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Die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen

Im Dokument Rosa-Luxemburg-StiftungManuskripte 75 (Seite 37-41)

Die CBD gilt als relativ offen für zivilgesellschaftliche Akteure und ihre Interes-sen. Das wird besonders sichtbar auf den Vertragsstaatenkonferenzen und anderen Foren, wo der Zugang von Nicht-Regierungs-Organisationen meist problemlos gewährt wird. Andere politische Institutionen wie etwa die WTO sind wesentlich selektiver gegenüber progressiven Interessen.

Die stärksten zivilgesellschaftlichen Akteure sind die Pharma-, Agrar- und Kosmetikunternehmen und ihre Verbände, welche die CBD erst in den letzten Jah-ren als wichtiges politisches Terrain erkannt haben – insbesondere in Fragen des Zugangs und Vorteilsausgleichs. Sie beeinflussen vor allem die nördlichen Regie-rungen nicht erst auf den Konferenzen, sondern schon bei der Positionsfindung.

Und sie verfügen über die finanziellen Ressourcen und das technologische Know-how, um überhaupt die Folgen bestimmter Praktiken abschätzen zu können – und damit den entsprechenden politischen Regulierungsbedarf. Eine jüngere Entwick-lung ist die bereits erwähnte aktive Formierung und sehr offensive Einmischung der US-amerikanischen Biotechnologie-Firmen in den CBD-Prozess in Form der American BioIndustry Alliance unter Leitung von Susan Finston (2005).

Besonders ist die Parteinahme nördlicher Regierungen für „ihre“ Unternehmen in der JUSCANZ-Gruppe (Japan, USA, Kanada, Australien, Neuseeland), die ganz offen die Interessen der biotechnologischen Unternehmen und Forschungs-institute vertreten. Insgesamt sind sie für wenig verbindliche Regeln bei Fragen indigener Rechte und Vorteilsausgleich und für starke Regeln bei den geistigen Ei-gentumsrechten und Zugangsmodalitäten. Die Unternehmen haben aber keine ein-heitliche Position. So sind die Schweizer Firma Novartis oder die norwegische Novo Nordisk durchaus zu klaren Regeln im Bereich Zugang und Vorteilsaus-gleich bereit und das spiegelt sich in den Positionen der jeweiligen Regierungen.

Andere Unternehmen wie Monsanto sehen Regeln und ihre Umsetzung offenbar eher als hinderlich an (vgl. Brand et al. 2008).

In den Bereich ökonomisch orientierter zivilgesellschaftliche Akteure gehören auch Consulting-Firmen, die zwar weniger im internationalen Politikprozess prä-sent sind, aber in der Implementierung der Politiken und konkreten Projekte. In-direkt spielen sie mit ihrer fachlichen Expertise auch eine Rolle in den Politikpro-zessen.

Eine zweite wichtige zivilgesellschaftliche Gruppe sind die Naturschutz-NGOs. Dazu gehört die International Union for the Conservation of Nature – The World Conservation Union(IUCN) mit Sitz in Gland bei Genf mit großen inter-nationalen Netzwerken, zu dessen Mitgliedern auch viele Regierungen und

Re-gierungsstellen zählen. Mit ihrem Umweltrechtszentrum in Bonn hat die IUCN eine der wichtigsten Denkfabriken und ist in der Lage, die komplizierten Sach-verhalte der Verhandlungen genau zu erörtern. Zu den Naturschutz-NGOs im engeren Sinne zählen der World Wide Fund for Nature(WWF), Conservation In -ternational(CI) oder The Nature Conservancy(TNC), die im Bereich der Nicht-Regierungen und nicht-privatkapitalistischen Firmen das mit Abstand meiste Geld für Naturschutz zur Verfügung haben (insbesondere für konkrete Projekte). Der WWF hat sich in den letzten Jahren hin zu sozialen Fragen und lokalen Akteuren durchaus geöffnet. Bei CI und TNC dominiert immer noch ein Naturschutzver-ständnis, bei dem Menschen rein zerstörerisch auf Natur einwirken und daher aus den zu schützenden Gebieten fern gehalten werden sollten. Das führt in Gegen-den, in denen die ländliche Bevölkerung nicht nur mit und von der Natur lebt, son-dern sie im Agrarbereich ganz entscheidend gestaltet, zu massiven Konflikten.

