MBP-NLP1CRM1
3.3. Die Rolle von NLP1 im poly(A)mRNA‐Export
Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass NLP1 mit Faktoren, die im RNA‐Export beteiligt sind (TAP, Gle1), interagiert (Katahira et al., 1999 [103]; Wiegand et al., 2002 [113]; Kendirgi et al., [98] 2005). Interessanterweise konnte in Kompetitionsstudien dieser Arbeit gezeigt werden, dass der mRNA‐Exportfaktor TAP und der Proteinexportkomplex bestehend aus CRM1, RanGTP und einem Exportsubstrat, gleichzeitig an NLP1 binden können, ohne um die Bindung an NLP1 zu konkurrieren (Abschnitt 2.3.8.). Da NLP1 eine essentielle Aufgabe im Export der mRNA von HSP 70 unter Hitzeschockbedingungen (42°C) zugesprochen wurde (Kendirgi et al., [98]), dessen Rolle im generellen Export von mRNA aber noch unklar war, wurde diese im Abschnitt 2.4.1. dieser Arbeit in NLP1‐Überexpressions‐ oder ‐ Depletions‐Studien genauer analysiert. Es stellte sich heraus, dass die Depletion von NLP1 mittels siRNA keinen Effekt auf die Lokalisation von poly(A)mRNA hatte. Da die Depletionseffizienz von NLP1 auf Proteinebene im besten Fall ca. 90% betrug, muss hier auch in Betracht gezogen werden, dass die übriggebliebenen 10%
ausreichend für die Ausführung eventueller Funktionen im mRNA‐Export waren.
Starke Überexpression von NLP1 führte zur Inhibition des mRNA‐Exports. Eine Vermutung ist, dass durch die große Anzahl an überexprimierten NLP1‐Molekülen wichtige Faktoren für mRNA‐Export (zum Beispiel TAP oder Gle1) im Kern gebunden werden, welche daraufhin nicht mehr für den mRNA‐Export zur Verfügung stehen und es somit zur Inhibition des Exports kommt.
Wie bereits erwähnt, zeigten frühere Untersuchungen, dass NLP1 notwendig für den Export der mRNA des Hitzeschockproteins HSP 70 ist (Kendirgi et al., 2005 [98]).
Auf Grund dessen, dass keine tragende Rolle für NLP1 im Export von mRNA festgestellt werden konnte, liegt die Vermutung nahe, dass NLP1 entweder nur für den Export spezifischer mRNAs essentiell ist oder nur unter bestimmten Bedingungen, wie zum Beispiel unter Hitzestress, wie es bei Kendirgis Untersuchungen der Fall war, für den mRNA‐Export notwendig wird. Letzteres scheint für das NLP1 Homolog aus Hefe, Rip1p/Nup42, zuzutreffen. Untersuchungen zeigten hier, dass in Rip1p/Nup42‐depletierten Hefezellen, der Export von
poly(A)mRNA bei 42°C, nicht aber bei 25°C stark inhibiert ist (Vainberg et al., 2000 [102]).
Da die Depletion von NLP1 keinen und nur sehr starke Überexpression von NLP1 einen Effekt auf die poly(A)mRNA Lokalisation zeigte, kann davon ausgegangen werden, dass NLP1 unter „Normalbedingungen“ keine tragende Rolle beim generellen Export von mRNAs hat. Der Fokus dieser Arbeit wurde daher auf die Erforschung der Rolle von NLP1 im Proteinexport gerichtet.
3.4. Biochemische Charakterisierung von NLP1
Verschiedene Bindungsstudien dieser Arbeit zeigten, dass NLP1 sowohl im Komplex mit RanGTP und CRM1 als auch im Komplex mit CRM1, RanGTP und einem NES‐
Substrat vorliegen kann. Dabei ist eindeutig, dass die zusätzliche Bindung eines NES‐
Substrates die Affinität von NLP1, CRM1 und RanGTP zueinander erhöht und dass die Zugabe von NLP1 die Affinität von CRM1 zu RanGTP und zum NES‐Substrat verstärkt (Abschnitt 2.3.1.).
Interessanterweise war nicht nicht der FG‐repeat‐reiche C‐Terminus von NLP1 sondern die nur 2 FG‐repeats beinhaltende N‐terminale Hälfte für die Interaktion mit CRM1 verantwortlich (Abb. 2.8.). In verschiedenen Hefe‐zwei‐Hybridanalysen wurde entgegen diesem Resultat postuliert, dass der C‐Terminus von NLP1 mit CRM1 interagiert (Strahm et al., 1999 [97]; Rouzic et al., 2002 [137]). Diese Diskrepanz kann einerseits daher zustande kommen, dass unsere Versuche mit rekombinanten Proteinen aus Bakterien durchgeführt wurden und ihnen deshalb zum Beispiel spezifische, für Interaktion mit CRM1 notwendige Modifikationen wie O‐Glykosylierungen oder Phosphorylierungen usw. fehlten. Andererseits fanden die vorher beschriebenen Interaktionstudien in einem Zellsystem (Saccharomyces Cervisiae) statt, das neben den zu untersuchenden Proteinen den kompletten Proteinsatz einer Zelle enthält. Folglich kann eine indirekte Interaktion dort nicht ausgeschlossen werden.
