei verschiedene Arten von Gebotsformeln (Imperativen)

1. Regeln der Geschicklichkeit: wenn Du Zweck a erreichen willst, gebrauche Mittel b: hypothetisch

2. Ratschläge der Klugheit: wer ein gutes Leben haben will, sollte a tun:

hypothetisch (weil auf private Entwürfe des guten Lebens bezogen)

3. Gesetze der Sittlichkeit: Geltung unabhängig von der Existenz gesetzter Zwecke: kategorisch (z.B.„Du sollst nicht lügen“) Geltungsbegründung (nicht inhaltliche Ableitung!) durch die Metaregel des KI

„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten

werden, als allein ein guter Wille. (...) Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorausgesetzten Zweckes, sondern allein

durch das Wollen, d.i. an sich, gut. (...)

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„Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur, es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlete, seine Absichten durchzusetzen, ... und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch,

sondern als die Aufbietung aller Mittel, sofern sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst

glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat. Die

Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werte weder etwas zusetzen, noch abnehmen.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 1-3)

Der Verstand bildet Maximen: z.B. „ich soll geliehenes Geld immer zurückgeben“

Die Vernunft als das Vermögen der Reflexion bzw. der Bildung sog.

„regulativer Ideen“ prüft mithilfe der Metaregel des KI den moralischen Gehalt der Maxime

Die Urteilskraft befindet darüber, ob eine gege-bene Situation unter die fragliche Maxime fällt oder nicht

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• Drei Hauptformeln (in der Grundlegung...)

I. „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die [d.h. von der] du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“

II. „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte.“

III. „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“

Moralisch handeln als Handeln aus Pflicht, nicht bloß als pflichtgemäßes Handeln

Ausklammerung der Gefühle, persönlicher (Vor-)lieben etc. als

„Neigung“ (unser empirisches Wollensprofil)

Freiheit als Handeln aus Einsicht, Unfreiheit als Gesteuertwerden durch die persönlichen Neigungen (empirischer vs. intelligibler Charakter)

Mensch als „Bürger zweier Welten“

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Geschichtsphilosophie

Hintergrund: Idee der Aufklärung: „Ausgang aus der selbstver-schuldeten Unmündigkeit“

durch den „Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen

Zentraler Text: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht

„Wir sind im hohen Grad durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind zivilisiert bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber, uns schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das

Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht bloß die Zivilisierung aus. ... Alles Gute aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung gepropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend.“

• Prinzip der Entfaltung all unserer Anlagen

• Entwicklung unserer Naturanlagen nur in der Gattung, nicht im Individuum möglich

• Die ungesellige Geselligkeit und Schopenhauers

„Stachelschweingleichnis“

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„Zum ewigen Frieden“ (1795)

Zentrale Bedeutung für Idee der Menschenrechte, Stellung der Vereinten Nationen

Spannung zwischen Moral und Politik: auch ein „Volk von Teufeln“ könnte einen Staat gründen

Regulative Idee einer Unterordnung der Politik unter die Moral

Staatsbürgerrecht, Völkerrecht und Weltbürgerrecht

Zentral: republikanische Verfassung (Gewaltenteilung)

Kants Pädagogik; das Ideal der Autonomie und die Idee einer besseren Welt

„Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, daß sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand dadurch hervorgebracht werde“

Vier Schritte des Erziehungsprozesses:

Disziplinierung-Kultivierung-Zivilisierung-Moralisierung

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Disziplinierung

Bezähmung der Wildheit

Der Mensch kann entweder bloß dressiert, abgerichtet, mechanisch unterwiesen, oder würklich aufgeklärt werden. Man dressiert Hunde, Pferde, und man kann auch

Menschen dressieren. ... Mit dem Dressieren aber ist es noch nicht ausgerichtet, sondern es kommt vorzüglich darauf an, daß Kinder denken lernen“

Kultivierung

Verschaffung der Geschicklichkeit: „Besitz eines Vermögens, welches zu allen beliebigen Zwecken zureichend ist“ (Kulturtechniken, hard und soft skills)

Zivilisierung

Erwerb von „Manieren“, Fähigkeit, durch gute Umgangsformen eigene Ziele zu erreichen

Moralisierung

An ihr entscheidet sich das Gelingen des Kulturprozesses: „wir leben im Zeitpunkte der Disziplinierung, Kultur und Zivilisierung, aber noch lange nicht in dem Zeitpunkte der Moralisierung“

„Die erste Bemühung bei der moralischen Erziehung ist, einen Charakter zu gründen.

