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Die Situation der Presse nach der Islamischen Revolution

2. Zur Geschichte der Presse in Iran

2.2. Die Situation der Presse nach der Islamischen Revolution

Die Islamische Republik hatte von Anfang an eine sehr komplizierte und problematische Beziehung zur Presse. Mit ein Grund dafür war, dass die Islamische Republik keine klare Position in Bezug auf die Presse bezog. Die Verfassung der Islamischen Republik Iran akzeptiert Meinungsäußerungen in Publikationen und Presse nur dann, wenn sie die Grundlagen des Islams nicht beeinträchtigen. Nach Artikel 23 der Verfassung darf zwar niemand aufgrund seiner Überzeugung angegriffen und bestraft werden. Nach Artikel 24 darf man seine Überzeugungen allerdings nur unter „Berücksichtigung islamischer Maßstäbe“ öffentlich äußern bzw. publizieren. So sind die zuständigen Gesetze obendrein bewusst so formuliert, dass man sie je nach Bedarf beliebig auslegen kann.3 Nach dem iranischen Pressegesetz ist zum Beispiel die Beleidigung strafbar. Was man genau mit dem Begriff „Beleidigung“ meint, ist jedoch im Pressegesetz nicht erläutert worden.4 So könnte praktisch jede kritische Berichterstattung in der Presse eigenmächtig als Beleidigung bezeichnet werden. In der Islamischen Republik kann nahezu jedes staatliche und pseudostaatliche Organ den Islam und die islamischen Maßstäbe frei auslegen und entsprechend handeln. Nirgends zeigt sich diese Willkür deutlicher als im Umgang mit Schriftstellern, Journalisten, Künstlern und anderen Intellektuellen. Nach dem Pressegesetz sollten Pressedelikte eigentlich von Zivilgerichten öffentlich und in Anwesenheit einer Jury behandelt werden. Doch immer wieder werden Revolutionsgerichte eingeschaltet, die in der Regel nach eigenen nirgendwo festgeschriebenen „Gesetzen“ urteilen.

Die Zensur und die Unterdrückung der Presse in der Islamischen Republik durften aber keineswegs mit großer Verwunderung wahrgenommen werden. Bereits im Jahr 1963 hatte nämlich der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini sich ausdrücklich gegen die Pressefreiheit geäußert und die Regierung Schahs scharf kritisiert, weil sie nichts gegen die freie Presse unternommen habe.5 Vierzehn Jahre später – diesmal am Vorabend des Sieges der Islamischen Revolution – kritisierte er wiederum den Schah, weil dieser unter anderem gegen

1 Qāsemi, Seyed Farid: Matbuʿāt-e Irān dar Qarn-e Bistom, Teheran 2001, S. 116.

2 Menashri, David: Iran. A Decade of War and Revolution, London 1990, S. 63 – 64.

3 S. Kapital 3 dieser Arbeit.

4 S. das Pressegesetz im Anhang.

5 Khomeini, Ruh ul-Lāh: Mağmuʿe-yi az Maktubāt, Soxanrāni-hā, Payām-hā va Fatāvi, Teheran 1981, S. 18.

die Pressefreiheit verstoßen habe.1 Vermutlich aus machtpolitischem Kalkül betonte Ayatollah Khomeini während der Revolution und vor allem in seinen Interviews mit westlichen Journalisten stets, dass in der von ihm gewünschten Republik die Menschenrechte und die Pressefreiheit höchste Werte darstellen sollten.2 Demgemäß ist jeder Versuch Zensur auszuüben nach der Verfassung der Islamischen Republik Iran strengstens verboten.3 In der Tat wurden jedoch unter der Herrschaft der Islamischen Republik mehr Zeitungen und Zeitschriften verboten als je zuvor in der iranischen Geschichte.4 Wenige Monate nach der Revolution kritisierte Ayatollah Khomeini die Zeitung Āyandegān, weil diese unter anderem die Meinungen der Gegner des Gottesstaates veröffentlicht und über die Machtkämpfe nach der Islamischen Revolution berichtet hatte.5 Kurz darauf wurde dann diese Zeitung verboten und viele ihrer Journalisten verhaftet. Das war der Beginn der bitteren Auseinandersetzung zwischen der iranischen Presse und der Islamischen Republik.

