• Keine Ergebnisse gefunden

Die positiven Voraussetzungen sind erfüllt

Im Dokument Klageschrift Verfahren Nr.: (Seite 33-37)

3.1.1 Der Nettojahresverdienst der Kläger nach Art. 418u Abs. 2 OR ist suffizient Die Kundschaftsentschädigung ist nach Art. 418u Abs. 2 OR auf einen Nettojahresverdienst aus dem Agenturvertrag beschränkt und von diesem abhängig (vgl. BGE 84 II 529 E. 2). Die konkrete Berechnung erfolgt nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre, falls das Vertrags-verhältnis so lange besteht oder andernfalls nach demjenigen der ganzen Vertragsdauer (ZK OR-BÜHLER, Art. 418u N 52). Der Nettojahresverdienst ist aus allen durch die Agentur beding-ten Geschäfte für den Auftraggeber zu ermitteln (OFK OR-SPOERRI, Art. 418u N 11 ff.). Beide Einzelunternehmen der Kläger, die ATB und die DTC, erwirtschaften je einen jährlichen Um-satz von mehr als CHF 100'000.00 (vgl. Verfahrensbeschluss Nr. 2, N 6). Zu erwähnen ist, dass die Kläger unter anderem Verträge für das Projekt Nehalennia der EM SA mit einem Kommis-sionsanspruch von EUR 630’000.00 und für das Projekt Keil 20LPD der CA SA mit einem Kommissionsanspruch von EUR 763’000.00 vermittelt haben (B-3; K-6; vgl. K-3, insb. Annex 2). Wie zudem der E-Mail von Jean-Paul Garment entnommen werden kann, wurden allein im Jahr 2019 Verträge im Wert von EUR 46'000'000.00 abgeschlossen (K-10).

Es kann davon ausgegangen werden, dass während der Vertragsdauer ähnliche Verträge abge-schlossen worden sind, welche vergleichbare Kommissionen erzielt haben. Somit übersteigt der 68

17 durchschnittliche jährliche Kommissionsbetrag die geforderten CHF 500‘000.00. Vorliegend ist auf die konkrete Höhe der geforderten Entschädigung nicht weiter einzugehen (Verfahrens-beschluss Nr. 1, N 14).

3.1.2 Die wesentliche Erweiterung des Kundenkreises ist gegeben

Die wesentliche Erweiterung kann nur bejaht werden, wenn eine «bedeutende absolute Erhö-hung der Kundenzahl oder des Abnahmepotenzials» vorliegt (BSK OR I-WETTENSCHWILER, Art. 418u N 5). Dabei hängt die Erweiterung nicht allein «von der absoluten Vermehrung der Kundenzahl ab, sondern auch von der Zeitdauer, innert welcher die Vermehrung bewirkt wurde» (BK OR-GAUTSCHI, Art. 418u N 3b).

Während den Jahren 2015-2019 waren die Kläger für die Beklagte als Vermittler und Berater tätig (vgl. Einleitungsanzeige, N 5). Am 13. Oktober 2012 schlossen die Parteien eine BVer, unter welcher die Kläger bereits erste Kunden vermitteln konnten (K-1). Der Entscheid der Parteien, von einer projektbezogenen zu einer engeren, langfristigen Geschäftsbeziehung über-zugehen, betont die erfolgreiche Zusammenarbeit (K-2). Infolgedessen erfolgte der Abschluss der VVer am 1. Oktober 2015 (K-3). Die Kläger haben auf Basis der VVer über 30 Projekte mit den bestehenden sowie neuen Kunden für die Beklagte vermittelt (Einleitungsanzeige, N 8).

Dies wurde von der Beklagten nicht bestritten. Die Beklagte hat gem. eigenen Angaben auf dem Handelsschiffsmarkt einen höheren Anteil als ihr wichtigster Konkurrent erreicht, sodass auf eine Kundschaftszunahme geschlossen werden kann (K-10).