NGOs wie CI oder TNC, die zusammen mit dem WWF als „The Big Three“ der internationalen Umweltschutz-NGO-Szene bezeichnet werden, sind auch offiziell eng an internationale Konzerne angelehnt. CI hatte im Jahr 2005 über 92 Millio-nen US-Dollars an Geldern akquiriert und gab über 114 MillioMillio-nen US-Dollars aus (CI 2006: 18-9). Die Liste der UnterstützerInnen liest sich wie ein Who is Who der internationalen Geschäftswelt, denn Sponsoren sind Monsanto, Coca-Cola, McDonald's, Intel Corporation, Ford Motor Company and Starbucks (CI 2006:

25-6, www.conservation.org, zu den Politiken der drei genannten NGOs in Me-xiko vgl. Delgado 2004: 33-42). In einer breit diskutierten Kritik hat Mac Chapin im Rundbrief des Worldwatch InstituteEnde 2004 ihnen vorgeworfen, dass die Naturschutz NGOs häufig gegen die Interessen der lokalen Bevölkerung agieren würden. CI wurde beispielsweise in Chiapas dafür kritisiert, dass sie mit dem Mi-litär zusammenarbeiten, um die lokale Bevölkerung zu vertreiben und dass sie Bioprospektierung für transnationale Unternehmen betreibt (Chapin 2004: 29). In den internationalen Verhandlungen, in denen der WWF stärker präsent ist als TNI und CI (und IUCN ohnehin eine überragende Präsenz hat), arbeiten die Natur-schutz-NGOs eng mit allen Regierungen zusammen, stellen ihr Wissen zur

Verfü-International(GRAIN). ETC Group und GRAIN arbeiten eng mit dem BäuerIn-nen-Netzwerk Vía Campesinazusammen. Ähnliche Positionen vertritt die Inter -mediate Technology Development Group (ITDG). Das Third World Network (TWN) hat eine längere Geschichte in anderen entwicklungspolitischen Ausein-andersetzungen, denn es ist eine prominente Denkfabrik v.a. zum ökonomischen Süd-Nord-Verhältnis mit Büros in mehreren Ländern, der eigenständige For-schung und Beratung betreibt sowie mehrere Zeitschriften und laufend Bücher pu-bliziert. Das Biodiversitätsthema wird vom TWN insbesondere wegen den dort verhandelten Fragen geistiger Eigentumsrechte aufgegriffen. Deren Website gehört neben denen von ETC Group und GRAIN sicherlich zu den am meisten konsultierten auf der Suche nach kritischen Positionen. Greenpeacewar im ersten Jahrzehnt der CBD kaum aktiv, nimmt jedoch zunehmend an den Auseinander-setzungen um Waldpolitik, Meeresbiologische Vielfalt und gentechnisch verän-derte Pflanzen teil und spielt zunehmend eine Rolle in den CBD-Verhandlungen.

Prominenter Vertreter der indigenen Völker ist auf NGO-Seite das Indigenous Peoples Biodiversity Network (IPNB), das eng mit anderen NGOs kooperiert. Al-lerdings wird gerade im Bereich der Interessenvertretung der indigenen Völker deutlich, dass viele Gruppen gar nicht präsent sind. Auf internationaler Ebene ko-ordinieren sich die zivilgesellschaftlichen Gruppen in der CBD Alliance. Zentra-les Moment der Arbeit ist die Vertretung gegenüber de Sekretariat der CBD sowie die Vernetzung und Kommunikation über die eigene Mailingliste.

