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Die fiskalische Wirkung der Flüchtlingsmigration

Aus angebotsorientierter Sicht ist die Zuwanderung der Flüchtlinge zunächst mit hohen Kosten für den Staat verbunden. Diese fallen zum Beispiel für die Unterbringung und Verpflegung der Menschen selbst an. Später sind es zusätzliche Posten wie Sprach- und Integrationskurse, die darüber hinaus mit ins Gewicht fallen.

Das Ifo-Institut geht, wie zuvor bereits benannt, in einer Schätzung bei einer Flüchtlingszahl von etwa 1,1 Millionen von Kosten in Höhe von 21,5 Milliarden Euro für 2015 aus.

In der Anfangszeit, solange die Flüchtlinge das Arbeitsangebot nicht vergrößern, stehen diesen Kosten keine Einnahmen durch die Zuwanderer gegenüber. Wie zuvor ausgeführt, wird aber durch die Zuwanderung der Flüchtlinge mittelfristig, durch den Teil der Menschen die eine Bleibebrecht erhalten, ein höheres Beschäftigungsniveau in Deutschland erwartet. Aus fiskalischer Sicht bedeutet dies eine höhere Zahl an Steuerzahlern und Arbeitern, die in die Sozialversicherungssysteme einzahlen.

Je höher die Schutzquote desto höher im späteren Verlauf auch die fiskalischen Rückflüsse für den Staat. Müssten alle Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen, ständen den Ausgaben auch langfristig keine Einnahmen gegenüber.

Da es mit Blick auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit wahrscheinlich ist, dass viele der Flüchtlinge nur im Niedriglohnbereich eine Anstellung finden, wird das Steuer- und Abgabenaufkommen geringer ausfallen als vergleichsweise bei Einheimischen.

Eine Person mit Asylstatus, die Vollzeit arbeitet, verdiente in der Vergangenheit im Durschnitt im ersten Jahr nach dem Zuzug 1100 Euro. Nach zehn Jahren lag der Wert bei 1500 Euro und nach 15 Jahren bei 1600 bis 1700 Euro. Im Vergleich zu anderen Migranten, war das Lohnniveau von Flüchtlingen im ersten Jahr ihrer Beschäftigung 400 Euro niedriger und auch nach 15 Jahren blieb im Durchschnitt eine Differenz von 300 Euro bestehen. Damit gehörten Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, in der Vergangenheit im Durchschnitt zu den am schlechtesten verdienenden

Gruppen auf dem deutschen Arbeitsmarkt (Weingartner, Maximilian und Plickert, Philip September 2015).

Zu beachten ist bei diesem Punkt, dass durch den eingeführten Mindestlohn, der Durchschnittsverdient im Niedriglohnbereich, auch für Menschen aus Asylzuzugsländern, steigen sollte.

Ein positiver Aspekt bei den aktuellen Flüchtlingen ist, dass sie im Schnitt relativ jung sind, daraus ergibt sich eine längere Zeitspanne der möglichen Erwerbstätigkeit.

Eine Möglichkeit aus Angebotssicht die direkten fiskalischen Kosten mit dessen Nutzen zu vergleichen, stellt die „Cash-Flow-Bilanz“ dar. Mit Hilfe einer „Cash-Flow-„Cash-Flow-Bilanz“ lässt sich zeigen, in welcher Höhe direkt zurechenbare Zahlungsströme vom Staat zum Bürger (z.B. in Form von Sozialleistungen, Bildungsausgaben) und vom Bürger zum Staat (z.B. in Form von gezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) fließen.

In einer 1994 veröffentlichten Studie kam Ralf Ulrich für das Basisjahr 1984 zu dem Ergebnis, dass Zuwanderer in Deutschland einen insgesamt positiven Fiskaleffekt auf den deutschen Staatshaushalt hatten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005 S. 24f).

