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411 Die Humusbildung

Verwesung und Humifizierung, beides Prozesse der Humusbildung, werden durch Art und Menge der anfallenden Streu sowie durch die Standortsfaktoren Tem-peratur, Feuchtigkeit, Bodendurchlüftung, Basengehalt des Gesteins, Boden-pH und Bodenfauna stark beeinflußt. Bei einem großen Anteil an schwer zersetzbaren Be-standteilen in der Streu (Zellulose, Lignin) besitzt diese eine bestimmte Abbauresi-stenz und neigt zur Bildung von Moder oder Rohhumusformen. Bekannte Rohhu-musbildner sind Nadelgehölze und Zwergsträucher, wogegen Leguminosen und Gramineen eine leicht zersetzbare Streu liefern und die Mullbildung begünstigen.

Mittlere Feuchtigkeitsverhältnisse, optimale Bodendurchlüftung, relativ hohe Tem-peraturen und Bodenreaktion im neutralen Bereich bieten beste Gewähr für einen ra-schen und intensiven Streuabbau. Unter dem Einfluß einer aktiven Bodenfauna, be-sonders von Würmern, wird organisches und mineralisches Material intensiv mitein-'ander vermischt, und es bilden sich stabile Krümel. Der Abbau kann gehemmt wer-den durch Trockenheit, Vernässung, ungenügende Durchlüftung, tiefen pH-Wert oder schwer zersetzbare Streu, und es kommt zur Anreicherung von unvollständig umgewandelter organischer Substanz. Unter biologisch sehr ungünstigen Verhältnis-sen werden vorwiegend wenig polymerisierte, leicht dispergierbare Humusstoffe ge-bildet (vgl. DucHAUFOUR, 1970). Allgemein sind in der Versuchsfläche die Bedingun-gen für den Streueabbau ungünstig, so daß verschiedene Moder- und Rohhumusfor-men zu erwarten sind. Die azidophilen Zwergstrauchgesellschaften liefern eine schwer abbaubare Streu und sind als Rohhumusbildner bekannt. Das saure, basenar-me Gestein liefert bei der Verwitterung nicht genügend Basen zur Neutralisation der organischen Verbindungen. Das stark saure Milieu läßt nur eine biologisch wenig ak-tive, azidophile Mikroflora zu und ist vermutlich eine Ursache für das Fehlen der für die Bodenbildung wichtigen Würmer in der Bodenfauna. Auch die niederen mittle-ren Jahrestemperatumittle-ren und die langen Zeiten mit Bodenfrost wirken auf die biolo-gische Aktivität hemmend. In der Fläche kommen drei grundsätzlich verschiedene Humusformen vor, nämlich Rohhumus, alpiner Moder und oligotropher Mull, was auf die verschiedenen Streuarten und die mikroklimatischen Gegebenheiten zurück-zuführen ist.

412 Die Differenzierung des Mineralkörpers

Böden, die bei intensiver Silikatverwitterung einer starken Abwärtsverlagerung von Eisen, Aluminium und organischen Stoffen unterliegen, bezeichnet man als Podsole. Alle Böden in der Versuchsfläche weisen solche Anzeichen auf. Die Inten-sität der Eisenverlagerung äußert sich morpholoigsch in der Ausbildung der

diagno-stisch wichtigen Horizonte und wird deshalb vielfach bei der Klassierung der Podsole als Kriterium verwendet. Das bei der Verwitterung freigesetzte Eisen liegt unter aeroben Verhältnissen in der dreiwertigen Form vor und ist bei pH-Werten >3 schwer löslich. Eine wirksame Verlagerung von Eisen kann nur stattfinden, wenn dieses mit organischen Stoffen verhältnismäßig stabile Verbindungen bildet, die über einen wei-teren pH-Bereich im Wasser löslich sind. Besonders niedermolekulare organische Säuren können mit dem Eisen komplexe Bindungen eingehen. Sie stammen haupt-sächlich aus der frischen Streu und den daraus aufgebauten F-Horizonten, wogegen die H-Horizonte überwiegend inaktive Stoffe liefern (BLOOMFIELD, 1953, 1964;

LossAINT, 1959; WRIGHT und SCHNITZER, 1963; BRUCKERT, 1970). Daneben können peptisierte Humusstoffe auch koloidal mit dem Perkolationswasser in die Tiefe sickern (z.B. KoNONOVA, 1966; DucHAUFOUR, 1968, 1970). Das Podsolierungsvermö-gen der verschiedenen Streu- und Humusarten ist hauptsächlich von der Artenzu-sammensetzung der Vegetation und der Streumenge abhängig (ELLis, 1971).

