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Die geografische Marke gemäss „Swissness“-Vorlage

Im Dokument von geografischen Zeichen (Seite 22-25)

1. Das Projekt „Swissness“

Wie bereits angetönt, hat der Bundesrat vorgeschlagen, ein nationales Regis-ter für geografische Angaben zu schaffen. In dieses sollen nicht nur die ge-schützten Ursprungsbezeichnungen und die gege-schützten geografischen Anga-ben eingetragen werden können, sondern auch Marken für nicht landwirt-schaftliche Warenkategorien und die auf kantonaler Ebene geschützten Weinbezeichnungen. Das IGE sieht in der Existenz eines zweiten schweizeri-schen Registers für geografische Angaben ein wirksames Mittel, um schwei-zerische Herkunftsangaben auch im Ausland besser zu schützen. Dieses Re-gister wird sich vom bisherigen MarkenreRe-gister dadurch unterscheiden, dass

es auch Zeichen enthalten darf, die im Gemeingut stehen und sich (noch) nicht im Verkehr durchgesetzt haben; es soll das vom Bundesamt für Land-wirtschaft geführte Register für Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben ergänzen, aber nicht ersetzen.

Das gegenwärtige Markenschutzgesetz umschreibt den Schutzumfang von herkömmlichen Marken einzig mit den Worten „so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt“.53 Bezüglich der neuen geografischen Marken vertritt der Bundesrat die Meinung, dass aufgrund des relativ aufwändigen Eintragungsverfahrens54 nicht damit zu rechnen sei, dass ähnliche geografi-sche Marken ins Register eingetragen würden.55Diese Begründung überzeugt nicht. Zwar wird es nicht möglich sein, unter einer eingetragenen geografi-schen Marke andere Produkte als die im Markenreglement definierten zu produzieren. Da das Register für geografische Marken aber auch ausländi-schen Gruppierungen zur Verfügung stehen soll, kann theoretisch nicht aus-geschlossen werden, dass im Ausland ähnliche geografische Begriffe für glei-che oder gleichartige Waren hergestellt werden.56Aber selbst im Inland kann es zu Friktionen kommen: Neben den „Appenzeller Mostbröckli“ warten be-reits schon die „Appenzeller Pantli“ und die „Appenzeller Siedwürste“ auf ihren Eintrag als geschützte geografische Angabe, und wie die markenrechtli-che Auseinandersetzung57 „Appenzeller® Switzerland“, eingetragen für Ap-penzeller Käse, gegen „ApAp-penzeller Natural“, beansprucht für Milchprodukte, ausgegangen wäre, wenn die klägerische Sortenorganisation Appenzeller Käse die Verkehrsdurchsetzung nicht hätte nachweisen können, bleibt unge-wiss. Hinzu kommt, dass anscheinend weder das Bundesamt für Landwirt-schaft (BLW) noch das IGE verpflichtet sind, Eintragungsgesuche hinsicht-lich relativer Ausschlussgründe zu überprüfen. Die Behauptung, es sei nicht damit zu rechnen, dass ähnliche geografische Marken ins Register eingetra-gen würden, erscheint daher nicht überzeueingetra-gend.

Immerhin enthalten sowohl das Landwirtschaftsgesetz und die darauf ab-gestützte GUB/GGA-Verordnung als auch der Entwurf zum Register für geo-grafische Angaben detaillierte Regelungen zum Schutzumfang58. So sind ge-schützte geografische Bezeichnungen nicht nur vor Anmassung, Nachma-chung oder Nachahmung geschützt, sondern unabhängig von der Art der Er-zeugnisse auch gegen Rufausnützung. Im Besonderen bleibt auch deren Ver-wendung im Zusammenhang mit Ausdrücken wie „Art“, „Typ“, „Stil“,

„Ver-53 Art. 3 Abs. 1 lit. b und c MSchG.

54 Eintragung in ein Register i.S.v. Art. 16 LwG oder von Art. 50a E-MSchG.

55 Botschaft Swissness, BBl 2009, 8581.

56 Man denke nur an das Beispiel von Tilsit, unter welcher Bezeichnung sowohl Thurgauer als auch Käse aus der russischen Oblast Kaliningrad produziert werden darf.

57 BGE 128 III 441 – Appenzeller.

58 Art. 16 Abs. 6 LwG, Art. 17 GUB/GGA-V, Art. 50a Abs. 8 EMSchG.

Schutzumfang von geografischen Marken und Marken mit geografischen Bestandteilen

fahren“, „Methode“, „Fasson“, „Nachahmung“, „Imitation“, „nach Rezept“

oder dergleichen nur solchen Produkten vorbehalten, die das Pflichtenheft erfüllen; angesichts der geschützten geografischen Angaben „Saucisson vau-dois“ und „St. Galler Bratwurst“ ist es nicht mehr möglich, in Luzern Würste nach Waadtländer oder St. Galler Rezept herzustellen. Die Landwirtschafts-gesetzgebung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie auch die Ver-wendung von irreführenden Verpackungen59 und insbesondere jeden Rück-griff auf die besondere Form des Erzeugnisses verbietet.60Das Bundesgericht hatte sich zum Gehalt dieser Bestimmung im langjährigen Streit um die Zu-lassung des Krümmenswiler Försterkäses zu äussern. Es befand zwar, dass der Konsument bei der Nachahmung von Warenformen geschützter Land-wirtschaftsprodukte getäuscht werden könne, ohne dass die jeweiligen Pro-duktnamen gleich oder ähnlich sein müssten, dass aber die nachgeahmte Form kennzeichnungskräftig sein müsse, um in die Beurteilung der Ver-wechslungsgefahr einbezogen werden zu können. Diesen Anforderungen genügte der Tannenholzring des Vacherin Mont-d’Or nicht.61

