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Viele Eigenschaften von Biomolekulen in ihrer nativen Losungsmittelumgebung (z.B. Was-ser mit Ionen in physiologischer Konzentration) unterscheiden sich haug erheblich von denen in vacuo [147,148]; die meisten Proteine funktionieren nur in ihrer nativen Um-gebung [148{151]. Hauptgrund sind hierfur die elektrostatischen Wechselwirkungen zwi-schen Protein und seiner wassrigen Losungsmittelumgebung, die wegen des sehr polaren Charakters von Wassermolekulen (Dielektrizitatskonstante H2O 80) von besonderer Bedeutung sind.

Abbildung 2.1: Simulationsmodell fur den AN02{DNP-Hapten-Komplex (rot/grun) in einer Umgebung aus Wassermolekulen (blau) und Ionen in physiologischer Konzentration (gelb).

So ist es fur eine realistische MD-Simulation von Biomolekulen oft unumganglich, die Losungsmittelumgebung adaquat zu berucksichtigen. Dies kann auf implizite oder ex-plizite Weise geschehen. Um das Losungsmittel implizit zu berucksichtigen, wurde eine

Reihe von Kontinuumsmodellen entwickelt, bei denen die Eigenschaften der Losungsmit-telumgebung durch die DielektrizitatskonstanteLbestimmt und das elektrostatische Po-tenzial an jedem Punkt des Simulationssystems (das aus den explizit simulierten Atomen besteht, z.B. einem Protein) durch naherungsweise Losung der (linearisierten) Poisson-Boltzmann-Gleichung berechnet werden [152{158]. In Langevin-Dynamiken enthalten die Krafte zusatzliche Terme, die Reibung und Rauschen beschreiben, und auf diese Weise Losungsmitteleekten Rechnung tragen [159{161]. Solche Verfahren konnen allerdings lokale Wechselwirkungen (z.B. Wasserstobrucken) nicht beschreiben, welche jedoch, wie wir sehen werden, bei Rezeptor-Ligand-Bindungen [55,56] oder bei der Konformation von Polymermolekulen entscheidend sind (siehe dazu insbesondere Kapitel 6.2). Um auch sol-che Eekte zu berucksichtigen, haben wir bei den in dieser Arbeit simulierten Molekulen

| dem AN02-Antikorper-Hapten-Komplex sowie verschiedenen Polymermolekulen | ein explizites Losungsmittelmodell verwendet, wie es in Abbildung 2.1 beispielhaft gezeigt ist:

Hier ist der AN02-Antikorper in ein Wassertropfchen platziert worden, dessen atomare Dynamik explizit simuliert wird. Im Vergleich zu den impliziten Modellen ist hiermit wegen der erheblich groeren Atomanzahl ein hoherer Rechenaufwand verbunden2. Fur Wasser als das am weitesten verbreitete Losungsmittel wurde eine Reihe unterschiedli-cher atomarer Modelle entwickelt [162{164]. In den in dieser Arbeit beschriebenen MD-Simulationen wurde auf das so genannte TIP3-Modell [164] zuruckgegrien, das zur Be-schreibung von Protein-Wasser-Wechselwirkungen optimiert wurde und fur das in dem verwendeten CHARMM-Kraftfeld Parameter zur Verfugung stehen [165].

Gewohnlich ist die Wasserumgebung von realen Systemen sehr viel groer als das Simu-lationssystem, das aus Rechenzeitgrunden meist auf einige 104 Atome beschrankt bleiben muss. Deshalb ist man auf Verfahren angewiesen, die eine endliche Reprasentation eines aus mikroskopischer Sicht unendlich groen Systems ermoglichen [147]. Solche Methoden zielen darauf ab, das System so zu simulieren, als sei es seinerseits in ein sehr groes System eingebettet. Dazu wird uberwiegend auf folgende Moglichkeiten zuruckgegrien:

1. die Einfuhrung periodischer Randbedingungen, 2. die Verwendung eines geeigneten Randpotenzials.

Die erste Moglichkeit ist ein aus der statistischen Mechanik bekannter Ansatz [43], bei dem das betrachtete System als Einheitszelle praktisch von identischen Zellen umgeben ist. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er das Problem des abrupten

Materie-Vakuum-Ubergangs elegant umgeht und nicht sehr rechenaufwendig ist. Der Nachteil besteht zum einen darin, dass das Simulationssystem eine Form besitzen muss, mit der der Raum luckenlos und uberlappungsfrei ausgefullt werden kann, z.B. die eines Quaders oder eines abgeschnittenen Oktaeders [166]. Zum anderen muss die Wasserschicht zwischen dem gelosten Molekul und dem Rand der Einheitszelle hinreichend gro gewahlt werden, um zu vermeiden, dass das geloste Molekul mit seinen Abbildern in benachbarten Zellen in signikante Wechselwirkungen tritt.

Die zweite Moglichkeit zur Behandlung der Grenzache des simulierten Systems sieht die Verwendung eines Randpotenzials vor. Das Ziel dabei ist, die Verdampfung von

2Fur ein in eine Wasserumgebung eingebettetes Protein gehoren typischerweise etwa 90% der Atome zum Losungsmittel.

außen Systembegrenzung

7 Å 1 kcal/mol

0 Distanz zur Oberfläche [Å]

Sbound-Potenzial [kcal/mol]

0

innen

E

Abbildung 2.2: Sbound-Potenzial (durchgezogene Linie) als Funktion des Abstands der Molekule von der Systemoberache (gestrichelte Linie). Das Sbound-Potenzial wird wirk-sam fur Wassermolekule, deren Abstand zur Systemoberache weniger als 7A betragt.

