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Die methodische Vorgehensweise: Boolesche Logik gemäß Ragin

Wie bereits erwähnt, soll es Ziel dieser Diplomarbeit sein, die zugrundeliegenden unabhängigen Variablen für die Zunahme der außenpolitischen Aktivitäten subnationaler Einheiten zu isolieren. Das Forschungsdesign wird dabei eine vergleichende Fallstudie mit 8 Fällen sein. Methodisch stützt sich die Untersuchung auf die von Charles Ragin entwickelte Comparative Method, eine Anwendung der Booleschen Algebra.

In einem ersten Schritte werden hierbei die 3 unabhängigen Variablen binär kodiert. Der Wert 0 steht für eine Abwesenheit des untersuchten Merkmals, bzw. für eine Ausprägung unterhalb eines festgelegten Schwellenwertes. Und der Wert 1 steht folgerichtig für die Anwesenheit des untersuchten Merkmales bzw. dessen Ausprägung über dem Schwellenwert. Bei diesem Vorgehen wird, soweit wie möglich, Datenmaterial verwendet, das sich auf den Zeitraum von

1990 bis etwa 1995 bezieht. Der Grund dafür liegt in dem Erhalt des zeitlichen kausalen Wirkungszusammenhangs, da in diesem Zeitraum auch subnationale Außenpolitik erstmalig in verstärkten Umfang auftrat.

Nun wird eine Daten-Matrix aufgestellt, die alle möglichen und logischen Kombinationen der unabhängigen Variablen erfasst werden (Ragin 1987: 86ff). Bei drei unabhängigen Variablen ergibt sich daraus eine Tabelle mit prinzipiell acht unterschiedlichen Kombinationen (wie folgt dargestellt):

UV1 UV2 UV3 AV

Fall 1 0 0 0 ?

Fall 2 0 0 1 ?

Fall 3 0 1 0 ?

Fall 4 0 1 1 ?

Fall 5 1 0 0 ?

Fall 6 1 0 1 ?

Fall 7 1 1 0 ?

Fall 8 1 1 1 ?

Im nächsten Schritt wird für jede Zeile der Tabelle, das heisst für jede mögliche Kombination der unabhängigen Variablen, ein entsprechender empirischen Fall zugeordnet werden. Dazu ist ein ausführliches Screening aller in Frage kommender Fälle notwendig. Die Fallsauswahl erfolgt also nach den unabhängigen Variablen. Dies stellt eine Abweichung von der Vorgehensweise Ragins dar, da dieser die Fälle erst nach der Erhebung der abhängigen Variable den unabhängigen Variablen zuordnet. Allerdings führt Ragin in seinem Buch zur Comparative Method eine Untersuchung von Stein Rokkan als Beispiel zur Anwendung der Booleschen Methode an, bei der Rokkan die Fallauswahl ebenfalls gemäß den unabhängigen Variablen vornimmt. Somit scheint dies nur eine leichte Abweichung von der idealtypischen Vorgehensweise Ragins zu sein. Zudem ist die Fallauswahl nach den unabhängigen Variablen gängige Praxis in der Sozialwissenschaft. King/Keohane/Verba betonen diesbezüglich:

„Selecting observations for inclusion in a study according to the categories of the key causal explanatory variable causes no inference problems. The reason is that our selecting procedure does not predetermine the outcome of our study, since we have not restricted the degree of possible variation in the dependent variable” (King/Keohane/Verba 1994: 137, Hervorhebungen im Orginal).

In Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt steht ferner die Tatsache, dass Ragin eine größere Anzahl an Untersuchungseinheiten verwendet. Zumeist gibt es für die jeweiligen Kombinationen der unabhängigen Variable mehrere Fälle. Dieser Aufwand kann jedoch im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht betrieben werden, ist aber gemäß Ragin auch nicht

unbedingt erforderlich, da „technically there is no reason to include the frequency of each combination as part of the truth tabel“ (Ragin 1987: 87).

Anschließend wird für jeden Fall die Ausprägung der abhängigen Variable bestimmt.