Der Charakter besteht in der Fertigkeit, nach Maximen zu handeln.“

„Die Moralische Kultur muß sich gründen auf Maximen, nicht auf Disziplin.“

Es kommt bei der Moralisierung darauf an, daß der Zögling „die Gesinnung bekomme, daß er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die

notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zur gleichen Zeit jedermanns Zwecke sein können.“

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Schillers Einwand:

Von persönlicher Neigung kann man nicht abstrahieren

Kant und der Motorradunfall

Was macht den Willen konkret „gut“?

Operation gelungen, Patient tot?

Konflikte zwischen Pflichten

Das Lügenverbot und der Nazi

Die Philosophie des „moral sense“; David Hume; Arthur Schopenhauer; Martha Nussbaum

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Allen gemeinsam:

Zweifel an der Motivationskraft rein rationaler Überlegungen

Skepsis in Bezug auf die Reichweite universalistischer Prinzipien

Differenzpunkte:

Positive (Shaftesbury etc.) vs. negative Hintergrundmetaphysik

Einschätzung der Beziehung zwischen dem Guten und dem Richtigen

Anknüpfungspunkt für feministische Ethiktheorien (Carol Gilligan, Martha Nussbaum)

„Endziel aller moralischen Spekulationen ist, uns unsere Pflicht zu lehren und durch treffende Schilderungen von der Hässlichkeit des Lasters und der Schönheit der Tugend entsprechende Gewohnheiten zu erzeugen und uns zu bestimmen, das eine zu meiden, dem anderen uns zuzuwenden. Läßt sich das aber jemals von verstandesmäßigen Folgerungen und Schlüssen

erwarten, die von sich aus keinerlei Macht über die Affekte ausüben, auch nicht die tätigen Kräfte des Menschen in Bewegung setzen? Sie ermitteln Wahrheiten; wo aber die ermittelten

Wahrheiten farblos sind und weder Verlangen noch Wider-willen hervorrufen, können sie auf unser Tun und Verhalten keinerlei Einfluß gewinnen. ... Unterdrückt man alle warmen Gefühle und alle Voreingenommenheit für die Tugend ebenso wie allen Abscheu vor dem Laster, macht man die Menschen vollkommen gleichgültig gegen diese Unterschiede, so hört die Moral auf, ein praktisches Anliegen zu sein, hat keinerlei Tendenz mehr, unser Leben und Handeln zu

bestimmen.“ (David Hume, Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral)

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Britische Moralphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts:

naturalistische Psychologie im Zeichen von Sympathie, Wohlwollen (Benevolenz) und Mitgefühl

Hauptvertreter:

Earl of Shaftesbury (1671-1713)

Großer Einfluß auf Schiller

Verschmelzung von Schönheit und Tugend im Zeichen des Enthusiasmus: Idee der

„moral grace“

Francis Hutcheson (1694-1746)

Joseph Butler (1692-1752)

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Humes Handlungsmodell

„Reason is, and ought to be the slave of the passions, and can never pretend to any other office than to serve and obey them.“

„Morals excite passions, and produce or prevent actions. Reason of itself is utterly impotent in this particular. The rules of morality, therefore, are not conclusions of our reason.“

(beide Zitate aus: A Treatise of Human Nature, 1739/40)

Eigennutz und Sympathie als Gegenpole: Idee einer Harmonisierung beider

Ausgang von der Sympathie im Sinne der affektiven Bezogenheit der Menschen aufeinander

Problem: Zufälligkeit und Schwanken affektiver Zuneigungen

Humes Strategie: Ausweitung des Affektbegriffs im Sinne des Ausdrucks ursprünglicher Sozialität („fellow-feeling“)

Daher Basis fundamentaler gemeinsamer Interessen, vor allem an der Erhaltung des Staates, die Stabilität verbürgen

Ethik als Lehre von den staatserhaltenden Tugenden.