Das Minimum des Sbound-Potenzials liegt bei E =,1:0kcal/mol.

Losungsmittelmolekulen von der Oberache des Systems zu verhindern, die Oberachen-spannung auszugleichen und die Eekte der auerhalb des Simulationssystems liegenden Losungsmittelumgebung zu berucksichtigen. Ein solches Randpotenzial wird als Sbound-Potenzial bezeichnet3. Es wurde erstmalig 1982 fur die MD-Simulation von Argonatomen verwendet [167], dann in Ref. [168] auf Wasser als Losungsmittel ubertragen, durch ein quartisches Potenzial fur spharische Geometrien approximiert [169] und schlielich auf Sy-steme mit beliebiger konvexer Geometrie erweitert [170]. Abbildung 2.2 zeigt den Verlauf des in Ref. [170] vorgeschlagenen Sbound-Potenzials, auf das wir in den in dieser Arbeit beschriebenen MD-Simulationen zuruckgegrien haben und das die Form

ESbound=

( 1 0 : d > d0

600d2(d2,49) : dd0 (d =d0,d) : (2.4) hat. Dabei sind d der Abstand von der Oberache des Systems und d0 die Dicke der Randschicht, auf die das Potenzial wirkt, die nach Ref. [170] zu 7A bestimmt wurde.

Der vom Zentrum aus zunachst abfallende Teil des Potenzials (in der Abbildung nach rechts fortschreitend) bis zum Niveau E =,1:0kcal/mol dient insbesondere dazu, die Oberachenspannung auszugleichen, die fur sehr kleine Wassertropfen mit Radien bis zu 40A, wie sie in MD-Simulationen ublicherweise verwendet werden, auf Grund der star-ken Krummung der Oberache zu Drucstar-ken von bis zu 50MPa fuhren wurde. Der |

3Sbound steht furstochasticboundary.

in der Abbildung weiter nach rechts fortschreitend | wieder ansteigende Verlauf soll die Wassermolekule daran hindern, sich vom System zu entfernen. Der stochastische Anteil vom Sbound beschreibt die Kraftbeitrage, die von Fluktuationen und Reibungs-einussen der Atome auerhalb des Simulationssystems herruhren. Derartige Rausch-und Reibungskrafte stehen nach dem Fluktuations-Dissipations-Theorem miteinander in Beziehung [171] und sind von der Temperatur der Losungsmittelumgebung abhangig. Auf diese Weise wirken die Krafte wie ein Warmebad, das das System umgibt [172].

Wir haben in unseren Simulationen deshalb auf das Sbound-Potenzial zuruckgegrien, da diese Methode beliebige konvexe Geometrien der Losungsmittelumgebung zulasst und somit im Vergleich zu periodischen Randbedingungen fur eine realistische Beschreibung der Losungsmitteleekte erheblich weniger Losungsmittelmolekule benotigt. Bei den in dieser Arbeit beschriebenen Simulationen zu AN02-Hapten sowie verschiedenen Polymer-molekulen konnten damit bis zu 30% weniger Losungsmittelmolekule verwendet werden als es bei der Verwendung von periodischen Randbedingungen der Fall gewesen ware.

Eingehende Voruntersuchungen haben ergeben, dass das Sbound-Potenzial diejenigen Wassermolekule, die sich innerhalb des Wassertropfchens mit einem Mindestabstand von 6A zur Oberache benden, gut beschreibt [173]. Die auerste 6A-Schicht der Was-serumgebung zeigte dahingegen Randeekte in Form von starken Dichteschwankungen und einer signikanten Orientierungspolarisation, die durch das Sbound-Potenzial nicht ganzlich eliminiert werden konnten. Fur die Groe der Wasserumgebung ergaben sich somit fur uns die folgenden Kriterien: Zum einen sollten diejenigen Wassermolekule, die in direkte Wechselwirkungen mit dem gelosten Molekul traten, nicht von den Artefakten am Rand des Simulationssystems betroen sein. Zum zweiten sollte gewahrleistet sein, dass der grote Teil der langreichweitigen elektrostatischen Wechselwirkungen des gelosten Molekuls mit den Wassermolekulen explizit berucksichtigt wurde. Das letzte Kriterium bestand darin, die Simulationssysteme aus Rechenzeitgrunden so klein wie moglich zu ge-stalten. Diese Kriterien lieen uns jeweils eine Wasserumgebung als geeigent erscheinen, bei der ein minimaler Abstand von 12A zwischen der Oberache des gelosten Molekuls und der Oberache des Wassertropfchens nicht unterschritten wurde.

Der AN02{DNP-Hapten-Komplex (Kapitel 5) und die Polymermolekule (Kapitel 6) wur-den mit SOLVATE [174] in eine entsprechende Wasserumgebung platziert, das zur Anord-nung der Wassermolekule lokale Energieminimierungen durchfuhrt. Auerdem wurden Na+- und Cl,-Ionen in physiologischer Konzentration gema der Debye-Huckel-Vertei-lung [175], die ihrerseits von der Anordnung der Ladungen des gelosten Molekuls abhangt, hinzugefugt.