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5. Die Spenderinnen

5.1.1 Die Eizellspende innerhalb der Familie

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Thus the findings of the present phase of the study add to the growing body of literature indicating that the quality of family relationships has a greater influence on children’s psychological wellbeing than the presence or absence of a biological connection between the mother and the child. (Golombok, Readings, Blake, Casey, Marks, Jadva (2011, S. 1588)

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Die European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE) Task Force (2011) unterscheidet darüber hinaus zwei Formen der intrafamiliären Spende:

- die Spende zwischen Verwandten 1. und 2. Grades und

- die Spende zwischen Verwandten 3. Grades.

Viele Autoren/Autorinnen bemängeln, dass es kaum Richtlinien dazu gibt, wie mit

intrafamiliären Spenden zu verfahren ist, auch mangelt es an Studien zu dieser Spendeform (Jadva, Casey, Readings, Blake & Golombok, 2011). In Ländern, in denen die Eizellspende erlaubt oder nicht geregelt ist, kann jede Klinik selbst entscheiden, ob und in welcher Form sie die intrafamiliäre Spende praktizieren möchte.

Die Human Fertilisation and Emryology Authority (HFEA) hat 2010 englische Kliniken untersucht, von denen über 40% mindestens einmal im Monat eine Anfrage wegen

infrafamiliärer Spenden (hauptsächlich in der Form von Schwester zu Schwester) erhalten.

Intergenerationale Spenden (z.B. von Tochter zu Mutter oder von Nichte zu Tante) waren mit 11% seltener (Jadva, Casey, Readings, Blake & Golombok, 2011). Die Studie von

Bravermann (1993) stellt heraus, dass fast alle nordamerikanischen ART-Programme eine Schwester-zu-Schwester-Eizellspende akzeptieren, während nur 43,3% Brüder als Spender zulassen. Bei Privatpersonen scheint das Verhältnis mit mehr Toleranz für eine Spende unter Schwestern als für eine vom Bruder ausgehende Spende ähnlich ausgeprägt. So erfragte eine kalifornische Studie (Sauer, Rodi, Scrooc, Bustillo & Buster, 1988) die Einstellung von Empfängerpaaren zur Frage der Rekrutierung des/der Bruders/Schwester des/der sterilen Partners/Partnerin. Während sich 86% der Frauen und 66% der Männer für die Schwester als Spenderin entscheiden würden, traf dies bei der Wahl für den Bruder lediglich auf 9% der Frauen und 14% der Männer zu. Eine weitere Studie (Stern, Cramer, Garrod & Green, 2001) konstatiert, dass 60% der befragten Kliniken Brüder als Spender akzeptieren; 90%

akzeptieren Schwestern und 80% Freunde. Anhand dieser Zahlen wird das Inzesttabu deutlich, welches sich jedoch fast ausschließlich auf die gegengeschlechtliche Dynamik bezieht, bei der eine Fortpflanzung theoretisch auch ohne Unterstützung der

Reproduktionsmedizin möglich wäre. Die gleichgeschlechtliche Dynamik, bei der ohne Unterstützung der Reproduktionsmedizin eine Fortpflanzung ausgeschlossen ist, scheint mit keinem oder zumindest einem weitaus geringeren Vorbehalt belegt zu sein. Trotz des Wegfalls der Fortpflanzungsmöglichkeit müsste jedoch auch zwischen Schwestern das Inzesttabu bestehen. Diese selektive „Blindheit“, welche vermutlich der starken

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Eingebundenheit in eine heterosexuelle Normativität geschuldet ist, birgt nach Auffassung der Autorin ein „Risikopotenzial“. Allzu leichtfertig könnten neuartige verwandtschaftliche Beziehungen geschaffen werden, die im Alltag aufgrund der Rollenüberschneidungen zur Herausforderung werden.

Die Anzahl intergenerationaler Spenden ist zwar nicht umfassend dokumentiert (ASRM, 2012). In einer Erhebung von 1992 der SART-Mitglieder wurde jedoch herausgefunden, dass die intergenerationale Gametenspende in 39,3% von 52 untersuchten

Eizellspendeprogrammen erlaubt war. Eine Kind-zu-Eltern-Spende wurde öfter zugelassen (37,5%) als eine Eltern-zu-Kind Spende (28,6%) (Bravermann, 1993).