Nach GAUTSCHI wird ein jährlicher Zuwachs von 15% als Grenzwert für eine wesentliche Er-weiterung postuliert (BK OR-GAUTSCHI, Art. 418u N 3b). Korrekterweise dürfte aber der Um-satz bzw. das UmUm-satzpotenzial massgebend sein (CHK OR II-MATHYS, Art. 418u N 8). Folg-lich muss im Einzelfall entschieden werden, wobei Vertragsabschlüsse mit einem Grosskunden von grösserer Relevanz sind als mit kleineren Unternehmungen (BSK OR I-PÄRLI, Art. 418u N 6). Wie bereits erwähnt, sind die Vertragsabschlüsse mit den Grosskunden EM SA, CA SA und IM SA zu betonen, welche allesamt auf die Vermittlungstätigkeit der Kläger zurückzufüh-ren sind (vgl. N 50). Aufgrund dieser Vermittlungen kann die Beklagte auf einen erheblichen Kundenstamm zurückgreifen und Produkte an diesen verkaufen, so dass eine massgebliche Steigerung des Abnahmepotenzials zu bejahen ist.

Die Beklagte geht zudem fälschlicherweise davon aus, dass die Kläger lediglich «hilfreiche Unterstützung boten», obgleich die Kläger das Fundament für die Festigung des Kundenstam-mes legten (vgl. Einleitungsantwort, N 17 f.). Wenn dieser Argumentation Folge geleistet würde, wäre der Abschluss der VVer nicht nötig gewesen. Wäre die Beklagte so erfolgreich in der Akquirierung von Kunden wie sie behauptet, hätte sie wohl keinen Agenten mit dieser 74

75

76

77

18 Aufgabe betraut und so auch Kosten gespart. Die damit verbundene Zufriedenheit der Beklag-ten beruht konsequenterweise auf der wesentlichen Erweiterung des AbnahmepoBeklag-tenzials der Auftraggeberin (vgl. K-10).

Zudem bestand vor der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien keine Marktpräsenz der Be-klagten in Frankreich (K-1). Die wertvolle Zusammenarbeit der Parteien wurde im Beendi-gungsschreiben seitens der Beklagten erneut betont (K-5). Somit haben die Kläger den Kun-denkreis substanziell und existenziell erweitert. Daraus lässt sich schliessen, dass entgegen der Ansicht der Beklagten eine wesentliche Erweiterung des Kundenkreises durch die Vermittlung seitens der Kläger vorliegt (vgl. Einleitungsantwort, N. 17 f.).

Die Tätigkeit des Agenten muss die Erweiterung des Kundenstammes kausal bewirkt haben (BGer 4A_335/2009 E. 3.2; BGE 84 II 164 E. 4). Diese Kausalität kann bejaht werden, da die Kläger während der Vertragsdauer neue Kunden erworben (vgl. Einleitungsanzeige, N 8) und neue Geschäfte zwischen der EM SA, CA SA und IM SA und der VFS AG vermittelt haben (vgl. ZK OR-BÜHLER, Art. 418u N 25; vgl. Einleitungsanzeige, N 21 f.). Allesamt sind auf die Tätigkeit der Kläger zurückzuführen (vgl. N 50) und resultieren folglich nicht aus der Entwick-lung der wirtschaftlichen Lage oder aus den eigenen Tätigkeiten der Beklagten (vgl. N 43 ff.;

vgl. BGer 4A_335/2009 E. 3.2). Folglich ist die Vermittlungsarbeit der Agenten kausal für die Erweiterung des Kundenkreises, da diese ohne das Tätigwerden der Kläger nicht stattgefunden hätte.

Die Arbeit der Kläger kann als wesentliche und kausale Erweiterung angesehen werden, da der Umfang des Abnahmepotenzials durch die Arbeit der Kläger kontinuierlich zugenommen hat.