413 Die Vegetation als Podsolierungsfaktor

Es wurde experimentell versucht, das Eisenverlagerungsvermögen der wasserlös-lichen Streusubstanzen aus vier in der Versuchsfläche verbreiteten Vegetationstypen zu ermitteln. Läßt man den wässerigen Auszug einer frischen Streu mit Fe-haltigem Material reagieren, so geht Eisen in Lösung. Als eisenhaltiges Material wurde ein Quarzsand mit Körnung 0, 1- 0,3 mm verwendet, dem eine Eisenoxidschicht aufoxi-diert worden war. Alle Versuche erfolgten im Durchflußverfahren an Säulen von 9 mm Durchmesser, wobei 1 g Sand einer Höhe von ca. 1 cm entspricht. Von der bei 105 °C getrockneten und anschließend pulverisierten Streu wurden 2,5 g mit 200 ml kaltem dest. Wasser während 24 Std. extrahiert, anschließend filtriert und mit wenig Thiomeral vergiftet. Die Durchflußgeschwindigkeit betrug für alle Versuche kon-stant 100 ml/Std.

In einem ersten Versuch perkolierten 400 ml eines Extraktes durch eine Säule, die 5 g eisenhaltigen Sand enthielt. Das Perkolat wurde in Fraktionen von 5 ml gesam-melt, und in den Fraktionen wurde der Eisengehalt bestimmt.

Resultat:

Eisengehalt eines Streuextraktes beim Durchgang durch eine Säule mit 5 g Fe-haltlgem Sand.

200 300 400

ml Streuextrakt

Die Lösung von Eisen nahm kurz nach dem Perkolationsbeginn rasch ab. Da die Eisenquelle keinesfalls erschöpft sein konnte, wurde der Vorgang durch den Extrakt selbst gehemmt, wie dies BwoMFIELD (1964) postuliert hatte. Rasterelektronische Aufnahmen zeigten eine deutliche Umhüllung der Sandkörner mit einer amorphen Masse, die nur aus organischen oder organo-metallischen Verbindungen bestehen konnte.

Folgerungen:

Während der Verlagerung laufen zwei antagonistisch wirkende Prozesse ab:

- Durch die aktiven, wasserlöslichen Substanzen (WS) wird Eisen in Lösung ge-bracht.

- Gleichzeitig werden organische, evtl. auch organo-metallische Verbindungen an den Oberflächen der Sandkörner angelagert, wodurch die weitere Fe-Aufnahme gehemmt wird.

Dies hat zur Folge, daß der Extrakt an aktiven Substanzen langsam verarmt, wo-durch sein Eisenaufnahmevermögen kleiner wird. Der Sorptionsverlust wird um so größer sein, je größer die Oberfläche ist, an der eine Anlagerung stattfinden kann.

Auf einen natürlichen Boden übertragen heißt das, daß der Extrakt je nach Korngrö-ßenverteilung in einer bestimmten Tiefe nicht mehr aktiv sein wird.

Es bleibt zu untersuchen, ob die organischen Metallkomplexe ebenfalls an den Oberflächen angelagert werden oder ob sie in der Lösung bleiben und mit dem Sik-kerwasser so lange in die Tiefe wandern, bis sie durch andere Faktoren ausgefällt wer-den. Um dies abzuklären, wurden in einem zweiten Versuch 100 ml eines Extraktes nacheinander über 12 Säulen mit je 5 g Fe-haltigem Sand geschickt. Nach jedem Durchgang wurde an einer 1-ml-Probe der Gehalt an gelöstem Eisen ermittelt.

Resultat:

Eisengehalt eines Streuextraktes in Abhängigkeit von der durchflossenen Sandmenge.

Schon nach dem Durchgang durch die 3. Säule nahm die gelöste Eisenmenge im Perkolat wieder ab. Daraus muß geschlossen werden, daß auch organische Fe-Kom-plexe sorbiert werden.

Folgerung:

Eisen kann nur so lange verlagert werden, als die Fe-Aufnahme durch den Extrakt im Nettoeffekt größer ist als die Sorption von organischen Eisenverbindungen an der Oberfläche der Eisenquelle.

Diese letzte Versuchsanordnung eignet sich gut zum Vergleich von verschiede-nen Extrakten, da sie gleichzeitig über die mögliche Verlagerungstiefe sowie über die bis zum Ausfällpunkt gelöste Eisenmenge Auskunft gibt, vorausgesetzt, die Ver-suchsbedingungen bleiben für alle Extrakte die gleichen.