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Gegenstand moralischer Urteile dement-sprechend nicht

Einzelhandlungen, sondern positive (Tugenden) bzw. negative (Laster) Charakterzüge, d.h. Handlungsdispositionen

Aufstellung eines Tugendkatalogs (in Anlehnung an den römischen Autor Cicero)

93

Arthur Schopenhauer, 1788-1860

Hauptwerk: Die Welt als Wille und Vorstellung

Negativistische Metaphy-sik: der

‚Weltkern‘ ist nicht gut, nicht vernünftig, sondern ein blinder Wille

Ablehnung des Rationalismus in der Moral

Schrift Über die Grundlage der Moral

Idee einer metaphysischen Grundlegung (einer Gesamtdeutung der Wirklichkeit, die der Moral ihren Platz und ihr Prinzip zuweist)

Betonung der negativen emotionalen Erfahrungen: Leidhaftigkeit des Daseins

Nähe zu fernöstlichen, insbes. Buddhistischen Motiven

Frage nach dem moralischen Wert von Handlungen im Rahmen einer Psychologie der Handlungsmotive

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Ausschlaggebend für‘s Handeln sind emotional gefärbte Motive, nicht Überlegungen

Das stärkere Motiv setzt sich immer durch

„Wohl und Wehe“ für einen oder mehrere Menschen ist der letzte Zweck jeder Handlung

Handlungen, die auf das „Wohl und Wehe“ des Handelnden zielen, sind egoistisch

Zwischen egoistischen und moralischen Handlungen besteht eine strenge Disjunktion

Der moralische Wert einer Handlung liegt allein in ihrer Beziehung auf Andere

Es sind nur drei Grund-Triebfedern denkbar:

Egoismus, der das eigene Wohl will

Bosheit, die das fremde Wehe will

Mitleid, welches das fremde Wohl will

Mitleid als einzige Motivation aller Moral: Zitat Grundlage der Moral, 247f.

Mitfreude etc. kommt nicht vor; radikaler Gegensatz zu Shaftesbury

Kern des Mitleids: die Erfahrung des „das bin ich“ (tat vam asi), das Schwinden der Grenze zum Anderen

(252f.): Gerechtigkeit als präventives Mitleid

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geb. 1947

Eine der bekanntesten

amerikanischen Philosophinnen

Gemäßigt feministisches Selbstverständnis

Neostoische bzw. neoaristotelische Ethik

Wichtigste Titel:

The Therapy of Desire

Idee des guten Lebens zentral: Eudämonie

Wichtig: Unterscheidung zwischen eudämoni-stischen und hedonistischen Urteilen. (Moral ist eudämonistisch!)

EU‘s beziehen sich auf das, was ein Selbst als intrinsisch seinen Wertschätzungen zugehörig empfindet - dies schließt den

Selbstwert anderer ausdrücklich ein

HU‘s beziehen sich auf andere nur im Maß ihrer Nützlichkeit für das Selbst

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Gefühle sind evaluative Urteile über das, was für‘s Leben wichtig ist (für Individuum/soziale Gruppe)

Sie beziehen sich auf Personen und Sachverhalte, die für das Gedeihen des Selbst (sein gelingendes Leben ⇒Eudämonie):

Sehr wichtig sind

Aber nicht (vollständig) kontrolliert werden können.

Weil Gefühle kognitive Elemente aufweisen, können sie partiell durch Bildung und Überlegung beeinflußt werden

Erziehung der Gefühle daher als zentrale pädagogisch-moralische Aufgabe

Compassion als „a painful emotion occasioned by the awareness of another person‘s undeserved misfortune“

C is „a conception of human flourishing and the major

predicaments of human life, the best one the onlooker is able to form“

Verbindung zum übergreifenden Moralkonzept:

„Compassion depends upon the judgments about flourishing the spectator forms; and these will only be as reliable as is the spectator‘s general moral outlook“

101

Die philosophische Mitgefühlsdebatte:

Viele Philosophen (z.B. Platon, Seneca, Spinoza, Nietzsche) sehen Mitgefühl negativ; Hauptvorwurf: es sei herablassend und verletze die Würde des Bemitleideten

Nussbaums Position: der Kampf zwischen Mitgefühlsgegnern und -Freunden spiegelt zwei Anthropologien und politische Visionen:

Mensch exklusiv als Vernunftwesen, das Würde hat

Mensch als verletzbares und ungesichertes Wesen, das Würde hat

Zusammenfassung:

„Compassion is our species‘ way of hooking the good of others to our fundamentally eudaimonistic (though not egoistic) structure of our

imaginations and our most intense cares.“

Compassion bedarf der Einbindung in durchdachte Theorien über

a.) die menschlichen Basisgüter,

b.) Handeln und Schuldhaftigkeit

c.) über das Ausmaß unserer moralischen Verpflichtungen

Durch Kunst und Literatur kann und muß Compassion sensibilisiert werden (ähnlich bei Richard Rorty) (Frage: Bedeutung der Massenmedien?)