3.1.3 Der erheblich bleibende Vorteil der Auftraggeberin ist gegeben

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt ein erheblich bleibender Vorteil des Auftraggebers vor (vgl. Einleitungsantwort, N 17 f.). Dieser Vorteil besteht, wenn eine grosse Wahrschein-lichkeit für den Weiterbestand des Kundenkreises existiert und die Kunden weiterhin beim Auf-traggeber bestellen (BGE 103 II 277 E. 3.a; ZK OR-BÜHLER, Art. 418u N 32).

Nach der Auflösung der VVer mit den Klägern konnte eine kontinuierliche Zuwachsrate ermit-telt werden. Dies lässt sich durch den Abschluss neuer Verträge ergründen, welche auf der Vor-arbeit der Kläger fundieren (K-10). Die abgeschlossenen Projektverträge in der Handelsschiff-branche in Frankreich mit einem Projektvolumen von rund EUR 46’000’000.00 belegen diesen erheblich bleibenden Vorteil (vgl. K-10). Der Abschluss dieser Projektverträge wäre ohne die Vorarbeit der Kläger, welchen der Aufbau in der Normandie zu verdanken ist, nicht möglich gewesen.

19 Wie in der E-Mail vom 4. November 2019 bestätigt wird, können aufgrund dieser Vertragsab-schlüsse zukünftige Geschäfte erwartet werden (K-10). Bei einer bereits über eine gewisse Dauer bestehenden Geschäftsbeziehung mit dem Kunden darf vermutet werden, der Auftrag-geber könne den Kontakt weiter nutzen. Die Weiternutzung ist i.d.R. nur bei Waren eines wie-derkehrenden Bedarfs möglich (BGE 103 II 277 E. 3.a). Die beklagte Partei stellt elektrische Antriebs-, Steuerungs- und Automatisierungssysteme für Schiffe her (Einleitungsanzeige, N 3).

Damit dies reibungslos funktionieren kann, beruhen die Kundenbeziehungen auf neuerlichen Verträgen, da ein wiederkehrender Bedarf der Produkte im Zusammenhang mit der Herstellung von Schiffsmaschinerie besteht. Für die Periodizität sprechen insb. die Steuerungs- und Auto-matisierungssysteme von Schiffen, da diese auf neueste Technologien angewiesen sind und sodann regelmässig ausgetauscht, d.h. neu angeschafft werden müssen. Grund dafür ist die un-abdingbare Effizienz und der etablierte Konkurrenzkampf in der Schifffahrtsindustrie. Die Wei-ternutzung wurde bereits in Anspruch genommen, indem die Beklagte mit bestehenden Kunden neue Verträge abgeschlossen hat (K-10). Auch in Zukunft darf davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf die akquirierten Kunden zurückgreifen wird. Dies ist ebenfalls der E-Mail von Jean-Paul Garment zu entnehmen, in welcher er die gute Positionierung der VFS AG für zukünftige Geschäfte betont (K-10).

Die Kundschaft ist der Beklagten treu geblieben, indem weitere Verträge abgeschlossen wurden (K-10) und somit kann der Weiterbestand des Kundenkreises bejaht werden (vgl. ZK OR-B ÜH-LER, Art. 418u N 38)