Der vorgeschlagene Art. 50a Abs. 8 E-MSchG ist Art. 16 Abs. 7 LwG 1998 bzw. Art. 18c Abs. 6 aLwG 1951 nachgebildet.62 Er will den miss-bräuchlichen Gebrauch einer eingetragenen Angabe verhindern, welcher den Ruf und das Ansehen des Produktes schädigen oder einem Dritten einen un-gerechtfertigten Vorteil verschaffen kann. Er untersagt den Gebrauch eines geschützten Ortsnamens für Waren, die gleich oder vergleichbar sind, aber nicht aus diesem Ort stammen, sowie für solche, die nicht über die im Pflich-tenheft stehenden Eigenschaften oder Qualitäten verfügen, auch wenn sie tatsächlich aus diesem Ort kommen. Keinen Einschränkungen unterliegt der Gebrauch für andere – aber nicht vergleichbare – Waren, die tatsächlich aus diesem Ort kommen,63 während Waren anderer Herkunft das Gebot der Wahrheit und Klarheit ihrer Bezeichnungen beachten müssen.

2. Was ist neu?

Zu begrüssen ist die generelle Stossrichtung, dem Schutz der geografischen Marken vermehrt Beachtung zu schenken, insbesondere auch der Bezeich-nung „Schweiz“. Oft wird man vom Gefühl beschlichen, den Unternehmern würden ausser Verbindungen mit dem Wort „Swiss-“ und einer Sachbezeich-nung keine eingängigen Zeichen mehr einfallen, und was sich alles an

Mar-59 Z.B. Chianti-Flaschen.

60 Art. 17 Abs. 3 GUB/GGA-V.

61 BGer vom 29.10.2010, sic! 2011, 176 E. 7.3 – Vacherin Mont-d'Or AOP/Krümmenswiler Försterkäse.

62 Vgl. Botschaft Agrarpaket, BBl 1995 IV 629, 664.

63 Botschaft Swissness, BBl 2009, 8606, Ziff. 2.1.3 in fine.

ken und Firmen mit einer auf die Schweiz anspielenden Bezeichnung in den Registern tummelt, ist kaum mehr zu zählen. Sicher wird ein markenähnlicher Schutz unserer kostbaren Ursprungsbezeichnungen auch im Ausland den gehörigen Widerhall finden.

Allerdings sind die neu vorgeschlagenen Instrumente doch nicht so epo-chemachend, wie sie scheinen. Dem Schutz gegen Verwässerungen mit dem Zusatz „Typ“ oder „Tipo“ hat das Bundesgericht schon im Jahre 1934 einen Riegel geschoben und festgehalten, auch die nicht markenmässige Verwen-dung eines Markennamens mit Zusätzen wie Typ, Façon und dergleichen sei Dritten erst nach seiner Umwandlung in ein Freizeichen gestattet.64Die Ruf-ausbeutung einer Marke mit hohem Bekanntheitsgrad hat das Bundesgericht ebenso schon seit langem mit den Worten unterbunden, der Markeninhaber müsse auch davor geschützt werden, dass sich Drittzeichen an seine Marke in einer Weise anlehnen würden, die geeignet sei, dem Konsumenten die Vor-stellung von gleichwertigen Ersatzprodukten nahezulegen.65Auch kennzeich-nungskräftige Warenformen wurden in ständiger Praxis auf lauterkeitsrechtli-cher Grundlage vor Nachahmung geschützt.66

Die konsequente Anwendung dieser Grundsätze würde zur Beurteilung des Schutzumfangs der geografischen Marke genügen. Wirklich neu ist je-doch der Gedanke, grundsätzlich gemeinfreie Ursprungsbezeichnungen in ein schweizerisches Register einzutragen und auf dieser Grundlage auch interna-tionalen Schutz zu erlangen. Allerdings ist wohl noch ein weiter Weg zu hen, bis die Marke „Swiss watch“ auch im Fernen Osten anerkannt und ge-schützt wird.

64 BGE 60 II 249, 258-259 E. 4 – Tipo Bel Paese.

65 BGE 102 II 292, 296 E. 7: Gegenprodukt zu Lattoflex, 122 III 382, 388 E. 5a – Kamillosan.

66 BGE 83 II 154 – Blumenhalter, 88 IV 79 – Heizapparat; HGer SG vom 9.06.1977, Mitt 1977, 180 – Adidas-Schuhe; HGer ZH vom 20.06.1990, ZR 89 Nr. 62 – Epilady.

Im Dokument von geografischen Zeichen (Seite 22-25)