„Of the 444 newspapers and magazines that had appeared during the first year after the revolution, less than a half remained a few years later. In 1981 alone, 175 newspapers were shut down. By March 1988, the total number of newspaper and periodicals published in Iran was no more than 121.”6

Mit dem Sturz des Schahs und dem Sieg der Revolution im Jahr 1979 erhielt die iranische Presse scheinbar Freiheiten eingeräumt, die jedoch nach kurzer Zeit von der neuen Regierung wieder zurückgenommen wurden, wobei die iranische Presse zusätzlich noch unter massiven Druck gesetzt worden ist. Viele Zeitungen wurden verboten und viele Journalisten wurden verhaftet.7 Bis zum Ende des Iran/Irak-Krieges im Jahr 1988 war die vollständige staatliche Kontrolle der iranischen Presse vollzogen worden. Die Unterdrückung der freien Presse nach der Islamischen Revolution wurde in einem Bericht des Ministeriums für Kultur über die Lage der Presse wie folgt geschildert:

„At the beginnig of the revolution the Islamic state was confronted bye hunders of multifarious organs of the press, amongst which, of course, an Islamic press was not

1 Khomeini, Ruh ul-Lāh: Mağmuʿe-yi az Maktubāt, Soxanrāni-hā, Payām-hā va Fatāvi, Teheran 1981, S. 322.

2 Tilgner, Ulrich: Umbruch in Iran. Augenzeigeberichte – Analysen – Dokumente, Hamburg 1979, S. 100 – 109.

3 Fürtig, Henner: Islamische Weltauffassung und außenpolitische Staatsführung seit dem Tod Ayatollah Khomeinis, Berlin 1998, S. 243 - 273.

4 S. Bāqi, Emād al-Din: Bahār-e Rokn-e Čahārom, Teheran 2002.

5 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 135.

6 Ebenda.

7 Ebenda.

represented.” However “the tumultuous Islamic movement smashed the unlawful press. Since then there is truly no longer any danger emanating from that quarter, which could pose a serious threat to the Islamic ruling order.”1

In diesem Zusammenhang wurden die zwei großen Zeitungen Ettelāʿāt und Keyhān nach der Revolution von der Regierung übernommen und die zu den Verlagshäusern Ettelāʿāt und Keyhān gehörenden Zeitschriften bildeten insgesamt nun fast die gesamte Presselandschaft des Landes.2 Daneben gab es noch die Zeitung Ğomhuri-ye Eslāmi („Islamische Republik“), die aber als Organ der regierenden Partei Hezb-e Ğomhuri-ye Eslāmi („Partei der Islamischen Republik“) ihr Sprachrohr und damit per se abhängig war. Obwohl die staatlichen Zeitungen wie Ettelāʿāt oder Keyhān in dieser Zeit als ein Teil des Propagandaapparats des Staates wirkten, waren viele später als reformorientiert bekannte Journalisten damals bei diesen Zeitungen tätig gewesen.3

Im Folgenden wird die Lage der Presse in Iran nach der Islamischen Revolution in den verschiedenen Zeitabschnitten ausführlicher dargestellt:

2.2.1. Die Presse im ersten Jahr der Revolution

Der letzte Ministerpräsident der Schahregierung, Šāhpur Baxtyār, hatte etwa einen Monat vor der Revolution die Zensur in Iran abgeschafft.4 Bereits geraume Zeit davor traten viele Zeitungen und Zeitschriften aus Protest gegen diese Zensur in Streik. Durch die Aufhebung dieser Zensur waren die Zeitungen in der Lage sich unabhängig von Regierung und Parteien für einen politischen Wandel einzusetzen. Mit ihren Berichten über landesweit wachsende Unruhen und die Veröffentlichung von Äußerungen des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini, der in Paris auf seine Rückkehr in den Iran wartete, konnte die iranische Presse aktiv ins Revolutionsgeschehen eingreifen und sich für den Sieg der Islamischen Revolution einsetzen. Unmittelbar nach der Revolution wurden zahlreiche neue Zeitungen und Zeitschriften gegründet, die die unterschiedlichen politischen Gruppierungen repräsentierten.