3.1.4 Die Billigkeitsklausel nach Art. 418u Abs. 1 OR tangiert das Anspruchsquantita-tiv nicht

Die Billigkeit stellt ebenfalls eine Anspruchsvoraussetzung dar (BGE 110 II 476 E. 3.e). Die Unbilligkeit wird grundsätzlich bejaht, wenn der Agent für seine Leistung bereits während der Dauer der Agentur adäquat entschädigt worden ist (BSK OR I-HONSELL, Art. 418u N 10). So-mit muss die Höhe der Kommission als Billigkeitserwägung gegen eine Kundschaftsentschädi-gung in Betracht gezogen werden (BGE 84 II 529 E. 2). Die Kläger erhielten keinen besonders hohen Kommissionssatz (Verfahrensbeschluss Nr. 2, N 12), welcher eine Kundschaftsentschä-digung unbillig aussehen lassen würde. Ausserdem konnten die Kläger von der Erweiterung des Kundenkreises nicht selbst profitieren (vgl. BGE 103 II 277 E. 3.a; vgl. BGE 110 II 479 E. 2 m.w.H.). Die Unbilligkeit kann zudem bejaht werden, wenn ein langes Agenturverhältnis geführt wurde, da der Agent bereits ausreichend durch Kommissionszahlungen entschädigt wurde (BSK OR I-WETTENSCHWILER, Art. 418u N 10; BGE 110 II 476 E. 3.a m.w.H.). Daraus ergibt sich e contrario, dass bei einer kurzen Vertragsdauer die Billigkeit bejaht werden kann.

83

84

85

20 Die Vertragsparteien haben lediglich während den Jahren 2015-2019 ein Agenturverhältnis ge-führt, so dass die Kläger nur über eine kurze Zeitdauer von den daraus resultierenden Vertrags-abschlüssen profitieren konnten. Eine zusätzliche Leistung in Form einer Kundschaftsentschä-digung nach Art. 418u OR scheint somit gerechtfertigt, da die Beklagte durch die besonders erfolgreiche Tätigkeit der Kläger tatsächlich einen erheblichen, dauernden Mehrwert erhält, welcher allein durch die Kommissionen nicht abgegolten ist (BGE 84 II 529 E. 2).

Nach Art. 418u Abs. 2 OR dient der Nettojahresverdienst als Höchstgrenze, um der Billigkeit zu genügen (HUGUENIN, N 3422). Der Höchstwert des durch die Kläger erwirtschafteten Net-tojahresverdienstes lag – wie bereits erwähnt – über dem geltend gemachten Betrag (vgl. N 72 f.). Die seitens Kläger geltend gemachte Kundschaftsentschädigung ist unter den ausgeführten Argumenten für billig zu erklären.

3.2 Die negativen Voraussetzungen i.S.v. Art. 418u Abs. 3 OR sind erfüllt

Nach Art. 418u Abs. 3 OR verliert der Agent seinen Anspruch auf Kundschaftsentschädigung, wenn das Agenturverhältnis aus einem Grund aufgelöst worden ist, den der Agent zu vertreten hat. Der Agent muss die Vertragsauflösung schuldhaft herbeigeführt haben oder den Vertrag ohne begründeten Anlass gekündigt bzw. dem Auftraggeber einen begründeten Anlass zur Kündigung gegeben haben (ZK OR-BÜHLER, Art. 418u N 59 f.). Die VVer wurde ordentlich gekündigt (vgl. N 38). Der Auflösungsgrund der Zusammenarbeit bestand gem. dem Schreiben vom 13. Juli 2019 darin, dass die Beklagte eine Strategieänderung vornehmen werde (K-5).

Gem. der Zeugenaussage von Joanna Müller beendete die Beklagte die Zusammenarbeit mit sämtlichen Agenten und nicht nur mit den Klägern (K-2, insb. N 7). Daraus lässt sich schlies-sen, dass die Kündigung nicht aus Gründen subjektiver Natur, sondern unabhängig von der Person der Kläger erfolgt ist. Dementsprechend ist der Korruptionsvorwurf nicht zu hören. Insb.

basieren die Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Verfolgung eines «Musters» auf rei-nen Spekulatiorei-nen und sind somit unbeachtlich (Einleitungsantwort, N 18).

Die Kläger haben der Beklagten keinen begründeten Anlass gegeben, die erfolgte Kündigung auszusprechen. Dementsprechend sind alle Voraussetzungen für die Kundschaftsentschädigung erfüllt.

Aus diesen Gründen bitten wir Sie, sehr geehrtes Schiedsgericht, um antragsgemässes Vorge-hen.

Hochachtungsvoll Moot Court Team 7 86

87

88

Im Dokument Klageschrift Verfahren Nr.: (Seite 33-37)