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Die graphische Notation DiaFlux

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2   GRUNDLAGEN

2.2.2   Die graphische Notation DiaFlux

Da es sich bei der Modellierung von Wissen – speziell von diagnostischem Wissen – um eine sehr komplexe und fehleranfällige Aufgabe handelt, wurde die graphische Modellierungssprache DiaFlux entwickelt. Der Name leitet sich aus Diagnostik und Fluss ab.

Diagnostische Flüsse, also Abläufe eines diagnostischen Prozesses zur Lösung eines

1 Vgl. [HRBP10], S. 3

2 Vgl. http://www.is.informatik.uni-wuerzburg.de/forschung/anwendungen/d3web/, 13.02.2011, 14:55 Uhr 3 Vgl. http://semanticweb.org/wiki/KnowWE, 13.02.2011, 15:11 Uhr

4 Vgl. http://www.is.informatik.uni-wuerzburg.de/forschung/anwendungen/knowwe/, 13.02.2011, 15:14 Uhr

Problems basierend auf zugrundeliegendem Wissen, beschreiben Workflows und können auch als generalisierte Entscheidungsbäume betrachtet werden.1

DiaFlux wird besonders zur Modellierung klinischer Protokolle eingesetzt. Klinische Protokolle sind die Implementierung klinischer Richtlinien, die meist in textueller Form vorliegen. Domänen-Experten können mit Hilfe von DiaFlux gemeinsam eine klinische Richtlinie zur Verarbeitung durch KnowWE erstellen. Mit DiaFlux modellierte Protokolle sind leicht verständlich, wartbar und direkt ausführbar.2 Durch die vollständige Formalisierung eines klinischen Protokolls kann dieses elektronisch ausgeführt werden.

Dabei werden die vom Nutzer oder über Schnittstellen (z.B. Gerätesensor) erfassten Daten genutzt, um Problemlösungen herzuleiten und zu präsentieren.3

2.2.2.1 DiaFlux Architektur

Die Architektur von DiaFlux umfasst drei Elemente4:

Knowledge Base: Die Wissensbasis, die im Wiki abgebildet ist, dient als Grundlage der Modellierung der Flussdiagramme.

Blackboard: Im Blackboard ist der aktuelle Ausführungsstatus eines Flussdiagramms gespeichert. Es beinhaltet alle aktuellen Werte wie externe Nutzereingaben, interne Berechnungen o.ä. samt deren Zeitstempeln.

Reasoning Engine: Die Reasoning Engine dient der Ausführung des Flussdiagramms. Ihre Aktivität wird durch die Änderung von Daten im Blackboard ausgelöst.

Die Ausführungsumgebung für die DiaFlux Flussdiagramme enthält ein Truth Maintenance System (TMS).5 Als TMS wird die Komponente eines Expertensystems bezeichnet, die die Konsistenz der Wissensbasis aufrecht erhält, auch wenn der Benutzer Zustände verändert.6 Die Abhängigkeiten zwischen eingegebenem und hergeleitetem Wissen sind im TMS gespeichert, so dass Herleitungen jederzeit begründet und nachvollzogen werden können.

Wird etwas an dem zu Grunde liegenden Wissen verändert, passt das TMS das Netz von Abhängigkeiten entsprechend an und erhält den konsistenten Zustand über alle Daten.7 Das Ändern oder Widerrufen von bereits hergeleiteten Problemlösungen darf allerdings nicht immer möglich sein. Bei flüchtigen Aktionen wie der Anzeige eines Wertes kann das TMS diese rückwirkungsfrei zurück nehmen, bei nicht-flüchtigen Aktionen – wie z.B. dem

6 Vgl. http://www.enzyklo.de/Begriff/Truth%20Maintenance%20System, 25.04.2011, 11:12 Uhr 7 Vgl. [Doy79], S. 233

Einleiten einer Therapie am Patienten – darf das TMS dies nicht widerrufen, denn in der Realität kann die Aktion nicht rückgängig gemacht werden. Um einen solchen Mechanismus in DiaFlux-Flussdiagrammen abzubilden, existieren so genannte Snapshot-Knoten, auf die im nächsten Unterkapitel eingegangen wird.35