Der Hauptgrund waren die hohen Rentenbeiträge der Zuwanderer, die großenteils jung und nicht selbst im Rentenalter waren. Dagegen nahmen Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu den Einheimischen überproportional Arbeitslosengeld, die damalige Sozialhilfe und Kindergeld in Anspruch (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005 S. 25).

Das Ergebnis dieser Studie ist nur als eine Momentaufnahme zu verstehen, da ein sich mit der Zeit verändernden Altersaufbau (und damit veränderte Nettozahlungen) der Zuwanderer nicht mitberücksichtigt wurde. Im Laufe des Lebens werden sie zum Beispiel bei der Rentenkasse vom Beitragszahler zum Empfänger.

In der Studie von Hans Werner Sinn aus dem Jahre 2001 wurde aus diesem Grund der Nettofiskaleffekt der Zuwanderer in Deutschland unter der Annahme untersucht, dass Transferleistungen und Beiträge je nach Altersabschnitt variieren. So wurden unter anderem bei den Kalkulationen zurückgestellte Sozialleistungen wie etwa Renten- und Pflegeversicherung als Transfers mitberücksichtigt. Im Gegensatz zu

Ulrich kam Sinn zu dem Ergebnis, dass die Nettobeiträge von Zuwanderern zum deutschen Sozialversicherungssystem 1997 insgesamt negativ waren. Nur bei Zuwanderern, die seit mehr als 25 Jahren in Deutschland lebten, war der fiskalische Beitrag zum Sozialversicherungssystem mit 1.670 DM positiv. Bei allen anderen Zuwanderern war der Beitrag negativ (Sinn, Hans-Werner (2001) S.226).

Eine Rolle spielt dabei der Altersaufbau. Zuwanderer sind in der Regel jünger als der Durchschnitt der einheimischen Bevölkerung in Deutschland, was sich auf die Erwerbsdauer und damit den Nettobeitrag positiv auswirkt. Sie nehmen im größeren Maße Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld in Anspruch als der Rest der Bevölkerung, dafür sind sie weniger krank und belasten so im geringeren Umfang das Gesundheitssystem (Glover, Stephen (2001) S.43f).

Bei den aktuellen Flüchtlingen geht man ebenfalls davon aus, dass diese gesünder sind als der durchschnittliche Deutsche, was wiederum am Altersaufbau liegt. Die Bundesärztekammer schätzt die Gesundheitskosten pro Flüchtling und Jahr auf 2.300 Euro. Das sind 600 Euro weniger als bei einem Deutschen („Die Welt“ 31.12.15).

In einer weiteren Studie für das DIW kommt Bauer zu der Erkenntnis, dass die Höhe des Fiskaleffekts der Zuwanderer neben der Länge des Aufenthalts in Deutschland, im besonderen Maße von einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration abhängt. Anstrengungen des Staates für eine möglichst schnelle Integration von Zuwanderern, zahlen sich so durch einen später positiven Beitrag der Zuwanderer aus (Bauer, Thomas K. 2002 S. 264f).

In diesem Zusammenhang machen sich die Arbeitsverbote für Asylbewerber in der Anfangszeit negativ bemerkbar.

Aus der bisher aktuellsten Studie von Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) geht hervor, dass im Jahr 2012 die gezahlten Steuern und Abgaben, der in Deutschland lebenden, Ausländer, die persönlich zurechenbaren Leistungen des Staates und der Sozialversicherungen (u.a. geleistete Transferleistungen und Bildungsausgaben) im Durchschnitt um 3.300 Euro pro Kopf überstiegen (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung August 2015 S. 2f)

Beachtet wird wie bei Sinn auch, dass die ausländischen Mitbürger im Laufe der Zeit älter werden und aus dem Berufsleben ausscheiden.

Werden die insgesamt erbrachten Steuern und Beiträge der ausländischen Bevölkerung den künftigen Ansprüchen an die Sozialtransfers (z.B. Rentenzahlungen) gegenübergestellt, entsteht ein Überschuss für den Staat von 22.300 Euro pro Kopf. Der Nutzen über die Lebenszeit gesehen, fällt also insgesamt positiv aus, ist aber deutlich geringer als der in der ZEW-Studie von Bonin ermittelte Überschuss für die deutsche Bevölkerung von 88.500 Euro pro Kopf („Die Zeit“ 09.01.2015).