So veröffentlichte fast jede politische Gruppierung eine Zeitung oder Zeitschrift. Diese Zeitungen und Zeitschriften wurden zu Trägern der politischen Auseinandersetzung zwischen den zahlreichen politischen Gruppierungen. Gleichzeitig erlebte auch die freie und kritische

1 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 135.

2 S. Qāsemi, Seyed Farid: Matbuʿāt-e Irān dar Qarn-e Bistom, Teheran 2001, S. 132.

3 S.Šamsolvāʿezin, Māšāʿallāh: Yāddāšt-hāye Sardabir, Teheran 2001.

4 Shahidi, Hossein: Journalism in Iran. From Mission to Profession, London 2007, S. 16.

Presse nach der Revolution für kurze Zeit eine Renaissance. Hossein Shahidi bezeichnet die Zeit nach der Revolution als „the spring of freedom“ für die iranische Presse.1 Die Unabhängigkeit und Freiheit der iranischen Presse währte allerdings nicht lange, da kurze Zeit nach der Revolution diese Freiheiten wieder zurückgenommen wurden.2 Die Folge war, dass die Presse sich von der Revolution getäuscht und enttäuscht fühlte.

Am 14. August 1979, wenige Monate nach dem Sieg der Revolution, verabschiedete der Revolutionsrat ein Pressegesetz, das bestimmte Einschränkungen für die Presse vorsah.3 Dagegen konnte die provisorische Regierung unter Mehdi Bāzargān, die keineswegs für eine weitreichende Einschränkung der neuen Freiheiten war, keinen Widerstand leisten.

„Nicht nur die sehr unübersichtlichen Verhältnisse nach der Revolution behinderten die Arbeit der Regierung Bāzargān. Der Revolutionsrat hatte die meisten Kompetenzen an sich gerissen und sabotierte in vielen Bereichen die Entschlüsse der Zentralgewalt. Bāzargāns Regierung sollte eine Geste der Zusammenarbeit an die `Nationale Front´ sein; das Bürgertum sollte für die Revolution gewonnen werden. Die Revolution entwickelte jedoch ihre eigene Gesetzmäßigkeit. Als die bürgerlichen Kräfte nicht mehr `gebraucht´ wurden und sich die Veränderung der politischen Lage gefestigt hatte, war ihre Rolle im `Spiel´ überholt und sie musste anderen Kräften weichen; ein Schicksal, das auch anderen politisch Mächtigen in der Zukunft widerfuhr.“4

Zwei Tage nach der Besetzung der US-Botschaft durch revolutionäre Studenten im Jahr 1980 trat die liberale Regierung des Ministerpräsidenten Mehdi Bāzargān aus Protest zurück.5

„Two developments in late October and early November finalized Bāzargān’s decision to resign, and Khomeini’s willingness to accept it: the amendments introduced in the draft constitution, and the occupation of the American embassy.”6

Laut Henner Fürtig7 hatte Mehdi Bāzargān einen Verfassungsentwurf vorgelegt, der eine Präsidialrepublik vorsah, die der Geistlichkeit kaum mehr politischen Handlungsspielraum zugestanden hätte, als in den Verfassung von 1907 vorgesehen. „Khomeini sah seine Vision einer islamischen Republik und ihrer Führung durch einen Rechtsgelehrten akut gefährdet.

1 Shahidi, Hossein: Journalism in Iran. From Mission to Profession, London 2007, S. 43.

2 S. Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997.

3 Ebenda, S. 135 – 136.

4 Küppers, Steffen: Die Islamische Republik Iran, Frankfurt am Main 1991, S. 31.

5 Menashri, David: Iran. A Decade of War and Revolution, London 1990, S. 113.

6 Ebenda.

7 S. Fürtig, Henner: Islamische Weltauffassung und außenpolitische Staatsführung seit dem Tod Ayatollah Khomeinis, Berlin 1998.