2.2.2.2 DiaFlux Sprachelemente

DiaFlux umfasst eine begrenzte Anzahl intuitiver Sprachelemente, die in einem visuellen Editor zur Verfügung stehen. Dabei basiert die graphische Notation auf Flussdiagrammen und den Ontologien, die im Wiki modelliert wurden. Alle Wissenselemente des Wikis können im Editor zum Erstellen von Flussdiagrammen verwendet werden. Um nun beispielsweise klinische Protokolle zu modellieren, muss sowohl deklaratives als auch prozedurales Wissen spezifiziert werden. DiaFlux realisiert beides, indem deklaratives Wissen aus Fakten und deren Beziehungen (z.B. Diagnosen) – also die Terminologie – und prozedurales Wissen über Sequenzen der auszuführenden Aktionen (z.B. Daten erfassen, überprüfen) in einem Flussdiagramm vereint werden.36 Diese Tatsache erlaubt auch den Rückschluss auf die Betrachtung der DiaFlux-Flussdiagramme in der Daten- und Kontrollflussperspektive nach van der Aalst.37 Das deklarative Wissen repräsentiert die Datenperspektive, das prozedurale Wissen die Kontrollflussperspektive.38

Ein DiaFlux-Flussdiagramm besteht aus Knoten und Kanten. Es existiert nur eine Art von Kante bzw. Zustandsübergang, der bzw. dem aber je nach Ausgangsknoten unterschiedliche Bedingungen anliegen können. Kanten beschreiben die Ausführungsreihenfolge im Flussdiagramm. Knoten repräsentieren Aktionen wie z.B. das Ausführen eines Tests oder das Fragen nach einem Wert. 39 Die folgenden Knotentypen stehen in DiaFlux zur Verfügung:

Knoten Funktion Darstellung in DiaFlux

Startknoten Mindestens ein Startknoten muss in einem Flussdiagramm vorhanden sein, mehrere sind möglich.

Endknoten Jeder mögliche Pfad muss durch einen Endknoten beendet werden.

Kommentarknoten Dieser Knoten kann im Flussdiagramm zum Kommentieren eingesetzt werden.

Knoten Funktion Darstellung in DiaFlux Testknoten Durch diese Art Knoten wird eine Aktivität

ausgeführt – z.B. das Durchführen eines Tests, das Abfragen eines Wertes vom Benutzer oder Gerät. Bei der Abfrage eines Wertes kann zwischen ask und always ask unterschieden werden. Im ersten Fall wird der Wert einmal abgefragt, wenn er noch nicht bekannt ist. Im zweiten Fall wird der Wert jedes Mal erfragt, wenn der Knoten aktiviert wird.

Der Knoten kann auch verwendet werden, um einen Wert im Flussdiagramm zu berechnen oder festzulegen. Ein solcher Knoten wird auch Abstraktionsknoten genannt.

Fork Knoten Durch diesen Knoten kann der Programmfluss in parallele Pfade verzweigt werden.

Testknoten mit mehreren Ausgangskanten Join Knoten Durch diesen Knoten werden parallele Pfade

wieder zusammengeführt. (Alternativ kann ein paralleler Zweig auch durch einen Endknoten beendet werden. Die anderen parallelen Zweige laufen dann weiter ab.)

Testknoten mit mehreren Eingangskanten

Diagnoseknoten Dieser Knoten symbolisiert die Herleitung einer Problemlösung – konkret einer gefundenen Diagnose.

Snapshot-Knoten Mit einem Snapshot-Knoten werden die bisher erfassten Daten als unveränderbar angenommen und im Blackboard schreibgeschützt. Das TMS kann somit nichts vor diesem Knoten rückgängig machen oder manipulieren. Alle aktiven Knoten auf eingehenden Pfaden werden deaktiviert (ohne ihre Rücknahme), um eine erneute Ausführung zu ermöglichen.40

Kompositionsknoten Dieser Knoten wird zum Einbinden eines anderen Flussdiagramms genutzt. Der Startknoten des eingebundenen Unterdiagramms kann im Knoten ausgewählt werden.

40 Vgl. [HBBP11], S. 5 f.

Knoten Funktion Darstellung in DiaFlux Warteknoten Durch diesen Knoten wird eine Wartezeit in das

Flussdiagramm integriert, die die Ausführung pausiert, bis sie abgelaufen ist.

Schleifenknoten Definierte Aktionen werden in einer gewissen Anzahl von Durchläufen wiederholt.