Die Nettobeiträge werden aus Sicht des Staates generell ab dem Zeitpunkt positiv, ab dem die Menschen ins Erwerbsleben eintreten. In der Zeit davor und danach, gibt der Staat mehr Geld aus, als er zurückbekommt.

Zu beachten ist dabei, dass die deutsche Bevölkerung immer älter wird und weniger junge Menschen ins erwerbsfähige Alter nachwachsen. Der Nettobeitrag der Einheimischen ist somit im Vergleich zu den Zuwanderern zwar höher, aber es immer weniger Deutsche die diesen Beitrag tatsächlich erbringen.

Bei den 1,1 Millionen Flüchtlingen in 2015 ergibt sich so kurzfristig ein Erwerbsfähigenpotential von etwa 70 Prozent. Diese Menschen im erwerbsfähigen Alter haben dem deutschen Staat bis zu diesem Zeitpunkt keine negativen Fiskalbeiträge beschert. Die Kosten des Heranwachens dieser Menschen fielen in ihren Heimatländern an.

Somit haben sie in diesem Punkt einen Vorteil gegenüber den Einheimischen, die bis zur Zeit ihrer Erwerbsfähigkeit nur negative Fiskalbeiträge vorzuweisen haben. Eine „Hypothek“, die sie durch spätere Zeit der Beschäftigung erst wieder „abbezahlen“ müssen.

Neben direkt zurechenbaren Ausgaben und Einnahmen des Staates für seine Bürger, gibt es allgemeine Aufwandsposten, die sich nicht ohne weiteres einer einzelnen Person zuschreiben lassen. Zu diesen Kosten gehören unter anderem die Ausgaben zur Landesverteidigung, Infrastrukturmaßnahmen oder Kosten für die öffentliche Verwaltung des Landes. Im selben Zusammenhang gibt es darüber hinaus ebenfalls allgemeine Einnahmen des Staates wie zum Beispiel bestimmte Abgaben und Gebühren oder Veräußerungsgewinne durch den Verkauf von Staatsvermögen. Im Jahr 2012 lag der Saldo der allgemeinen Ausgaben des Staates abzüglich den Einnahmen bei 249 Milliarden

Euro (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung August 2015 S.

3).

Da es wie gesagt keine Möglichkeit gibt diese Kosten aufwandsgerecht jedem Bürger einzeln zurechnen, ist eine Möglichkeit der Verrechnung, diese Aufwendungen gleichmäßig auf alle Bürger der Bundesrepublik zu verteilen. Laut der im Jahr 2011 durchgeführten Volkszählung („Zensus 2011“) lebten am 9.Mai 2011 80,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Davon besaßen etwa 74 Millionen Personen die deutsche Staatsbürgerschaft und knapp 6,2 Millionen einen ausländischen Pass (Statistischen Bundesamt 31.05.2013).

Dividiert man die allgemeinen Kosten von 249 Milliarden durch die Anzahl der in Deutschland lebenden Menschen ergeben sich Kosten pro Kopf von ca. 3.105 Euro. Zusammen mit dem von Holger Bonin ermittelten positiven Saldo der direkt zurechenbaren Ausgaben und Einnahmen des Staates von ca. 3.300 Euro, ergibt sich ein positiver Wert von etwa 195 Euro für das Jahr. Erst wenn die Zinsausgaben des Staates (im Jahr 2012 lagen diese bei etwa 69 Milliarden oder ca. 860 Euro pro Bürger) gleichmäßig auf deutsche und ausländische Bürger verteilt werden, ergibt sich für das betrachtete Jahr 2012 bei den Ausländern im Land einen negativen Saldo von etwa 665 Euro pro Kopf (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung August 2015 S.

3).