Vergleichende Untersuchungen

Mit der gleichen Versuchsanordnung wie beim zweiten Versuch wurde die Wirkung der Streuextrakte von vier verschiedenen Vegetationstypen auf die beiden Kriterien - potentielle Verlagerungstiefe für Eisen

.- verlagerte Fe-Menge bis zu dieser Tiefe

untersucht. Es handelt sich dabei um die gesamte gemischte Streu von drei Zwerg-strauch- und einer Rasengesellschaft auf gleichem Mutterstein:

1. Junipero-A rctostaphyletum 2. Calamagrostietum villosae

3. Empetro- Vaccinietum hylocomietosum 4. Cetrario-loiseleurietum c/adonietosum Resultate:

0,7 4 2

0,6

C>

C ::, 0,5 ...J 0,4

·=

Q) 0,3

LL

E 0,2

0. 0.

0,1 0,0

0 2 4 6 8 10 12

Anzahl Säulen mit je 5 g Fe-haltigem Sand

Abbildung 14 Eisenverlagerungsvermögen von vier Streuextrakten.

Die Wirkung der vier Extrakte war bezüglich beider Kriterien sehr unterschied-lich. Das größte Podsolierungspotential besaß überraschenderweise der Extrakt Nr. 2 der Reitgras-Streu, aus der einzigen Gesellschaft, unter welcher sich kein Rohhu-mus bilden konnte. Unter sonst gleichen Bedingungen nimmt somit die

Nettover-lagerung von Eisen in der Reihenfolge 1<3<2::;:4 zu, und die vergleichbare Verlage-rungstiefe wird in der Reihenfolge 1<3<4<2 größer. Die Reihenfolge der vier Vege-tationstypen bezüglich des Podsolierungsvermögens gilt nur bei sonst gleichen Stand-ortsbedingungen. Dies ist in der Natur meistens nicht der Fall. Das Podsolierungs-potential stellt aber ein relatives Maß für den Einfluß der Vegetation auf die Podso-lierung dar und eignet sich vorzüglich für die Interpretation der Bodenbildung. Die wasserlöslichen Verbindungen sind verhältnismäßig leicht biologisch abbaubar.

Durch den Abbau verlieren sie ihre Fähigkeit zur Komplexbildung mit Schwerme-tallen. Ganz allgemein wirken alle Faktoren, welche die Aktivität der Mikroorganis-men hemMikroorganis-men, auf die wasserlöslichen Streustoffe konservierend (z. B. tiefes pH, Käl-te, Trockenheit, große Hitze). Eine Podsolierung findet aber nur dann statt, wenn die Streustoffe gleichzeitig mit genügend Wasser in einen durchlässigen, basenarmen Bo-den gelangen, Bo-denn in Gegenwart von größeren Mengen tauschbarer Basen, beson-ders von Ca und Mg, werden sie rasch inaktiviert (LossAINT, 1959; W RIGHT und · SCHNITZER, 1963). Besonders während ausgeprägten Naß-kalt-Phasen ist darum mit einer intensiven Eisenverlagerung zu rechnen. Wenig durchlässige, tonreiche oder gefrorene Böden unterliegen der Podsolierung in geringerem Maße. In der Versuchs-fläche sind die Voraussetzungen für die Podsolierung günstig. Das saure Gestein ver-wittert zu grobem Sand oder Grus, die Mineralböden sind entsprechend durchlässig, bei geringen Mitteltemperaturen fallen genügend Niederschläge, und die klimatische Naß-kalt-Phase wird, je nach Relief, durch die Schneeschmelze noch verlängert. In Abbildung 15 ist der Temperaturverlauf dargestellt, wie er in den vier Hauptexposi-tionen einer Geländerinne registriert wurde (TURNER et al., 1975). Die Temperatur-meßstellen sind identisch mit den Stellen, an denen die Streu für die Verlagerungs-studien gesammelt wurde. Da die Lebensvorgänge bei Temperaturen unter O °C stark gehemmt sind und bei gefrorenem Boden auch keine Verlagerung mehr stattfinden kann, wurden für die vier Standorte die Summen der positiven Monatsmittelwerte der Temperaturmaxima und -minima berechnet (Tab. 11). Diese Größen sowie die Anzahl Monate, in denen die Mittelwerte über O °C liegen, eignen sich ausgezeichnet für den Vergleich der unterschiedlichen Wärmebegünstigung. Höhere Temperaturen steigern die Aktivität der Bodenorganismen. Sie beeinflussen deshalb indirekt den Streuabbau, die Humifizierung und die Inaktivierung der für die Podsolierung be-deutsamen wasserlöslichen Streusubstanzen. Die reliefbedingte unterschiedliche Wärmebegünstigung der verschiedenen Standorte wirkt auf die allgemeine Podsolie-rungstendenz modifizierend. Nachfolgend werden die Bodenbildungstendenzen für

«Sonnen-» und «Schattenhänge», Geländerinnen und Kreten interpretiert, weil in diesen Lagen die Extreme der Bodenbildung besonders eindrücklich sind.

42 Bodenbildung an verbreiteten Standorten auf Stillberg