Tabelle 1: DiaFlux Knotentypen

Quelle: Vgl. [HRBP10] S. 7 f., vgl. [HBB09] S. 2 f., Abbildungen: eigene Darstellung

Mit Hilfe dieser Knoten kann modulares, paralleles und zeitorientiertes diagnostisches Prozesswissen modelliert werden.1 Die Ausführung eines modellierten Prozesses beginnt mit der Aktivierung eines Startknotens und vollzieht sich dann durch die Aktivierung der Knoten und Kanten. Der genaue Aktivierungsvorgang kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden:

Kante Die Kante resultiert aus einem Startknoten oder

Tabelle 2: Aktivierungszustände der DiaFlux-Knoten und -Kanten Quelle: Vgl. [HBBP11], S. 8

Welche Kante betreten und welcher Knoten aktiviert wird, wird durch die Dateneingaben im Blackboard determiniert.2

2.2.2.3 DiaFlux Entwicklungsprozess

Der Entwicklungsprozess eines Flussdiagramms mit DiaFlux gestaltet sich wie folgt1:

1 Vgl. [HBB09], S. 5 2 Vgl. [HBBP11], S. 8

• Sammeln von informellem Wissen in Wiki-Artikeln

• Erstellen eines semiformalen Flussdiagramms lediglich aus Kommentarknoten

• Erstellen eines formalen Flussdiagramms

Schon während dieser schrittweisen Formularisierung sind Test des Modells möglich.2 2.2.3 Anwendungsbeispiel

Die Arbeitsweise mit KnowWE und DiaFlux soll nun anhand eines Beispiels illustriert werden. Die zu modellierende Aufgabe ist die Berechnung des Nettopreises und der Mehrwertsteuer (MwSt) anhand des durch den Nutzer angegebenen Bruttopreises und der Art der Ware. Dabei sind folgende Waren wählbar: Grundnahrungsmittel, außer Getränken und Alkohol, Buch oder Zeitschrift sowie Blumen (bei einem Mehrwertsteuersatz von 7%); Miete kalt, Porto oder Arzthonorar (bei einem Mehrwertsteuersatz von 0%) und Alkohol, Kleidung oder Sonstiges (bei einem Mehrwertsteuersatz von 19%). Anhand der ausgewählten Art der Ware wird der entsprechende Mehrwertsteuersatz (Faktor 0; 0,07 oder 0,19) der Berechnung zu Grunde gelegt.

Der Nettopreis berechnet sich nach folgender Formel:

Die Mehrwertsteuer (MwSt) berechnet sich nach folgender Formel:

In KnowWE wurden nun zuerst die durch den Nutzer auszufüllenden oder automatisch zu generierenden Felder definiert:

%%Question Start #1

- Art der Ware [oc]

-- Grundnahrungsmittel, außer Getränken und Alkohol -- Buch oder Zeitschrift

-- Blumen -- Miete kalt -- Porto

-- Arzthonorar

1 Vgl. [HRBP10], S. 10 2 Vgl. [HRBP10], S. 10

-- Alkohol

Abbildung 4: KnowWE - Fragebaum MwSt Quelle: eigene Darstellung

Es handelt sich hierbei um einen sogenannten Fragebaum (%%Question), der mit der ersten Frage (Start #1) beginnen soll (Art der Ware). Fragen und Antwortmöglichkeiten können über die Anzahl der Anstriche hierarchisch geschachtelt werden. Die Frage nach der Art der Ware ermöglicht die Auswahl einer einzelnen Ware ([oc] = one choice). Die Antwortmöglichkeiten sind unterhalb der Frage eingeordnet. Es folgt die Frage nach dem numerischen ([num]) Bruttopreis. Die drei anschließend definierten numerischen Werte Nettopreis, MwSt und Faktor werden nicht durch den Benutzer eingegeben, sondern automatisch durch das System berechnet. Dies wird durch das Schlüsselwort <abstract> deutlich.1

Die möglichen Herleitungen, also die drei unterschiedlichen Steuersätze, die aus den Nutzereingaben abgeleitet werden können, sind unter dem Markup %%Solution definiert.

%%Solution

Abbildung 5: KnowWE - Herleitungen des MwSt-Satz Quelle: eigene Darstellung

Um nun aus den definierten Werten und Herleitungen tatsächliche eine Berechnung der Mehrwertsteuer und des Nettopreises einer Ware zu erzeugen, sind Regeln zu modellieren.