Eine Verfassung, die den Stempel Bāzargāns getragen hätte, hätte den adjektivischen Zusatz

`islamisch´ in der Staatsbezeichnung aus seiner Sicht unzulässig verwässert, er wäre zur bloßen Fassade verkommen.“1

In der nun zwangsläufig folgenden Konfrontation setzte sich Khomeini letztendlich durch.2 Mit dem Rücktritt Bāzargāns wurde der Weg für eine weitere Radikalisierung der Islamischen Republik frei. Durch die Verabschiedung der iranischen Verfassung bekam der religiöse Führer bzw. Valiy-e Faqih („der religiöse Rechtsgelehrte“) uneingeschränkte Machtbefugnisse.3 Dabei hatte Ayatollah Khomeini vor dem Sieg der Islamischen Revolution versprochen, dass die Geistlichen in der zukünftigen Regierung nicht politisch tätig sein würden:4

„The ʿUlama themselves will not hold power in the goverment. They will exercise supervision over those who govern and give them guidance.”5

Die legalen Einschränkungen der Presse nach dem geänderten Pressegesetz vom 14. August 1979 waren dem Revolutionsführer Khomeini vermutlich nicht genug. Wenige Tage nach der Verabschiedung des geänderten Pressegesetzes griff Khomeini in einer scharfen Rede die freie und unabhängige Presse an und forderte sie auf, ihr Verhalten und ihre Einstellung gegenüber der Islamischen Revolution zu überdenken:6

„The press must write what the nation wants. … The nation wants newspapers which conform with its views.”7

Einige Zeitungen, darunter die Zeitung Āyandegān, berichteten trotzdem weiter kritisch über die neuen Machthaber.8 Wenige Tage nach Khomeinis Warnung wurden die Redaktionsräume und Druckereien der beiden größten Tageszeitungen des Landes, Ettelāʿāt und Keyhān, von jungen Revolutionären besetzt und die kritische Zeitung Āyandegān wurde verboten. Viele

1 Fürtig, Henner: Islamische Weltauffassung und außenpolitische Staatsführung seit dem Tod Ayatollah Khomeinis, Berlin 1998, S. 43 – 44.

2 Ebenda, S. 44

3 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 22 – 27. 4 Ebenda.

5 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 24.

6 Menashri, David: Iran. A Decade of War and Revolution, London 1990, S. 87.

7 Ebenda.

8 Ebenda.

Journalisten wurden daraufhin verhaftet.1 Der Beginn des Irak/Iran-Krieges im Jahr 1980 radikalisierte die Islamische Republik zusätzlich.

2.2.2. Die iranische Presse während des Irak/Iran-Krieges

Im Jahr 1980 startete Saddam Hussein seinen Angriff gegen den Iran.2 Dieser acht Jahre andauernde Krieg war für die iranischen Ayatollahs eine „Gnade Gottes“.3 Der Krieg gab den Ayatollahs nämlich die Möglichkeit, den Rest ihrer inneren Gegner niederzuschlagen und die freie Presse mehr und mehr unter Druck zu setzen.4 Allein im Jahr 1981 wurden 175 Zeitungen und Zeitschriften verboten.5 Am Ende des Krieges im Jahr 1988 erschienen nur 121 Zeitungen und Zeitschriften in Iran.6 Diesen Zeitraum bezeichnete der berühmte iranische Journalist, Masʿud Behnud, als düsterste Zeit für den Journalismus in Iran.7 Fast alle kritischen Journalisten mussten entweder das Land verlassen oder ihre journalistische Tätigkeit einstellen. Die wenigen verbliebenen Zeitungen waren in dieser Zeit hauptsächlich in den Dienst des Propagandaapparats der Regierung gestellt. Damit war die iranische Presse während des Krieges (1980-88) staatskonform geworden. Die Berichterstattung über den Krieg, die Mobilisierung der Bevölkerung und die Thematisierung der neuen revolutionären Werte waren die Hauptaufgaben der Presse.

2.2.3. Die iranische Presse während der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg

Nach dem Krieg und nach dem Tod des Revolutionsführers Khomeini am 3. Juni 19898 begann die so genannte Zeit des Wiederaufbaus. Nachdem Ali Khamenei vom Expertenrat9 als Nachfolger des Revolutionsführers gewählt wurde, ließ sich der damalige Parlamentsvorsitzende, Ali Akbar Hashemi Rafsandschani zum neuen Staatspräsidenten wählen. Rafsandschani war unter den Mullahs immer als ein gemäßigter Geistlicher bekannt.

