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Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)

3. Überblick zum Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

3.3 Aktivitäten der Arbeitsschutzakteure

3.3.4 Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)

Die Arbeitswelt verändert sich in rasantem Tempo: Globaler Wettbewerb, Digitalisierung, demografischer Wandel, technischer Fortschritt und strukturelle Veränderungen des Arbeitsmarkts fordern Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen. So wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern heutzutage eine deutlich größere Flexibilität abverlangt – bei Arbeitszeit, Einsatzort oder auch hinsichtlich der Aufgabenbereiche. Unternehmen stehen wiederum vor der Herausforderung, ihre Geschäftsfelder oder Angebote stetig neu auszurichten, um auch in Zukunft global wettbewerbsfähig zu sein.

In Politik und Gesellschaft werden aktuell Fragen diskutiert wie: Was ist heute „normale“ Arbeit und was soll bzw. kann der Sozialstaat im Wandel leisten? Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf Wirtschaft, Arbeit und Sozialstaat? Wie soll mit den Chancen aber auch Risiken für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten durch den technischen Wandel umgegangen werden?

Praxisgerechte Lösungen für diese Fragen werden in der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) entwickelt, in der sich Bund, Länder, Kommunen, Verbände und Institutionen der Wirtschaft, Gewerkschaften, Unterneh-men, Sozialversicherungsträger und Stiftungen seit dem Jahr 2002 gemeinsam engagieren. Das Ziel: mehr Ar-beitsqualität für die Beschäftigten als Schlüssel für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit – von Unter-nehmen und damit auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Themen „Arbeitszeit“, „Digitalisierung / entgrenzte Arbeit“ sowie das Themenfeld „psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ stehen dabei prominent auf der Agenda. Gemeinsam mit den Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sucht INQA den

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Konsens und den Bezug zur Praxis, damit die entwickelten Lösungen auch langfristig ihren Weg in die Unter-nehmen finden können.

Moderne Arbeitskultur wagen – mit den Experimentierräumen

Die bisher bestehenden und bereits erfolgreich erprobten Austauschmöglichkeiten mit Praxisbeispielen, Infor-mations- und Beratungsangeboten, sowie durch die Förderung von Modellprojekten werden nun erweitert.

INQA geht einen neuen Weg mit den „Lern- und Experimentierräumen“ im Rahmen der „lernenden Arbeitspo-litik“ und einer umfassenden Forschungs-, Innovations- und Transferstrategie des Bundesministeriums für Ar-beit und Soziales (BMAS). Das BMAS möchte damit Unternehmen und Verwaltungen zur Erprobung neuer Arbeitsweisen ermutigen und sie bei der Umsetzung unterstützen. Im Rahmen der Experimentierräume sollen Beschäftigte und Unternehmen gemeinsam ausprobieren können, wie die Arbeit der Zukunft in ihrem Betrieb konkret aussehen kann. Dazu wird die Initiative außerdem auch neue Förderangebote auflegen.

Ein zentrales Themenfeld der Experimentierräume beschäftigt sich mit der zeitgemäßen Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Auf der Website www.experimentierraeume.de sind bereits jetzt viele Best-Practice-Beispiele aus kleinen, mittleren und großen Unternehmen veröffentlicht, die innovative Wege gehen. So trägt die Arbeiterwohlfahrt, Bezirksverband Unterfranken (AWO Unterfranken) beispielsweise mit einer Betriebs-vereinbarung zu Arbeitszeit und Dienstplangestaltung wesentlich zur Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten unter den schwierigen Rahmenbedingungen der Pflege- und Sozialarbeit bei. Im Rahmen einer Betriebsverein-barung wurden dort auch knifflige Alltagsprobleme einvernehmlich geregelt: Von den Umkleidezeiten bis hin zu einer Vereinbarung, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigte bei Belastungsspitzen aus ihrer freien Zeit in den Dienst geholt werden können. Zukünftig sollen mithilfe der Experimentierräume weitere Unternehmen motiviert werden, eigene, neue Wege beim Thema Arbeitszeit zu gehen und innovative Lösungen gemeinsam mit ihren Beschäftigten zu entwickeln.

INQA fördert systematisch Projekte zur betrieblichen Arbeitszeitgestaltung und zur Gesundheit

83 Prozent aller Beschäftigten nutzen digitale Technologien am Arbeitsplatz, ein Drittel aller Unternehmen bietet die Möglichkeit an, von zu Hause zu arbeiten (Home Office). Auf den ersten Blick erscheinen diese Zah-len vielversprechend. Doch neben vieZah-len VorteiZah-len für das Arbeiten, wie höhere Flexibilität oder Vereinfachung von Arbeitsprozessen, nehmen 65 Prozent der Beschäftigten auch eine Verdichtung der Arbeit wahr. Und wenn Beschäftigte von zu Hause arbeiten, dann häufig außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit. Die Folge können Rol-lenkonflikte zwischen Arbeits- und Privatleben sein. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“. Sie wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) getragen und vom IAB, vom Seminar für Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre und PersonalwirtBetriebswirt-schaftslehre der Universität zu Köln und vom Zentrum für Europäische Wirt-schaftsforschung (ZEW) durchgeführt.