Die Regeln in KnowWE lassen sich unterteilen in Diagnose-, Abstraktions-, Indikations- und Suppressionsregeln2:

1 Vgl. http://d3webwiki.informatik.uni-wuerzburg.de/Wiki.jsp?page=Doc%20Questions, 18.02.2011, 17:10 Uhr 2 Vgl. http://d3webwiki.informatik.uni-wuerzburg.de/Wiki.jsp?page=Doc%20Rules, 18.02.2011, 17:19 Uhr

• Diagnoseregeln werden genutzt, um Herleitungen festzulegen. Dabei werden Herleitungen Werte zugeordnet (siehe Abbildung 6), die festlegen, wie stark diese zutreffen (P) oder abzulehnen sind (N). Anhand dieser Werte werden die Diagnosen etabliert oder verworfen.

Abbildung 6: KnowWE - Gewichtung von Herleitungen (Diagnosen) Quelle: KnowWE Dokumentation1

• Abstraktionsregeln setzen einen als abstrakt definierten Wert automatisch auf einen bestimmten Wert.

• Indikationsregeln veranlassen die Darstellung weiterer Fragen bzw. Fragebäume.

• Suppressionsregeln sind das Gegenteil von Indikationsregeln und ermöglichen das Unterdrücken bestimmter Fragestellungen.

Im Beispiel der Mehrwertsteuerberechnung werden Diagnoseregeln eingesetzt, um anhand der Nutzereingaben die Herleitung für den Steuersatz festzulegen. Abstraktionsregeln bestimmen dann den Faktor für die Berechnung. Ist der Faktor definiert, kann er in weiteren Abstraktionsregeln zur tatsächlichen Berechnung genutzt werden.

%%Rule

IF "Art der Ware" = "Miete kalt" OR "Art der Ware" = "Porto" OR

"Art der Ware" = "Arzthonorar"

THEN "keine (0%)" = P7

IF "keine (0%)" = ESTABLISHED THEN "Faktor" = (0)

IF "Art der Ware" = "Grundnahrungsmittel, außer Getränken und Alkohol" OR "Art der Ware" = "Buch oder Zeitschrift" OR "Art der Ware" = "Blumen"

THEN "ermäßigt (7%)" = P7

IF "ermäßigt (7%)" = ESTABLISHED THEN "Faktor" = (0.07)

IF "Art der Ware" = "Alkohol" OR "Art der Ware" = "Kleidung" OR

"Art der Ware" = "Sonstiges"

1 http://d3webwiki.informatik.uni-wuerzburg.de/Wiki.jsp?page=Doc%20DiagnosisRule, 18.02.2011, 17:03 Uhr

THEN "normal (19%)" = P7

IF "normal (19%)" = ESTABLISHED THEN "Faktor" = (0.19)

IF "Faktor" > -1

THEN "Nettopreis" = ("Bruttopreis incl MwSt" / (1+"Faktor") )

IF "Faktor" > -1

THEN "MwSt" = ("Bruttopreis incl MwSt") - ("Bruttopreis incl MwSt" / (1+"Faktor") )

@package: Demo

%

Abbildung 7: KnowWE – Regeln zur MwSt-Berechnung Quelle: eigene Darstellung

Das modellierte Wissen wird in einer Wissensbasis zusammengefasst:

%%KnowledgeBase MwSt-Berechnung

@uses: Demo

%

Abbildung 8: KnowWE – KnowledgeBase Quelle: eigene Darstellung

Dies ist dadurch erkenntlich, dass die Wissenselemente Bestandteil des Pakets „Demo“

(@package: Demo) sind. Die Wissensbasis nutzt (@uses: Demo) alle diese Paketinhalte und kann separat aus dem Wiki heruntergeladen werden, um in einer anderen Umgebung, z.B. auf einem Gerät, zum Einsatz zu kommen.

Auch in KnowWE selbst kann das modellierte Wissen direkt ausgeführt werden. Der Nutzer wird mittels eines Kurzinterviews ([{KnowWEPlugin quickInterview}]) auf der Wiki-Seite nach seinen Eingaben gefragt. Die hinterlegten Regeln werden ausgeführt und die Herleitungen und Berechnungsergebnisse direkt angezeigt.