Das Egg-Sharing scheint häufig in solchen Ländern praktiziert zu werden,

in denen keine finanzielle Aufwandsentschädigung angeboten wird, wie z.B. in Kanada, wo sie verboten ist (Royal Commission on New Reproductive Technologies, 1993; Health Canada, 2004; Health Canada, 2005), oder in den Niederlanden, wo die offene Spende Standard ist; in Dänemark müssen die Frauen eine eigene Spenderin finden (van Berkel, Candido & Pijffers, 2007).Was die Frage angeht, welche Bevölkerungsgruppen sich für eine Verwandtenspende entscheiden, ist festzuhalten, dass viele ethnische Minderheiten auf diese Spendeform zurückgreifen. Laruelle et al. (2010) berichten, dass 60% der Paare mit

afrikanischen Wurzeln eine verwandte Spenderin (meist die Schwester oder Cousine) hatten.

Jadva, Casey, Readings, Blake & Golombok (2011) gehen davon aus, dass dies vor allem bei armen Bevölkerungsschichten womöglich die einzige Möglichkeit darstellt, überhaupt eine Eizellspende in Anspruch zu nehmen.

Bezüglich der inner- und intrafamiliären Spenderinnen wird Sorge darüber geäußert, wie es um die Autonomie eines Familienmitglieds steht, wenn es von einem anderen

Familienmitglied mit der Bitte um eine Gametenspende konfrontiert wird. Die ESHRE Task Force (2011) bringt bezüglich der intergenerationalen Spende Zweifel daran zum Ausdruck, dass die Spenderin ihre Entscheidung freiwillig trifft. Dies sei insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Spenderin sich gegenüber der Empfängerin in einer abhängigen Position befinde, wie z.B. bei einer Spende von Tochter zu Mutter. Theoretisch könne von anderen Familienmitgliedern Druck ausgeübt werden, sodass die Spenderin eine Verpflichtung zur Spende empfinde (Veyena & Golombok). Dies betrifft die intergenerationale mehr als die intragenerationale Spende (Veyena & Golombok). Es wird angenommen, dass das Risiko einer unfreien Entscheidung bei der intergenerationalen Spende deshalb größer ist (ASRM,

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2012), weil ein ökonomisch abhängiges oder emotional eng verbundenes Familienmitglied schwer eine freie und auf umfassenden Informationen basierende Entscheidung in Bezug auf die potenzielle Spende treffen kann. Auch eine intrafamiliäre Spende beinhaltet die

Möglichkeit, dass aufgrund der familiären Machtstruktur (wie es z.B. im Verhältnis von Mutter zu Tochter der Fall ist) Familienmitglieder manipuliert oder Druck ausgesetzt werden (Saunders & Garner, 1996; Marshal 1998; Ahuja, Mostyn & Simons, 1997). Manche

Autoren/Autorinnen (Sureau & Shenfield, 1995) argumentieren, dass es im Rahmen einer intergenerationalen Spende ebenso unmöglich sei, unzulässige Einflüsse (wie Abhängigkeit) auszuschließen, sodass in diesen Zusammenhängen nicht von einer völlig freien Entscheidung ausgegangen werden könne. Auch das Ethikkomitee der ASRM (2012) sieht diese

Problematik und schlussfolgert daraus: „(…) the Committee concludes that in such cases risks are raised to an unacceptable level, and as a matter of principle child to parent donation should generally be prohibitet.“ (S. 801)

Studien, die sich auf Fallkonstellationen beziehen, in denen z.B. Frauen einer Schwester, Cousine oder Schwägerin spendeten, konstatieren jedoch, dass die Frauen auf freiwilliger Basis spendeten (Winter & Daniluk, 2004; Yee et al., 2007). In der Befragung von Yee et al.

(2007) äußerten alle Spenderinnen Altruismus als Motivation.