Aus diesem Grund fördert die Initiative Neue Qualität der Arbeit schon seit einigen Jahren Projekte, die sich speziell mit dem Thema Arbeitszeit und Entgrenzung der Arbeit befassen. Ziel ist es, praktikable Lösungen für Unternehmen zu entwickeln, die einerseits Flexibilität ermöglichen und andererseits die Folgen durch eine zu-nehmende Entgrenzung der Arbeit für die Beschäftigten minimieren.

Allerdings gibt es bereits viele Materialien und Angebote für Unternehmen, die sich mit den verschiedenen Aspekten motivierender, mitarbeiterorientierter Arbeitszeitgestaltung befassen. Das notwendige Basiswissen steht größtenteils auch schon im Internet zur Verfügung, ist jedoch weit verteilt und für Nicht-Experten oft nur schwer zu durchschauen. Außerdem fehlen einfache Tools, die den Einstieg erleichtern oder die Ermittlung und Bewertung des betrieblichen Handlungsbedarfs unterstützen. Das INQA-Projekt „Arbeitszeitbox“ unter der Leitung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) hat nun erstmals viele solcher Angebote zum Thema Arbeitszeit in einem „Werkzeugkasten“ zusammengefasst.

Kerninstrument der Arbeitszeitbox ist die „INQA-Potenzialanalyse Arbeitszeit“, mit der sich der Anwender nach dem bewährten Muster der INQA-Checks in kurzer Zeit einen Überblick über Stärken und Schwächen des Unternehmens in Bezug auf die betriebliche Arbeitszeitgestaltung verschaffen können. Zugleich erhält der An-wender Anregungen, wie er entdeckte Schwachstellen zielführend beseitigen kann. Damit verbunden werden Hinweise auf weiterführende Instrumente und Praxishilfen gegeben, die in der Arbeitszeitbox enthalten sind.

Auf diese Weise bündelt die Arbeitszeitbox vorhandenes Wissen und Know-how und macht dieses für Unter-nehmen, Personalverantwortliche und Mitarbeitervertretungen „auf einen Klick“ verfügbar.

Das Projekt „Management ständiger Erreichbarkeit – MASTER“ unter der Leitung der Universität Freiburg und des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. München (ISF München) hat im Rahmen von INQA

erforscht, welche Berufe besonders von ständiger Erreichbarkeit betroffen sind. In einer zweiten Projektphase wurde anhand von 260 Beschäftigten der IT-Branche untersucht, welche Folgen und Umgangsweisen mit stän-diger Erreichbarkeit vorliegen. Ein Ergebnis war beispielsweise, dass die Erwartungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Umgang mit Erreichbarkeit frühzeitig und offen geklärt werden müssen. Gemeinsam mit den Unternehmen entwickelte MASTER dann Aktionspläne zum gesunden Umgang mit neuen Informations- und Kommunikationsmedien. Die Ergebnisse des Projektes MASTER zeigen:

Für die zunehmende Relevanz psychischer Belastungen von Beschäftigten bietet das Projekt psyGA „Psychi-sche Gesundheit in der Arbeitswelt“ Unterstützung für Unternehmen und Beschäftigte. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, systematisch und langfristig Beschäftigte und Unternehmen aller Branchen und Größen dabei zu un-terstützen, die Förderung der psychischen Gesundheit auch selbst in die Hand zu nehmen. Denn Phänomene wie ständige Erreichbarkeit sind oft eher Symptome für die weitergreifende Entgrenzung der Arbeit, als ihre eigent-liche Ursache. Verstärken sich die beiden Dimensionen von Flexibilität gegenseitig – zeitlich und räumlich – spricht man von „Entgrenzung der Arbeit“. Um dieser Entwicklung vorzubeugen und die Mitarbeitergesundheit nachhaltig zu stärken, muss auf vielen Ebenen angesetzt werden. psyGA unterstützt deshalb Unternehmen bei der Implementierung von gesundheitsgerechtem Führungsverhalten und einer gesundheitsorientierten Unter-nehmenskultur. Dazu müssen Verhaltens- und Verhältnisprävention ineinandergreifen. psyGA hat hierzu viel-fältige Materialien entwickelt, die sich an Führungskräfte und Beschäftigte richten und ihnen helfen sollen, ihre eigenen Be- und Entlastungsfaktoren kennenzulernen. Als zentrale Botschaft wird kommuniziert, dass es für den Erfolg von Unternehmen und Organisationen unabdingbar ist, eine gesunde Unternehmenskultur zu etablie-ren, die das Spannungsfeld zwischen Work-Life-Balance und Belastung verringert.

Fazit

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit setzt sich in vielen Themenfeldern für eine zukunftsorientierte Arbeits-welt ein. Wie die relevanten Fragestellungen zukünftig auf der betrieblichen Ebene ausgestaltet werden, wird aktuell im Rahmen der BMAS-Experimentierräume ausgelotet, die als Folgeprozess des Arbeiten 4.0-Dialoges angestoßen wurden. Für die in den Experimentierräumen angestrebten praxisnahen Lösungen ist die umfassende Beteiligung von Sozialpartnern, Wissenschaft und Praxis ein entscheidender Erfolgsfaktor: Gemeinsam kann es gelingen, die Herausforderungen des Wandels der Arbeitswelt zu gestalten und auch zukünftig im Rahmen der Initiative für den Transfer in die Unternehmen fundierte und praxisnahe Lösungen zu erarbeiten.