Abbildung 9: KnowWE - QuickInterview Quelle: eigene Darstellung

Die angewendeten Regeln werden farblich hervorgehoben. Aufgrund der Auswahl der Warenart „Kleidung“ wird der normale Mehrwertsteuersatz von 19% etabliert (P7). Dadurch wird der Faktor mit 0,19 belegt. Aufgrund dessen wird die weitere Berechnung der gesuchten Werte durchgeführt.

Abbildung 10: KnowWE - angewendete Regeln zur MwSt-Berechnung Quelle: eigene Darstellung

Auch die gefundene Lösung wird markiert:

Abbildung 11: KnowWE - etablierte Herleitung / Diagnose für den MwSt-Satz Quelle: eigene Darstellung

Der dargestellte Modellierungsaufwand kann um das Regelwerk reduziert werden, wenn die Notation DiaFlux zum Einsatz kommt. Die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt denselben

Sachverhalt graphisch modelliert. Durch die Darstellung der Fragen und Herleitungen in der Syntax des Wikis stehen diese im DiaFlux-Editor als Knoten zur Auswahl. Ein Zugriff auf die Elemente der gesamten Wissensbasis ist von hier aus möglich.

Der Startknoten wurde modelliert, aber aus Platzgründen nicht mit in die Abbildung aufgenommen. Das gleiche gilt für den Endknoten. Der erste Knoten stellt dem Nutzer die Frage nach dem Bruttowert. Ist dieser bekannt (known), wird die Art der Ware erfragt. Aus letzterer Angabe wird der Steuersatz hergeleitet. Aus den Diagnoseknoten des Steuersatzes leiten sich direkt die abstrakten Knoten für den Berechnungsfaktor ab. In diese Knoten wird der Wert für den Faktor gesetzt. Danach laufen die alternativen Pfade im Diagramm wieder zusammen, um schließlich die Berechnungen für den Nettopreis und die Mehrwertsteuer auszuführen. Dies geschieht in den letzten beiden Knoten.

Durch die Modellierung eines Flussdiagramms mit DiaFlux vereinfacht sich also die Darstellung des Wissens. Das zugrunde liegende Wissen kann auf einen Blick erfasst werden, die komplexe Regelsyntax wird obsolet.

Abbildung 12: DiaFlux - Flussdiagramm zur Berechnung der MwSt Quelle: eigene Darstellung

2.3 Prozess- und Workflow-Modellierung

Da es sich bei der Modellierung vornehmlich klinischer Leitlinien mit DiaFlux um die Abbildung komplexer Prozesse handelt, wird an dieser Stelle auf die Modellierung eben solcher Prozesse näher eingegangen. Ein passendes Äquivalent zu der Modellierung in DiaFlux ist die Modellierung von Geschäftsprozessen – wenn auch nicht in allen Details.

„Modelle sind vereinfachte Beschreibungen bestimmter Sachverhalte der Realwelt bzw. einer gedachten Welt, mit denen man ein bestimmtes Ziel verfolgt.“1 Sie abstrahieren und reduzieren die Realität. In der Informatik repräsentieren sie unter Anderem algorithmische Problemlösungen und ermöglichen so die vereinfachte Kommunikation zwischen den an der Entwicklung beteiligten Personen. Prozessmodelle nutzen graphische Notationen, um eine gemeinsame Sprache für die Beteiligten zu schaffen.2

Modelle von Geschäftsprozessen spezifizieren bestimmte Aktivitäten und deren Beziehungen zueinander in einem komplexen Geschäftsumfeld.3 Die Aktivitäten werden in Reaktion auf ein geschäftliches Ereignis ausgeführt, um ein bestimmtes Geschäftsziel zu erreichen. Ein Beispiel hierfür kann ein Bestellprozess oder das Management einer Kundenbeschwerde sein.4 Geschäftsprozesse operieren auf Daten und repräsentieren Abhängigkeiten zwischen diesen. Für die Darstellung dieser datenbezogenen Aspekte eigenen sich Workflows.5