In Deutschland ist ein wichtiges progressives zivilgesellschaftliches Terrain das Forum Umwelt & Entwicklungmit Sitz in Bonn und die dortige Arbeitsgruppe Biologische Vielfalt (AG Biodiv). Das Forum bzw. die AG, in den wiederum ver-schiedene NGO-VertreterInnen mitarbeiten, sind seit vielen Jahren auf den inter-nationalen Konferenzen präsent und werden in Bonn zweifellos ein wichtige Rol-le spieRol-len. Neben den genannten internationaRol-len NGOs wie etwa der WWF oder Greenpeace, die auch in Deutschland agieren, sind zentral der Evangelische Ent-wicklungsdienst und Misereor und die unabhängige Biopiraterie-Kampagne der BUKO (Bundeskoordination Internationalismus) zu nennen. Der EED ist mit Stu-dien, Öffentlichkeitsarbeit und der Verfolgung diverser Politikprozesse aktiv. Seit fünf Jahren wurde die BUKO-Kampagne zu einem wichtigen Akteur, der über Kampagnen und Bildungsarbeit das Thema Biopiraterie im weiteren Sinne in eine breitete Öffent-lichkeit trägt. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat ein hohes Renommee in Fragen der agrarbiologischen Vielfalt.

Zu nennen sind als wichtiges Kommunikationsmedium zwischen Regierungen und zivilgesell-schaftlichen Gruppen sowie zwischen letzteren das Informations-blatt ECO und das Earth Negotiation Bulletin(ENB), die beide während den Kon-ferenzen informieren. Das ENB hat dabei einen offizielleren Charakter.

Dieser knappe Überblick zeigt schon, dass es eine sehr plurale Zivilgesellschaft um die CBD herum gibt, was den Diskussionen sehr gut tut, da sich eben unter-schiedliche Sichtweisen artikulieren. Eine zukünftig interessante Frage dürfte die

Position der progressiven Regierungen Lateinamerikas hinsichtlich der Frage in-digener Rechte sein – allen voran der bolivianischen Regierung.

Die genannten NGOs entwickeln ihre politische Wirkung nicht zuletzt im Zu-sammenspiel mit anderen NGOs sowie mit WissenschaftlerInnen und Vertreter-Innen von Regierungen und internationalen Institutionen als Teil sog. Wissens-gemeinschaften (epistemic communities), die in bestimmten Fragen zu einem ge-meinsamen Problemverständnis beitragen und Vorschläge ausarbeiten.

Die Teilnahme zivilgesellschaftlicher Akteure an den Verhandlungen der CBD hat mehrere positive Konsequenzen. NGO können als schwache Akteure dazu bei-tragen, dass bestimmte Sichtweisen im Politikprozess Gehör finden und eventuell sogar in politisch-rechtliche Regulierungen eingehen. Die Regierungen können angesichts der komplexen Materie, der Unsicherheit und Ungewissheit der politi-schen Probleme und Prozesse auf das Wissen und die Erfahrungen vieler Organi-sationen zurückgreifen. Dies geschieht allerdings, kaum verwunderlich, nicht ega-litär. Der „Einfluss“ von NGOs ist dann größer, wenn sich ihre Vorschläge relativ nah an den dominanten Problemwahrnehmungen sowie politischen Interessen und Vorschlägen bewegen. Inhaltliche Expertise und Informationen für angemessene Interventionen, Kooperationen und Kontakte zwischen NGO, Lobby- und Ver-handlungsfähigkeiten, das sind die von den NGOs selbst als zentral erachteten Fähigkeiten (vgl. Matthews 2006).

Eine scheinbare politische Neutralität ist daher ein starker Selektionsmechanis-mus, der bestimmte Akteure und Themen in diesen Prozess integriert, andere da-gegen ignoriert und zumindest ihre Chancen auf Artikulation schwächt.

Allerdings steht dem mindestens eine negative Konsequenz gegenüber, die von kritischen NGOs wie ETC Group immer wieder geäußert wird (vgl. etwa Ribeiro 2002): Denn die im Rahmen der CBD agierenden zivilgesellschaftlichen Gruppen lassen sich auf das politische Terrain ein und tragen so zu seiner Legitimität bei.

Im Rahmen der CBD selbst ist Kritik an der grundlegenden Ausrichtung der in-ternationalen Biodiversitätspolitik kaum möglich. Genau das aber erachten viele lokalen Gruppen und kritischen NGOs als notwendig. Diese Perspektive wird

Im Dokument Rosa-Luxemburg-StiftungManuskripte 75 (Seite 37-41)