Viele Autoren/Autorinnen widmen sich dem bereits oben angedeuteten Phänomen, dass es für die Nachkommen zu verwirrenden Verwandtschaftsbeziehungen kommen kann (Andrews &

Tiefel, 1985; Pierce, Reitmeier, Jametown, Maclin & DeJonge, 1995; Schenker, 1995; Sureau

& Shenfield, 1995; Marshall, 1998; Mitchell & Truog, 2002). Es ist möglich, über die

Eizellspende genetische Konstellationen und Verwandtschaftsbeziehungen zu generieren, die auf „natürlichem“ Wege selten vorkommen oder ganz unmöglich wären. So kann z.B. im Rahmen einer Tochter-zu-Mutter-Eizellspende die soziale Mutter, welche auch die

Schwangerschaft durchlebt, zugleich die Großmutter sein. In diesem Fall wäre die Spenderin zum einen genetische Mutter, zum anderen Halbschwester (ASRM, 2012). Einige

Experten/Expertinnen äußern Befürchtungen bezüglich negativer emotionaler Konsequenzen für die Nachkommen (Schenker, 1995; Sureau & Shenfield, 1995). Andere wiederum

argumentierten bereits vor Jahrzehnten, dass die zunehmende Komplexität familiärer Beziehungen lediglich unsere gesellschaftlichen Normen spiegele (Seibel, Zilberstein &

Seibel, 1996; Robertson, 1989).

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Das Ethik-Komitee der ASRM (ASRM, 2012) spricht sich gegen Spendekonstellationen aus, die in soziale Tabus hineinfallen, weil sie im Regelfall durch inzestuöse familiäre

Beziehungen zustande kommen.

The Commitee, however, strongly believes that fertility practices should not assist or participate in gamete donation or surrogacy arrangements in which the child would have the same genetic relationship to the participants as would children of incestuous or consanguineous unions between first – degree relatives (…).

(ASRM, 2012, S. 800).

Nach dieser ethischen Richtlinie dürfte es Spenden von Schwester zu Schwester geben, jedoch nicht von Bruder zu Schwester oder von Vater zu Tochter. Zur Umsetzung dieser Vorgabe haben Kliniken Spendeformen etabliert, welche die Möglichkeit einer

innerfamiliären Spende (trotz eines Familienmitglieds als Spenderin) umgehen. So bieten einige Kliniken Poolsysteme an. Diese Form sieht vor, dass z.B. die Schwester einer Patientin in einer Klinik in einen Pool spendet und eine ihr fremde Rezipientin diese Eizellen erhält. Im Gegenzug erhält die Schwester der Spenderin die Möglichkeit, die Eizellen einer ihr

unbekannten Spenderin zu erhalten. Eine englische Klinik, die mehrere Systeme anbietet, berichtet, dass die Hälfte der weiblichen Geschwister direkt untereinander spendet und die andere Hälfte sich für das Poolsystem entscheidet (HFEA, 2010).

Laruelle et al. (2010) untersuchten 46 Spenderinnen, die einer Verwandten spendeten. Bei diesen zeigten sich Ängste in Bezug darauf, dass die Eizellspende einen negativen Einfluss auf die mütterliche Elternrolle habe, weil die Grenzen zwischen genetischen, biologischen und sozialen Eltern sich verschöben. Andere Studien zeigen hingegen, dass z.B.

Eizellspenderinnen, die ihrer Schwester spendeten, ihre soziale Rolle innerhalb der Familie als Tante des Kindes beibehielten und sie nach eigenem Empfinden positiv ausfüllten (Winter

& Daniluk, 2004).

Eine Spende innerhalb der Familie hat zwangsläufig zur Folge, dass neben den sozialbiologischen Eltern zumindest ein weiteres Familienmitglied hinsichtlich der

Information zur Eizellspende mit Kenntnis um die Identität der Spenderin eingeweiht wird.

Dieser Umstand erschwert die Verheimlichung (der Identität) der genetischen Mutter. Lessor (1993) interviewte 14 Paare und deren Spenderinnen, die eine Eizellspende unter Schwestern praktizierten. Er fand heraus, dass die Rezipienten weniger offen darin waren, von der

Eizellspende zu berichten, als die Spenderinnen; beide Parteien waren sich jedoch darin einig,

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das Kind aufzuklären. Van Berkel, Candido & Pijffers (2007) interviewten Frauen, die nach Eizellspende mit einer bekannten Spenderin (47% Familienmitglieder) ein Kind bekamen.

82% dieser Eltern wollten ihr Kind aufklären.