Der Begriff „Workflow“ bedeutet übersetzt „Arbeitsfluss“. Ein Workflow beschreibt also einen Arbeitsablauf, einen Prozess. Er unterstützt ihn technisch - gänzlich oder auch teilweise. Je nach Eingabedaten wird ein Workflow nach dem gleichen oder ähnlichen Schema durchlaufen.6 Die einzelnen Vorgangschritte werden in Abhängigkeit von Bedingungen ganz oder teilweise sequentiell, alternativ oder parallel ausgeführt.7 Durch den Workflow wird der Prozess eindeutig modelliert, was natürlich eine vollständige Beschreibung der Prozesssituation voraussetzt.8 Gerade im Zusammenhang mit DiaFlux ist der Begriff der Modellierung eines Workflows passend, da einer der grundlegenden Workflow-Typen, die das internationale Standardisierungsgremium „Workflow Management Coalition“ definiert, der folgende ist: „Der Collaborative Workflow unterstützt das

7 Vgl. [Gal97], S. 7 nach H. Heimann: Workflow Management, 1994, S. 10.

8 Vgl. http://www.itwissen.info/definition/lexikon/Workflow-workflow.html, 24.02.2011, 19:13 Uhr

gemeinsame Erarbeiten eines Ergebnisses;…“1 In DiaFlux werden gemeinschaftlich durch Wissensingenieure und Domänenexperten Wissensbasen erarbeitet und Prozessabläufe zur Diagnostik modelliert.2

2.3.1 Workflow-Konzepte und -Perspektiven

Bei der Beschreibung von Workflows spielen unterschiedliche Konzepte eine Rolle3:

• Fall / Case: zeitlich limitierter Durchlauf eines Workflows, z.B. Bestellvorgang.

• Aufgabe / Task: logische Arbeitseinheit zum Strukturieren eines Workflows, z.B.

Überprüfung eingegebener Daten. Dabei wird die Ausführung einer Aufgabe als Aktivität bezeichnet.

• Prozess: bestimmte Aufgaben in definierter Reihenfolge.

• Routing: Verfolgen von Pfaden (=Ausführung von Aufgaben) im Workflow. Dabei wird unterschieden in sequentielles, paralleles, selektives oder iteratives Routing.

• Inkraftsetzung / Enactment: Aufgaben, die nicht direkt ausgeführt werden, benötigen Auslöser wie die Initiative einer Ressource, ein externes Ereignis oder ein Zeitsignal.

Ein Workflow kann außerdem aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Die Kontrollfluss- oder Prozessperspektive definiert, welche Aufgaben in welcher Reihenfolge und entlang welches Pfades im Fluss ausgeführt werden. Die Ressourcen- oder Organisationsperspektive beschreibt die Ressourcen (Menschen, Geräte etc.) und die Beziehungen zwischen Rollen und Gruppen dieser. Dazu zählen beispielsweise Verantwortlichkeiten einzelner Personen. Die Daten- oder Informationsperspektive charakterisiert Kontrolldaten und Produktionsdaten. Kontrolldaten steuern den Durchlaufprozess des Workflows, Produktionsdaten spiegeln die informativen Inhalte (z.B.

Dokumente) wider. In der Aufgaben- oder Funktionsperspektive werden die Aufgaben, die die Ressourcen durchführen, detailliert spezifiziert. Die Durchführungs- oder Anwendungsperspektive umfasst Applikationen, die die Produktionsdaten der Informationsperspektive modifizieren und mit deren Hilfe Aufgaben erfüllt werden können.4 Die Perspektiven ähneln den Sichten des ARIS5-Hauses, das einen Ordnungsrahmen für die Spezifikation eines betrieblichen Informationssystems und dessen Prozessmodellierung bildet.6

5 ARIS = Architektur integrierter Informationssysteme 6 Vgl. [Gal97], S. 39

Für die Modellierung von Flussdiagrammen in DiaFlux und die Analyse von Anomalien werden einige dieser Perspektiven außer Acht gelassen. Die Ressourcen- oder Organisationsperspektive spielt inhaltlich keine Rolle, Ressourcen werden nicht in die Modellierung aufgenommen. Auch detaillierte Beschreibungen der einzelnen Tätigkeiten innerhalb von Aufgaben wie in der Aufgaben- und Funktionsperspektive werden nicht vorgenommen. Die Durchführungs- und Anwendungsperspektive wird ebenfalls nicht betrachtet, da die in DiaFlux modellierten klinische Richtlinien in Form von Wissensbasen aus KnowWE exportiert werden und in einem anderen Umfeld, beispielweise in der automatisierten Steuerung eines Medizingerätes, zum Einsatz kommen.