Er stammte aus einer reichen Familie und interessierte sich vor allem für wirtschaftliche Fragen. Mohammad Khatami, der spätere Staatspräsident, wurde von Rafsandschani als

1 Menashri, David: Iran. A Decade of War and Revolution, London 1990, S. 88.

2 S. Fürtig, Henner: Der irakisch-iranische Krieg 1980-1988. Ursachen. Verlauf. Folgen, Berlin 1992.

3 S. Menashri, David: Iran. A Decade of War and Revolution, London 1990, S. 228.

4 Ebenda.

5 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S 135.

6 Ebenda.

7 S. Text Nr. 35 im Anhang.

8 Brumberg,Daniel: Reinventing Khomeini. The Struggle for Reform in Iran, Chicago 2001, S. 146.

9 Der Expertenrat ist eine Versammlung, die aus Ayatollahs besteht, die direkt von dem Volk für acht Jahre gewählt werden. Nach der Verfassung der Islamischen Republik wird der religiöse Führer vom Expertenrat gewählt. Mehr darüber in: Schirazi, Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 45 – 52.

Minister für Kultur ernannt.1 Dieser bevorzugte eine Politik der Toleranz gegenüber der Presse. Die Zahl der Zeitungen und Zeitschriften stieg von 102 in 1988/89 auf 369 in 1992/93.2 Der Minister für Kultur musste jedoch im Juni 1992 unter dem massiven Druck der Konservativen sein Amt niederlegen.3

Um die Millionenmetropole Teheran zu modernisieren, ernannte Rafsandschani außerdem einen bekannten Technokraten zum Bürgermeister. Ġolām Hoseyn Karbāsči baute viele Autobahnen, Parks und Einkaufszentren und hat so das Gesicht der Millionenstadt grundlegend umgestaltet. Dieser mächtige Bürgermeister Teherans veröffentlichte nun im Jahr 1992 eine Zeitung. Diese neue Zeitung hieß Hamšahri („Mitbürger“).4 Sie war die erste bunte Zeitung in Iran. Hamšahri berichtete vor allem über alltägliche Themen und wurde in kurzer Zeit die größte Zeitung des Landes.5

Auf dem Hintergrund der Erfolge der Zeitung Hamšahri gab die iranische Nachrichtenagentur Irna im Jahr 1993 die Zeitung Irān heraus.6 Diese Zeitung hat sich später als Regierungszeitung etabliert. Im Gegenzug zur Hamšahri berichtete die Zeitung Irān mehr über politische Themen. Hamšahri und Irān unterstützten in den nächsten Jahren den Reformprozess unter Khatami. Auch die Zeitung Salām („Hallo“) wurde unter Rafsandschani und während der Zeit des Wiederaufbaus gegründet.7 Diese Zeitung gehörte einer linksorientierten Gruppe von Geistlichen, die ihre Einflüsse unter Rafsandschani weitgehend verloren hatten.

Nach dem Tod des Revolutionsführers Khomeini konnten die konservativen Geistlichen fast alle Machtzentren in der Islamischen Republik erobern. Unter den Mullahs gab es seit langem eine Gruppe, die an eine Art islamischer Planwirtschaft glaubte. Die Mitglieder dieser Partei waren hauptsächlich Geistliche, die gleich am Anfang der Revolution für einen islamischen Sozialstaat waren. Diese Partei bezeichnete sich als „Mağmaʿ-e Rohāniyun-e Mobārez-e Tehrān“ („Union der kämpferischen Geistlichen Teherans“). Der konservative Gegenpol heißt

„Ğāmeʿe-ye Rohāniyat-e Mobārez-e Tehrān“ („Vereinigung der kämpferischen Geistlichen Teherans“).8 Diese rechtsorientierte religiöse Partei unterstützte Rafsandschani bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1989. Mit dessen Wahlsieg eroberten die konservativen Geistlichen praktisch alle Machtzentren in der Islamischen Republik. Um ihre Gegner in der

1 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 136.