103

Friedrich Nietzsches Suche nach einem Standpunkt

„jenseits von Gut und Böse“

105

Philosoph und Altphilologe, nur für einige Jahre Professor in Basel

Seit 1889 geistig umnachtet; Pflege und „Vermarktung“ durch die rassistische und später dem NS nahestehende Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche

Enorme Wirkung auf alle Bereiche der Kultur: Religion, Kunst, Musik, Literatur, Philosophie, Lebensreform

Radikaler Denker, der Religion und Moral scharf kritisiert

Ideengut wurde in extrem verflachter Form von den Nationalsozialisten aufgenommen

Einfluß Schopenhauers, aber positive Wende von dessen Willensbegriff

Idee der „Umwertung aller Werte“

Psychologie des Verdachts: Suche nach Lügen, Tarnungen, Ausreden, Illusionen als Geschäft des Philosophen (Zitat GdM)

Lt. Nietzsche innerer Zusammenhang zwischen der abendländischen Moral und dem Gottesbegriff

„Fällt der Imperator, fallen auch die Imperative“

Nähe zu Freuds Psychoanalyse und dessen Religionskritik (vgl. Die Zukunft einer Illusion)

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„Jenseits von Gut und Böse“ und v.a.:

„Zur Genealogie der Moral“

Literaturtipps:

Als allererster Einstieg: Projekt Leben, 258/259 u. 364/65

Nietzsche insgesamt: Wiebrecht Ries, Nietzsche zur Einführung, Junius-Verlag

Gründliche Darstellung: Werner Stegmeier, Nietzsches „Genealogie der Moral“, Darmstadt 1994

Was bedeutet es, nach der Herkunft der Moral zu fragen?

Das Verhältnis von Genese und Geltung, oder: die Rose und der Misthaufen

Frage nach dem Wert der Moral: hemmt oder fördert sie das menschliche Gedeihen?

Antidemokratisches Denken: es kommt nicht auf das Glück der Vielen, sondern auf das Erreichen der höchsten Entwicklungshöhe durch einige Wenige ( Übermensch) an

Letztes Ziel: Bejahung des Lebens, so wie es ist ( Amoralismus, denn in Moral wird das Leben, so wie es ist, normativ kritisiert!), als ewige

Wiederkehr des Gleichen

109

Erste Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“

These: „gut“ hieß ursprünglich „wohlgeraten“ - Selbstbezeichnung der Vornehmen und Mächtigen; „schlecht“ waren die Geringen und zu kurz Gekommenen (Herrenmoral); später habe die Ohnmächtigen den Spieß umgedreht, um sich an den Herren zu rächen (Sklavenmoral)

An die Stelle des deskriptiven Gegensatzes von Gut und Schlecht tritt damit der normative Gegensatz von Gut und Böse

Entstehung der universalistischen Moral als raffiniertester Trick der Verlierer: Herrschaft des Geistes des Ressentiments

„Schuld“ und „Schlechtes Gewissen“:

Nietzsche nimmt ‚evolutionsbiologische‘ Perspektive ein, fragt nach der Nützlichkeit von Moralvorstellungen

Entstehung des Schuldbegriffs als Verinnerlichung materieller „Schulden“

mittels (Recht auf) Grausamkeit

Der „freie Wille“ als Philosophenerfindung, um Vergeltung rechtmäßig erscheinen zu lassen

„schlechtes Gewissen“ als Verinnerlichung des Schuldgefühls zur Dauerangst vor einem strafenden Gott

Befreiung von diesen Kategorien (vgl. religiöse Herkunft Nietzsches) als

Befreiung von diesen Kategorien (vgl. religiöse Herkunft Nietzsches) als

Im Dokument Grundprobleme der Moralphilosophie (Seite 47-145)

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