2.3.2 Datenflussperspektive

Modellierungsfehler entstehen oft im Zusammenspiel zwischen Daten- und Kontrollfluss.

Daher ist die aufmerksame Modellierung des Datenflusses von großer Bedeutung.1 In der Spezifikation des Datenflusses geht es darum, wie Daten durch Aktivitäten produziert und konsumiert werden.2 Datenelemente können gelesen, geschrieben und zerstört werden.3 Dabei bearbeiten die einzelnen Aktivitäten die Daten und besitzen eingehende (Input-/Eingabe-Daten) und ausgehende (Output-/Ausgabe-(Input-/Eingabe-Daten) Datenflüsse. Physikalisch werden die Daten nicht weiter geleitet.4

Eine Datenfluss-Matrix kann helfen, einen Überblick über den Datenfluss zu erhalten. Dabei werden in zweidimensionaler Form die unterschiedlichen Operationen der Datenelemente d den Aktivitäten v zugeordnet. Wird ein Datum durch eine Aktivität gelesen (R = read), so handelt es sich um einen Eingabewert. Wird ein Datum geschrieben (W = write), ist es der Ausgabewert der Aktivität.5 Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch eine solche Datenflussmatrix:

Datenelement / Aktivität v1 v2 v3

d1: Patientenname W R

d2: Geburtsdatum W R

Tabelle 3: Beispiel für eine Datenfluss-Matrix

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an [SZN05], S. 2919 f.

Der Datenfluss in einem Workflow muss die Ein- und Ausgabedaten verwalten, die Verfügbarkeit der Daten an den entsprechenden Stellen gewährleisten und einen konsistenten Fluss sicherstellen.1 Er kann explizit oder implizit im Kontrollfluss modelliert werden.2 In der Arbeit wird der letztgenannte Fall betrachtet, bei dem die Daten über den Kontrollfluss durch den Workflow „transportiert“ werden.

2.3.3 Kontrollfluss-Muster in der Kontrollflussperspektive (Control Flow Pattern)

Der Kontrollfluss beschreibt die Ablauffolge von Aktivitäten und somit die dynamischen Aspekte eines Prozesses. Dabei kann zwischen sequentiellen, alternativen oder parallelen Flussformen unterschieden werden.3

Der Ablauf eines Prozesses weist in jeder Modellierung wiederkehrende Muster auf, die auch Kontrollfluss-Muster genannt werden. Muster in Kontrollflüssen von Prozessen sind unabhängig von einer konkreten Modellierungssprache für Prozesse. Sie können direkt am Prozessmodell erläutert werden. Dabei ist zunächst zu klären, wie der Begriff des Prozessmodells definiert ist.4

Bei handelt es sich um ein Prozessmodell, wenn es aus einer Menge von Knoten ( ) und einer Menge von Kanten ( ) besteht. Dabei verbinden die Kanten einzelne Knoten und beschreiben den Kontrollfluss durch das Prozessmodell. Knoten werden unterschieden nach Aktivitätsknoten ( ), Ereignisknoten ( ) und Gateway-Knoten ( ).

Ein Gateway-Knoten steuert den Kontrollfluss und definiert den Typ des Prozessmodells.5 Für die nachfolgende Vorstellung der Kontrollfluss-Muster sollen folgende Festlegungen gelten:

• Jedes Muster eines Kontrollflusses wird durch ein Gateway repräsentiert.

• Aktivitäten werden durch Großbuchstaben gekennzeichnet, z.B. ; Instanzen von Aktivitäten mit den korrespondierenden Kleinbuchstaben .

• Folgt eine Aktivität auf , so kann erst starten, wenn terminiert ist.6

2.3.3.1 Sequenz / Sequence

Die Instanz einer Aktivität wird nach der Instanz einer Aktivität ausgeführt. kann erst aktiviert werden, wenn terminiert ist. Der Typ des Prozessmodells ist

.1

Abbildung 13: Sequenz Quelle: [Wes07], S. 127

2.3.3.2 AND Split

Ein AND Split verzweigt von einem einzelnen Pfad in mehrere Pfade, die parallel ausgeführt werden. Nachdem eine Instanz terminiert ist, werden die beiden Instanzen und ausgeführt. Der Typ des Prozessmodells ist .2

Abbildung 14: AND Split / paralleler Split

Abbildung 14: AND Split / paralleler Split

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