Indikatoren sollen dabei das Ausmaß an grenzüberschreitender und interregionaler Zusammenarbeit, die Unterhaltung von Vertretungen im Ausland, die Reiseaktivität von subnationalen Regierungsvertretern und der Besuch von Messen sein. Auch die abhängige Variable wird dann entweder 0 oder 1 gesetzt. 0 steht demzufolge für keine oder nur schwach ausgeprägte außenpolitische Aktivitäten und 1 für stark ausgeprägte außenpolitische Aktivität.

Der Hauptvorteil der Anwendung der Methode Ragins liegt darin, dass sie quantitative und qualitative Forschungstechniken in einer vorteilhaften Weise verbindet. Ragin spricht von „a middle grund between the two strategies of depth and breadth“ (Ragin 2000: 22). Die Comparative Method vermeidet sowohl die mögliche Partikulariiserung durch Einzelfallstudien als auch die mögliche abstrakte Generalisierung durch variablenorientierte Vorgehensweisen (Ragin 1987: 69).

Mehrere Charakteristika unterscheiden die Comparative Method in ihrer Vorgehensweise von anderen methodischen Ansätzen:

Die einzelnen Aspekte der Untersuchungseinheiten werden immer in ihrem Zusammenhang untersucht. Ein Fall wird demnach als Konfigurationen seiner relevanten Aspekte betrachtet, wobei sich diese Konfigurationen dabei aus den möglichen Kombinationen der unabhängigen Variablen konstituieren. Diese Betrachtung von Kombinationen von Aspekten führt einerseits zu einem ganzheitlichen Bild des Falles, ein isoliertes Herausgreifen einzelner Aspekte - wie es bei variablenorientierten Vorgehensweisen erfolgt – ist nicht möglich (Ragin 2000: 39, 122). Andererseits folgt aus der Einteilung in Konfigurationen eine klare Strukturierung, so dass die Comparative Method im Vergleich zu reinen Fallstudien eine Reduktion von Komplexität erreicht (Ragin 1987: 122).

Daneben ist die Auswahl und Einordnung der Untersuchungseinheiten nicht fix, sondern kann im Verlauf der Untersuchung an die gewonnenen theoretischen und empirischen Erkenntnisse angepasst werden: „Populations are viewed as no more than working hypothesis and are open to revision in the course of an investigation“ (Ragin 2000: 45). Dies trifft insbesondere auf Untersuchungseinheiten zu, die nicht eindeutig vorgegeben sind, sondern erst theoretisch definiert werden müssen. Ragin verweist hierbei beispielsweise auf die Schwierigkeit, Ausschreitungen bei Treffen des Internationalen Währungsfonds zuverlässig zu definieren (Ragin 2000: 48). Somit wird klar, dass mit unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der

Definition der Grenzen der untersuchten Population (etwa bei der abhängigen Variable) auch die Ergebnisse variieren.

Des weiteren lassen sich mit der Comparative Method auch kombinierte Kausalitäten aus mehreren unabhängigen Variablen isolieren (Ragin 1987: 121). Dies ist besonders bedeutsam für die Sozialwissenschaften, da „in fact, causation is often complex in character because social phenomena are remarkable in their diversity, even phenomena that merit the same lable, like strikes” (Ragin 2000: 93).

Mit der Anwendung dieser Methode können auch größere Fallzahlen in angemessener Tiefe untersucht werden:

„In Fact, the actual number of cases is not a major consideration. If many cases have the same combination of values on the causal variable of interest, they are all coded together as a single row of the truth table because they are identical” (Ragin 1987: 121).

Zudem erlaubt die formelle Darstellungsweise der Boolschen Algebra die explizite Isolierung von sowohl notwendigen als auch hinreichenden Bedingungen für das Auftreten der abhängigen Variable (Ragin 1987: 121.

Genauso ist es mit der Comparative Method möglich, unterschiedliche Erklärungsansätze zu evaluieren. Dies geschieht dadurch, dass diese verschiedenen Erklärungen als unabhängige Variablen operationalisiert werden und somit in die Datenmatrix eingehen. (Ragin 1987: 122).

Angesichts der großen Vielfalt der in der Literatur aufgezeigten möglichen Gründe für subnationale Außenpolitik erscheint die Anwendung der Comparative Method als geeignet.

Durch die Einbeziehung von immerhin drei unabhängigen Variablen lässt sich somit eine verbesserte Identifikation des Kausalmechanismus erwarten.

Kapitel II Empirie