Da NLP1 als O‐glykosyliert beschrieben wurde (Farjot et al., 1999 [96]), sollte der Einfluss der Glykosylierung auf das Bindeverhalten von NLP1 überprüft und rekombinantes NLP1 in vitro O‐glykosyliert werden. Obwohl die Positivkontrolle p62, eins der am besten charakterisierten O‐glykosylierten Nukeoporine (Holt et al., 1987 [138]), eine deutliche Glykosylierung zeigte, konnte bei NLP1 keine Glykosylierung unter den hier gewählten Bedingungen festgestellt werden. Ein essentieller Unterschied zu dem Experiment von Farjot et al. ist, dass bei unserem Ansatz rekombinante Proteine aus Bakterien verwendet wurden, während ihr Ansatz in vitro‐translatiertes NLP1 aus Retikulozytenlysat enthielt. Es könnte daher sein, dass dem rekombinanten NLP1 aus Bakterien Modifikationen fehlten, die zur Glykosylierung benötigt werden oder dass die Bakterien, aus denen NLP1 isoliert wurde, das Protein so modifiziert haben, dass eine Glykosylierung ausgeschlossen ist. Um die generelle Glykosylierung von endogenem NLP1 aus HeLa‐Zellen zu überprüfen, sollte aus einem HeLa‐Zelllysat endogenes NLP1 mittels WGA‐
Sepharose präzipitiert werden. Allerdings konnte endogenes NLP1 ebenfalls nicht mit WGA‐Sepharose präzipitiert werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen also eher vermuten, dass NLP1 nicht glykosyliert in der Zelle vorliegt.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass NLP1 trimere und tetramere Komplexe mit CRM1 und RanGTP in An‐ oder Abwesenheit eines NES‐Substrates eingehen kann. Interessanterweise ist für diese Komplexbildung nicht wie erwartet der C‐Terminus, der die meisten FG‐Repeats enthält, sondern eher die N‐terminale Hälfte von NLP1 notwendig, die nur zwei FG‐Repeats beinhaltet. Da strukturelle Untersuchungen des Transportfaktors Importin β mit unterschiedlichen FG‐Repeat‐
Peptiden gezeigt haben, dass die Bindung von Nucleoporinen und Transportrezeptoren durch Interaktion der FG‐Repeats mit hydrophoben Bereichen zwischen den HEAT‐Repeats der Transportrezeptoren zustande kommt (Bayliss et al., 2000 und 2002 [63, 69]), wäre es sehr aufschlussreich die Interaktion zwischen CRM1 und einer FG‐Repeat‐defizienten Mutante des NLP1‐N‐Terminus näher zu untersuchen.
3.5. NLP1 fördert den Export verschiedener Exportsubstrate
Die Überexpression von NLP1 führte bei verschiedenen Substraten (NES‐GFP2‐cNLS und NC2ß‐GFP2) in FLIP‐ und konventionellen mikroskopischen Analysen dieser Arbeit zu einem erhöhten Export aus dem Zellkern. Die Depletion von NLP1 führte hingegen zu etwas vermindertem, aber dennoch funktionierendem Export. Dies lässt darauf schließen, dass NLP1 als ein Co‐Faktor für den CRM1‐abhängigen Export fungiert, welcher zwar den Export verschiedener Substrate fördern kann, für diesen aber nicht essentiell ist. Eine Möglichkeit ist, dass NLP1 den Export von Proteinen, die eine geringe Affinität zu CRM1 haben, fördert. Solche Proteine stehen mit für CRM1 hochaffinen Exportsubstraten in Konkurrenz, was ein Grund dafür ist, dass für niedrigaffine Exportsubstrate die CRM1‐Konzentration in der Zelle limitierend ist (siehe Abschnitt 2.1.). Sowohl für das einfache Reporterprotein NES‐GFP2‐cNLS als auch für NC2ß‐GFP2 ließ sich dieser Sachverhalt bestätigen, denn der Effekt nach Überexpression von NLP1 war ähnlich dem Effekt nach CRM1‐Überexpression:
beide Proteine wurden effizienter aus dem Zellkern exportiert. Wie aber kommt dieser Effekt zustande? Die Bindungsstudien dieser Arbeit lassen vermuten, dass ein Grund für die erhöhte Exportrate die erhöhte Bindungsaffinität von CRM1, Substrat und RanGTP sein könnte. Die Ergebnisse in Kapitel 2.3.1. zeigten eindeutig, dass NLP1 die Interaktion zwischen CRM1 und RanGTP fördert und zusätzlich die Affinität von CRM1 zum Export‐Substrat erhöht. Die Vermutung, dass NLP1 den Export von speziell niedrigaffinen Substraten fördert, setzt allerdings voraus, dass niedrigaffine Exportsubstrate gegenüber hochaffinen Exportsubstraten in den tetrameren Komplexen (bestehend aus NLP1, CRM1, RanGTP und Exportsubstrat) bevorzugt werden (Abb. 3.1.A). Tatsächlich gibt es einen Co‐Faktor im CRM1‐abhängigen Export, der genau dieses Verhalten zeigt: RanBP3 fördert die Bindung vom schwächeren NES‐Substrat (BSA‐NES) an CRM1, auch wenn ebenfalls ein Substrat mit höherer Affinität (Snurportin1) für CRM1 vorhanden ist (Engelmeier et al., 2001 [45]). Computergestützte Strukturanalysen von einem CRM1‐RanGTP‐Snurportin1‐
RanBP3‐Komplex haben gezeigt, dass die Bindung von RanBP3 an CRM1 eine der drei Bindungen von Snurportin1 an CRM1, sterisch, in einem Bereich der ungefähr 30 Å von der hydrophoben NES‐Bindungsgrube entfernt ist, schwächt (Langer et al.,