Bei der Frage, ob durch die Migration positive oder negative fiskalische Effekte zu erwarten sind, ist die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob es überhaupt richtig ist, auf die Zuwanderer proportional alle allgemeinen Staatsausgaben zu verteilen. Es ist darüber hinaus zu überlegen. wie sich die entstehenden Kosten verteilen würden, wenn keine Menschen nach Deutschland zuwandern würden bzw. nur in einem geringeren Maße. Die Antwort gewinnt besonders mit Blick auf die demographische Entwicklung in Deutschland an Bedeutung.

Anstatt einer proportionalen Verteilung, wäre auch eine anteilige Anrechnung in Höhe der Grenzkosten denkbar.

Zwar erfordert ein höherer Zuzug von Menschen zum Beispiel mehr Lehrerstellen, genauso wie bei einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung, sich ein geringerer Bedarf an Lehrkräften ergibt. Aber neben den variablen Kosten (zu denen man als Beispiel

die Lehrer zählen kann), bestehen die allgemeinen Staatsausgaben zum Teil aus Fixkosten (zum Beispiel Schulgebäude, Hausmeister, Sekretariat, Rektor/in etc.). Es ist zwar möglich mittelfristig diese Kosten zu minimieren (durch Zusammenführung von Schulen zum Beispiel), aber auch der Rückbau von staatlicher Infrastruktur ist häufig mit Kosten verbunden.

Darüber hinaus gibt es Fixkosten, die völlig unabhängig von der Bevölkerungsentwicklung anfallen. Dazu gehören u.a. die Zinsen auf die Staatsschulden. 2012 machten diese 69 Milliarden Euro bzw. etwa 850 Euro pro Bundesbürger aus (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung August 2015 S. 5).

Diese Zahlungsversprechen fallen auch in Zukunft an, unabhängig ob die Bevölkerung schrumpft oder nicht. Bei einer negativen Bevölkerungsentwicklung steigen jedoch die Kosten jedes Einzelnen an, da die Kosten auf weniger Menschen verteilt werden können.

Wie erwähnt ist der Fokus auf den individuellen direkt zurechenbaren fiskalischen Nettobeitrag von Zuwanderern eine rein angebotsorientierte Betrachtung.

Aus Nachfragesicht erhöhen die Flüchtlinge wie beschrieben u.a.

kurzfristig die Staatsausgaben. Durch die Zuwanderung wird durch die gestiegene Nachfrage, ebenfalls die Beschäftigung und das damit verbundene Volkseinkommen erhöht. Ein höheres Steueraufkommen für den Staat ist wie bei der Neoklassik die Folge. Anders als bei der neoklassischen Theorie jedoch, ist nicht zwingend davon auszugehen, dass die Beschäftigungszunahme im großen Teil (abgesehen von den komplementären einheimischen Arbeitern in der angebotsorientierten Sicht) von den Zuwanderern getragen wird bzw. ist es nicht so, dass die höhere Beschäftigung auf das höhere Arbeitsangebot zurückzuführen ist. Aus Nachfragesicht wird nicht von Vollbeschäftigung ausgegangen. Wenn also durch die erhöhte Zuwanderung mehr Menschen Arbeit finden, können dies auch zuvor arbeitslose Einheimische sein, die beim herrschenden Lohnniveau Arbeit gesucht haben, aber keine Stelle finden konnten.

In diesem Punkt ist zu beachten, dass die höhere Nachfrage der Zuwanderer kurzfristig bereits zu einer höheren Arbeitsnachfrage führt und die Zuwanderer erst später auf dem Arbeitsmarkt ihre Arbeit in Konkurrenz zu den Einheimischen anbieten können. Der fiskalische Effekt, den die Zuwanderer aus Nachfragesicht beitragen, muss also

nicht durch Steuer- und Abgabenzahlungen der Zuwanderer selbst, sondern kann auch durch die höhere Beschäftigung bei den Einheimischen erfolgen.

6 Prognosen über die Wirkung der Flüchtlingsmigration