2 Ebenda, S. 137.

3 Ebenda.

4 S. Krüger, Eberhard: Moderne iranische Presse. Hamshahri und Iran, München 1999.

5 Ebenda.

6 S. Krüger, Eberhard: Moderne iranische Presse. Hamshahri und Iran, München 1999.

7 S. Text Nr. 37 im Anhang.

8 S. Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997.

linksorientierten religiösen Mağmaʿ, die als enge Mitstreiter des Revolutionsführers galten, einigermaßen zu besänftigen, erlaubten sie ihnen, die Zeitung Salām zu veröffentlichen. Diese Zeitung war gleich seit Beginn ihrer Tätigkeit kritisch gegenüber der damaligen Regierung eingestellt. Während der Präsidentschaftswahlen im Jahr 1997 hat Salām eine wichtige Rolle gespielt, was auch zum Wahlsieg Khatamis beigetragen hat.1

Die Zeitungen und Zeitschriften, die nach dem Irak/Iran-Krieg von den islamischen Intellektuellen in Iran veröffentlicht wurden, können als Vorreiter der späteren Reformpresse, wie sie sich nach dem Sieg des Reformers Mohammad Khatami bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1997 entwickelt hat, betrachtet werden.2 So hat die Presse eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Reformbewegung gespielt. Die erste Generation der reformorientierten Presse in der Islamischen Republik entwickelte sich schon Ende der achtziger Jahre, also unmittelbar nach dem Ende des Irak/Iran-Krieges (1980-1988). Aber erst im Jahr 1997 erreichte die reformorientierte Presse ihre Blütezeit.

2.2.4. Die Presse nach der Reformbewegung

Die Islamische Revolution von 1979 weckte in der iranischen Bevölkerung wieder Hoffnung auf die ersehnte Demokratie. Viele Anhänger der Islamischen Revolution wurden jedoch in ihren Erwartungen enttäuscht. Die Islamische Republik war alles andere als eine Demokratie.

So haben die Ayatollahs ihre Gegner gewaltsam unterdrückt.3 Nach dem Krieg und dem Tod des Revolutionsführers gab es vor allem unter ehemaligen Revolutionären viele Proteste gegen die totalitäre Herrschaft der Geistlichen.4 Kurz vor dem Tod des Revolutionsführers Khomeini fiel sogar der Großayatollah Hoseyn Ali Montazeri, der als künftiger Nachfolger Khomeinis galt, in Ungnade, weil er die gewaltsame Niederschlagung der Oppositionellen und die Verletzung der Menschenrechte öffentlich kritisiert hatte.5

So wurden viele Revolutionäre, die eine wichtige Rolle während der Revolution und dem Krieg gespielt hatten, von der Islamischen Republik enttäuscht. Sie haben feststellen müssen, dass die Revolution ihre ursprünglichen Ziele verfehlte. Daher begannen die so genannten intellektuellen Muslime mit der Aufklärung und schrieben in Zeitschriften über eine mögliche islamische Demokratie.6 Obwohl sie wegen ihrer weltoffenen und liberalen Einstellung oft mit dem gewaltsamen Widerstand der Ultrareligiösen und deren Schlägertrupps rechnen

1 Brumberg,Daniel: Reinventing Khomeini. The Struggle for Reform in Iran, Chicago 2001, S. 219.

2 Ebenda.

3 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 124.

4 S. Text Nr. 37 im Anhang.

5 Schirazi,Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, London 1997, S. 124.

6 S. Brumberg,Daniel: Reinventing Khomeini. The Struggle for Reform in Iran, Chicago 2001.

mussten, schreckten sie nicht davor zurück, die so genannten roten Linien1 zu überschreiten.

Viele von ihnen zählten inzwischen zur intellektuellen Elite der Islamischen Republik. Auch begannen sie an den Universitäten oder in der Presse über eine moderne Interpretation der Religion bzw. des Islams zu diskutieren. Andere wanderten in die westlichen Ländern aus, um dort weiterzustudieren.

Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre entstand eine neuartige unabhängige Presse, die sich als Vorreiter der heutigen Reformbewegung mit grundlegenden Fragen zur Politik und Gesellschaft beschäftigte. Die wichtigste reformorientierte Zeitung in dieser Zeit war, wie

Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre entstand eine neuartige unabhängige Presse, die sich als Vorreiter der heutigen Reformbewegung mit grundlegenden Fragen zur Politik und Gesellschaft beschäftigte. Die wichtigste reformorientierte Zeitung in dieser Zeit war, wie